vorgehend
Landgericht Bonn, 7 O 183/07, 09.01.2008
Oberlandesgericht Köln, 24 U 38/08, 20.05.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 66/08
VII ZB 67/08
vom
16. April 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 C, 234 Abs. 1 A, 236 Abs. 2 D
Hat eine Partei die Berufungsbegründungsfrist versäumt, weil ihr rechtzeitig gestellter
Verlängerungsantrag ohne ihr Verschulden dem Gericht nicht zur Kenntnis gelangt
ist, und hat das Gericht auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Begründungsfrist
hingewiesen, bevor die in dem Verlängerungsantrag genannte Frist abgelaufen war,
kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mit der Begründung versagt werden
, die Partei habe die von ihr selbst gesetzte Frist nicht eingehalten.
In diesem Fall steht ihr dann für die Begründung der Berufung die Monatsfrist des
§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Verfügung.
(Im Anschluss an BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1995 - VII ZB 17/95, NJW
1996, 1350).
BGH, Beschluss vom 16. April 2009 - VII ZB 66/08 und VII ZB 67/08 - OLG Köln
LG Bonn
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. April 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Bauner, Dr. Eick, Halfmeier
und Leupertz

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Mai 2008 aufgehoben. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 40.578,79 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat gegen das klageabweisende, am 17. Januar 2008 zugestellte Urteil des Landgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Eine Berufungsbegründung ist innerhalb der am 17. März 2008 ablaufenden Berufungsbegründungsfrist nicht eingegangen. Hierauf ist die Prozessbevollmächtigte des Klägers durch richterliche Verfügung vom 20. März 2008, zugestellt am 3. April 2008, hingewiesen worden. Sie hat mit Schriftsatz vom 18. April 2008, beim Berufungsgericht eingegangen am 21. April 2008, die Berufung begründet und wegen der Versäumung der Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Sie hat dazu vorgetragen, sie habe am 7. März 2008 einen Schriftsatz gefertigt, mit dem die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17. April 2008 beantragt worden sei. In Absprache mit ihr habe ein anderes Mitglied der Anwaltssozietät diesen Schriftsatz am 10. März 2008 auf der Poststelle des Gerichtsgebäudes in das Fach für das Oberlandesgericht gelegt. Da sie stichhaltige Gründe für die Verlängerung der Frist habe anführen können, sei sie ohne weiteres davon ausgegangen, dass dem Antrag stattgegeben werde, und habe insoweit auch beim Oberlandesgericht nicht nachgefragt. Zur Glaubhaftmachung hat sie eine eidesstattliche Versicherung ihrer Anwaltskollegin vorgelegt.
2
Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 20. Mai 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und mit Beschluss vom 20. Juni 2008 die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

