Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2004 - VI ZB 30/03

bei uns veröffentlicht am27.01.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 30/03
vom
27. Januar 2004
im Rechtsbeschwerdeverfahren
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2004 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 11. März 2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat, nachdem ihre Klage vom Amtsgericht abgewiesen worden war, gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 4. November 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts vom 21. Oktober 2002 am 4. Dezember 2002 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ging als Telefax, das eine Unterschrift aufwies, am Montag, den 6. Januar 2003, beim Berufungsgericht ein. Die als zugehöriges "Original" am 9. Januar 2003 nachgereichte Berufungsbegründungsschrift enthält als letzte Seite lediglich eine Kopie des mit einer Unterschrift versehenen Blattes. Nach mehreren Verfügungen des Landgerichts, in denen insbesondere aufgefordert wurde, das Original dieser Seite zu den Akten
zu reichen, begründete die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. Februar 2003 nochmals ihre Berufung und stellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit Beschluß vom 11. März 2003, der Klägerin zugestellt am 28. März 2003, hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Durch die am 6. Januar 2003 per Telefax übermittelte Berufungsbegründungsschrift sei die an diesem Tage ablaufende Berufungsbegründungsfrist von zwei Monaten (§§ 520 Abs. 2, 222 Abs. 2 ZPO) nicht gewahrt worden. Es könne nicht festgestellt werden, daß als Kopiervorlage für das Telefax ein mit der Originalunterschrift des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin versehener Schriftsatz gedient habe. Zur Fristwahrung durch Telefax sei erforderlich, daß die Kopiervorlage von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterschrieben worden sei und daß dessen Unterschrift auf der Kopie wiedergegeben werde. Letzteres lasse sich nur überprüfen, wenn das für das Telefax verwendete Original zu den Akten gelange. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist komme nicht in Betracht. Zum einen sei schon die Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen durch den am 12. Februar 2003 eingereichten Antrag nicht gewahrt. Zum anderen bestehe auch kein Wiedereinsetzungsgrund, weil das mit der Unterschrift versehene Original des Schriftsatzes bzw. dessen letzte Seite bis heute nicht vorgelegt und weder ersichtlich noch dargetan sei, weshalb dies nicht hätte möglich sein sollen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 22. April 2003 eingegangenen und am 23. Juni 2003 nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist begründeten Rechtsbeschwerde.

II.

Die nach §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht vertritt die Rechtsauffassung, zur rechtzeitigen Begründung der Berufung sei es erforderlich, daß das für das Telefax verwendete Original nachträglich zu den Akten gelange, weil nur so festgestellt werden könne, ob dem Telefax ein hinsichtlich der Unterschrift authentisches Original zugrunde gelegen habe. Das Berufungsgericht verkennt zwar nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschluß vom 20. September 1993 - II ZB 10/93 - NJW 1993, 3141), wonach die Wirksamkeit der per Telefax eingelegten Berufung nicht davon abhängig ist, daß anschließend noch das Original des Schriftsatzes bei Gericht eingereicht wird. Soweit das Berufungsgericht jedoch meint, nur durch Nachreichung des für das Telefax verwendeten Original-Schriftsatzes lasse sich nun feststellen, ob die Kopiervorlage von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterschrieben worden sei und ob dessen Unterschrift auf der Kopie wiedergegeben werde, so verkennt es, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist, daß für entsprechende Feststellungen auch andere Möglichkeiten des Freibeweises zur Verfügung stehen (vgl. z.B. Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 522 Rdn. 1; § 519 Rdn. 20).
Das Berufungsgericht wird im Rahmen seiner erneuten Entscheidung, falls es hinsichtlich der Unterschrift Zweifel haben sollte, diesbezügliche Feststellungen nachzuholen haben.
Müller Wellner Diederichsen
Stöhr Zoll

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2004 - VI ZB 30/03

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2004 - VI ZB 30/03

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2004 - VI ZB 30/03 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2004 - VI ZB 30/03 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2004 - VI ZB 30/03.

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 27. Juni 2013 - 4 U 96/12 - 29

bei uns veröffentlicht am 27.06.2013

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 03.02.2012 (Aktenzeichen 4 O 205/11) wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen. 3. Das Urteil ist vorl

Referenzen

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.