Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2014 - V ZR 169/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger verkaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 17. November 1999 eine Teilfläche von 452 m² eines Grundstückes für 173.000 DM an die Beklagten, die als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurden. Mit der Begründung, bei Abschluss des Kaufvertrages geschäftsunfähig gewesen zu sein, erhob er 2009 Klage auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs dahingehend, dass nicht die Beklagten, sondern er Eigentümer des Grundstücks sei. Das Landgericht hat nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Das Kam- mergericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers.
II.
- 2
- Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger den Beweis für eine Geschäftsunfähigkeit bei Abschluss des Kaufvertrages nicht erbracht. Die auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens geäußerten Zweifel des Landgerichts seien nicht von der Hand zu weisen. Zu Recht nehme dieses an, dass eine Vernehmung der Ärzte und Psychologen, die den Kläger im Zeitraum 1999/2000 untersucht hatten, nicht geboten gewesen sei. Denn der Sachverständige - und ihm folgend das Landgericht - habe die sich aus den seitens des Klägers vorgelegten ärztlichen Attesten ergebenden Äußerungen dieser Personen als wahr unterstellt und sie seiner Bewertung zugrunde gelegt. Die Vernehmung der Ärztin D. und der Psychologin T. sei auch deshalb nicht geboten, weil der Gerichtssachverständige in einem vor dem Oberlandesgericht Brandenburg geführten Parallelverfahren zu deren Äußerungen , wie sie in dem von dem Kläger vorgelegten Privatgutachten I. festgehalten seien, mündlich Stellung genommen habe und zu keinem anderen Ergebnis gekommen sei.
III.
- 3
- Die Beschwerde hat Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts durch die Zurückweisung des Beweisangebots auf Vernehmung der den Kläger im Zeitraum 1999/2000 behandelnden Ärzte und Psychologen D. F. , Dr. E. De. , I. D. , B. K. und T. .
- 4
- 1. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZR 141/11, WuM 2012, 164 Rn. 8 mwN). Geht es um den Geisteszustand einer Person in der Vergangenheit , so ist die Verwertung eines ärztlichen Attests im Wege des Urkundenbeweises anstelle der beantragten unmittelbaren Anhörung des (sachverständigen ) Zeugen unzulässig, wenn sich der Beweisantritt auf die dem Attest zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen bezieht (Senat, Beschluss vom 18. September 2013 - V ZR 286/12, juris Rn. 5; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 - III ZR 69/96, NJW 1997, 3096, 3097).
- 5
- 2. Danach hat das Berufungsgericht zu Unrecht von der Vernehmung der von dem Kläger benannten Zeugen abgesehen.
- 6
- a) Der Kläger hat zum Nachweis seiner Behauptung, er sei bei Vertragsschluss aufgrund einer krankhaften Störung seiner Geistestätigkeit geschäftsunfähig gewesen, die persönliche Vernehmung der ihn 1999/2000 behandelnden Ärzte und Psychologen beantragt. Rechtsfehlerhaft meint das Berufungsgericht , die Vernehmung der Zeugen sei deshalb nicht erforderlich, weil das Landgericht und der Gerichtssachverständige die in den Attesten enthaltenen Angaben als wahr unterstellt hätten. Eine Einführung schriftlicher Zeugenangaben im Wege des Urkundsbeweises kommt nicht in Betracht, wenn die Partei von ihrem Recht Gebrauch macht, die unmittelbare Vernehmung des Zeugen zu beantragen (Senat, Beschluss vom 18. September 2013 - V ZR 286/12, juris Rn. 7 mwN).
- 7
- b) Die Vernehmung der Ärztin D. und der Psychologin T. war auch nicht im Hinblick auf die in einem Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg , in welchem es um die Geschäftsfähigkeit des Klägers im Jahr 2000 ging, wiedergegebenen mündlichen Ausführungen des Gerichtssachverständigen entbehrlich. Abgesehen davon, dass in dem dortigen Verfahren die beiden Zeuginnen nicht vernommen worden waren (was zur Aufhebung des Urteils führte, Senat, Beschluss vom 18. September 2013 - V ZR 286/12, juris), vermag der Hinweis des Berufungsgerichts auf mündliche Äußerungen des Sachverständigen in einem Parallelverfahren die beantragte Vernehmung von Zeuginnen im hiesigen Verfahren nicht zu ersetzen.
- 8
- 3. Der Beweisantritt ist entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen , dass das Berufungsgericht zu einem anderen Ergebnis gelangt, wenn es dem Beweisangebot des Klägers - zweckmäßigerweise im Beisein des Sachverständigen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 - III ZR 69/96, NJW 1997, 3096, 3097 mwN) - nachgeht. Die benannten Zeugen haben den Zustand des Klägers in dem maßgeblichen Zeitpunkt erlebt. Ihre tatsächlichen Wahrnehmungen bilden eine wesentliche Grundlage für die sachverständige Begutachtung. Der Sachverständige selbst hatte bei seiner mündlichen Anhörung darauf hingewiesen, dass er bei Vorliegen anderer Anknüpfungstatsachen möglicherweise zu einem anderen Ergebnis bei der Begutachtung kommen würde.
- 9
- 4. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, zu den wirksam in den Prozess eingeführten Vorwürfen des Klägers gegen den gerichtlichen Sachverständigen im Zusammenhang mit der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Brandenburg eine Stellungnahme des Sachverständigen einzuholen.
- 10
- 5. Die weiteren mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen. Lemke Roth Brückner Weinland Kazele
LG Berlin, Entscheidung vom 05.10.2011 - 38 O 467/09 -
KG Berlin, Entscheidung vom 10.06.2013 - 26 U 199/11 -
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.