vorgehend
Landgericht Schwerin, 4 O 233/11, 29.03.2012
Oberlandesgericht Rostock, 4 U 69/12, 14.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 81/17
vom
8. November 2017
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:081117BVIIZR81.17.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. November 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, die Verfahren VII ZR 81/17 und VII ZR 82/17 gemäß § 147 ZPO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin fordert im vorliegenden Rechtsstreit eine Entschädigung in Höhe von 431.783,60 € für die ihrer Ansicht nach wegen einer Verzögerung der Vergabeentscheidung erforderlich gewordene Vorhaltung einer mobilen Stahlgleitwand. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von 430.688,62 € verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.
2
Im Verfahren VII ZR 82/17 macht die Klägerin eine Vergütung für infolge verkürzter Bauzeit nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 94.778,24 € geltend. Nach dem von der Beklagten erteilten Auftrag war eine Stahlgleitwand für 588 Tage vorgesehen. Diese wurde auf Weisung der Beklagten nur an 333 Tagen eingesetzt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung des geforderten Betrags verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.
3
Sie beantragt, das vorliegende Verfahren mit dem Verfahren VII ZR 82/17 gemäß § 147 ZPO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden, und führt zur Begründung aus, die in beiden Verfahren geltend gemachten Forderungen bildeten in der Summe den allein noch streitigen Schlussrechnungssaldo, der nur einheitlich durchgesetzt werden könne. Die Ansprüche könnten auch in rechtlicher Hinsicht nicht unabhängig voneinander beurteilt werden.

II.

4
Von einer Verbindung der Verfahren VII ZR 81/17 und VII ZR 82/17 gemäß § 147 ZPO, über die der Senat in derselben Spruchgruppe zu entscheiden hat, wird abgesehen.
5
1. Nach § 147 ZPO kann das Gericht die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage geltend gemacht werden können. Die Vorschrift dient der Prozessökonomie und ermöglicht eine einheitliche Verhandlung, Beweisaufnahme und Entscheidung, wenn der Streitstoff sonst ohne sachlichen Grund willkürlich in mehrere Prozesse zerlegt würde (vgl. MünchKommZPO/ Fritsche, 5. Aufl., § 147 Rn. 1; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 14. Aufl., § 147 Rn. 1; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 147 Rn. 1).
6
2. Die Voraussetzungen des § 147 ZPO, unter denen eine Prozessverbindung zwischen diesem und dem gleichfalls beim Senat anhängigen Verfahren VII ZR 82/17 zulässig wäre, liegen zwar vor. Die Prozessverbindung ist jedoch weder aus Rechtsgründen geboten noch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten veranlasst.
7
a) Eine Verbindung des vorliegenden Verfahrens mit dem zwischen den Parteien anhängigen weiteren Verfahren VII ZR 82/17 ist nicht deswegen rechtlich geboten, weil es sich bei den jeweils streitgegenständlichen Klageforderungen um die verbleibenden streitigen Positionen aus der von der Klägerin gestellten Schlussrechnung handelt. Zwar sind die für verschiedene Leistungen angesetzten Beträge in Bezug auf den Schlussrechnungssaldo lediglich als Rechnungsposten anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2008 - VII ZR 43/07, BauR 2008, 871, 872, juris Rn. 5 = NZBau 2008, 319; Urteil vom 9. November 2006 - VII ZR 151/05, BauR 2007, 429, 430, juris Rn. 15 = NZBau 2007, 167; Urteil vom 22. Oktober 1998 - VII ZR 167/97, BauR 1999, 251, 252, juris Rn. 9 f.). Dies schließt es jedoch nicht aus, dass eine Teilforderung aus einem Schlussrechnungssaldo im Wege der Teilklage geltend gemacht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2008 - VII ZR 43/07, aaO).
8
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dem Urteil des Senats vom 15. April 2004 (VII ZR 471/01, BauR 2004, 1146, 1147, juris Rn. 15) nichts anderes zu entnehmen. Dieses betrifft das Verhältnis von Abschlags- und Schlussrechnungsforderung und stellt klar, dass mit Abnahme und Erteilung der Schlussrechnung das Recht zur vorläufigen Abrechnung erlischt und damit auch die Berechtigung, eine vorläufige Abrechnung durchzusetzen. Die Abschlagsrechnung bleibt auch nicht als unselbständiger Bestandteil der Schlussrechnungsforderung bestehen, soweit identische Leistungen abgerechnet werden. Nach Erteilung der Schlussrechnung gibt es vielmehr nur noch eine Werklohnforderung. Die Problematik, ob nach Erteilung einer Schlussrechnung eine zuvor erteilte Abschlagsrechnung noch durchgesetzt werden kann, stellt sich weder im vorliegenden Verfahren noch in dem beim Senat anhängigen Parallelverfahren. Die Ausführungen im Urteil vom 15. April 2004 (VII ZR 471/01, aaO), wonach nach Erteilung einer Schlussrechnung lediglich noch eine Werklohnforderung besteht, sind auch nicht dahin zu verstehen, dass die Schlussrechnungsforderung stets nur im Ganzen einheitlich geltend gemacht werden könnte.
9
Die Verbindung der beiden Verfahren ist auch nicht deswegen aus Rechtsgründen geboten, weil beide Verfahren in ihrer rechtlichen Beurteilung voneinander abhängig sind und die Zuerkennung des Anspruchs im vorliegenden Verfahren zur vollständigen oder teilweisen Ablehnung des Anspruchs im Verfahren VII ZR 82/17 führen müsste. Soweit die Beklagte eine solche rechtliche Abhängigkeit beider Verfahren daraus herleiten will, dass der Unternehmer aus dem Umstand, dass der Anspruch auf angemessene Entschädigungnach § 642 BGB den Vergütungsanspruch grundsätzlich unberührt lässt, keinen unberechtigten Vorteil ziehen dürfe, führt dies nicht dazu, dass über die in beiden Verfahren geltend gemachten Ansprüche einheitlich zu entscheiden wäre. Die vom Berufungsgericht in beiden Verfahren ausgeurteilten Beträge übersteigen in ihrer Summe nicht den Betrag, der sich bei Zusammenrechnung der geltend gemachten Vorhaltekosten und der Vergütung für die vereinbarte Leistungszeit ergibt.
10
b) Eine Verbindung des vorliegenden Verfahrens mit dem weiteren Verfahren VII ZR 82/17 dient auch nicht der Prozessökonomie. Beiden Verfahren liegen unterschiedliche Streitgegenstände zugrunde, die rechtlich unabhängig voneinander beurteilt werden können. Die Verfahrensverbindung führt zudem nicht zu einer Vereinfachung oder einer im Interesse der Parteien liegenden einheitlichen Prozessführung, die eine Prozessverbindung gemäß § 147 ZPO geboten oder zweckmäßig erscheinen ließe.
Eick Halfmeier Jurgeleit Graßnack Brenneisen

Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 29.03.2012 - 4 O 233/11 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 14.03.2017 - 4 U 69/12 -

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 81/17 Verkündet am:
26. April 2018
Klein,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Anspruch auf Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes
für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten wegen verzögerter
Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren steht dem Auftragnehmer nicht
aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 642 BGB zu.
BGH, Urteil vom 26. April 2018 - VII ZR 81/17 - OLG Rostock
LG Schwerin
ECLI:DE:BGH:2018:260418UVIIZR81.17.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. März 2017 - 4 U 69/12 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 29. März 2012 wird, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt worden ist, zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert den Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekos- ten für eine mobile Stahlgleitwand wegen einer durch die Verlängerung von Zuschlagsfristen eingetretene Verzögerung im Vergabeverfahren.
2
Die Beklagte führte im Jahr 2004 eine öffentliche Ausschreibung betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19 für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung durch, an dem sich die Klägerin mit einem Angebot zu einem Gesamtpreis von 1.076.416,75 € netto beteiligte. Darin bot die Klägerin entsprechend der Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage zu einem Einheitspreis von 1.184 €/Tag netto an. In der Ausschreibung war als Frist für die Ausführung der Leistungen der Zeitraum von September 2004 bis April 2006 angegeben, vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses. Nach den der Ausschreibung zugrunde liegenden Besonderen Vertragsbedingungen sollte die Ausführung der Arbeiten spätestens zwölf Tage nach Zuschlagserteilung beginnen, insbesondere der Aufbau der Verkehrssicherung spätestens 36 Werktage nach Zuschlagserteilung erfolgen. Die am 2. September 2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mit Zustimmung der Klägerin mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 31. März 2006. Am 30. März 2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für die angebotenen Arbeiten über 1.186.211,26 € brutto nach Abzug eines Nachlasses von 5 %.
3
Wegen der Dauer des Vergabeverfahrens hatte die Klägerin im Jahr 2005 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene und von ihr vorgehaltene Stahlgleitwand sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen. Bei Zuschlagserteilung musste die Klägerin daher die benötigte Stahlgleitwand bei einem Nachunternehmer anmieten. Mit Nachtragsangebot vom 22. November 2006 und in der Schlussrechnung vom 11. Oktober 2007 machte die Klägerin Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Ver- längerung der Zuschlagsfrist in Höhe von 648.832 € geltend. Die Beklagte kürzte die Schlussrechnung um diese Position.
4
Die Stahlgleitwand wurde auf Weisung der Beklagten nur an 333 Tagen eingesetzt, da die Beklagte die Baumaßnahme erheblich beschleunigte. Wegen der Verkürzung der Leistungszeit macht die Klägerin einen Anspruch in Höhe von 94.778,24 € geltend, der Gegenstand des Parallelverfahrens VII ZR 82/17 ist.
5
Mit der Klage hat die Klägerin unter Vorlage eines Privatgutachtens, in dem die Vertragspreise kalkulatorisch aufgeschlüsselt und die konkrete Menge und Dauer der Vorhaltung der Stahlgleitwand bis zur Zuschlagserteilung ermittelt worden sind, den Ersatz von Vorhaltekosten in Höhe von 431.783,60 € verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage in Höhe von 430.688,62 € nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten und Zinsen stattgegeben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist, und die vollständige Zurückweisung der Berufung der Klägerin erreichen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
7
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

I.

8
Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:
9
Der Klägerin stehe infolge der verzögerten Vergabe und der daraus resultierenden Vorhaltung der mobilen Stahlgleitwand ein Anspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 642 BGB zu. Der werkvertragliche Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB sei auf das bei öffentlicher Ausschreibung zwischen Auftraggeber und Bieter begründete vertragsähnliche Verhältnis für die Erfassung einer verschuldensunabhängigen Entschädigung des Auftragnehmers analog anzuwenden.
10
Eine Regelung zu einer verschuldensunabhängigen vorvertraglichen Haftung des Auftraggebers im Falle unterbliebener beziehungsweise verzögerter Mitwirkung bei öffentlichen Ausschreibungen fehle. Ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B (2002) erfasse nicht den Fall einer vorvertraglichen Behinderung infolge einer verzögerten Zuschlagserteilung. Die Klägerin mache keine wegen der Bauzeitverschiebung erhöhten Preise oder Ähnliches geltend, sondern verlange Entschädigung für das in Erwartung des Zuschlags erfolgte Vorhalten ihrer Leistung.
11
Es bestehe insoweit eine planwidrige Regelungslücke, deren Schließung zur sachgerechten Abstimmung von Vergabe- und Vertragsrecht geboten erscheine. Das infolge von Verzögerungen im Vergabeverfahren bedingte Vorhalten von Leistungen (Arbeitskraft, Gerät und Kapital) des Bestbieters entspreche dem vertraglichen Vorhalten der Leistung bei einem Annahmeverzug des Bestellers gemäß § 642 BGB. Denn die vorvertragliche Interessenlage der Beteiligten des Vergabeverfahrens entspreche im Wesentlichen der der Werkvertragsparteien. Bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist sei der Bieter nicht nur preislich an sein Angebot gebunden, er erkläre darüber hinaus, zu den in der Aus- schreibung festgelegten Ausführungsterminen leistungsbereit zu sein. Der öffentliche Auftraggeber habe ebenfalls ein Interesse daran, dass der Bieter entsprechend den Ausführungsterminen mit der Ausführung seiner Leistungen beginne. Dass in Fällen einer verzögerten Vergabeentscheidung der Bestbieter allein das damit verbundene Verzögerungsrisiko tragen solle, sei angesichts der vergleichbaren Konstellation zu den von § 642 BGB erfassten Fällen ein Wertungswiderspruch. Allein der Umstand, dass sich das Verzögerungsrisiko vor dem durch Zuschlagserteilung wirksamen Vertragsschluss realisiert habe, ändere nichts an der im Werkvertragsrecht vorgenommenen Risikozuweisung.
12
Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin 14,8 km mobile Stahlgleitwand aus dem eigenen Fundus entsprechend den Ausschreibungsspezifika nach dem Submissionsergebnis in berechtigter Erwartung des Zuschlags vorgehalten habe, um zeitnah nach dem avisierten Zuschlagstermin am 2. September 2004 ihre vertraglichen Leistungen termingerecht erbringen zu können. Die von der Klägerin vorgenommene Berechnung des Anspruchs beinhalte die nach § 642 BGB zu entschädigenden Positionen. Die Klägerin mache auf (nachträglicher) kalkulativer Grundlage Vorhaltekosten und Allgemeine Geschäftskosten zuzüglich Umsatzsteuer geltend. Durchgreifende Angriffe der Beklagten bezüglich der Berechnung des Klageanspruchs seien nicht erkennbar. Der Vortrag der Klägerin hierzu sei plausibel (§ 287 ZPO).

II.