3
1. Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, da zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Indem das Berufungsgericht dem Kläger zu Unrecht (siehe hierzu unter 2. b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verweigert hat, hat es das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf Gewährung wirkungsvol- len Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt. Es hat dem Kläger den Zugang zur Berufungsinstanz ungerechtfertigt versagt.
4
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
5
a) Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger sei an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist nicht ohne sein Verschulden verhindert gewesen. Er habe zwar glaubhaft gemacht, dass der erstmalige und ausreichend begründete Fristverlängerungsantrag am 10. März 2008 in das OLG-Fach des Gerichtsgebäudes eingelegt worden sei. Er hätte aber den von ihm selbst beantragten Verlängerungszeitraum einhalten oder rechtzeitig einen neuen Verlängerungsantrag stellen müssen. Allerdings habe der Bundesgerichtshof die Überschreitung des vom Berufungskläger beantragten Verlängerungszeitraums mit der Begründung für unschädlich gehalten, dem Berufungskläger habe für die Berufungsbegründung als Mindestfrist diejenige des § 234 Abs. 1 ZPO a.F. zur Verfügung gestanden (Beschluss vom 21. Dezember 1995 - VII ZB 17/95, NJW 1996, 1350). Dies könne jedoch seit dem Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes jedenfalls insoweit nicht mehr gelten, als der erste, nicht beschiedene Verlängerungsantrag des Berufungsklägers die in § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO bestimmte Höchstfrist von einem Monat ausschöpfe. Dieser Regelung widerspräche es, wenn dem Berufungskläger ohne rechtzeitige Einholung einer Zustimmung des Berufungsbeklagten nur deshalb gestattet würde, die erste Verlängerungsfrist von einem Monat zu überschreiten, weil der Verlängerungsantrag entweder ohne sein Verschulden nicht bei Gericht eingegangen oder nicht beschieden worden sei. Eine über die Monatsfrist hinausgehende Verlängerung könne der Berufungskläger nicht erwarten.
6
b) Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat dem Kläger zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt.
7
aa) Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Kläger ohne sein Verschulden verhindert war, die am 17. März 2008 endende ursprüngliche Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Er hat glaubhaft gemacht, rechtzeitig einen Antrag auf Fristverlängerung um einen Monat eingereicht zu haben. Da es sich um den ersten Antrag handelte und er auf erhebliche Gründe gestützt war, konnte der Kläger auf die Bewilligung vertrauen und musste insoweit auch nicht bei Gericht nachfragen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2007 - XII ZB 82/07, NJW-RR 2008, 76 m.w.N.; st. Rspr.).
8
bb) Der Wiedereinsetzungsantrag und die Berufungsbegründung sind aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts rechtzeitig eingegangen. Das Hindernis zur Einhaltung der Frist entfiel am 3. April 2008, als die Prozessbevollmächtigte des Klägers die gerichtliche Mitteilung erhielt, dass eine Berufungsbegründung nicht eingegangen sei. Von diesem Tag an lief die Frist von einem Monat, um Wiedereinsetzung zu beantragen und die Berufungsbegründung einzureichen, § 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Diese Frist hat der Kläger gewahrt; Wiedereinsetzungsantrag und Berufungsbegründung gingen am 21. April 2008 und damit rechtzeitig beim Berufungsgericht ein. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen vor.
9
cc) Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass der Kläger um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nur bis zum 17. April 2008 nachgesucht und diese sich selbst gesetzte Frist überschritten hatte.
10
