Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2008 - V ZB 96/07

published on 21/02/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2008 - V ZB 96/07
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Landgericht Regensburg, 4 O 2133/06, 29/12/2006
Oberlandesgericht Nürnberg, 13 U 252/07, 14/08/2007

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 96/07
vom
21. Februar 2008
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. Februar 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 14. August 2007 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 10.000 €.

Gründe:


I.

1
Der Kläger hat von dem Beklagten verlangt, es zu unterlassen, sein Grundstück zu begehen und/oder zu befahren oder es von Dritten begehen und/oder befahren zu lassen. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Innerhalb der Rechtsmittelfrist ist bei dem Oberlandesgericht eine auf dem Geschäftspapier des Prozessbevollmächtigten des Beklagten geschriebene und mit einer geschwungenen Linie unterschriebene Berufungsschrift eingegangen. Das Oberlandesgericht hat, soweit hier von Interesse, die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen.
2
Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit er ihn beschwert, und die Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht erreichen. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

3
Nach Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es an der wirksamen fristgerechten Einlegung der Berufung, weil die Unterzeichnung der Berufungsschrift dem für bestimmende Schriftsätze geltenden Unterschriftserfordernis nicht gerecht werde. Die Berufungsschrift sei mit einer "Welle" unterzeichnet; nicht einmal ansatzweise sei auch nur ein Buchstabe erkennbar. Dies sei kein die Identität des Ausstellers hinreichend kennzeichnender Schriftzug. Hinzu komme, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Berufungsbegründung in so erheblich anderer Weise unterzeichnet habe, dass ein unbefangener Betrachter nicht vermuten würde, dass die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung von derselben Person unterzeichnet worden seien. Auf einem von dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 17. Juli 2007 unterzeichneten Empfangsbekenntnis sei zu erkennen, dass die geschwungene Linie unter der Berufungsschrift offenbar den ersten Teil des Buchstabens "H" seines Nachnamens darstellen solle. Dies belege, dass es sich bei der "Welle" unter der Berufungsschrift allenfalls um eine aus der ersten Hälfte des Anfangsbuchstabens des Nachnamens des Beklagtenvertreters bestehende Paraphe handele, die auch bei Annahme erheblicher Abschleifung der Unterschrift und großzügiger Betrachtung nicht die Absicht einer Unterschrift mit vollem Namen erkennen lasse.
4
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

III.

5
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 ZPO). Sie ist jedoch unzulässig, weil der Beklagte weder die grundsätzliche Bedeutung der Sache noch das Erfordernis einer Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 ZPO) dargelegt hat.
6
Der Beklagte macht lediglich geltend, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordere , weil das Beschwerdegericht überhöhte Anforderungen an die Lesbarkeit einer Unterschrift unter einer Berufungsschrift gestellt und die Voraussetzungen verkannt habe, welche die höchstrichterliche Rechtsprechung für die Formwirksamkeit der Rechtsmittelschrift verlange; es habe damit die Bestimmungen in §§ 519 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO in symptomatischer Weise fehlerhaft interpretiert und dem Beklagten aus sachfremden Erwägungen den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz in nicht zu rechtfertigender Weise verwehrt.
7
Das bleibt ohne Erfolg.
8
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei bestimmenden Schriftsätzen die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers erforderlich , um diesen unzweifelhaft identifizieren zu können (siehe nur Urt. v. 24. Juli 2001, VIII ZR 58/01, WM 2001, 1866, 1867 m.w.N.). Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift (hier: § 130 Nr. 6 i.V.m. § 519 Abs. 4 ZPO). Eine Unterschrift setzt danach einen individuellen Schriftzug voraus, der sich - ohne lesbar sein zu müssen - als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt; ein Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namensabkürzung erscheint (Handzeichen, Paraphe), stellt demgegenüber keine formgültige Unterschrift dar (BGH, Urt. v. 10. Juli 1997, IX ZR 24/97, NJW 1997, 3380, 3381 m.w.N.).
9
2. Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat das äußere Erscheinungsbild des Schriftzugs unter der Berufungsschrift sowohl bei isolierter Betrachtung als auch im Zusammenhang mit den Unterschriften des Prozessbevollmächtigten des Beklagten unter der Berufungsbegründung und einem Empfangsbekenntnis beurteilt und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Berufungsschrift allenfalls mit einer Paraphe unterzeichnet hat. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urt. v. 10. Juli 1997, IX ZR 24/97, aaO).
10
3. Bei dieser Sachlage ist es - entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Ansicht - unerheblich, dass sich dem Berufungsgericht letztlich die Identität des Ausstellers erschlossen hat. Der Beklagte übersieht, dass das Berufungsgericht - in Einklang mit der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - keine zweifelsfrei lesbare, sondern eine vollständige Namensunterschrift verlangt und die Unterzeichnung der Berufungsschrift mit einer Paraphe als nicht ausreichend angesehen hat. Auf andere Umstände wie das Beifügen einer maschinenschriftlichen Namensangabe des Prozessbevollmächtigten unter dem Schriftzug und der Verwendung des Schriftzugs in gleicher oder ähnlicher Weise unter früheren Schriftsätzen kommt es deshalb nicht an. Außerdem übersieht der Beklagte, dass das Berufungsgericht seine Erkenntnisse von der Urheberschaft der Paraphe erst durch Umstände gewonnen hat, die nach dem Eingang der Berufungsschrift und Ablauf der Berufungsfrist eingetreten sind. Deshalb konnte es in dem maßgeblichen Zeitpunkt den Aussteller der Berufungsschrift nicht identifizieren.
11
4. Soweit der Beklagte die Rechtsbeschwerde darauf stützt, dass Zweifel des Berufungsgerichts an der Echtheit der Unterschrift nicht gerechtfertigt seien und allenfalls durch ein Schriftsachverständigengutachten oder hinreichend eigene Sachkunde des Berufungsgerichts bei der graphologischen Beurteilung einer Unterschrift begründet werden könnten, liegt das neben der Sache. Denn das Berufungsgericht hat den Schriftzug nicht als Unterschrift, sondern als Paraphe angesehen; deren Echtheit hat es nicht angezweifelt.

IV.

12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Czub
Vorinstanzen:
LG Regensburg, Entscheidung vom 29.12.2006 - 4 O 2133/06 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 14.08.2007 - 13 U 252/07 -
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Annotations

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)