13
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
14
Ein Anspruch auf Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand in Höhe von 430.688,62 € wegen verzögerter Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Es kann daher dahinstehen, ob sich, wie die Revision geltend macht, bereits aus dem Inhalt der Ausschreibung, insbesondere der vorbehaltenen Beauftragung des Bauhauptloses, ergibt, dass der Klägerin das Risiko, die Stahlgleitwand während des Vergabeverfahrens vorzuhalten, in vollem Umfang zugewiesen worden war.
15
1. Die Parteien haben einen Vertrag geschlossen, der den spätesten Ausführungsbeginn auf zwölf Werktage nach dem 2. September 2004, dem Ende der in der Ausschreibung vorgesehenen Bindefrist, festlegte. Die Klägerin hat ein entsprechendes Angebot abgegeben; die Beklagte hat dieses Angebot mit ihrem Zuschlagsschreiben vom 30. März 2006 unverändert angenommen. Dies gilt unabhängig davon, dass der in dem Angebot für den Beginn der Ausführung vorgesehene späteste Termin zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Ein Zuschlag in einem Vergabeverfahren ist regelmäßig so auszulegen, dass er sich auch auf wegen Zeitablaufs obsolet gewordene Fristen und Termine bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 37; Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 21 = NZBau 2009, 771). Eine Auslegung der Ausschreibungsunterlagen dahingehend, dass für die Bauzeit in jedem Fall an einen noch nicht feststehenden tatsächlichen Zuschlagstermin angeknüpft wird, kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 20).
16
2. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dem Auftragnehmer ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B zustehen, soweit es infolge verzögerter Vergabe zu einer Verschiebung der Ausführungsfristen gekommen ist (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, BGHZ 186, 295 Rn. 12; Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 11 = NZBau 2009, 771). Die Ver- mutung der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung gilt bei einem Bauvertrag nicht unabhängig von der vereinbarten Leistungszeit, weil diese regelmäßig Einfluss auf die Vereinbarung der Höhe der Vergütung des Auftragnehmers hat. Deshalb hat die durch ein verzögertes Vergabeverfahren bedingte Änderung der Leistungszeit auch zur Folge, dass die Parteien sich über eine Anpassung der Vergütung verständigen müssen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, aaO Rn. 25; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 49). Kommt es nicht zu einer solchen Einigung, ist der Vertrag ergänzend auszulegen. Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner für den von ihnen nicht geregelten Fall vereinbart hätten. Danach ist die Bauzeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls anzupassen. Besonderheiten, wie etwa Bauerschwernisse oder -erleichterungen durch jahreszeitliche Verschiebungen, sind unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen beider Parteien und vor dem Hintergrund, dass der Auftragnehmer der Bindefristverlängerung zugestimmt hat, zu berücksichtigen. Die Grundsätze des vereinbarten § 6 Abs. 3 und 4 VOB/B sind sinngemäß anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 27; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO Rn. 48). Zugleich ist der vertragliche Vergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B anzupassen (BGH, Urteil vom 8. März 2012 - VII ZR 202/09, BauR 2012, 939 Rn. 20 = NZBau 2012, 287; Urteil vom 26. November 2009 - VII ZR 131/08, BauR 2010, 455 Rn. 13 = NZBau 2010, 102; Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 28; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO Rn. 49).
17
b) Noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass diese für Fälle der verzögerten Vergabe entwickelten Grundsätze im Streitfall zu keinem Anspruch der Klägerin führen, da die Klägerin keine Mehrvergütung in An- lehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B aufgrund der Verschiebung der Ausführungsfristen geltend macht, sondern den Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten im Zeitraum bis zur verzögerten Zuschlagserteilung. Das Klagebegehren beruht nicht auf einer nach Vertragsschluss eingetretenen Veränderung von rechtsgeschäftlich an die Einhaltung der Bauzeit geknüpften Leistungspflichten der Klägerin, die sie durch eine entsprechende Anpassung/ Erhöhung der von der Beklagten nach dem Vertrag geschuldeten Vergütung (Gegenleistung) ausgeglichen wissen will (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 14 = NZBau 2009, 771). Die Klägerin stützt ihren Anspruch vielmehr auf die verzögerte Erteilung des Zuschlags und knüpft die begehrte Rechtsfolge damit an eine Störung der vorvertraglichen Rechtsbeziehung.
18
3. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch in Höhe der geltend gemachten Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand bis zur Zuschlagserteilung gemäß § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1 und § 280 Abs. 1 BGB zu. Es kann offen bleiben, ob - wie die Revision geltend macht - eine der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung im Vergabeverfahren aufgrund von Verzögerungen bei der Vergabe des Hauptbauloses vorgelegen hat. Denn die Klägerin fordert mit der Klage keine etwa von ihr in Erwartung des Vertragsschlusses getätigten konkreten Aufwendungen, sondern eine Entschädigung für das Vorhalten ihrer Leistung bis zur Erteilung des Zuschlags, die sie nach Maßgabe des § 642 BGB auf der Grundlage der für die Leistung kalkulierten Vergütung einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten berechnet hat. Es kann daher ebenfalls dahingestellt bleiben, ob Fehler im Vergabeverfahren überhaupt einen Anspruch des Bieters auf Ersatz von solchen konkreten Aufwendungen begründen könnten.
19
4. Anders als das Berufungsgericht meint, steht der Klägerin infolge der verzögerten Vergabe ein Anspruch auf Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand bis zur Zuschlagserteilung auch in entsprechender Anwendung des § 642 BGB nicht zu.
20
a) § 642 BGB regelt einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des Unternehmers, wenn der Besteller eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung unterlässt, die bei der Herstellung des Werks erforderlich ist, und der Besteller hierdurch in Annahmeverzug gerät (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 - VII ZR 16/17, BauR 2018, 242 Rn. 19 = NZBau 2018, 25; Urteil vom 20. April 2017 - VII ZR 194/13, BauR 2017, 1361 Rn. 18 = NZBau 2017, 596, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Die angemessene Entschädigung nach § 642 BGB wird für die Wartezeiten des Unternehmers gezahlt und stellt eine Kompensation für die Bereithaltung von Personal , Geräten und Kapital dar (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 - VII ZR 16/17, aaO Rn. 28 m.w.N.).
21
b) Eine unmittelbare Anwendung des § 642 BGB kommt im Streitfall nicht in Betracht, da - wovon auch das Berufungsgericht ausgeht - in dem Zeitraum, für den Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand geltend gemacht werden, noch kein Werkvertrag zwischen den Parteien bestand und die Beklagte keine Obliegenheit zur Vornahme einer bei der Herstellung des Werks erforderlichen Mitwirkungshandlung im Sinne des § 642 Abs. 1 BGB traf (vgl. Bornheim/ Badelt, ZfBR 2008, 249, 257).
22
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Peters, NZBau 2010, 156 f.) kann ein Annahmeverzug des Auftraggebers nicht im Wege einer vermeintlichen Rückwirkung der Zuschlagserteilung auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Ablaufs der Bindefrist begründet werden. Das Verhal- ten der Parteien im Rahmen der Bindefristverlängerung und der Zuschlagserteilung ist dahin auszulegen, dass sie den Vertrag zwar bereits bindend schließen, über neue, dem eingetretenen Zeitablauf Rechnung tragende Fristen und dadurch bedingte Preissteigerungen jedoch noch eine Einigung herbeiführen wollten (BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 24 = NZBau 2009, 771; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 44). Kommt es nicht zu der von den Parteien erwarteten nachträglichen Einigung, existiert eine zu füllende Regelungslücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist, wobei die Bauzeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls anzupassen ist und Bauerschwernisse oder -erleichterungen zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 24, 27; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO Rn. 44, 48). Im Hinblick auf die bei einer verspäteten Zuschlagserteilung erforderliche Vertragsanpassung gerät der Auftraggeber daher nicht bereits deswegen in Annahmeverzug, weil im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung die Ausführungstermine bereits verstrichen sind.
23
c) Ein Anspruch auf Ersatz von Vorhaltekosten des Bieters wegen verzögerter Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren kann nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 642 BGB gestützt werden. Es ist bereits zweifelhaft, ob eine planwidrige Regelungslücke gegeben ist. Eine Ausdehnung des § 642 BGB auf den vorvertraglichen Bereich in Fällen der Zuschlagsverzögerung scheitert jedenfalls an der für eine entsprechende Anwendung erforderlichen vergleichbaren Interessenlage. Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung besteht kein Grund für eine verschuldensunabhängige Haftung des Auftraggebers für die Folgen von Zuschlagsverzögerungen, die nicht auf einer Pflichtverletzung beruhen (Kau/Hänsel, NJW 2011, 1914, 1916; vgl. auch Althaus/ Bartsch in Althaus/Heindl, Der öffentliche Bauauftrag, 3. Aufl., Teil 4, Rn. 224).
24
aa) Der Bieter, der sich im Vergabeverfahren leistungsbereit hält, nimmt die Vorhaltung seiner Leistung deswegen in Kauf, weil er darauf hofft, dass ihm der Zuschlag erteilt wird. Es handelt sich um Kosten der Vertragsakquise, die - vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien - grundsätzlich vom Bieter zu tragen sind. Vor Abschluss des Vertrags handelt der Bieter , der seine Leistung vorhält, insoweit auf eigenes Risiko. Denn der Auftraggeber ist gegenüber dem Bieter nicht zum Vertragsschluss verpflichtet, sondern lediglich zur Durchführung eines vergaberechtskonformen Verfahrens. Die Ungewissheit , ob und wann dem Bieter der Zuschlag erteilt wird, gehört zum allgemeinen Risiko eines jeden, der sich an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligt.
25
bb) Vor diesem allgemeinen Risiko wird der Bieter hinreichend dadurch geschützt, dass sein Angebot befristet ist und eine Verlängerung der Bindefrist seiner Zustimmung bedarf. Stimmt der Bieter einer Bindefristverlängerung zu, erklärt er damit, dass der angebotene Preis bei unveränderter Leistung und unveränderten Leistungszeiten bis zum Ablauf der Bindefrist gilt (vgl. BGH, Urteile vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 37 = NZBau 2009, 771; VII ZR 82/08, BGHZ 182, 218 Rn. 29). Der Bieter hat in einem solchen Fall daher weiterhin das für jeden Bieter sich aus einer solchen Verlängerung ergebende Risiko zu tragen.
26
cc) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts lief die Klägerin nicht wegen des in der Ausschreibung festgelegten Ausführungstermins von zwölf Werktagen nach Zuschlagserteilung Gefahr, mit ihrer Leistung nach erfolgtem Zuschlag in Leistungsverzug zu geraten, wenn sie sich nicht während des gesamten Vergabeverfahrens vorsorglich leistungsbereit hielt. Nach dem vorstehend Gesagten war aufgrund der Erteilung des Zuschlags nach Ablauf der in der Ausschreibung genannten Bindefrist im Wege der Vertragsanpassung ein neuer Ausführungstermin zwischen den Parteien zu vereinbaren. Da hierbei die Umstände des Einzelfalls und die sinngemäße Anwendung der Grundsätze des § 6 Nr. 3 und 4 VOB/B (2002) auch im Interesse der Klägerin zu berücksichtigen waren, bestand für sie keine Veranlassung, die mobile Stahlgleitwand über den gesamten Zeitraum der verzögerten Vergabe vorzuhalten. Die Klägerin durfte im Hinblick auf das Erfordernis einer nachträglichen Anpassung der vertraglichen Ausführungsfristen zudem nicht davon ausgehen, dass eine solche Vorhaltung ihrer Leistung dem Interesse der Beklagten als Auftraggeberin entsprach.
27
5. Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben. Das Urteil ist im angefochtenen Umfang aufzuheben. Die Berufung der Klägerin ist, soweit über sie nicht bereits rechtskräftig erkannt worden ist, zurückzuweisen. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO.

III.

28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Kartzke Halfmeier Jurgeleit Graßnack Brenneisen
Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 29.03.2012 - 4 O 233/11 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 14.03.2017 - 4 U 69/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 82/17 Verkündet am:
26. April 2018
Mohr,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/B (2002) § 8 Nr. 1 Abs. 2, § 2 Nr. 3

a) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom
Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2
VOB/B (2002), sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung
nicht anderweitig geeinigt haben (im Anschluss an BGH, Urteil
vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463).

b) Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B
(2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen
Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen
der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (im
Anschluss an BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01,
BauR 2004, 495 = NZBau 2004, 207).
BGH, Urteil vom 26. April 2018 - VII ZR 82/17 - OLG Rostock
LG Schwerin
ECLI:DE:BGH:2018:260418UVIIZR82.17.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. März 2017 - 4 U 155/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert eine Vergütung für infolge verkürzter Bauzeit nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 94.778,24 €.
2
Die Beklagte führte im Jahr 2004 eine öffentliche Ausschreibung betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19 für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung durch, an dem sich die Klägerin mit einem Angebot zu einem Gesamtpreis von 1.076.416,75 € netto beteiligte. Darin bot die Klägerin entsprechend der Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage zu einem Einheitspreis von 1.184 €/Tag netto an. In der Ausschreibung war als Frist für die Ausführung der Leistungen der Zeitraum von September 2004 bis April 2006 angegeben, vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses. Die am 2. September 2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mit Zustimmung der Klägerin mehrfach verlängert. Am 30. März 2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für die angebo- tenen Arbeiten über 1.186.211,26 € brutto nach Abzug eines Nachlasses von 5 %.
3
Wegen der Dauer des Vergabeverfahrens hatte die Klägerin im Jahr 2005 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene und von ihr vorgehaltene Stahlgleitwand sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen. Bei Zuschlagserteilung musste die Klägerin daher die benötigte Stahlgleitwand bei einem Nachunternehmer anmieten. Die Klägerin machte Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Verlängerung der Zuschlagsfrist in Höhe von 431.783,60 € geltend. Diese Forderung ist Gegenstand des Parallelverfahrens VII ZR 81/17.
4
Die Stahlgleitwand wurde auf Weisung der Beklagten nur an 333 Tagen eingesetzt, da diese die Baumaßnahme erheblich beschleunigte. Die Klägerin beansprucht für die infolge vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht erbrachten Leistungen auf der Grundlage eines vorgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens und unter Berücksichtigung eines Nachlasses von 5 % eine Vergütung in Höhe von insgesamt 94.778,24 €.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung des geforderten Betrags verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
7
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

I.

8
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe aufgrund der erheblich verkürzten Bau- bzw. Vorhaltezeit ein Anspruch aus § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) zu. Die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, die ca. 14.800 m lange Stahlgleitwand bereits nach einer Standzeit von 333 Tagen (statt nach vereinbarten 588 Tagen) abzubauen, sei nach verständiger Auslegung als eine den Anspruch nach § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) begründende freie Kündigung anzusehen. Die Beklagte habe aufgrund der Notwendigkeit zur vorzeitigen Fertigstellung der Baumaßnahme von ihrem freien Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Angesichts der erheblichen Beschleunigung der Baumaßnahme wegen der enormen Verzögerung beim Baubeginn einerseits und der notwendigen Fertigstellung des Autobahnteilstücks vor dem G 8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 andererseits habe die Kündigung ihre Ursache allein im Risiko- und Verantwortungsbereich der Beklagten.
9
Die als Kündigung auszulegende Aufforderung zum Abbau der Stahlgleitwand habe zwar nicht dem Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) entsprochen. Indes sei allgemein anerkannt, dass bei einem VOBVertrag die Kündigungsregelungen in §§ 8, 9 VOB/B (2002) jedenfalls auch dann Geltung erlangen sollen, wenn von einer einverständlichen Vertragsaufhebung auszugehen sei und die Parteien sich nicht über deren Folgen ausdrücklich verständigt hätten. Aufgrund des nach Aufforderung der Beklagten erfolgten Abbaus der Stahlgleitwand und der weiteren Baustellenräumung sowie der Fertigstellung der Baumaßnahme sei hier die Annahme einer einver- nehmlichen (konkludenten) Vertragsaufhebung berechtigt. Vorliegend hätten sich die Parteien über die Folgen dieser einvernehmlichen Vertragsaufhebung ausdrücklich nicht verständigt.
10
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei dahin auszulegen, dass die Klägerin die Vorhaltung der Stahlgleitwand in einem Umfang von 14.800 m für mindestens 588 Tage schuldete. Bei einer Verkürzung der vertraglich vereinbarten Leistungs(Miet-)zeit werde der Auftragnehmer in seiner berechtigten Vergütungserwartung für den gesamten Zeitraum enttäuscht. Aufgrund des überwiegend mietrechtlichen Charakters der streitgegenständlichen Bauleistung sei eine Anpassung nach den Regelungen zur Vergütungsanpassung für Mehr- und Mindermengen beim Einheitspreisvertrag gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nicht vorzunehmen. Im Übrigen komme eine Anwendung des § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nur in Betracht, wenn sich die Verringerung der Leistung ohne Einwirkung des Auftraggebers wegen der an Ort und Stelle vorgefundenen Verhältnisse ergebe, was vorliegend nicht der Fall sei.
11
Die Klägerin mache aufgrund einer nachträglichen Kalkulation ihres Angebotspreises den Vergabegewinn, den Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten als nicht ersparte Kosten geltend. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihrem Vergütungsanspruch nur solche Vergütungsbestandteile zugrunde lege, die ohnehin nicht erspart werden könnten und ihr unabhängig von einem anderweitigen Erwerb zuständen, mithin durch anderweitigen Erwerb nicht kompensiert werden könnten. Gegen die Berechnung des Anspruches habe die Beklagte keine substantiierten Angriffe geführt.

II.