Allerdings hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass dem Berufungskläger Wiedereinsetzung nur gewährt werden kann, wenn sein Prozessbevollmächtigter die in einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist begehrte Frist eingehalten hat (Beschlüsse vom 14. Oktober 1993 - LwZB 2/93, NJW 1994, 55 und vom 4. März 2004 - IX ZB 121/03, NJW 2004, 1742). Diese Entscheidungen betrafen jedoch Sachverhalte, in denen das Berufungsgericht innerhalb der jeweils beantragten Verlängerungsfrist weder über die Verlängerung entschieden noch sich sonst geäußert hatte. Dann entspricht es der Pflicht des Rechtsanwalts zur Wahl des sichersten Weges, die durch den Antrag sich selbst gesetzte Frist einzuhalten. Dagegen hat hier das Berufungsgericht innerhalb der beantragten Verlängerungsfrist mitgeteilt, dass die Berufungsbegründung (und damit auch der Antrag auf Fristverlängerung) nicht eingegangen sei. Damit wurde die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Gang gesetzt. Diese vom Gesetz vorgegebene Frist ist nicht von der zuvor vom Kläger beantragten Fristverlängerung abhängig. Sie wird durch den Antrag des Klägers nicht verkürzt, sondern steht dem Kläger in voller Länge zur Verfügung (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1995 - VII ZB 17/95, NJW 1996, 1350 zu § 234 ZPO a.F.; MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 233 Rdn. 62; Musielak/Grandel, ZPO, 6. Aufl., § 233 Rdn. 29; Wieczorek/Schütze/Uwe Gerken, ZPO, 3. Aufl., § 233 Rdn. 66; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 233 Stichwort Fristverlängerung unter b bb).
11
dd) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts zwingt der Umstand, dass nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO in der Fassung des Zivilprozessreformgesetzes die Berufungsbegründungsfrist ohne Einwilligung des Gegners nur um bis zu einem Monat verlängert werden kann, nicht zu einer anderen Beurteilung.
12
§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO wird von § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht überlagert. Beide Vorschriften verfolgen unterschiedliche Zwecke und sind unabhängig voneinander zu betrachten. Durch die Einführung der Monatsfrist in § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO sollte in erster Linie die Rechtsstellung unbemittelter Rechtsmittelführer bei der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbessert werden (vgl. BT-Drucks. 15/1508, S. 17). Die Vorschrift gilt darüber hinaus ohne Einschränkung für alle Fälle der Versäumung einer Frist zur Begründung eines Rechtsmittels (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2008 - XI ZB 11/07, NJW 2008, 1164). § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO dient der Beschleunigung des Berufungsverfahrens (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 95). Er sagt nichts darüber aus, unter welchen Umständen bei der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden soll. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit dieser Norm den Lauf der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO begrenzen wollte.
13
3. Dem Kläger war somit unter Aufhebung des Beschlusses des Berufungsgerichts vom 20. Mai 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung zu gewähren. Damit sind der Beschluss des Berufungsgerichts vom 20. Juni 2008, mit dem die Berufung verworfen wurde, und die dagegen vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde des Klägers gegenstandslos (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2006 - XII ZB 99/06, NJW 2007, 1455 und vom 15. Januar 2008 - XI ZB 11/07, aaO).
Kniffka Bauner Eick Halfmeier Leupertz
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 09.01.2008 - 7 O 183/07 -
OLG Köln, Entscheidung vom 20.05.2008 - 24 U 38/08 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2009 - VII ZB 66/08

