vorgehend
Amtsgericht Frankfurt am Main, 934 XIV 434/14 B, 27.03.2014
Landgericht Frankfurt am Main, 29 T 69/14, 17.04.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 73/14
vom
9. Oktober 2014
in der Freiheitsentziehungssache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2014 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Roth, die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. April 2014 wird auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.


1
Der Betroffene traf am 23. Dezember 2013 aus Casablanca kommend ohne gültigen Pass oder Passersatz auf dem Flughafen in Frankfurt am Main ein. Das Amtsgericht ordnete seinen Aufenthalt in der Asylbewerberunterkunft auf dem Flughafen zu Sicherung seiner Abreise an.
2
Mit Beschluss vom 27. März 2014 hat es den Aufenthalt bis zum 21. April 2014 verlängert. Der Betroffene hat sich hiergegen mit der Beschwerde gewandt und zugleich die Feststellung beantragt, dass ihn der angefochtene Beschluss in seinen Rechten verletzt hat. Das Landgericht hat die Verlängerungsanordnung des Amtsgerichts mit Beschluss vom 17. April 2014 aufgehoben. Am 24. April 2014 hat der Betroffene gemäß § 43 FamFG die Ergänzung des landgerichtlichen Beschlusses um eine Entscheidung über den Feststellungsantrag beantragt und zugleich Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er den Feststellungsantrag weiterverfolgt. Am 9. Mai 2014 hat das Landgericht die Beschwerdeentscheidung dahingehend ergänzt, dass es den Feststellungsantrag des Betroffenen zurückgewiesen hat.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts vom 17. April 2014 ist unzulässig.
4
1. Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Betroffene neben der Aufhebung der Haftanordnung in entsprechender Anwendung von § 62 Abs. 1 FamFG die Feststellung der Rechtswidrigkeit beantragen (Beschlüsse vom 30. August 2012 - V ZB 12/12, InfAuslR 2013, 37 und vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39 Rn. 12 f.). Dies gilt auch für eine - wie hier - gemäß § 15 Abs. 6 Satz 2 AufenthG ergangene Anordnung (Senat, Beschluss vom 30. Juni 2011 - V ZB 274/10, FGPrax 2011 Rn. 9). Hebt das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung auf, ohne zugleich über den aktenkundigen Feststellungsantrag zu entscheiden, ist dessen Rechtsbeschwerde nur dann zulässig, wenn aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass das Gericht über den Feststellungsantrag bewusst nicht entschieden hat (Senat, Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 17/14, InfAuslR 2014, 281 Rn. 4). Enthalten die Entscheidungsgründe dagegen keine Ausführungen zu dem Feststellungsantrag, ist davon auszugehen, dass die Entscheidung über diesen Antrag versehentlich unterblieben ist. Dann ist der Beschluss des Beschwerdegerichts gemäß § 43 FamFG insoweit auf Antrag nachträglich um eine Sachentscheidung zu ergänzen (näher dazu Senat, Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 205/13, InfAuslR 2014, 226, 227).
5
2. So liegt es hier. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts vom 17. April 2014 enthält keine Ausführungen zu dem Feststellungsantrag. Daher ist der Betroffene zu Recht davon ausgegangen, dass eine Entscheidung zu diesem Antrag versehentlich unterblieben ist, und er hat fristgerecht die Ergänzung der Entscheidung gemäß § 43 FamFG beantragt. Angesichts der - im Zeitpunkt der Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss vom 17. April 2014 - damit noch bestehenden Anhängigkeit des Feststellungsantrags vor dem Landgericht und der noch ausstehenden Entscheidung hierüber konnte der Betroffene den Feststellungsantrag nicht zugleich zum Gegenstand eines Rechtsbeschwerdeverfahrens machen.

III.


6
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann Roth Brückner Weinland Kazele
Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 27.03.2014 - 934 XIV 434/14 B -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 17.04.2014 - 2-29 T 69/14 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2014 - V ZB 73/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2014 - V ZB 73/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2014 - V ZB 73/14 zitiert 5 §§.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 84 Rechtsmittelkosten


Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG | § 36 Allgemeiner Geschäftswert


(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen. (2) Soweit sich in einer nichtvermögensrec

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 62 Statthaftigkeit der Beschwerde nach Erledigung der Hauptsache


(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführ

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 15 Zurückweisung


(1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen. (2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn 1. ein Ausweisungsinteresse besteht,2. der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 43 Ergänzung des Beschlusses


(1) Wenn ein Antrag, der nach den Verfahrensakten von einem Beteiligten gestellt wurde, ganz oder teilweise übergangen oder die Kostenentscheidung unterblieben ist, ist auf Antrag der Beschluss nachträglich zu ergänzen. (2) Die nachträgliche Ents