12
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
13
1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Klägerin nach teilweiser einvernehmlicher Aufhebung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags vom 30. März 2006 nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) ein Vergütungsanspruch wegen nicht erbrachter Leistungen in Höhe von 94.778,24 € zusteht.
14
a) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Vertrag vom 30. März 2006 durch die Beschleunigungsmaßnahmen der Beklagten, die dazu geführt haben, dass die Vorhaltung der Stahlgleitwand nur an 333 Tagen statt wie im Leistungsverzeichnis angegeben 588 Tagen erforderlich war, teilweise einvernehmlich vorzeitig beendet worden ist.
15
aa) Das Berufungsgericht legt den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag hinsichtlich der darin enthaltenen Position zur Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage dahin aus, dass die Klägerin danach verpflichtet war, entsprechend der in Aussicht genommenen Bauzeit eine Stahlgleitwand für einen Zeitraum von insgesamt 588 Tagen zur Verfügung zu halten. Die tatrichterliche Vertragsauslegung ist revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2015 - VII ZR 58/14, NZBau 2016, 213 Rn. 15; Urteil vom 9. Juli 2015 - VII ZR 5/15, BGHZ 206, 203 Rn. 20; Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 - VII ZR 87/14, NJW 2015, 1107 Rn. 14; Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 60/14, BauR 2015, 828 Rn. 17 m.w.N. = NZBau 2015, 220). Beachtliche Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Vertragsauslegung liegen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor.
16
Die Auffassung der Revision, das Berufungsgericht sei von einem Pauschalpreis - und nicht von einem Einheitspreisvertrag ausgegangen, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat vielmehr zugrunde gelegt, dass das Vorhalten der Stahlgleitwand nach den im Vertrag vereinbarten Einheitspreisen je Tag der Vorhaltung abzurechnen war. Soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass der Zeitraum der Vorhaltung der Stahlgleitwand mit 588 Tagen verbindlich im Sinne einer Mindestvertragslaufzeit vereinbart worden ist, begegnet dies keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist möglich und widerspricht insbesondere nicht dem Grundsatz einer interessengerechten Auslegung.
17
Soweit die Revision dagegen anführt, die Beklagte habe in der Leistungsbeschreibung "Baubeschreibung Verkehrsführung" gefordert, die Einheitspreise so zu kalkulieren, dass diese für die gesamte Bauzeit verbindlich sind, steht dies einer interessengerechten Auslegung nicht entgegen. Dieser von der Beklagten vorgegebene Passus der Leistungsbeschreibung stützt vielmehr die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich ein Bieter auf eine Bauzeit von 588 Tagen einzurichten und seine Preise entsprechend zu kalkulieren hatte.
18
bb) Ausgehend von der Annahme, dass die Klägerin nach dem Vertrag eine Stahlgleitwand jedenfalls für eine Bauzeit von 588 Tagen zur Verfügung halten musste, stellt die Anforderung der Stahlgleitwand durch die Beklagte während eines Zeitraums von lediglich 333 Tagen eine Verkürzung der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit dar, die einer Teilkündigung des Vertrags gleichzustellen ist. Da nach den von der Revision insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts von einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung auszugehen ist, kommt es auf die von der Revision für erheblich gehaltene Frage, ob die Parteien auf das für eine Kündigung geltende Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) verzichten können, nicht entscheidend an.
19
b) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002), der inhaltlich weitgehend dem § 649 Satz 2 BGB entspricht , sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung nicht anderweitig geeinigt haben (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463 f., juris Rn. 25 f.m.w.N.; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 8 Abs. 6 VOB/B Rn. 8; O. Vogel, BauR 2011, 313, 315). Feststellungen zu einer solchen Vereinbarung hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
20
aa) § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) verdrängt, wie das Berufungsgericht richtig erkennt, als speziellere Regelung den § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) (vgl. OLG Celle, BauR 1995, 558, juris Rn. 4; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 2 Abs. 3 VOB/B Rn. 33; Kapellmann/Schiffers/Markus, Vergütung , Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, Einheitspreisvertrag , 7. Aufl., Rn. 512; Kuffer in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 13. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 111). Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01, BauR 2004, 495, 496, juris Rn. 18 = NZBau 2004, 207). Diese Voraussetzung ist, wie dargestellt, nicht erfüllt.
21
bb) Der Klägerin steht danach gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) die vereinbarte Vergütung zu; sie muss sich jedoch anrechnen lassen, was sie infolge der teilweisen Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft und ihres Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Das Berufungsgericht hält in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin einen Betrag in Höhe von 94.778,24 € für gerechtfertigt. Dies begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 - VII ZR 201/15, BGHZ 209, 278 Rn. 27; Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, BGHZ 143, 79, 83 f., juris Rn. 13; Urteil vom 30. September 1999 - VII ZR 206/98, BauR 2000, 126, 128, juris Rn. 13 = NZBau 2000, 140; Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 277/97, BGHZ 140, 263, 269, juris Rn. 25). Die Höhe der von der Klägerin errechneten Vergütung wird von der Revision im Übrigen nicht angegriffen.
22
2. Die Klägerin kann von der Beklagten weiterhin unter dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß § 280 Abs. 1, § 286 BGB Ersatz der durch die vorgerichtliche Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen Rechtsver- folgungskosten in der geltend gemachten Höhe von 1.935,50 € nach einem Gegenstandswert von 94.778,24 € verlangen. Eine Obliegenheit der Klägerin, ihren Prozessbevollmächtigten hinsichtlich des im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Vergütungsanspruchs und des im Parallelverfahren VII ZR 81/17 verfolgten Zahlungsanspruchs einen einheitlichen Auftrag zu erteilen , folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits daraus, dass sie in diesem Fall wegen der Zusammenrechnung der Forderungen infolge der sich aus der Gebührentabelle ergebenden Gebührenstufen insgesamt eine geringere Verfahrensgebühr an ihre Prozessbevollmächtigten hätte zahlen müssen. Da die Klägerin berechtigt war, die beiden Ansprüche in zwei getrennten Prozessen geltend zu machen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. November 2017 - VII ZR 81/17 und VII ZR 82/17), ist die Erteilung zweier getrennter Aufträge nicht als Verstoß gegen § 254 Abs. 2 Satz 1, 2. Fall BGB zu bewerten. Die Hö- he der von der Klägerin nach einem Streitwert von 94.778,24 € zu beanspru- chenden Gebühr steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

III.

23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kartzke Halfmeier Jurgeleit Graßnack Brenneisen

Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 29.11.2012 - 4 O 270/12 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 14.03.2017 - 4 U 155/12 -

Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 82/17 Verkündet am:
26. April 2018
Mohr,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/B (2002) § 8 Nr. 1 Abs. 2, § 2 Nr. 3

a) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom
Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2
VOB/B (2002), sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung
nicht anderweitig geeinigt haben (im Anschluss an BGH, Urteil
vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463).

b) Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B
(2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen
Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen
der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (im
Anschluss an BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01,
BauR 2004, 495 = NZBau 2004, 207).
BGH, Urteil vom 26. April 2018 - VII ZR 82/17 - OLG Rostock
LG Schwerin
ECLI:DE:BGH:2018:260418UVIIZR82.17.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. März 2017 - 4 U 155/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert eine Vergütung für infolge verkürzter Bauzeit nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 94.778,24 €.
2
Die Beklagte führte im Jahr 2004 eine öffentliche Ausschreibung betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19 für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung durch, an dem sich die Klägerin mit einem Angebot zu einem Gesamtpreis von 1.076.416,75 € netto beteiligte. Darin bot die Klägerin entsprechend der Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage zu einem Einheitspreis von 1.184 €/Tag netto an. In der Ausschreibung war als Frist für die Ausführung der Leistungen der Zeitraum von September 2004 bis April 2006 angegeben, vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses. Die am 2. September 2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mit Zustimmung der Klägerin mehrfach verlängert. Am 30. März 2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für die angebo- tenen Arbeiten über 1.186.211,26 € brutto nach Abzug eines Nachlasses von 5 %.
3
Wegen der Dauer des Vergabeverfahrens hatte die Klägerin im Jahr 2005 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene und von ihr vorgehaltene Stahlgleitwand sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen. Bei Zuschlagserteilung musste die Klägerin daher die benötigte Stahlgleitwand bei einem Nachunternehmer anmieten. Die Klägerin machte Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Verlängerung der Zuschlagsfrist in Höhe von 431.783,60 € geltend. Diese Forderung ist Gegenstand des Parallelverfahrens VII ZR 81/17.
4
Die Stahlgleitwand wurde auf Weisung der Beklagten nur an 333 Tagen eingesetzt, da diese die Baumaßnahme erheblich beschleunigte. Die Klägerin beansprucht für die infolge vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht erbrachten Leistungen auf der Grundlage eines vorgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens und unter Berücksichtigung eines Nachlasses von 5 % eine Vergütung in Höhe von insgesamt 94.778,24 €.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung des geforderten Betrags verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
7
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

I.

8
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe aufgrund der erheblich verkürzten Bau- bzw. Vorhaltezeit ein Anspruch aus § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) zu. Die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, die ca. 14.800 m lange Stahlgleitwand bereits nach einer Standzeit von 333 Tagen (statt nach vereinbarten 588 Tagen) abzubauen, sei nach verständiger Auslegung als eine den Anspruch nach § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) begründende freie Kündigung anzusehen. Die Beklagte habe aufgrund der Notwendigkeit zur vorzeitigen Fertigstellung der Baumaßnahme von ihrem freien Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Angesichts der erheblichen Beschleunigung der Baumaßnahme wegen der enormen Verzögerung beim Baubeginn einerseits und der notwendigen Fertigstellung des Autobahnteilstücks vor dem G 8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 andererseits habe die Kündigung ihre Ursache allein im Risiko- und Verantwortungsbereich der Beklagten.
9
Die als Kündigung auszulegende Aufforderung zum Abbau der Stahlgleitwand habe zwar nicht dem Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) entsprochen. Indes sei allgemein anerkannt, dass bei einem VOBVertrag die Kündigungsregelungen in §§ 8, 9 VOB/B (2002) jedenfalls auch dann Geltung erlangen sollen, wenn von einer einverständlichen Vertragsaufhebung auszugehen sei und die Parteien sich nicht über deren Folgen ausdrücklich verständigt hätten. Aufgrund des nach Aufforderung der Beklagten erfolgten Abbaus der Stahlgleitwand und der weiteren Baustellenräumung sowie der Fertigstellung der Baumaßnahme sei hier die Annahme einer einver- nehmlichen (konkludenten) Vertragsaufhebung berechtigt. Vorliegend hätten sich die Parteien über die Folgen dieser einvernehmlichen Vertragsaufhebung ausdrücklich nicht verständigt.
10
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei dahin auszulegen, dass die Klägerin die Vorhaltung der Stahlgleitwand in einem Umfang von 14.800 m für mindestens 588 Tage schuldete. Bei einer Verkürzung der vertraglich vereinbarten Leistungs(Miet-)zeit werde der Auftragnehmer in seiner berechtigten Vergütungserwartung für den gesamten Zeitraum enttäuscht. Aufgrund des überwiegend mietrechtlichen Charakters der streitgegenständlichen Bauleistung sei eine Anpassung nach den Regelungen zur Vergütungsanpassung für Mehr- und Mindermengen beim Einheitspreisvertrag gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nicht vorzunehmen. Im Übrigen komme eine Anwendung des § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nur in Betracht, wenn sich die Verringerung der Leistung ohne Einwirkung des Auftraggebers wegen der an Ort und Stelle vorgefundenen Verhältnisse ergebe, was vorliegend nicht der Fall sei.
11
Die Klägerin mache aufgrund einer nachträglichen Kalkulation ihres Angebotspreises den Vergabegewinn, den Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten als nicht ersparte Kosten geltend. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihrem Vergütungsanspruch nur solche Vergütungsbestandteile zugrunde lege, die ohnehin nicht erspart werden könnten und ihr unabhängig von einem anderweitigen Erwerb zuständen, mithin durch anderweitigen Erwerb nicht kompensiert werden könnten. Gegen die Berechnung des Anspruches habe die Beklagte keine substantiierten Angriffe geführt.

II.

12
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
13
1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Klägerin nach teilweiser einvernehmlicher Aufhebung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags vom 30. März 2006 nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) ein Vergütungsanspruch wegen nicht erbrachter Leistungen in Höhe von 94.778,24 € zusteht.
14
a) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Vertrag vom 30. März 2006 durch die Beschleunigungsmaßnahmen der Beklagten, die dazu geführt haben, dass die Vorhaltung der Stahlgleitwand nur an 333 Tagen statt wie im Leistungsverzeichnis angegeben 588 Tagen erforderlich war, teilweise einvernehmlich vorzeitig beendet worden ist.
15
aa) Das Berufungsgericht legt den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag hinsichtlich der darin enthaltenen Position zur Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage dahin aus, dass die Klägerin danach verpflichtet war, entsprechend der in Aussicht genommenen Bauzeit eine Stahlgleitwand für einen Zeitraum von insgesamt 588 Tagen zur Verfügung zu halten. Die tatrichterliche Vertragsauslegung ist revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2015 - VII ZR 58/14, NZBau 2016, 213 Rn. 15; Urteil vom 9. Juli 2015 - VII ZR 5/15, BGHZ 206, 203 Rn. 20; Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 - VII ZR 87/14, NJW 2015, 1107 Rn. 14; Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 60/14, BauR 2015, 828 Rn. 17 m.w.N. = NZBau 2015, 220). Beachtliche Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Vertragsauslegung liegen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor.
16
Die Auffassung der Revision, das Berufungsgericht sei von einem Pauschalpreis - und nicht von einem Einheitspreisvertrag ausgegangen, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat vielmehr zugrunde gelegt, dass das Vorhalten der Stahlgleitwand nach den im Vertrag vereinbarten Einheitspreisen je Tag der Vorhaltung abzurechnen war. Soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass der Zeitraum der Vorhaltung der Stahlgleitwand mit 588 Tagen verbindlich im Sinne einer Mindestvertragslaufzeit vereinbart worden ist, begegnet dies keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist möglich und widerspricht insbesondere nicht dem Grundsatz einer interessengerechten Auslegung.
17
Soweit die Revision dagegen anführt, die Beklagte habe in der Leistungsbeschreibung "Baubeschreibung Verkehrsführung" gefordert, die Einheitspreise so zu kalkulieren, dass diese für die gesamte Bauzeit verbindlich sind, steht dies einer interessengerechten Auslegung nicht entgegen. Dieser von der Beklagten vorgegebene Passus der Leistungsbeschreibung stützt vielmehr die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich ein Bieter auf eine Bauzeit von 588 Tagen einzurichten und seine Preise entsprechend zu kalkulieren hatte.
18
bb) Ausgehend von der Annahme, dass die Klägerin nach dem Vertrag eine Stahlgleitwand jedenfalls für eine Bauzeit von 588 Tagen zur Verfügung halten musste, stellt die Anforderung der Stahlgleitwand durch die Beklagte während eines Zeitraums von lediglich 333 Tagen eine Verkürzung der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit dar, die einer Teilkündigung des Vertrags gleichzustellen ist. Da nach den von der Revision insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts von einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung auszugehen ist, kommt es auf die von der Revision für erheblich gehaltene Frage, ob die Parteien auf das für eine Kündigung geltende Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) verzichten können, nicht entscheidend an.
19
b) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002), der inhaltlich weitgehend dem § 649 Satz 2 BGB entspricht , sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung nicht anderweitig geeinigt haben (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463 f., juris Rn. 25 f.m.w.N.; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 8 Abs. 6 VOB/B Rn. 8; O. Vogel, BauR 2011, 313, 315). Feststellungen zu einer solchen Vereinbarung hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
20
aa) § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) verdrängt, wie das Berufungsgericht richtig erkennt, als speziellere Regelung den § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) (vgl. OLG Celle, BauR 1995, 558, juris Rn. 4; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 2 Abs. 3 VOB/B Rn. 33; Kapellmann/Schiffers/Markus, Vergütung , Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, Einheitspreisvertrag , 7. Aufl., Rn. 512; Kuffer in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 13. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 111). Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01, BauR 2004, 495, 496, juris Rn. 18 = NZBau 2004, 207). Diese Voraussetzung ist, wie dargestellt, nicht erfüllt.
21
bb) Der Klägerin steht danach gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) die vereinbarte Vergütung zu; sie muss sich jedoch anrechnen lassen, was sie infolge der teilweisen Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft und ihres Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Das Berufungsgericht hält in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin einen Betrag in Höhe von 94.778,24 € für gerechtfertigt. Dies begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 - VII ZR 201/15, BGHZ 209, 278 Rn. 27; Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, BGHZ 143, 79, 83 f., juris Rn. 13; Urteil vom 30. September 1999 - VII ZR 206/98, BauR 2000, 126, 128, juris Rn. 13 = NZBau 2000, 140; Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 277/97, BGHZ 140, 263, 269, juris Rn. 25). Die Höhe der von der Klägerin errechneten Vergütung wird von der Revision im Übrigen nicht angegriffen.
22
2. Die Klägerin kann von der Beklagten weiterhin unter dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß § 280 Abs. 1, § 286 BGB Ersatz der durch die vorgerichtliche Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen Rechtsver- folgungskosten in der geltend gemachten Höhe von 1.935,50 € nach einem Gegenstandswert von 94.778,24 € verlangen. Eine Obliegenheit der Klägerin, ihren Prozessbevollmächtigten hinsichtlich des im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Vergütungsanspruchs und des im Parallelverfahren VII ZR 81/17 verfolgten Zahlungsanspruchs einen einheitlichen Auftrag zu erteilen , folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits daraus, dass sie in diesem Fall wegen der Zusammenrechnung der Forderungen infolge der sich aus der Gebührentabelle ergebenden Gebührenstufen insgesamt eine geringere Verfahrensgebühr an ihre Prozessbevollmächtigten hätte zahlen müssen. Da die Klägerin berechtigt war, die beiden Ansprüche in zwei getrennten Prozessen geltend zu machen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. November 2017 - VII ZR 81/17 und VII ZR 82/17), ist die Erteilung zweier getrennter Aufträge nicht als Verstoß gegen § 254 Abs. 2 Satz 1, 2. Fall BGB zu bewerten. Die Hö- he der von der Klägerin nach einem Streitwert von 94.778,24 € zu beanspru- chenden Gebühr steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

III.