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2009 - VII ZB 66/08

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2009 - VII ZB 66/08 zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

Zivilprozessordnung - ZPO | § 236 Wiedereinsetzungsantrag


(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. (2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragste

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2009 - VII ZB 66/08 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2009 - VII ZB 66/08 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2007 - XII ZB 82/07

bei uns veröffentlicht am 15.08.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 82/07 vom 15. August 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 85 Abs. 2, 233 B, Fc, 520 Abs. 2 a) Wird die Frist zur Begründung der Berufung um einen bestimmten Zeitraum ver

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2006 - XII ZB 99/06

bei uns veröffentlicht am 06.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 99/06 vom 6. Dezember 2006 in dem Rechtsstreit Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2009 - VII ZB 66/08.

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juli 2009 - II ZB 1/09

bei uns veröffentlicht am 06.07.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 1/09 vom 6. Juli 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 85 Abs. 2, 233, 520 Abs. 2 Satz 3 War ein (Berufungs-)Anwalt aufgrund einer plötzlich auftretenden, nicht vor

Referenzen

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 82/07
vom
15. August 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 85 Abs. 2, 233 B, Fc, 520 Abs. 2

a) Wird die Frist zur Begründung der Berufung um einen bestimmten Zeitraum
verlängert und fällt der letzte Tag der ursprünglichen Frist auf einen Samstag,
Sonntag oder allgemeinen Feiertag, so beginnt der verlängerte Teil der Frist
erst mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages (Anschluss an BGH Beschluss
vom 14. Dezember 2005 - IX ZB 198/04 - NJW 2006, 700).

b) Hat das Berufungsgericht die Begründungsfrist hingegen bis zu einem konkret
bezeichneten Tag verlängert, kommt es auf den Beginn der verlängerten
Frist nicht an. Wenn das Berufungsgericht die beantragte Fristverlängerung
nur teilweise bewilligt hat, kommt eine darauf gestützte Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist nur ausnahmsweise
bei einem Verstoß gegen die Anforderungen an ein faires Verfahren
in Betracht (Abgrenzung zu BGH Beschluss vom 23. Oktober 2003
- V ZB 44/03 - NJW-RR 2004, 785).
BGH, Beschluss vom 15. August 2007 - XII ZB 82/07 - LG Potsdam
AG Potsdam
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. August 2007 durch die
Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und
den Richter Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 4. April 2007 wird auf Kosten des Klägers verworfen. Beschwerdewert: 650 €.

Gründe:


I.