23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kartzke Halfmeier Jurgeleit Graßnack Brenneisen

Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 29.11.2012 - 4 O 270/12 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 14.03.2017 - 4 U 155/12 -

Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 81/17 Verkündet am:
26. April 2018
Klein,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Anspruch auf Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes
für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten wegen verzögerter
Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren steht dem Auftragnehmer nicht
aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 642 BGB zu.
BGH, Urteil vom 26. April 2018 - VII ZR 81/17 - OLG Rostock
LG Schwerin
ECLI:DE:BGH:2018:260418UVIIZR81.17.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. März 2017 - 4 U 69/12 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 29. März 2012 wird, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt worden ist, zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert den Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekos- ten für eine mobile Stahlgleitwand wegen einer durch die Verlängerung von Zuschlagsfristen eingetretene Verzögerung im Vergabeverfahren.
2
Die Beklagte führte im Jahr 2004 eine öffentliche Ausschreibung betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19 für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung durch, an dem sich die Klägerin mit einem Angebot zu einem Gesamtpreis von 1.076.416,75 € netto beteiligte. Darin bot die Klägerin entsprechend der Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage zu einem Einheitspreis von 1.184 €/Tag netto an. In der Ausschreibung war als Frist für die Ausführung der Leistungen der Zeitraum von September 2004 bis April 2006 angegeben, vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses. Nach den der Ausschreibung zugrunde liegenden Besonderen Vertragsbedingungen sollte die Ausführung der Arbeiten spätestens zwölf Tage nach Zuschlagserteilung beginnen, insbesondere der Aufbau der Verkehrssicherung spätestens 36 Werktage nach Zuschlagserteilung erfolgen. Die am 2. September 2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mit Zustimmung der Klägerin mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 31. März 2006. Am 30. März 2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für die angebotenen Arbeiten über 1.186.211,26 € brutto nach Abzug eines Nachlasses von 5 %.
3
Wegen der Dauer des Vergabeverfahrens hatte die Klägerin im Jahr 2005 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene und von ihr vorgehaltene Stahlgleitwand sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen. Bei Zuschlagserteilung musste die Klägerin daher die benötigte Stahlgleitwand bei einem Nachunternehmer anmieten. Mit Nachtragsangebot vom 22. November 2006 und in der Schlussrechnung vom 11. Oktober 2007 machte die Klägerin Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Ver- längerung der Zuschlagsfrist in Höhe von 648.832 € geltend. Die Beklagte kürzte die Schlussrechnung um diese Position.
4
Die Stahlgleitwand wurde auf Weisung der Beklagten nur an 333 Tagen eingesetzt, da die Beklagte die Baumaßnahme erheblich beschleunigte. Wegen der Verkürzung der Leistungszeit macht die Klägerin einen Anspruch in Höhe von 94.778,24 € geltend, der Gegenstand des Parallelverfahrens VII ZR 82/17 ist.
5
Mit der Klage hat die Klägerin unter Vorlage eines Privatgutachtens, in dem die Vertragspreise kalkulatorisch aufgeschlüsselt und die konkrete Menge und Dauer der Vorhaltung der Stahlgleitwand bis zur Zuschlagserteilung ermittelt worden sind, den Ersatz von Vorhaltekosten in Höhe von 431.783,60 € verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage in Höhe von 430.688,62 € nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten und Zinsen stattgegeben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist, und die vollständige Zurückweisung der Berufung der Klägerin erreichen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
7
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

I.

8
Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:
9
Der Klägerin stehe infolge der verzögerten Vergabe und der daraus resultierenden Vorhaltung der mobilen Stahlgleitwand ein Anspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 642 BGB zu. Der werkvertragliche Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB sei auf das bei öffentlicher Ausschreibung zwischen Auftraggeber und Bieter begründete vertragsähnliche Verhältnis für die Erfassung einer verschuldensunabhängigen Entschädigung des Auftragnehmers analog anzuwenden.
10
Eine Regelung zu einer verschuldensunabhängigen vorvertraglichen Haftung des Auftraggebers im Falle unterbliebener beziehungsweise verzögerter Mitwirkung bei öffentlichen Ausschreibungen fehle. Ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B (2002) erfasse nicht den Fall einer vorvertraglichen Behinderung infolge einer verzögerten Zuschlagserteilung. Die Klägerin mache keine wegen der Bauzeitverschiebung erhöhten Preise oder Ähnliches geltend, sondern verlange Entschädigung für das in Erwartung des Zuschlags erfolgte Vorhalten ihrer Leistung.
11
Es bestehe insoweit eine planwidrige Regelungslücke, deren Schließung zur sachgerechten Abstimmung von Vergabe- und Vertragsrecht geboten erscheine. Das infolge von Verzögerungen im Vergabeverfahren bedingte Vorhalten von Leistungen (Arbeitskraft, Gerät und Kapital) des Bestbieters entspreche dem vertraglichen Vorhalten der Leistung bei einem Annahmeverzug des Bestellers gemäß § 642 BGB. Denn die vorvertragliche Interessenlage der Beteiligten des Vergabeverfahrens entspreche im Wesentlichen der der Werkvertragsparteien. Bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist sei der Bieter nicht nur preislich an sein Angebot gebunden, er erkläre darüber hinaus, zu den in der Aus- schreibung festgelegten Ausführungsterminen leistungsbereit zu sein. Der öffentliche Auftraggeber habe ebenfalls ein Interesse daran, dass der Bieter entsprechend den Ausführungsterminen mit der Ausführung seiner Leistungen beginne. Dass in Fällen einer verzögerten Vergabeentscheidung der Bestbieter allein das damit verbundene Verzögerungsrisiko tragen solle, sei angesichts der vergleichbaren Konstellation zu den von § 642 BGB erfassten Fällen ein Wertungswiderspruch. Allein der Umstand, dass sich das Verzögerungsrisiko vor dem durch Zuschlagserteilung wirksamen Vertragsschluss realisiert habe, ändere nichts an der im Werkvertragsrecht vorgenommenen Risikozuweisung.
12
Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin 14,8 km mobile Stahlgleitwand aus dem eigenen Fundus entsprechend den Ausschreibungsspezifika nach dem Submissionsergebnis in berechtigter Erwartung des Zuschlags vorgehalten habe, um zeitnah nach dem avisierten Zuschlagstermin am 2. September 2004 ihre vertraglichen Leistungen termingerecht erbringen zu können. Die von der Klägerin vorgenommene Berechnung des Anspruchs beinhalte die nach § 642 BGB zu entschädigenden Positionen. Die Klägerin mache auf (nachträglicher) kalkulativer Grundlage Vorhaltekosten und Allgemeine Geschäftskosten zuzüglich Umsatzsteuer geltend. Durchgreifende Angriffe der Beklagten bezüglich der Berechnung des Klageanspruchs seien nicht erkennbar. Der Vortrag der Klägerin hierzu sei plausibel (§ 287 ZPO).

II.

13
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
14
Ein Anspruch auf Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand in Höhe von 430.688,62 € wegen verzögerter Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Es kann daher dahinstehen, ob sich, wie die Revision geltend macht, bereits aus dem Inhalt der Ausschreibung, insbesondere der vorbehaltenen Beauftragung des Bauhauptloses, ergibt, dass der Klägerin das Risiko, die Stahlgleitwand während des Vergabeverfahrens vorzuhalten, in vollem Umfang zugewiesen worden war.
15
1. Die Parteien haben einen Vertrag geschlossen, der den spätesten Ausführungsbeginn auf zwölf Werktage nach dem 2. September 2004, dem Ende der in der Ausschreibung vorgesehenen Bindefrist, festlegte. Die Klägerin hat ein entsprechendes Angebot abgegeben; die Beklagte hat dieses Angebot mit ihrem Zuschlagsschreiben vom 30. März 2006 unverändert angenommen. Dies gilt unabhängig davon, dass der in dem Angebot für den Beginn der Ausführung vorgesehene späteste Termin zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Ein Zuschlag in einem Vergabeverfahren ist regelmäßig so auszulegen, dass er sich auch auf wegen Zeitablaufs obsolet gewordene Fristen und Termine bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 37; Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 21 = NZBau 2009, 771). Eine Auslegung der Ausschreibungsunterlagen dahingehend, dass für die Bauzeit in jedem Fall an einen noch nicht feststehenden tatsächlichen Zuschlagstermin angeknüpft wird, kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 20).
16
2. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dem Auftragnehmer ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B zustehen, soweit es infolge verzögerter Vergabe zu einer Verschiebung der Ausführungsfristen gekommen ist (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, BGHZ 186, 295 Rn. 12; Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 11 = NZBau 2009, 771). Die Ver- mutung der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung gilt bei einem Bauvertrag nicht unabhängig von der vereinbarten Leistungszeit, weil diese regelmäßig Einfluss auf die Vereinbarung der Höhe der Vergütung des Auftragnehmers hat. Deshalb hat die durch ein verzögertes Vergabeverfahren bedingte Änderung der Leistungszeit auch zur Folge, dass die Parteien sich über eine Anpassung der Vergütung verständigen müssen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, aaO Rn. 25; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 49). Kommt es nicht zu einer solchen Einigung, ist der Vertrag ergänzend auszulegen. Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner für den von ihnen nicht geregelten Fall vereinbart hätten. Danach ist die Bauzeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls anzupassen. Besonderheiten, wie etwa Bauerschwernisse oder -erleichterungen durch jahreszeitliche Verschiebungen, sind unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen beider Parteien und vor dem Hintergrund, dass der Auftragnehmer der Bindefristverlängerung zugestimmt hat, zu berücksichtigen. Die Grundsätze des vereinbarten § 6 Abs. 3 und 4 VOB/B sind sinngemäß anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 27; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO Rn. 48). Zugleich ist der vertragliche Vergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B anzupassen (BGH, Urteil vom 8. März 2012 - VII ZR 202/09, BauR 2012, 939 Rn. 20 = NZBau 2012, 287; Urteil vom 26. November 2009 - VII ZR 131/08, BauR 2010, 455 Rn. 13 = NZBau 2010, 102; Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 28; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO Rn. 49).
17
b) Noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass diese für Fälle der verzögerten Vergabe entwickelten Grundsätze im Streitfall zu keinem Anspruch der Klägerin führen, da die Klägerin keine Mehrvergütung in An- lehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B aufgrund der Verschiebung der Ausführungsfristen geltend macht, sondern den Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten im Zeitraum bis zur verzögerten Zuschlagserteilung. Das Klagebegehren beruht nicht auf einer nach Vertragsschluss eingetretenen Veränderung von rechtsgeschäftlich an die Einhaltung der Bauzeit geknüpften Leistungspflichten der Klägerin, die sie durch eine entsprechende Anpassung/ Erhöhung der von der Beklagten nach dem Vertrag geschuldeten Vergütung (Gegenleistung) ausgeglichen wissen will (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 14 = NZBau 2009, 771). Die Klägerin stützt ihren Anspruch vielmehr auf die verzögerte Erteilung des Zuschlags und knüpft die begehrte Rechtsfolge damit an eine Störung der vorvertraglichen Rechtsbeziehung.
18
3. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch in Höhe der geltend gemachten Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand bis zur Zuschlagserteilung gemäß § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1 und § 280 Abs. 1 BGB zu. Es kann offen bleiben, ob - wie die Revision geltend macht - eine der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung im Vergabeverfahren aufgrund von Verzögerungen bei der Vergabe des Hauptbauloses vorgelegen hat. Denn die Klägerin fordert mit der Klage keine etwa von ihr in Erwartung des Vertragsschlusses getätigten konkreten Aufwendungen, sondern eine Entschädigung für das Vorhalten ihrer Leistung bis zur Erteilung des Zuschlags, die sie nach Maßgabe des § 642 BGB auf der Grundlage der für die Leistung kalkulierten Vergütung einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten berechnet hat. Es kann daher ebenfalls dahingestellt bleiben, ob Fehler im Vergabeverfahren überhaupt einen Anspruch des Bieters auf Ersatz von solchen konkreten Aufwendungen begründen könnten.
19
4. Anders als das Berufungsgericht meint, steht der Klägerin infolge der verzögerten Vergabe ein Anspruch auf Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand bis zur Zuschlagserteilung auch in entsprechender Anwendung des § 642 BGB nicht zu.
20
a) § 642 BGB regelt einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des Unternehmers, wenn der Besteller eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung unterlässt, die bei der Herstellung des Werks erforderlich ist, und der Besteller hierdurch in Annahmeverzug gerät (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 - VII ZR 16/17, BauR 2018, 242 Rn. 19 = NZBau 2018, 25; Urteil vom 20. April 2017 - VII ZR 194/13, BauR 2017, 1361 Rn. 18 = NZBau 2017, 596, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Die angemessene Entschädigung nach § 642 BGB wird für die Wartezeiten des Unternehmers gezahlt und stellt eine Kompensation für die Bereithaltung von Personal , Geräten und Kapital dar (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 - VII ZR 16/17, aaO Rn. 28 m.w.N.).
21
b) Eine unmittelbare Anwendung des § 642 BGB kommt im Streitfall nicht in Betracht, da - wovon auch das Berufungsgericht ausgeht - in dem Zeitraum, für den Vorhaltekosten für die mobile Stahlgleitwand geltend gemacht werden, noch kein Werkvertrag zwischen den Parteien bestand und die Beklagte keine Obliegenheit zur Vornahme einer bei der Herstellung des Werks erforderlichen Mitwirkungshandlung im Sinne des § 642 Abs. 1 BGB traf (vgl. Bornheim/ Badelt, ZfBR 2008, 249, 257).
22
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Peters, NZBau 2010, 156 f.) kann ein Annahmeverzug des Auftraggebers nicht im Wege einer vermeintlichen Rückwirkung der Zuschlagserteilung auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Ablaufs der Bindefrist begründet werden. Das Verhal- ten der Parteien im Rahmen der Bindefristverlängerung und der Zuschlagserteilung ist dahin auszulegen, dass sie den Vertrag zwar bereits bindend schließen, über neue, dem eingetretenen Zeitablauf Rechnung tragende Fristen und dadurch bedingte Preissteigerungen jedoch noch eine Einigung herbeiführen wollten (BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 24 = NZBau 2009, 771; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 44). Kommt es nicht zu der von den Parteien erwarteten nachträglichen Einigung, existiert eine zu füllende Regelungslücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist, wobei die Bauzeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls anzupassen ist und Bauerschwernisse oder -erleichterungen zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, aaO Rn. 24, 27; Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO Rn. 44, 48). Im Hinblick auf die bei einer verspäteten Zuschlagserteilung erforderliche Vertragsanpassung gerät der Auftraggeber daher nicht bereits deswegen in Annahmeverzug, weil im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung die Ausführungstermine bereits verstrichen sind.
23
c) Ein Anspruch auf Ersatz von Vorhaltekosten des Bieters wegen verzögerter Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren kann nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 642 BGB gestützt werden. Es ist bereits zweifelhaft, ob eine planwidrige Regelungslücke gegeben ist. Eine Ausdehnung des § 642 BGB auf den vorvertraglichen Bereich in Fällen der Zuschlagsverzögerung scheitert jedenfalls an der für eine entsprechende Anwendung erforderlichen vergleichbaren Interessenlage. Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung besteht kein Grund für eine verschuldensunabhängige Haftung des Auftraggebers für die Folgen von Zuschlagsverzögerungen, die nicht auf einer Pflichtverletzung beruhen (Kau/Hänsel, NJW 2011, 1914, 1916; vgl. auch Althaus/ Bartsch in Althaus/Heindl, Der öffentliche Bauauftrag, 3. Aufl., Teil 4, Rn. 224).
24
aa) Der Bieter, der sich im Vergabeverfahren leistungsbereit hält, nimmt die Vorhaltung seiner Leistung deswegen in Kauf, weil er darauf hofft, dass ihm der Zuschlag erteilt wird. Es handelt sich um Kosten der Vertragsakquise, die - vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien - grundsätzlich vom Bieter zu tragen sind. Vor Abschluss des Vertrags handelt der Bieter , der seine Leistung vorhält, insoweit auf eigenes Risiko. Denn der Auftraggeber ist gegenüber dem Bieter nicht zum Vertragsschluss verpflichtet, sondern lediglich zur Durchführung eines vergaberechtskonformen Verfahrens. Die Ungewissheit , ob und wann dem Bieter der Zuschlag erteilt wird, gehört zum allgemeinen Risiko eines jeden, der sich an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligt.
25
bb) Vor diesem allgemeinen Risiko wird der Bieter hinreichend dadurch geschützt, dass sein Angebot befristet ist und eine Verlängerung der Bindefrist seiner Zustimmung bedarf. Stimmt der Bieter einer Bindefristverlängerung zu, erklärt er damit, dass der angebotene Preis bei unveränderter Leistung und unveränderten Leistungszeiten bis zum Ablauf der Bindefrist gilt (vgl. BGH, Urteile vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 37 = NZBau 2009, 771; VII ZR 82/08, BGHZ 182, 218 Rn. 29). Der Bieter hat in einem solchen Fall daher weiterhin das für jeden Bieter sich aus einer solchen Verlängerung ergebende Risiko zu tragen.
26
cc) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts lief die Klägerin nicht wegen des in der Ausschreibung festgelegten Ausführungstermins von zwölf Werktagen nach Zuschlagserteilung Gefahr, mit ihrer Leistung nach erfolgtem Zuschlag in Leistungsverzug zu geraten, wenn sie sich nicht während des gesamten Vergabeverfahrens vorsorglich leistungsbereit hielt. Nach dem vorstehend Gesagten war aufgrund der Erteilung des Zuschlags nach Ablauf der in der Ausschreibung genannten Bindefrist im Wege der Vertragsanpassung ein neuer Ausführungstermin zwischen den Parteien zu vereinbaren. Da hierbei die Umstände des Einzelfalls und die sinngemäße Anwendung der Grundsätze des § 6 Nr. 3 und 4 VOB/B (2002) auch im Interesse der Klägerin zu berücksichtigen waren, bestand für sie keine Veranlassung, die mobile Stahlgleitwand über den gesamten Zeitraum der verzögerten Vergabe vorzuhalten. Die Klägerin durfte im Hinblick auf das Erfordernis einer nachträglichen Anpassung der vertraglichen Ausführungsfristen zudem nicht davon ausgehen, dass eine solche Vorhaltung ihrer Leistung dem Interesse der Beklagten als Auftraggeberin entsprach.
27
5. Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben. Das Urteil ist im angefochtenen Umfang aufzuheben. Die Berufung der Klägerin ist, soweit über sie nicht bereits rechtskräftig erkannt worden ist, zurückzuweisen. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO.

III.

28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Kartzke Halfmeier Jurgeleit Graßnack Brenneisen
Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 29.03.2012 - 4 O 233/11 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 14.03.2017 - 4 U 69/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 82/17 Verkündet am:
26. April 2018
Mohr,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/B (2002) § 8 Nr. 1 Abs. 2, § 2 Nr. 3

a) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom
Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2
VOB/B (2002), sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung
nicht anderweitig geeinigt haben (im Anschluss an BGH, Urteil
vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463).

b) Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B
(2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen
Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen
der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (im
Anschluss an BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01,
BauR 2004, 495 = NZBau 2004, 207).
BGH, Urteil vom 26. April 2018 - VII ZR 82/17 - OLG Rostock
LG Schwerin
ECLI:DE:BGH:2018:260418UVIIZR82.17.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. März 2017 - 4 U 155/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert eine Vergütung für infolge verkürzter Bauzeit nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 94.778,24 €.
2
Die Beklagte führte im Jahr 2004 eine öffentliche Ausschreibung betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19 für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung durch, an dem sich die Klägerin mit einem Angebot zu einem Gesamtpreis von 1.076.416,75 € netto beteiligte. Darin bot die Klägerin entsprechend der Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage zu einem Einheitspreis von 1.184 €/Tag netto an. In der Ausschreibung war als Frist für die Ausführung der Leistungen der Zeitraum von September 2004 bis April 2006 angegeben, vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses. Die am 2. September 2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mit Zustimmung der Klägerin mehrfach verlängert. Am 30. März 2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für die angebo- tenen Arbeiten über 1.186.211,26 € brutto nach Abzug eines Nachlasses von 5 %.
3
Wegen der Dauer des Vergabeverfahrens hatte die Klägerin im Jahr 2005 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene und von ihr vorgehaltene Stahlgleitwand sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen. Bei Zuschlagserteilung musste die Klägerin daher die benötigte Stahlgleitwand bei einem Nachunternehmer anmieten. Die Klägerin machte Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Verlängerung der Zuschlagsfrist in Höhe von 431.783,60 € geltend. Diese Forderung ist Gegenstand des Parallelverfahrens VII ZR 81/17.
4
Die Stahlgleitwand wurde auf Weisung der Beklagten nur an 333 Tagen eingesetzt, da diese die Baumaßnahme erheblich beschleunigte. Die Klägerin beansprucht für die infolge vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht erbrachten Leistungen auf der Grundlage eines vorgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens und unter Berücksichtigung eines Nachlasses von 5 % eine Vergütung in Höhe von insgesamt 94.778,24 €.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung des geforderten Betrags verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
7
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

I.

8
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe aufgrund der erheblich verkürzten Bau- bzw. Vorhaltezeit ein Anspruch aus § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) zu. Die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, die ca. 14.800 m lange Stahlgleitwand bereits nach einer Standzeit von 333 Tagen (statt nach vereinbarten 588 Tagen) abzubauen, sei nach verständiger Auslegung als eine den Anspruch nach § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) begründende freie Kündigung anzusehen. Die Beklagte habe aufgrund der Notwendigkeit zur vorzeitigen Fertigstellung der Baumaßnahme von ihrem freien Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Angesichts der erheblichen Beschleunigung der Baumaßnahme wegen der enormen Verzögerung beim Baubeginn einerseits und der notwendigen Fertigstellung des Autobahnteilstücks vor dem G 8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 andererseits habe die Kündigung ihre Ursache allein im Risiko- und Verantwortungsbereich der Beklagten.
9
Die als Kündigung auszulegende Aufforderung zum Abbau der Stahlgleitwand habe zwar nicht dem Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) entsprochen. Indes sei allgemein anerkannt, dass bei einem VOBVertrag die Kündigungsregelungen in §§ 8, 9 VOB/B (2002) jedenfalls auch dann Geltung erlangen sollen, wenn von einer einverständlichen Vertragsaufhebung auszugehen sei und die Parteien sich nicht über deren Folgen ausdrücklich verständigt hätten. Aufgrund des nach Aufforderung der Beklagten erfolgten Abbaus der Stahlgleitwand und der weiteren Baustellenräumung sowie der Fertigstellung der Baumaßnahme sei hier die Annahme einer einver- nehmlichen (konkludenten) Vertragsaufhebung berechtigt. Vorliegend hätten sich die Parteien über die Folgen dieser einvernehmlichen Vertragsaufhebung ausdrücklich nicht verständigt.
10
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei dahin auszulegen, dass die Klägerin die Vorhaltung der Stahlgleitwand in einem Umfang von 14.800 m für mindestens 588 Tage schuldete. Bei einer Verkürzung der vertraglich vereinbarten Leistungs(Miet-)zeit werde der Auftragnehmer in seiner berechtigten Vergütungserwartung für den gesamten Zeitraum enttäuscht. Aufgrund des überwiegend mietrechtlichen Charakters der streitgegenständlichen Bauleistung sei eine Anpassung nach den Regelungen zur Vergütungsanpassung für Mehr- und Mindermengen beim Einheitspreisvertrag gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nicht vorzunehmen. Im Übrigen komme eine Anwendung des § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nur in Betracht, wenn sich die Verringerung der Leistung ohne Einwirkung des Auftraggebers wegen der an Ort und Stelle vorgefundenen Verhältnisse ergebe, was vorliegend nicht der Fall sei.
11
Die Klägerin mache aufgrund einer nachträglichen Kalkulation ihres Angebotspreises den Vergabegewinn, den Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten als nicht ersparte Kosten geltend. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihrem Vergütungsanspruch nur solche Vergütungsbestandteile zugrunde lege, die ohnehin nicht erspart werden könnten und ihr unabhängig von einem anderweitigen Erwerb zuständen, mithin durch anderweitigen Erwerb nicht kompensiert werden könnten. Gegen die Berechnung des Anspruches habe die Beklagte keine substantiierten Angriffe geführt.

II.

12
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
13
1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Klägerin nach teilweiser einvernehmlicher Aufhebung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags vom 30. März 2006 nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) ein Vergütungsanspruch wegen nicht erbrachter Leistungen in Höhe von 94.778,24 € zusteht.
14
a) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Vertrag vom 30. März 2006 durch die Beschleunigungsmaßnahmen der Beklagten, die dazu geführt haben, dass die Vorhaltung der Stahlgleitwand nur an 333 Tagen statt wie im Leistungsverzeichnis angegeben 588 Tagen erforderlich war, teilweise einvernehmlich vorzeitig beendet worden ist.
15
aa) Das Berufungsgericht legt den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag hinsichtlich der darin enthaltenen Position zur Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage dahin aus, dass die Klägerin danach verpflichtet war, entsprechend der in Aussicht genommenen Bauzeit eine Stahlgleitwand für einen Zeitraum von insgesamt 588 Tagen zur Verfügung zu halten. Die tatrichterliche Vertragsauslegung ist revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2015 - VII ZR 58/14, NZBau 2016, 213 Rn. 15; Urteil vom 9. Juli 2015 - VII ZR 5/15, BGHZ 206, 203 Rn. 20; Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 - VII ZR 87/14, NJW 2015, 1107 Rn. 14; Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 60/14, BauR 2015, 828 Rn. 17 m.w.N. = NZBau 2015, 220). Beachtliche Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Vertragsauslegung liegen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor.
16
Die Auffassung der Revision, das Berufungsgericht sei von einem Pauschalpreis - und nicht von einem Einheitspreisvertrag ausgegangen, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat vielmehr zugrunde gelegt, dass das Vorhalten der Stahlgleitwand nach den im Vertrag vereinbarten Einheitspreisen je Tag der Vorhaltung abzurechnen war. Soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass der Zeitraum der Vorhaltung der Stahlgleitwand mit 588 Tagen verbindlich im Sinne einer Mindestvertragslaufzeit vereinbart worden ist, begegnet dies keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist möglich und widerspricht insbesondere nicht dem Grundsatz einer interessengerechten Auslegung.
17
Soweit die Revision dagegen anführt, die Beklagte habe in der Leistungsbeschreibung "Baubeschreibung Verkehrsführung" gefordert, die Einheitspreise so zu kalkulieren, dass diese für die gesamte Bauzeit verbindlich sind, steht dies einer interessengerechten Auslegung nicht entgegen. Dieser von der Beklagten vorgegebene Passus der Leistungsbeschreibung stützt vielmehr die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich ein Bieter auf eine Bauzeit von 588 Tagen einzurichten und seine Preise entsprechend zu kalkulieren hatte.
18
bb) Ausgehend von der Annahme, dass die Klägerin nach dem Vertrag eine Stahlgleitwand jedenfalls für eine Bauzeit von 588 Tagen zur Verfügung halten musste, stellt die Anforderung der Stahlgleitwand durch die Beklagte während eines Zeitraums von lediglich 333 Tagen eine Verkürzung der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit dar, die einer Teilkündigung des Vertrags gleichzustellen ist. Da nach den von der Revision insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts von einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung auszugehen ist, kommt es auf die von der Revision für erheblich gehaltene Frage, ob die Parteien auf das für eine Kündigung geltende Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) verzichten können, nicht entscheidend an.
19
b) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002), der inhaltlich weitgehend dem § 649 Satz 2 BGB entspricht , sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung nicht anderweitig geeinigt haben (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463 f., juris Rn. 25 f.m.w.N.; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 8 Abs. 6 VOB/B Rn. 8; O. Vogel, BauR 2011, 313, 315). Feststellungen zu einer solchen Vereinbarung hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
20
aa) § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) verdrängt, wie das Berufungsgericht richtig erkennt, als speziellere Regelung den § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) (vgl. OLG Celle, BauR 1995, 558, juris Rn. 4; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 2 Abs. 3 VOB/B Rn. 33; Kapellmann/Schiffers/Markus, Vergütung , Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, Einheitspreisvertrag , 7. Aufl., Rn. 512; Kuffer in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 13. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 111). Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01, BauR 2004, 495, 496, juris Rn. 18 = NZBau 2004, 207). Diese Voraussetzung ist, wie dargestellt, nicht erfüllt.
21
bb) Der Klägerin steht danach gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) die vereinbarte Vergütung zu; sie muss sich jedoch anrechnen lassen, was sie infolge der teilweisen Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft und ihres Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Das Berufungsgericht hält in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin einen Betrag in Höhe von 94.778,24 € für gerechtfertigt. Dies begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 - VII ZR 201/15, BGHZ 209, 278 Rn. 27; Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, BGHZ 143, 79, 83 f., juris Rn. 13; Urteil vom 30. September 1999 - VII ZR 206/98, BauR 2000, 126, 128, juris Rn. 13 = NZBau 2000, 140; Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 277/97, BGHZ 140, 263, 269, juris Rn. 25). Die Höhe der von der Klägerin errechneten Vergütung wird von der Revision im Übrigen nicht angegriffen.
22
2. Die Klägerin kann von der Beklagten weiterhin unter dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß § 280 Abs. 1, § 286 BGB Ersatz der durch die vorgerichtliche Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen Rechtsver- folgungskosten in der geltend gemachten Höhe von 1.935,50 € nach einem Gegenstandswert von 94.778,24 € verlangen. Eine Obliegenheit der Klägerin, ihren Prozessbevollmächtigten hinsichtlich des im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Vergütungsanspruchs und des im Parallelverfahren VII ZR 81/17 verfolgten Zahlungsanspruchs einen einheitlichen Auftrag zu erteilen , folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits daraus, dass sie in diesem Fall wegen der Zusammenrechnung der Forderungen infolge der sich aus der Gebührentabelle ergebenden Gebührenstufen insgesamt eine geringere Verfahrensgebühr an ihre Prozessbevollmächtigten hätte zahlen müssen. Da die Klägerin berechtigt war, die beiden Ansprüche in zwei getrennten Prozessen geltend zu machen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. November 2017 - VII ZR 81/17 und VII ZR 82/17), ist die Erteilung zweier getrennter Aufträge nicht als Verstoß gegen § 254 Abs. 2 Satz 1, 2. Fall BGB zu bewerten. Die Hö- he der von der Klägerin nach einem Streitwert von 94.778,24 € zu beanspru- chenden Gebühr steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

III.