1
Das Amtsgericht hat die Klage auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung auf einen Mietzins abgewiesen. Das Urteil wurde dem Kläger am 3. August 2006 zugestellt. Dagegen legte der Kläger rechtzeitig Berufung ein. Mit einem am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz vom 2. Oktober 2006 beantragte der Kläger, "die am 04.10.2006 ablaufende Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis zum 06. November 2006 zu verlängern". Das Landgericht verlängerte die Begründungsfrist mit Verfügung vom 5. Oktober 2006, die dem Kläger mit Telefax vom 6. Oktober 2006 übermittelt wurde, bis zum 3. November 2006 und führte ergänzend aus: "Eine weitere Fristverlängerung konnte nicht gewährt werden, da die Frist des § 520 II ZPO am 3.11.2006 endet (Zustellung des Urteils am 3.8.2006)."
2
Die Berufungsbegründung ging am 6. November 2006 (Montag) per Telefax beim Berufungsgericht ein. Nachdem der Kläger auf die verspätet eingegangene Berufungsbegründung hingewiesen worden war, beantragte er mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom 20. November 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.
3
Das Landgericht hat den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO in Verbindung mit §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig , weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts geboten.
5
1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beginn einer vom Berufungsgericht verlängerten Frist nicht widerspricht.
6
a) Zwar hätte das Berufungsgericht die Begründungsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO bis zum 4. November 2006 bzw., weil dies ein Samstag war, bis zum 6. November 2006 (Montag) verlängern dürfen, sodass die Berufungsbegründung dann rechtzeitig eingegangen wäre.
7
Denn weil das erstinstanzliche Urteil dem Kläger am 3. August 2006 zugestellt worden war, wäre die Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO am 3. Oktober 2006 abgelaufen, wenn dieser Tag kein gesetzlicher Feiertag gewesen wäre. So aber lief sie nach § 222 Abs. 2 ZPO erst mit Ablauf des nächsten Werktages am 4. Oktober 2006 ab. Wenn das Berufungsgericht die Begründungsfrist - wie grundsätzlich nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO möglich - um einen Monat verlängert hätte, hätte der verlängerte Teil der Frist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erst mit Ablauf des dem Feiertag folgenden nächsten Werktages, hier also mit Ablauf des 4. Oktober 2006 begonnen (BGH Beschluss vom 14. Dezember 2005 - IX ZB 198/04 - NJW 2006, 700) und wäre deswegen erst am Montag, dem 6. November 2006 abgelaufen.
8
b) Darauf kommt es hier aber nicht an, weil das Berufungsgericht die Begründungsfrist nicht um eine bestimmte Zeitspanne, sondern bis zum Ablauf eines konkret bezeichneten Tages, nämlich des 3. November 2006 (Freitag), verlängert hat. Dann kommt es auf die Rechtsprechung zum Beginn der verlängerten Frist nicht an, weil das Ende der Frist konkret feststeht. Die Entscheidung des Berufungsgerichts widerspricht deswegen dieser Rechtsprechung nicht. Weil die Berufungsbegründung nicht innerhalb dieser konkret bestimmten Frist bis zum Ablauf des 3. November 2006, sondern erst am 6. November 2006 eingegangen ist, war die Begründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO nicht gewahrt.
9
2. Auch soweit das Berufungsgericht dem Kläger die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt hat, vermag die Rechtsbeschwerde keine Zulassungsgründe im Sinne des § 574 Abs. 2 ZPO aufzuzeigen. Die angefochtene Entscheidung überspannt insbesondere nicht die Sorgfaltsanforderungen an die Verpflichtung eines Prozessbevollmächtigten zur Kontrolle laufender Rechtsmittelbegründungsfristen.
10
a) Zwar weist die Rechtsbeschwerde zu Recht darauf hin, dass ein Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass seinem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat stattgegeben wird, wenn die Voraussetzungen des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO hinreichend vorgetragen sind (BVerfG NJW 1989, 1147; Senatsbeschluss vom 11. Februar 1998 - XII ZB 184/97 - NJW-RR 1998, 787, 788; BGH Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 - V ZB 44/03 - NJW-RR 2004, 785, vom 7. Juni 1999 - II ZB 25/98 - NJW 1999, 3051, 3052, vom 11. November 1998 - VIII ZB 24/98 - NJW 1999, 430 und vom 17. Dezember 1997 - IV ZR 93/97 - NJW-RR 1998, 1140).
11