23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kartzke Halfmeier Jurgeleit Graßnack Brenneisen

Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 29.11.2012 - 4 O 270/12 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 14.03.2017 - 4 U 155/12 -

Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 82/17 Verkündet am:
26. April 2018
Mohr,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/B (2002) § 8 Nr. 1 Abs. 2, § 2 Nr. 3

a) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom
Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2
VOB/B (2002), sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung
nicht anderweitig geeinigt haben (im Anschluss an BGH, Urteil
vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463).

b) Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B
(2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen
Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen
der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (im
Anschluss an BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01,
BauR 2004, 495 = NZBau 2004, 207).
BGH, Urteil vom 26. April 2018 - VII ZR 82/17 - OLG Rostock
LG Schwerin
ECLI:DE:BGH:2018:260418UVIIZR82.17.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. März 2017 - 4 U 155/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert eine Vergütung für infolge verkürzter Bauzeit nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 94.778,24 €.
2
Die Beklagte führte im Jahr 2004 eine öffentliche Ausschreibung betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19 für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung durch, an dem sich die Klägerin mit einem Angebot zu einem Gesamtpreis von 1.076.416,75 € netto beteiligte. Darin bot die Klägerin entsprechend der Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage zu einem Einheitspreis von 1.184 €/Tag netto an. In der Ausschreibung war als Frist für die Ausführung der Leistungen der Zeitraum von September 2004 bis April 2006 angegeben, vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses. Die am 2. September 2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mit Zustimmung der Klägerin mehrfach verlängert. Am 30. März 2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für die angebo- tenen Arbeiten über 1.186.211,26 € brutto nach Abzug eines Nachlasses von 5 %.
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Wegen der Dauer des Vergabeverfahrens hatte die Klägerin im Jahr 2005 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene und von ihr vorgehaltene Stahlgleitwand sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen. Bei Zuschlagserteilung musste die Klägerin daher die benötigte Stahlgleitwand bei einem Nachunternehmer anmieten. Die Klägerin machte Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Verlängerung der Zuschlagsfrist in Höhe von 431.783,60 € geltend. Diese Forderung ist Gegenstand des Parallelverfahrens VII ZR 81/17.
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Die Stahlgleitwand wurde auf Weisung der Beklagten nur an 333 Tagen eingesetzt, da diese die Baumaßnahme erheblich beschleunigte. Die Klägerin beansprucht für die infolge vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht erbrachten Leistungen auf der Grundlage eines vorgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens und unter Berücksichtigung eines Nachlasses von 5 % eine Vergütung in Höhe von insgesamt 94.778,24 €.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung des geforderten Betrags verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
7
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

I.

8
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe aufgrund der erheblich verkürzten Bau- bzw. Vorhaltezeit ein Anspruch aus § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) zu. Die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, die ca. 14.800 m lange Stahlgleitwand bereits nach einer Standzeit von 333 Tagen (statt nach vereinbarten 588 Tagen) abzubauen, sei nach verständiger Auslegung als eine den Anspruch nach § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) begründende freie Kündigung anzusehen. Die Beklagte habe aufgrund der Notwendigkeit zur vorzeitigen Fertigstellung der Baumaßnahme von ihrem freien Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Angesichts der erheblichen Beschleunigung der Baumaßnahme wegen der enormen Verzögerung beim Baubeginn einerseits und der notwendigen Fertigstellung des Autobahnteilstücks vor dem G 8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 andererseits habe die Kündigung ihre Ursache allein im Risiko- und Verantwortungsbereich der Beklagten.
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Die als Kündigung auszulegende Aufforderung zum Abbau der Stahlgleitwand habe zwar nicht dem Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) entsprochen. Indes sei allgemein anerkannt, dass bei einem VOBVertrag die Kündigungsregelungen in §§ 8, 9 VOB/B (2002) jedenfalls auch dann Geltung erlangen sollen, wenn von einer einverständlichen Vertragsaufhebung auszugehen sei und die Parteien sich nicht über deren Folgen ausdrücklich verständigt hätten. Aufgrund des nach Aufforderung der Beklagten erfolgten Abbaus der Stahlgleitwand und der weiteren Baustellenräumung sowie der Fertigstellung der Baumaßnahme sei hier die Annahme einer einver- nehmlichen (konkludenten) Vertragsaufhebung berechtigt. Vorliegend hätten sich die Parteien über die Folgen dieser einvernehmlichen Vertragsaufhebung ausdrücklich nicht verständigt.
10
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei dahin auszulegen, dass die Klägerin die Vorhaltung der Stahlgleitwand in einem Umfang von 14.800 m für mindestens 588 Tage schuldete. Bei einer Verkürzung der vertraglich vereinbarten Leistungs(Miet-)zeit werde der Auftragnehmer in seiner berechtigten Vergütungserwartung für den gesamten Zeitraum enttäuscht. Aufgrund des überwiegend mietrechtlichen Charakters der streitgegenständlichen Bauleistung sei eine Anpassung nach den Regelungen zur Vergütungsanpassung für Mehr- und Mindermengen beim Einheitspreisvertrag gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nicht vorzunehmen. Im Übrigen komme eine Anwendung des § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nur in Betracht, wenn sich die Verringerung der Leistung ohne Einwirkung des Auftraggebers wegen der an Ort und Stelle vorgefundenen Verhältnisse ergebe, was vorliegend nicht der Fall sei.
11
Die Klägerin mache aufgrund einer nachträglichen Kalkulation ihres Angebotspreises den Vergabegewinn, den Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten als nicht ersparte Kosten geltend. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihrem Vergütungsanspruch nur solche Vergütungsbestandteile zugrunde lege, die ohnehin nicht erspart werden könnten und ihr unabhängig von einem anderweitigen Erwerb zuständen, mithin durch anderweitigen Erwerb nicht kompensiert werden könnten. Gegen die Berechnung des Anspruches habe die Beklagte keine substantiierten Angriffe geführt.

II.

12
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
13
1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Klägerin nach teilweiser einvernehmlicher Aufhebung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags vom 30. März 2006 nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) ein Vergütungsanspruch wegen nicht erbrachter Leistungen in Höhe von 94.778,24 € zusteht.
14
a) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Vertrag vom 30. März 2006 durch die Beschleunigungsmaßnahmen der Beklagten, die dazu geführt haben, dass die Vorhaltung der Stahlgleitwand nur an 333 Tagen statt wie im Leistungsverzeichnis angegeben 588 Tagen erforderlich war, teilweise einvernehmlich vorzeitig beendet worden ist.
15
aa) Das Berufungsgericht legt den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag hinsichtlich der darin enthaltenen Position zur Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage dahin aus, dass die Klägerin danach verpflichtet war, entsprechend der in Aussicht genommenen Bauzeit eine Stahlgleitwand für einen Zeitraum von insgesamt 588 Tagen zur Verfügung zu halten. Die tatrichterliche Vertragsauslegung ist revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2015 - VII ZR 58/14, NZBau 2016, 213 Rn. 15; Urteil vom 9. Juli 2015 - VII ZR 5/15, BGHZ 206, 203 Rn. 20; Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 - VII ZR 87/14, NJW 2015, 1107 Rn. 14; Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 60/14, BauR 2015, 828 Rn. 17 m.w.N. = NZBau 2015, 220). Beachtliche Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Vertragsauslegung liegen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor.
16
Die Auffassung der Revision, das Berufungsgericht sei von einem Pauschalpreis - und nicht von einem Einheitspreisvertrag ausgegangen, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat vielmehr zugrunde gelegt, dass das Vorhalten der Stahlgleitwand nach den im Vertrag vereinbarten Einheitspreisen je Tag der Vorhaltung abzurechnen war. Soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass der Zeitraum der Vorhaltung der Stahlgleitwand mit 588 Tagen verbindlich im Sinne einer Mindestvertragslaufzeit vereinbart worden ist, begegnet dies keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist möglich und widerspricht insbesondere nicht dem Grundsatz einer interessengerechten Auslegung.
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Soweit die Revision dagegen anführt, die Beklagte habe in der Leistungsbeschreibung "Baubeschreibung Verkehrsführung" gefordert, die Einheitspreise so zu kalkulieren, dass diese für die gesamte Bauzeit verbindlich sind, steht dies einer interessengerechten Auslegung nicht entgegen. Dieser von der Beklagten vorgegebene Passus der Leistungsbeschreibung stützt vielmehr die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich ein Bieter auf eine Bauzeit von 588 Tagen einzurichten und seine Preise entsprechend zu kalkulieren hatte.
18
bb) Ausgehend von der Annahme, dass die Klägerin nach dem Vertrag eine Stahlgleitwand jedenfalls für eine Bauzeit von 588 Tagen zur Verfügung halten musste, stellt die Anforderung der Stahlgleitwand durch die Beklagte während eines Zeitraums von lediglich 333 Tagen eine Verkürzung der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit dar, die einer Teilkündigung des Vertrags gleichzustellen ist. Da nach den von der Revision insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts von einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung auszugehen ist, kommt es auf die von der Revision für erheblich gehaltene Frage, ob die Parteien auf das für eine Kündigung geltende Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) verzichten können, nicht entscheidend an.
19
b) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002), der inhaltlich weitgehend dem § 649 Satz 2 BGB entspricht , sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung nicht anderweitig geeinigt haben (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463 f., juris Rn. 25 f.m.w.N.; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 8 Abs. 6 VOB/B Rn. 8; O. Vogel, BauR 2011, 313, 315). Feststellungen zu einer solchen Vereinbarung hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
20
aa) § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) verdrängt, wie das Berufungsgericht richtig erkennt, als speziellere Regelung den § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) (vgl. OLG Celle, BauR 1995, 558, juris Rn. 4; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 2 Abs. 3 VOB/B Rn. 33; Kapellmann/Schiffers/Markus, Vergütung , Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, Einheitspreisvertrag , 7. Aufl., Rn. 512; Kuffer in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 13. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 111). Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01, BauR 2004, 495, 496, juris Rn. 18 = NZBau 2004, 207). Diese Voraussetzung ist, wie dargestellt, nicht erfüllt.
21
bb) Der Klägerin steht danach gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) die vereinbarte Vergütung zu; sie muss sich jedoch anrechnen lassen, was sie infolge der teilweisen Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft und ihres Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Das Berufungsgericht hält in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin einen Betrag in Höhe von 94.778,24 € für gerechtfertigt. Dies begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 - VII ZR 201/15, BGHZ 209, 278 Rn. 27; Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, BGHZ 143, 79, 83 f., juris Rn. 13; Urteil vom 30. September 1999 - VII ZR 206/98, BauR 2000, 126, 128, juris Rn. 13 = NZBau 2000, 140; Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 277/97, BGHZ 140, 263, 269, juris Rn. 25). Die Höhe der von der Klägerin errechneten Vergütung wird von der Revision im Übrigen nicht angegriffen.
22
2. Die Klägerin kann von der Beklagten weiterhin unter dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß § 280 Abs. 1, § 286 BGB Ersatz der durch die vorgerichtliche Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen Rechtsver- folgungskosten in der geltend gemachten Höhe von 1.935,50 € nach einem Gegenstandswert von 94.778,24 € verlangen. Eine Obliegenheit der Klägerin, ihren Prozessbevollmächtigten hinsichtlich des im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Vergütungsanspruchs und des im Parallelverfahren VII ZR 81/17 verfolgten Zahlungsanspruchs einen einheitlichen Auftrag zu erteilen , folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits daraus, dass sie in diesem Fall wegen der Zusammenrechnung der Forderungen infolge der sich aus der Gebührentabelle ergebenden Gebührenstufen insgesamt eine geringere Verfahrensgebühr an ihre Prozessbevollmächtigten hätte zahlen müssen. Da die Klägerin berechtigt war, die beiden Ansprüche in zwei getrennten Prozessen geltend zu machen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. November 2017 - VII ZR 81/17 und VII ZR 82/17), ist die Erteilung zweier getrennter Aufträge nicht als Verstoß gegen § 254 Abs. 2 Satz 1, 2. Fall BGB zu bewerten. Die Hö- he der von der Klägerin nach einem Streitwert von 94.778,24 € zu beanspru- chenden Gebühr steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

III.

23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kartzke Halfmeier Jurgeleit Graßnack Brenneisen

Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 29.11.2012 - 4 O 270/12 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 14.03.2017 - 4 U 155/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 471/01 Verkündet am:
15. April 2004
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
VOB/B § 16 E
Der Verzug mit der Bezahlung einer Abschlagsforderung endet jedenfalls nach Abnahme
und Erteilung einer Schlußrechnung.
BGH, Urteil vom 15. April 2004 - VII ZR 471/01 - KG Berlin
LG Berlin
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter
Hausmann, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Prof. Dr. Kniffka

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 27. Juni 2001 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt ihren ehemaligen Prozeßbevollmächtigten auf Schadensersatz in Anspruch, weil er einen Anspruch auf Ersatz von Verzugszinsen unsachgemäß verfolgt habe. Die Klägerin erbrachte für die Deutsche Reichsbahn (DR) Bauleistungen. Dem Auftrag lag die VOB/B zugrunde. Am 13. November 1992 erstellte die Klägerin eine Rechnung über ca. 12 Mio. DM, die später vereinbarungsgemäß als 6. Abschlagsrechnung angesehen wurde. Nachdem die DR einen Betrag von 1.744.383,99 DM akzeptiert hatte, mahnte die Klägerin den vollen Rechnungsbetrag am 11. Januar 1993 mit Frist zum 21. Januar 1993 zur Zahlung an. Am 10. März 1993 legte die Klägerin eine Schlußrechnung über knapp 10 Mio. DM.
Im Vorprozeß hat die Klägerin von der DR Zahlung von über 7,7 Mio. DM nebst 7 % Zinsen über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 24. September 1994 verlangt. Nach nur teilweisem Klageerfolg verfolgte sie in der Berufung, nunmehr vertreten durch den Beklagten, den Hauptanspruch nebst Zinsen ab dem 1. März 1993. Die Mahnung vom 11. Januar 1993 war vom Beklagten unstreitig nicht in den Rechtsstreit eingeführt worden. Streitig ist, ob sie dem Beklagten vorlag. Das Kammergericht erkannte auf eine Zahlungspflicht von 2.961.894,49 DM nebst Zinsen ab dem 24. September 1994 und wies den Zinsanspruch für den Zeitraum vom 1. März 1993 bis zum 23. September 1994 mit der Begründung ab, der Zinsbeginn zum 1. März 1993 sei nicht näher dargelegt worden; zu diesem Zeitpunkt sei die Schlußrechnungsforderung noch nicht fällig gewesen. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr dadurch entstanden sei, daß der Beklagte vor dem Berufungsgericht hinsichtlich der Verzinsung unzureichend vorgetragen habe. Insbesondere habe er die Mahnung vom 11. Januar 1993 nicht in den Prozeß eingeführt, obwohl ihm diese mit den Prozeßunterlagen überreicht worden sei. Das Landgericht hat die auf Zahlung von 612.537,52 DM nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen, die Berufung, mit der Zahlung von 623.424,76 DM verlangt worden ist, ist erfolglos geblieben. In der Revision verfolgt die Klägerin den Schadensersatz weiter, den sie nach einem Zinsanspruch von 1 % über dem Lombardsatz vom 1. März 1993 bis zum 23. September 1994 aus einem Betrag von 1.988.597,75 DM, mithin in Höhe eines Betrages von 220.736,91 DM, berechnet.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet. Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht führt aus, dem Beklagten könne allenfalls vorgehalten werden, daß er den Werklohnanspruch der Klägerin jedenfalls wegen eines Teils der Zinsen nicht auch auf die als 6. Zwischenrechnung angesehene Rechnung vom 13. November 1992 und den von der DR anerkannten Betrag gestützt habe. Ein derartiger Fehler führe nicht zum Erfolg der Klage. Ansprüche auf Abschlagszahlung seien nur solange einklagbar, bis die Schlußrechnung vorliege. Der Verzug mit Abschlagszahlungen ende mit Vorlage der Schlußrechnung. Der Auftragnehmer könne den Auftraggeber erst nach Ablauf der Prüfungsfrist aus § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B erneut in Verzug setzen. Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Schadens, der dadurch entstanden sei, daß der Beklagte den Verzugszinsanspruch für die Zeit vom 1. März 1993 bis zum 10. März 1993 nicht begründet habe, bestehe nicht, weil die Klägerin insoweit ihren Schadensersatzanspruch abgetreten habe.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Zutreffend verneint das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus Verletzung des Anwaltsvertrags. Die Revision wendet sich nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne den Schaden nicht geltend machen, der durch möglicherweise entgangene Verzugszinsen vom 1. März bis zum 10. März 1993 entstanden ist, weil sie ihren möglichen Anspruch insoweit abgetreten habe. Der Senat hat deshalb nur zu beurteilen, ob der Klägerin Verzugszinsen für die Zeit vom 11. März 1993 bis zum 23. September 1994 dadurch entgangen sein könnten, daß der Beklagte die ihm möglicherweise vorliegende Mahnung vom 11. Januar 1993 nicht in den Prozeß eingeführt hat. Das ist nicht der Fall. 1. Mit dem Abschluß des Bauvertrages entsteht für den Auftragnehmer die Werklohnforderung. Sie kann nach dem Vergütungssystem der VOB/B unter verschiedenen Voraussetzungen durchgesetzt werden.
a) Nach § 16 Nr. 1 VOB/B hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf Abschlagszahlungen. Diese Regelung bezweckt, den vorleistungspflichtigen Auftragnehmer zu entlasten und die gerade bei Bauleistungen mit der Vorfinanzierung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen (BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 160/83, BauR 1985, 456, 457 = ZfBR 1985, 174; Urteil vom 26. Februar 1987 - VII ZR 217/85, BauR 1987, 453 = ZfBR 1987, 200). Der Anspruch auf Abschlagszahlungen ist auf Anzahlungen in Bezug auf den Vergütungsanspruch für das Gesamtwerk gerichtet und dadurch gekennzeichnet , daß Zahlungen darauf nur vorläufig sind bis zur Feststellung einer endgültigen Vergütung des Auftragnehmers durch die Schlußrechnung (BGH, Urteil vom 19. März 2002 - X ZR 125/00, BauR 2002, 1257, 1259 = IBR 2002,
350 = NZBau 2002, 390 = ZfBR 2002, 558; Urteil vom 23. Januar 1986 - IX ZR 46/85, BauR 1986, 361, 365, 366 = ZfBR 1986, 162). Diese auf vorläufige Vergütung gerichtete Abschlagsforderung ist ein schuldrechtlicher Anspruch im Sinne des § 241 Satz 1 BGB, der vom Gläubiger mit Eintritt der Fälligkeit selbständig geltend gemacht werden kann. Er kann deshalb z.B. selbständig verjähren (BGH, Urteil vom 5. November 1998 - VII ZR 191/97, BauR 1999, 267 = IBR 1999, 68, 90 = ZfBR 1999, 98). Ebenso kann ein Verzug des Auftraggebers unter den Voraussetzungen des § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B begründet werden.
b) Nach § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf Schlußzahlung alsbald nach Prüfung und Feststellung der von ihm vorgelegten Schlußrechnung. Der Anspruch wird spätestens zwei Monate nach Zugang der Schlußrechnung fällig. Aus dieser Regelung, wie auch aus der Abschlagszahlungsvereinbarung , folgt, daß der Auftragnehmer nach Beendigung des Vertrages seine Leistung prüfbar endgültig abzurechnen hat. In dieser Abrechnung ist die gesamte Vergütung einschließlich der vergütungsgleichen Ansprüche darzustellen und der Saldo, der sich durch Abzug der Voraus- und Abschlagszahlungen ergibt, zu ermitteln. Abschlagszahlungen sind ebenso wie Vorauszahlungen lediglich Rechnungsposten, die nicht auf einzelne Leistungspositionen des Vertrags bezogen werden können (BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365, 373 f.; Urteil vom 24. Januar 2002 - VII ZR 196/00, BauR 2002, 938, 939 = IBR 2002, 235 = NZBau 2002, 329 = ZfBR 2002, 473; Urteil vom 2. Mai 2002 - VII ZR 249/00, BauR 2002, 1407, 1408 = IBR 2002, 352 = NZBau 2002, 562 = ZfBR 2002, 673). 2. Jedenfalls nach Abnahme und Erteilung der Schlußrechnung ist das Recht zur vorläufigen Abrechnung erloschen und damit auch die Berechtigung, eine vorläufige Abrechnung durchzusetzen und Verzugsfolgen daraus fortwirken zu lassen (vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 160/83,
BauR 1985, 456 = ZfBR 1985, 174). Die Fälligkeit der Abschlagsforderungen wirkt nach einer Abnahme und Erteilung der Schlußrechnung nicht fort. Die Abschlagsforderung verliert durch die endgültige Abrechnung zwangsläufig ihren selbständigen Charakter. Sie verliert auch ihre Durchsetzbarkeit. Ein Verzug wird beendet (MünchKommBGB/Ernst, 4. Aufl., § 286 Rdn. 98). Entgegen der Auffassung der Revision bleibt sie auch nicht als unselbständiger Bestandteil der Schlußrechnungsforderung bestehen, soweit identische Leistungen abgerechnet werden. Es gibt nur eine Werklohnforderung. Deren Fälligkeit kann nur einheitlich geregelt sein. Aus der Entscheidung des Senats vom 15. Juni 2000 (VII ZR 30/99, BauR 2000, 1482 = IBR 2000, 479 = NZBau 2000, 507 = ZfBR 2000, 537) folgt nichts anderes. Der Senat hat in dieser Entscheidung hervorgehoben, daß der Auftragnehmer seinen Anspruch auf Abschlagszahlung jedenfalls dann verfolgen kann, wenn er zwar eine Schlußrechnung gestellt hat, jedoch eine Abnahme oder deren unberechtigte Verweigerung nicht nachweisen kann. In diesem Fall ist davon auszugehen, daß er noch vorleistungspflichtig ist, so daß es auch gerechtfertigt ist, ihm einen Anspruch auf Abschlagszahlungen zuzubilligen. Anders ist das jedoch, wenn die Abnahme erklärt und die Schlußrechnung erteilt ist. 3. Das Vergütungssystem der VOB/B nimmt in Kauf, daß das Recht zur vorläufigen Abrechnung jedenfalls nach Abnahme und Erteilung der Schlußrechnung endet und dadurch ein Zeitraum von höchstens zwei Monaten entsteht , in dem die Vergütungsforderung nicht fällig ist und deshalb ein Verzug für diesen Zeitraum nicht begründet sein kann. Dem liegt die Wertung zugrunde, daß der Auftraggeber in diesem Zeitraum die Gelegenheit haben muß, die Schlußrechnung zu prüfen. Das gilt unabhängig davon, ob überhaupt Abschlagsforderungen erhoben worden sind. Ein Verzug mit Zahlung des endgül-
tig festgestellten Betrages kann nur unter den Voraussetzungen des § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B erneut begründet werden. Unberührt davon bleibt das Recht des Auftragnehmers, die Ansprüche zu verfolgen, die sich aus dem Verzug mit der Begleichung von Abschlagsforderungen ergeben. Diese Ansprüche gehen nicht unter. Der Auftragnehmer ist z.B. nicht gehindert, einen Schaden zu verfolgen, der daraus entstanden ist, daß die Abschlagsforderung nicht beglichen worden ist und deshalb der entsprechende Geldbetrag dem Auftragnehmer nicht zur Begleichung von eigenen Schulden oder zur Kapitalanlage zur Verfügung stand. Begrenzt ist lediglich der Zeitraum des Verzuges, so daß die sich aus § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B hergeleiteten Verzugszinsen in Höhe von 1 % über dem Lombardsatz nicht mehr ab dem Zeitpunkt verlangt werden können, zu dem nach einer Abnahme die Schlußrechnung erteilt worden ist. 4. Auf dieser Grundlage hatte der Beklagte keine Möglichkeit, im Vorprozeß einen ab dem 11. März 1993 berechneten Anspruch auf Ersatz der nach § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B berechneten Verzugszinsen durch Vorlage der Mahnung vom 11. Januar 1993 durchzusetzen. Denn diese Mahnung betraf die 6. Abschlagsrechnung. Mit Ablauf der darin bis zum 21. Januar 1993 gesetzten
Frist konnte die DR nur mit ihrer Verpflichtung zur Begleichung der Abschlagsrechnung in Verzug geraten. Dieser Verzug endete mit Erteilung der Schlußrechnung am 10. März 1993.
Dressler RiBGH Hausmann befindet sind Wiebel in Urlaub und ist daher verhindert zu unterschreiben. Dressler Kuffer Kniffka

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 82/17 Verkündet am:
26. April 2018
Mohr,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/B (2002) § 8 Nr. 1 Abs. 2, § 2 Nr. 3

a) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom
Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2
VOB/B (2002), sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung
nicht anderweitig geeinigt haben (im Anschluss an BGH, Urteil
vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463).

b) Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B
(2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen
Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen
der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (im
Anschluss an BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01,
BauR 2004, 495 = NZBau 2004, 207).
BGH, Urteil vom 26. April 2018 - VII ZR 82/17 - OLG Rostock
LG Schwerin
ECLI:DE:BGH:2018:260418UVIIZR82.17.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. März 2017 - 4 U 155/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert eine Vergütung für infolge verkürzter Bauzeit nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 94.778,24 €.
2
Die Beklagte führte im Jahr 2004 eine öffentliche Ausschreibung betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19 für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung durch, an dem sich die Klägerin mit einem Angebot zu einem Gesamtpreis von 1.076.416,75 € netto beteiligte. Darin bot die Klägerin entsprechend der Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage zu einem Einheitspreis von 1.184 €/Tag netto an. In der Ausschreibung war als Frist für die Ausführung der Leistungen der Zeitraum von September 2004 bis April 2006 angegeben, vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses. Die am 2. September 2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mit Zustimmung der Klägerin mehrfach verlängert. Am 30. März 2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für die angebo- tenen Arbeiten über 1.186.211,26 € brutto nach Abzug eines Nachlasses von 5 %.
3
Wegen der Dauer des Vergabeverfahrens hatte die Klägerin im Jahr 2005 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene und von ihr vorgehaltene Stahlgleitwand sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen. Bei Zuschlagserteilung musste die Klägerin daher die benötigte Stahlgleitwand bei einem Nachunternehmer anmieten. Die Klägerin machte Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Verlängerung der Zuschlagsfrist in Höhe von 431.783,60 € geltend. Diese Forderung ist Gegenstand des Parallelverfahrens VII ZR 81/17.
4
Die Stahlgleitwand wurde auf Weisung der Beklagten nur an 333 Tagen eingesetzt, da diese die Baumaßnahme erheblich beschleunigte. Die Klägerin beansprucht für die infolge vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht erbrachten Leistungen auf der Grundlage eines vorgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens und unter Berücksichtigung eines Nachlasses von 5 % eine Vergütung in Höhe von insgesamt 94.778,24 €.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung des geforderten Betrags verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
7
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

I.

8
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe aufgrund der erheblich verkürzten Bau- bzw. Vorhaltezeit ein Anspruch aus § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) zu. Die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, die ca. 14.800 m lange Stahlgleitwand bereits nach einer Standzeit von 333 Tagen (statt nach vereinbarten 588 Tagen) abzubauen, sei nach verständiger Auslegung als eine den Anspruch nach § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) begründende freie Kündigung anzusehen. Die Beklagte habe aufgrund der Notwendigkeit zur vorzeitigen Fertigstellung der Baumaßnahme von ihrem freien Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Angesichts der erheblichen Beschleunigung der Baumaßnahme wegen der enormen Verzögerung beim Baubeginn einerseits und der notwendigen Fertigstellung des Autobahnteilstücks vor dem G 8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 andererseits habe die Kündigung ihre Ursache allein im Risiko- und Verantwortungsbereich der Beklagten.
9
Die als Kündigung auszulegende Aufforderung zum Abbau der Stahlgleitwand habe zwar nicht dem Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) entsprochen. Indes sei allgemein anerkannt, dass bei einem VOBVertrag die Kündigungsregelungen in §§ 8, 9 VOB/B (2002) jedenfalls auch dann Geltung erlangen sollen, wenn von einer einverständlichen Vertragsaufhebung auszugehen sei und die Parteien sich nicht über deren Folgen ausdrücklich verständigt hätten. Aufgrund des nach Aufforderung der Beklagten erfolgten Abbaus der Stahlgleitwand und der weiteren Baustellenräumung sowie der Fertigstellung der Baumaßnahme sei hier die Annahme einer einver- nehmlichen (konkludenten) Vertragsaufhebung berechtigt. Vorliegend hätten sich die Parteien über die Folgen dieser einvernehmlichen Vertragsaufhebung ausdrücklich nicht verständigt.
10
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei dahin auszulegen, dass die Klägerin die Vorhaltung der Stahlgleitwand in einem Umfang von 14.800 m für mindestens 588 Tage schuldete. Bei einer Verkürzung der vertraglich vereinbarten Leistungs(Miet-)zeit werde der Auftragnehmer in seiner berechtigten Vergütungserwartung für den gesamten Zeitraum enttäuscht. Aufgrund des überwiegend mietrechtlichen Charakters der streitgegenständlichen Bauleistung sei eine Anpassung nach den Regelungen zur Vergütungsanpassung für Mehr- und Mindermengen beim Einheitspreisvertrag gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nicht vorzunehmen. Im Übrigen komme eine Anwendung des § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nur in Betracht, wenn sich die Verringerung der Leistung ohne Einwirkung des Auftraggebers wegen der an Ort und Stelle vorgefundenen Verhältnisse ergebe, was vorliegend nicht der Fall sei.
11
Die Klägerin mache aufgrund einer nachträglichen Kalkulation ihres Angebotspreises den Vergabegewinn, den Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten als nicht ersparte Kosten geltend. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihrem Vergütungsanspruch nur solche Vergütungsbestandteile zugrunde lege, die ohnehin nicht erspart werden könnten und ihr unabhängig von einem anderweitigen Erwerb zuständen, mithin durch anderweitigen Erwerb nicht kompensiert werden könnten. Gegen die Berechnung des Anspruches habe die Beklagte keine substantiierten Angriffe geführt.

II.