Dieser Vertrauensschutz gilt aber nur so lange, bis das Gericht über den Verlängerungsantrag entschieden hat. Hat das Berufungsgericht - wie hier - bereits über den Verlängerungsantrag entschieden und ihm nur teilweise stattgegeben , kann die Partei nicht mehr auf eine antragsgemäße Verlängerung vertrauen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die gerichtliche Entscheidung über den Verlängerungsantrag eindeutig ist, aus ihr zweifelsfrei deutlich wird, dass dem weitergehenden Antrag nur teilweise stattgegeben wurde, und noch ausreichend Zeit für die Berufungsbegründung verbleibt. Die Grundrechte des Be- rufungsklägers auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren können allenfalls dann verletzt sein, wenn die gerichtliche Entscheidung über den Verlängerungsantrag so unbestimmt ist, dass sie geeignet ist, den Berufungsführer in die Irre zu leiten, und die Verlängerung der Frist dadurch ihren Sinn verliert (vgl. insoweit BGH Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 44/03 - NJW-RR 2004, 785).
12
Solches war hier allerdings nicht der Fall, weil der Vorsitzende den Kläger ausdrücklich auf den Tag des Fristablaufs und zusätzlich darauf hingewiesen hatte, dass dem weitergehenden Antrag nicht stattgegeben werde. Die Verfügung des Gerichts vom 5. Oktober 2006 ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers auch so rechtzeitig zugegangen, dass er sich auf den darin mitgeteilten Fristablauf am 3. November 2006 hinreichend einstellen konnte.
13
b) Danach ist die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf ein dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurückzuführen.
14
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass Fristversäumnisse möglichst vermieden werden. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist ist deswegen - im Gegensatz zur Berufungsfrist - nicht nur durch die Eintragung der Hauptfrist, sondern zusätzlich durch eine ausreichende Vorfrist sicherzustellen (Senatsbeschluss vom 6. Dezember 2006 - XII ZB 99/06 - NJW 2007, 1455, 1456 m.w.N.).
15
Zwar muss der Rechtsanwalt die auf eine Vorfrist vorgelegte Sache nicht stets sofort bearbeiten, weil er grundsätzlich frei darin ist, ob er die Begründungsfrist vollständig ausnutzen möchte (BGH Beschlüsse vom 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99 - NJW 2000, 365, 366 und vom 9. März 1999 - VI ZB 3/99 - NJW 1999, 2048, 2049). Der Rechtsanwalt kann die Handakte deswegen auch zur Wiedervorlage am Tag des Fristablaufs zurückgeben, wenn er sich nach sorgfältiger Prüfung davon überzeugt hat, dass die Rechtsmittelbegründung noch rechtzeitig innerhalb der Frist bei Gericht eingereicht werden kann (BGH Beschluss vom 27. Mai 1997 - VI ZB 10/97 - NJW 1997, 2825, 2826). Die mit der Vorfristanordnung bezweckte Sicherung, dem Anwalt den für die Bearbeitung der Rechtsmittelbegründung erforderlichen Zeitraum zu gewährleisten, verlangt dann keine sofortige Bearbeitung der Sache, sondern gestattet es, sich die Sache für den letzten Tag der sorgfältig geprüften Begründungsfrist erneut vorlegen zu lassen.
16
bb) Allerdings erfordert der Zweck der Vorfrist dann eine erneute Prüfung der Begründungsfrist (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 11. Februar 2004 - XII ZB 263/03 - FamRZ 2004, 696), weil nur so sichergestellt werden kann, dass die Berufungsbegründung rechtzeitig erstellt und dem Gericht übermittelt wird. Das gilt hier schon deswegen, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Verlängerung der Begründungsfrist beantragt hatte und deswegen zunächst lediglich eine vorläufige Frist eingetragen werden konnte, die sich aus dem Verlängerungsantrag ergab. In solchen Fällen ist der endgültige Fristablauf nach Gewährung der Verlängerung stets erneut zu überprüfen und neu in den Fristenkalender einzutragen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Handakte nicht zu einer hypothetischen, sondern zu einer wirklichen Frist vorgelegt und diese eingehalten wird. Das gilt unabhängig davon, ob die Fristverlängerung erst am Tag des Ablaufs der regulären Begründungsfrist oder schon einige Zeit zuvor beantragt wird. In jedem Fall ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass vor dem beantragten Fristablauf das wirkliche Ende der Frist festgestellt und eingetragen wird (Senatsbeschluss vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99 - NJW-RR 1999, 1663). Diese Pflicht zur Überprüfung der tat- sächlich gewährten Verlängerung der Begründungsfrist hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers schuldhaft nicht erfüllt, was dem Kläger zuzurechnen ist.
17
c) Dieses Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist für die Versäumung der Frist ursächlich geworden, so dass es auf ein gerichtliches Mitverschulden bei der Bewilligung der Fristverlängerung nicht entscheidend ankommt (BGH Beschluss vom 6. Mai 1999 - VII ZR 396/98 - VersR 2000, 515).
Sprick Wagenitz Ahlt Vézina Dose

Vorinstanzen:
AG Potsdam, Entscheidung vom 01.08.2006 - 29 C 465/05 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 04.04.2007 - 3 S 173/06 -

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 99/06
vom
6. Dezember 2006
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2006 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 6. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. April 2006 aufgehoben. 2. Dem Antragsteller wird wegen der Versäumung der Berufungsfrist gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Detmold vom 21. September 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Beschwerdewert: 6.415 €.

Gründe:


I.

1
Der Antragsteller hat gegen das ihm am 26. September 2005 zugestellte Urteil des Amtsgerichts mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2005, eingegangen beim Berufungsgericht am (Donnerstag) 27. Oktober 2005, Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Am 7. März 2006 wies der Vorsitzende des Berufungssenats den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers telefonisch auf den verspäteten Eingang der Berufungsschrift hin. Daraufhin beantragte der Antragsteller mit am 20. März 2006 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.
2
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers.

II.

3
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch sonst zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
4
Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nach ständiger Rechtsprechung außer in Fällen der Divergenz auch dann geboten, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren. Das ist vor allem dann anzunehmen, wenn das Beschwerdegericht Verfahrensgrundrechte, insbesondere die Grundrechte auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) oder auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip ) verletzt hat (BGHZ 151, 221, 226).
5
Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient in besonderer Weise dazu, die Rechtsschutzgarantie und das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes und auf rechtliches Gehör gebieten es daher, den Zugang zu den Gerichten und den weiteren Instanzen nicht in unzumutbarer, sachlich nicht gerechtfertigter Weise zu erschweren. Deswegen dürfen gerade bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen an die Sorgfalt eines Rechtsanwalts nicht überspannt werden (Senatsbeschluss vom 11. Februar 2004 - XII ZB 263/03 - FamRZ 2004, 696 m.w.N.). Das hat das Berufungsgericht hier verkannt.
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Dem Antragsteller ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren, weil er diese Frist weder aus eigenem noch aus einem ihm zurechenbaren Verschulden seines Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) versäumt hat.
7
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich ein zurechenbares Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nicht schon daraus, dass dieser wegen fehlender Vorlage der Sache zur notierten Vorfrist am 19. Oktober 2005 an der Zuverlässigkeit seiner Büroangestellten hätte zweifeln müssen.
8
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Eintragung einer Vorfrist für die Berufungsfrist - im Gegensatz zur Berufungsbegründungsfrist (vgl. insoweit Senatsbeschlüsse vom 25. Juni 1997 - XII ZB 61/97 - NJW-RR 1997, 1289 und vom 20. April 1994 - XII ZB 47/94 - FamRZ 1994, 1519, 1520; BGH Urteil vom 19. November 1976 - IV ZR 36/76 - VersR 1977, 332; Beschlüsse vom 21. Februar 1974 - VII ZB 4/74 - VersR 1974, 756 und vom 30. November 1951 - I ZB 14/51 - NJW 1952, 183) - grundsätzlich nicht erforderlich (BGH Beschluss vom 24. Mai 1973 - III ZB 5/73 - VersR 1973, 840). Wenn der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers gleichwohl auch hinsichtlich der Berufungsfrist mit einer doppelten Fristenkontrolle eine über das gebotene Maß hinausgehende organisatorische Sicherung angeordnet hat, kann dies jedenfalls nicht zu einer Verschärfung der ihn treffenden Sorgfaltspflichten führen (BGH Urteil vom 19. Dezember 1991 - VII ZR 155/91 - NJW 1992, 1047).
9
bb) Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Büroangestellten musste der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers aber auch deswegen nicht haben, weil sich - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - aus dem Sach- und Streitstand keineswegs ergibt, dass die Akten dem Prozessbevollmächtigten nicht zur Vorfrist am 19. Oktober 2005 vorgelegt wurden. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags hatte der Beklagte nämlich ausdrücklich vorgetragen , dass die Akte seinem Prozessbevollmächtigten zu den Fristterminen zur Bearbeitung vorgelegt worden sei. Diese Formulierung ist nur so zu verstehen, dass die Büroangestellte die Akten sowohl zur Vorfrist als auch zur Hauptfrist vorgelegt hatte.
10
Wenn dem Berufungsgericht - trotz dieses eindeutigen Wortlauts - gleichwohl Zweifel an der Zuverlässigkeit der Büroangestellten verblieben waren , hätte es den Antragsteller jedenfalls darauf hinweisen müssen. Denn ein Gericht, das ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte, verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör dieser Prozesspartei (BVerfG NJW 1994, 1274). Für die Versagung der Wiedereinsetzung ist diese Verletzung des rechtlichen Gehörs - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - auch erheblich geworden. Denn der Antragsteller hätte - was im Verfahren der Rechtsbeschwerde zu unterstellen ist - nach dem Inhalt seiner Rechtsbeschwerdebegründung ausdrück- lich vorgetragen, dass die Akte seinem Prozessbevollmächtigten auch zur Vorfrist vorgelegt worden war und er diese zur Hauptfrist zurückgegeben hatte. Für Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Büroangestellten bestand dann aber kein Anlass.