12
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
13
1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Klägerin nach teilweiser einvernehmlicher Aufhebung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags vom 30. März 2006 nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) ein Vergütungsanspruch wegen nicht erbrachter Leistungen in Höhe von 94.778,24 € zusteht.
14
a) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Vertrag vom 30. März 2006 durch die Beschleunigungsmaßnahmen der Beklagten, die dazu geführt haben, dass die Vorhaltung der Stahlgleitwand nur an 333 Tagen statt wie im Leistungsverzeichnis angegeben 588 Tagen erforderlich war, teilweise einvernehmlich vorzeitig beendet worden ist.
15
aa) Das Berufungsgericht legt den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag hinsichtlich der darin enthaltenen Position zur Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage dahin aus, dass die Klägerin danach verpflichtet war, entsprechend der in Aussicht genommenen Bauzeit eine Stahlgleitwand für einen Zeitraum von insgesamt 588 Tagen zur Verfügung zu halten. Die tatrichterliche Vertragsauslegung ist revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2015 - VII ZR 58/14, NZBau 2016, 213 Rn. 15; Urteil vom 9. Juli 2015 - VII ZR 5/15, BGHZ 206, 203 Rn. 20; Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 - VII ZR 87/14, NJW 2015, 1107 Rn. 14; Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 60/14, BauR 2015, 828 Rn. 17 m.w.N. = NZBau 2015, 220). Beachtliche Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Vertragsauslegung liegen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor.
16
Die Auffassung der Revision, das Berufungsgericht sei von einem Pauschalpreis - und nicht von einem Einheitspreisvertrag ausgegangen, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat vielmehr zugrunde gelegt, dass das Vorhalten der Stahlgleitwand nach den im Vertrag vereinbarten Einheitspreisen je Tag der Vorhaltung abzurechnen war. Soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass der Zeitraum der Vorhaltung der Stahlgleitwand mit 588 Tagen verbindlich im Sinne einer Mindestvertragslaufzeit vereinbart worden ist, begegnet dies keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist möglich und widerspricht insbesondere nicht dem Grundsatz einer interessengerechten Auslegung.
17
Soweit die Revision dagegen anführt, die Beklagte habe in der Leistungsbeschreibung "Baubeschreibung Verkehrsführung" gefordert, die Einheitspreise so zu kalkulieren, dass diese für die gesamte Bauzeit verbindlich sind, steht dies einer interessengerechten Auslegung nicht entgegen. Dieser von der Beklagten vorgegebene Passus der Leistungsbeschreibung stützt vielmehr die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich ein Bieter auf eine Bauzeit von 588 Tagen einzurichten und seine Preise entsprechend zu kalkulieren hatte.
18
bb) Ausgehend von der Annahme, dass die Klägerin nach dem Vertrag eine Stahlgleitwand jedenfalls für eine Bauzeit von 588 Tagen zur Verfügung halten musste, stellt die Anforderung der Stahlgleitwand durch die Beklagte während eines Zeitraums von lediglich 333 Tagen eine Verkürzung der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit dar, die einer Teilkündigung des Vertrags gleichzustellen ist. Da nach den von der Revision insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts von einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung auszugehen ist, kommt es auf die von der Revision für erheblich gehaltene Frage, ob die Parteien auf das für eine Kündigung geltende Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) verzichten können, nicht entscheidend an.
19
b) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002), der inhaltlich weitgehend dem § 649 Satz 2 BGB entspricht , sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung nicht anderweitig geeinigt haben (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463 f., juris Rn. 25 f.m.w.N.; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 8 Abs. 6 VOB/B Rn. 8; O. Vogel, BauR 2011, 313, 315). Feststellungen zu einer solchen Vereinbarung hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
20
aa) § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) verdrängt, wie das Berufungsgericht richtig erkennt, als speziellere Regelung den § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) (vgl. OLG Celle, BauR 1995, 558, juris Rn. 4; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 2 Abs. 3 VOB/B Rn. 33; Kapellmann/Schiffers/Markus, Vergütung , Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, Einheitspreisvertrag , 7. Aufl., Rn. 512; Kuffer in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 13. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 111). Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01, BauR 2004, 495, 496, juris Rn. 18 = NZBau 2004, 207). Diese Voraussetzung ist, wie dargestellt, nicht erfüllt.
21
bb) Der Klägerin steht danach gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) die vereinbarte Vergütung zu; sie muss sich jedoch anrechnen lassen, was sie infolge der teilweisen Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft und ihres Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Das Berufungsgericht hält in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin einen Betrag in Höhe von 94.778,24 € für gerechtfertigt. Dies begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 - VII ZR 201/15, BGHZ 209, 278 Rn. 27; Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, BGHZ 143, 79, 83 f., juris Rn. 13; Urteil vom 30. September 1999 - VII ZR 206/98, BauR 2000, 126, 128, juris Rn. 13 = NZBau 2000, 140; Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 277/97, BGHZ 140, 263, 269, juris Rn. 25). Die Höhe der von der Klägerin errechneten Vergütung wird von der Revision im Übrigen nicht angegriffen.
22
2. Die Klägerin kann von der Beklagten weiterhin unter dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß § 280 Abs. 1, § 286 BGB Ersatz der durch die vorgerichtliche Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen Rechtsver- folgungskosten in der geltend gemachten Höhe von 1.935,50 € nach einem Gegenstandswert von 94.778,24 € verlangen. Eine Obliegenheit der Klägerin, ihren Prozessbevollmächtigten hinsichtlich des im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Vergütungsanspruchs und des im Parallelverfahren VII ZR 81/17 verfolgten Zahlungsanspruchs einen einheitlichen Auftrag zu erteilen , folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits daraus, dass sie in diesem Fall wegen der Zusammenrechnung der Forderungen infolge der sich aus der Gebührentabelle ergebenden Gebührenstufen insgesamt eine geringere Verfahrensgebühr an ihre Prozessbevollmächtigten hätte zahlen müssen. Da die Klägerin berechtigt war, die beiden Ansprüche in zwei getrennten Prozessen geltend zu machen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. November 2017 - VII ZR 81/17 und VII ZR 82/17), ist die Erteilung zweier getrennter Aufträge nicht als Verstoß gegen § 254 Abs. 2 Satz 1, 2. Fall BGB zu bewerten. Die Hö- he der von der Klägerin nach einem Streitwert von 94.778,24 € zu beanspru- chenden Gebühr steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

III.

23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kartzke Halfmeier Jurgeleit Graßnack Brenneisen

Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 29.11.2012 - 4 O 270/12 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 14.03.2017 - 4 U 155/12 -

(1) Ist bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich, so kann der Unternehmer, wenn der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine angemessene Entschädigung verlangen.

(2) Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 82/17 Verkündet am:
26. April 2018
Mohr,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/B (2002) § 8 Nr. 1 Abs. 2, § 2 Nr. 3

a) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom
Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2
VOB/B (2002), sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung
nicht anderweitig geeinigt haben (im Anschluss an BGH, Urteil
vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463).

b) Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B
(2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen
Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen
der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (im
Anschluss an BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01,
BauR 2004, 495 = NZBau 2004, 207).
BGH, Urteil vom 26. April 2018 - VII ZR 82/17 - OLG Rostock
LG Schwerin
ECLI:DE:BGH:2018:260418UVIIZR82.17.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. März 2017 - 4 U 155/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert eine Vergütung für infolge verkürzter Bauzeit nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 94.778,24 €.
2
Die Beklagte führte im Jahr 2004 eine öffentliche Ausschreibung betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19 für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung durch, an dem sich die Klägerin mit einem Angebot zu einem Gesamtpreis von 1.076.416,75 € netto beteiligte. Darin bot die Klägerin entsprechend der Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage zu einem Einheitspreis von 1.184 €/Tag netto an. In der Ausschreibung war als Frist für die Ausführung der Leistungen der Zeitraum von September 2004 bis April 2006 angegeben, vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses. Die am 2. September 2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mit Zustimmung der Klägerin mehrfach verlängert. Am 30. März 2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für die angebo- tenen Arbeiten über 1.186.211,26 € brutto nach Abzug eines Nachlasses von 5 %.
3
Wegen der Dauer des Vergabeverfahrens hatte die Klägerin im Jahr 2005 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene und von ihr vorgehaltene Stahlgleitwand sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen. Bei Zuschlagserteilung musste die Klägerin daher die benötigte Stahlgleitwand bei einem Nachunternehmer anmieten. Die Klägerin machte Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Verlängerung der Zuschlagsfrist in Höhe von 431.783,60 € geltend. Diese Forderung ist Gegenstand des Parallelverfahrens VII ZR 81/17.
4
Die Stahlgleitwand wurde auf Weisung der Beklagten nur an 333 Tagen eingesetzt, da diese die Baumaßnahme erheblich beschleunigte. Die Klägerin beansprucht für die infolge vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht erbrachten Leistungen auf der Grundlage eines vorgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens und unter Berücksichtigung eines Nachlasses von 5 % eine Vergütung in Höhe von insgesamt 94.778,24 €.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung des geforderten Betrags verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
7
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

I.

8
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe aufgrund der erheblich verkürzten Bau- bzw. Vorhaltezeit ein Anspruch aus § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) zu. Die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, die ca. 14.800 m lange Stahlgleitwand bereits nach einer Standzeit von 333 Tagen (statt nach vereinbarten 588 Tagen) abzubauen, sei nach verständiger Auslegung als eine den Anspruch nach § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) begründende freie Kündigung anzusehen. Die Beklagte habe aufgrund der Notwendigkeit zur vorzeitigen Fertigstellung der Baumaßnahme von ihrem freien Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Angesichts der erheblichen Beschleunigung der Baumaßnahme wegen der enormen Verzögerung beim Baubeginn einerseits und der notwendigen Fertigstellung des Autobahnteilstücks vor dem G 8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 andererseits habe die Kündigung ihre Ursache allein im Risiko- und Verantwortungsbereich der Beklagten.
9
Die als Kündigung auszulegende Aufforderung zum Abbau der Stahlgleitwand habe zwar nicht dem Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) entsprochen. Indes sei allgemein anerkannt, dass bei einem VOBVertrag die Kündigungsregelungen in §§ 8, 9 VOB/B (2002) jedenfalls auch dann Geltung erlangen sollen, wenn von einer einverständlichen Vertragsaufhebung auszugehen sei und die Parteien sich nicht über deren Folgen ausdrücklich verständigt hätten. Aufgrund des nach Aufforderung der Beklagten erfolgten Abbaus der Stahlgleitwand und der weiteren Baustellenräumung sowie der Fertigstellung der Baumaßnahme sei hier die Annahme einer einver- nehmlichen (konkludenten) Vertragsaufhebung berechtigt. Vorliegend hätten sich die Parteien über die Folgen dieser einvernehmlichen Vertragsaufhebung ausdrücklich nicht verständigt.
10
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei dahin auszulegen, dass die Klägerin die Vorhaltung der Stahlgleitwand in einem Umfang von 14.800 m für mindestens 588 Tage schuldete. Bei einer Verkürzung der vertraglich vereinbarten Leistungs(Miet-)zeit werde der Auftragnehmer in seiner berechtigten Vergütungserwartung für den gesamten Zeitraum enttäuscht. Aufgrund des überwiegend mietrechtlichen Charakters der streitgegenständlichen Bauleistung sei eine Anpassung nach den Regelungen zur Vergütungsanpassung für Mehr- und Mindermengen beim Einheitspreisvertrag gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nicht vorzunehmen. Im Übrigen komme eine Anwendung des § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) nur in Betracht, wenn sich die Verringerung der Leistung ohne Einwirkung des Auftraggebers wegen der an Ort und Stelle vorgefundenen Verhältnisse ergebe, was vorliegend nicht der Fall sei.
11
Die Klägerin mache aufgrund einer nachträglichen Kalkulation ihres Angebotspreises den Vergabegewinn, den Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten als nicht ersparte Kosten geltend. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihrem Vergütungsanspruch nur solche Vergütungsbestandteile zugrunde lege, die ohnehin nicht erspart werden könnten und ihr unabhängig von einem anderweitigen Erwerb zuständen, mithin durch anderweitigen Erwerb nicht kompensiert werden könnten. Gegen die Berechnung des Anspruches habe die Beklagte keine substantiierten Angriffe geführt.

II.

12
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
13
1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Klägerin nach teilweiser einvernehmlicher Aufhebung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags vom 30. März 2006 nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) ein Vergütungsanspruch wegen nicht erbrachter Leistungen in Höhe von 94.778,24 € zusteht.
14
a) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Vertrag vom 30. März 2006 durch die Beschleunigungsmaßnahmen der Beklagten, die dazu geführt haben, dass die Vorhaltung der Stahlgleitwand nur an 333 Tagen statt wie im Leistungsverzeichnis angegeben 588 Tagen erforderlich war, teilweise einvernehmlich vorzeitig beendet worden ist.
15
aa) Das Berufungsgericht legt den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag hinsichtlich der darin enthaltenen Position zur Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage dahin aus, dass die Klägerin danach verpflichtet war, entsprechend der in Aussicht genommenen Bauzeit eine Stahlgleitwand für einen Zeitraum von insgesamt 588 Tagen zur Verfügung zu halten. Die tatrichterliche Vertragsauslegung ist revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2015 - VII ZR 58/14, NZBau 2016, 213 Rn. 15; Urteil vom 9. Juli 2015 - VII ZR 5/15, BGHZ 206, 203 Rn. 20; Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 - VII ZR 87/14, NJW 2015, 1107 Rn. 14; Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 60/14, BauR 2015, 828 Rn. 17 m.w.N. = NZBau 2015, 220). Beachtliche Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Vertragsauslegung liegen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor.
16
Die Auffassung der Revision, das Berufungsgericht sei von einem Pauschalpreis - und nicht von einem Einheitspreisvertrag ausgegangen, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat vielmehr zugrunde gelegt, dass das Vorhalten der Stahlgleitwand nach den im Vertrag vereinbarten Einheitspreisen je Tag der Vorhaltung abzurechnen war. Soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass der Zeitraum der Vorhaltung der Stahlgleitwand mit 588 Tagen verbindlich im Sinne einer Mindestvertragslaufzeit vereinbart worden ist, begegnet dies keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist möglich und widerspricht insbesondere nicht dem Grundsatz einer interessengerechten Auslegung.
17
Soweit die Revision dagegen anführt, die Beklagte habe in der Leistungsbeschreibung "Baubeschreibung Verkehrsführung" gefordert, die Einheitspreise so zu kalkulieren, dass diese für die gesamte Bauzeit verbindlich sind, steht dies einer interessengerechten Auslegung nicht entgegen. Dieser von der Beklagten vorgegebene Passus der Leistungsbeschreibung stützt vielmehr die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich ein Bieter auf eine Bauzeit von 588 Tagen einzurichten und seine Preise entsprechend zu kalkulieren hatte.
18
bb) Ausgehend von der Annahme, dass die Klägerin nach dem Vertrag eine Stahlgleitwand jedenfalls für eine Bauzeit von 588 Tagen zur Verfügung halten musste, stellt die Anforderung der Stahlgleitwand durch die Beklagte während eines Zeitraums von lediglich 333 Tagen eine Verkürzung der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit dar, die einer Teilkündigung des Vertrags gleichzustellen ist. Da nach den von der Revision insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts von einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung auszugehen ist, kommt es auf die von der Revision für erheblich gehaltene Frage, ob die Parteien auf das für eine Kündigung geltende Schriftformerfordernis nach § 8 Nr. 5 VOB/B (2002) verzichten können, nicht entscheidend an.
19
b) Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002), der inhaltlich weitgehend dem § 649 Satz 2 BGB entspricht , sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung nicht anderweitig geeinigt haben (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463 f., juris Rn. 25 f.m.w.N.; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 8 Abs. 6 VOB/B Rn. 8; O. Vogel, BauR 2011, 313, 315). Feststellungen zu einer solchen Vereinbarung hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
20
aa) § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) verdrängt, wie das Berufungsgericht richtig erkennt, als speziellere Regelung den § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) (vgl. OLG Celle, BauR 1995, 558, juris Rn. 4; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 2 Abs. 3 VOB/B Rn. 33; Kapellmann/Schiffers/Markus, Vergütung , Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, Einheitspreisvertrag , 7. Aufl., Rn. 512; Kuffer in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 13. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 111). Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01, BauR 2004, 495, 496, juris Rn. 18 = NZBau 2004, 207). Diese Voraussetzung ist, wie dargestellt, nicht erfüllt.
21
bb) Der Klägerin steht danach gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) die vereinbarte Vergütung zu; sie muss sich jedoch anrechnen lassen, was sie infolge der teilweisen Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft und ihres Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Das Berufungsgericht hält in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin einen Betrag in Höhe von 94.778,24 € für gerechtfertigt. Dies begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 - VII ZR 201/15, BGHZ 209, 278 Rn. 27; Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, BGHZ 143, 79, 83 f., juris Rn. 13; Urteil vom 30. September 1999 - VII ZR 206/98, BauR 2000, 126, 128, juris Rn. 13 = NZBau 2000, 140; Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 277/97, BGHZ 140, 263, 269, juris Rn. 25). Die Höhe der von der Klägerin errechneten Vergütung wird von der Revision im Übrigen nicht angegriffen.
22
2. Die Klägerin kann von der Beklagten weiterhin unter dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß § 280 Abs. 1, § 286 BGB Ersatz der durch die vorgerichtliche Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen Rechtsver- folgungskosten in der geltend gemachten Höhe von 1.935,50 € nach einem Gegenstandswert von 94.778,24 € verlangen. Eine Obliegenheit der Klägerin, ihren Prozessbevollmächtigten hinsichtlich des im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Vergütungsanspruchs und des im Parallelverfahren VII ZR 81/17 verfolgten Zahlungsanspruchs einen einheitlichen Auftrag zu erteilen , folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits daraus, dass sie in diesem Fall wegen der Zusammenrechnung der Forderungen infolge der sich aus der Gebührentabelle ergebenden Gebührenstufen insgesamt eine geringere Verfahrensgebühr an ihre Prozessbevollmächtigten hätte zahlen müssen. Da die Klägerin berechtigt war, die beiden Ansprüche in zwei getrennten Prozessen geltend zu machen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. November 2017 - VII ZR 81/17 und VII ZR 82/17), ist die Erteilung zweier getrennter Aufträge nicht als Verstoß gegen § 254 Abs. 2 Satz 1, 2. Fall BGB zu bewerten. Die Hö- he der von der Klägerin nach einem Streitwert von 94.778,24 € zu beanspru- chenden Gebühr steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

III.

23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kartzke Halfmeier Jurgeleit Graßnack Brenneisen

Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 29.11.2012 - 4 O 270/12 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 14.03.2017 - 4 U 155/12 -

Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können.