11
b) Soweit das Berufungsgericht seine Entscheidung alternativ auf Zweifel an der Glaubhaftigkeit des dargestellten Geschehensablaufs stützt, beruht auch dies auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs des Antragstellers (Art. 103 Abs. 1 GG).
12
aa) Der Antragsteller hat als Ursache für die Versäumung der Berufungsfrist einen Fehler der Bürokraft seines Prozessbevollmächtigten angeführt. Zugleich hat er dargelegt und glaubhaft gemacht, dass aufgrund einer Organisationsanweisung in der Sozietät seines Prozessbevollmächtigten bei Eingang erstinstanzlicher Urteile der Tag des Ablaufs der Berufungsfrist auf dem Urteil selbst notiert wird. Weiter hat er dargelegt und glaubhaft gemacht, dass zusätzlich als Vorfrist der siebte Kalendertag vor Fristablauf auf dem Urteil vermerkt wird, und dass deswegen hier für den Ablauf der Berufungsfrist der 26. Oktober 2005 und als Vorfrist der 19. Oktober 2005 vermerkt worden sind. Nach der Organisationsanweisung in der Sozietät seines Prozessbevollmächtigten werden Fristsachen, die nicht unverzüglich per Büroboten bedient werden, ausnahmslos per Telefax übermittelt. Im EDV-System werden sie erst dann als erledigt markiert, wenn nach Abschluss des Übertragungsvorgangs anhand des Fax-Protokolls festgestellt wurde, dass die Übertragung erfolgreich, fehlerfrei und an die richtige Telefaxnummer durchgeführt worden ist. Diese Anweisung des Prozessbevollmächtigten wird zudem stichprobenartig kontrolliert.
13
Entsprechend hat die Kanzleiangestellte des Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht, dass sie den von ihm unterzeichneten Berufungsschriftsatz auf das Telefaxgerät gelegt und die Nummer des Oberlandesgerichts angewählt hat. Die Berufungsschrift sei nur deswegen nicht rechtzeitig zugegangen, weil sie vergessen habe, die Starttaste des Telefax zu betätigen. Nach einer Unterbrechung des Arbeitsvorgangs sei sie irrtümlich davon ausgegangen, dass der von jemand anderem auf die Akte gelegte Schriftsatz versandt worden sei; nur deswegen habe sie die Berufungsfrist gestrichen.
14
bb) Zweifel an diesem an Eides statt versicherten Geschehensablauf hat das Berufungsgericht allein damit begründet, dass die Berufung nach dem Wortlaut der Berufungsschrift gegen das "am 30.09.2005 zugestellte Urteil des Amtsgerichts" eingelegt worden ist. Soweit das Berufungsgericht diesem unrichtigen Zustellungsdatum (30. September 2005 statt 26. September 2005) eine - für die Fristversäumung ursächliche - Fehlvorstellung des Prozessbevollmächtigten über den Ablauf der Berufungsfrist entnimmt, schöpft auch dies den sich aus den Akten ergebenden Sach- und Streitstand nicht hinreichend aus:
15
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen (Senatsbeschluss vom 31. August 2005 - XII ZR 63/03 - NJW-RR 2005, 1603). So liegt der Fall hier.
16
Der Antragsteller hat die Diskrepanz zwischen dem zutreffenden Zustelldatum (26. September 2005) und dem im Berufungsschriftsatz angegebenen Datum (30. September 2005) plausibel dadurch erklärt, dass das Urteil zweimal , nämlich am 26. und am 30. September 2005, zugestellt worden war. Weiter hat er vorgetragen, dass die für das Berufungsverfahren zutreffenden Fris- ten nach der Zustellung am 26. September 2005 auf dem Urteil vermerkt und im Fristenkalender eingetragen worden sind; dies hat er durch Vorlage der Deckblätter der beiden zugestellten Urteile mit entsprechenden Eingangsstempeln und Fristnotierungen belegt. Auf diesen Vortrag ist das Berufungsgericht nicht eingegangen, obwohl er für die Begründung des angefochtenen Beschlusses von zentraler Bedeutung ist. Dass im Berufungsschriftsatz - fehlerhaft - von einem am 30. September 2005 zugestellten Urteil die Rede ist, lässt sich nämlich allein wegen des zeitlichen Ablaufs eher mit einem Versehen (erst) beim Diktat dieses Schriftsatzes, als mit einer Fehlvorstellung über den Lauf der Berufungsfrist schon bei der erstmaligen Zustellung am 26. September 2005 erklären. Dafür spricht auch, dass nach dem Vortrag des Antragstellers die Fristvorlagen im Büro seines Prozessbevollmächtigten taggenau erfolgen, was eine Vorlage am 26. Oktober 2005 nicht erklären könnte, wenn die Bürokraft von einem Fristablauf am 30. Oktober 2005 ausgegangen wäre.
17
Auch insoweit ist die fehlende Berücksichtigung des Sachvortrags, die hier zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs führt, entscheidungserheblich. Denn bei hinreichender Würdigung der vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vorgetragenen Gründe hätten dem Prozessgericht Zweifel an der Glaubhaftigkeit des dargestellten Geschehensablaufs nicht verbleiben können.
18
3. Mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist entfällt zugleich die Verwerfung der Berufung des Antragstellers als unzulässig. Denn dieser Entscheidung ist mit der Wiedereinsetzung die Grundlage entzogen, ohne dass es insoweit eines ausdrücklichen Ausspruchs bedarf (Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792 m.w.N.).
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Vorinstanzen:
AG Detmold, Entscheidung vom 21.09.2005 - 16 F 517/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 10.04.2006 - 6 UF 198/05 -