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2014 - V ZB 73/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2014 - V ZB 73/14 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2012 - V ZB 12/12

bei uns veröffentlicht am 30.08.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 12/12 vom 30. August 2012 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. August 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmi

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2010 - V ZB 78/10

bei uns veröffentlicht am 14.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 78/10 vom 14. Oktober 2010 in der Abschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 62 Abs. 1; AsylVfG § 55 Abs. 1 Satz 3; Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 200

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2011 - V ZB 274/10

bei uns veröffentlicht am 30.06.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 274/10 vom 30. Juni 2011 in der Freiheitsentziehungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AufenthG § 15 Abs. 6 Sätze 2, 3; AsylVfG § 13 Abs. 1, § 18 Abs. 2 Nr. 2 a) Zur Widerlegung der Ver

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. März 2014 - V ZB 205/13

bei uns veröffentlicht am 06.03.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 205/13 vom 6. März 2014 in der Abschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG §§ 43, 62 Hebt das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung der Abschieb

Referenzen

(1) Wenn ein Antrag, der nach den Verfahrensakten von einem Beteiligten gestellt wurde, ganz oder teilweise übergangen oder die Kostenentscheidung unterblieben ist, ist auf Antrag der Beschluss nachträglich zu ergänzen.

(2) Die nachträgliche Entscheidung muss binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses beginnt, beantragt werden.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 12/12
vom
30. August 2012
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. August 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter
Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 13. Januar 2012 zu Ziffer 4 (Feststellungsantrag) und zu Ziffer 5 Satz 2 (außergerichtliche Kosten) aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 1. September 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Göttingen auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen, einen Staatsangehörigen der Russischen Föderation, mit Beschluss vom 1. September 2011 Abschiebungshaft angeordnet. Das Landgericht hat der dagegen gerichteten Be- schwerde stattgegeben und die sofortige Freilassung des Betroffenen angeordnet , weil sich nicht feststellen ließ, dass die von dem Betroffenen gewünschte unverzügliche Benachrichtigung der zuständigen Auslandsvertretung von seiner Inhaftierung (Art. 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen ) erfolgt war.
2
Den Antrag des Betroffenen, festzustellen, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts ihn in seinen Rechten verletzt hat, hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene diesen Antrag weiter.

II.

3
Das Beschwerdegericht meint, dem Feststellungsantrag sei nicht zu entsprechen , da sich die Hauptsache nicht erledigt habe und die Voraussetzungen von § 62 FamFG somit nicht gegeben seien. Zudem lasse auch die stattgebende Entscheidung über die Beschwerde erkennen, dass die Haftanordnung rechtswidrig gewesen sei.

III.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist, was das Beschwerdegericht verkannt hat, von Gesetzes wegen statthaft (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Vorschrift des § 62 FamFG, welche die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags für die Beschwerde ausdrücklich bestimmt, auf die Rechtsbeschwerde entsprechend anzuwenden (siehe nur Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151, Rn. 9 f.; Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 153, Rn. 4). Die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen bedarf daher auch dann keiner Zulassung, wenn bereits das Beschwerdegericht - wie hier - über einen Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG entschieden hat und im Rechtsbeschwerdeverfahren die Überprüfung dieser Entscheidung verlangt wird (Senat , Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, Rn. 4; Beschluss vom 31. März 2011 - V ZB 186/10, Rn. 5, juris).
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Senat hat bereits entschieden , dass es für die Zulässigkeit eines im Beschwerdeverfahren gestellten Antrags des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung ohne Bedeutung ist, ob sich die Hauptsache vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts im Rechtssinne erledigt oder ob die Freiheitsentziehung - wie hier - durch die Entscheidung des Beschwerdegerichts beendet wird. In dem zuletzt genannten Fall kann der Betroffene neben der Aufhebung der Haftanordnung analog § 62 Abs. 1 FamFG die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung verlangen (Beschluss vom 14. Oktober 2010 – V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39). Das gilt auch dann, wenn sich die Verletzung seiner Rechte der Begründung entnehmen lässt, mit der die Haftanordnung aufgehoben worden ist. Denn die Begründungselemente einer Entscheidung stehen, weil sie der materiellen Rechtskraft nicht fähig sind, einer im Tenor getroffenen Feststellung nicht gleich.

IV.

6
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 u. 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Göttingen, Entscheidung vom 01.09.2011 - 64 XIV 16/11 B -
LG Göttingen, Entscheidung vom 13.01.2012 - 11 T 1/12 -
12
b) Die Verwerfung des Feststellungsantrags als unzulässig ist dennoch rechtsfehlerhaft. Das Beschwerdegericht hat bei seiner allein auf den Wortlaut des § 62 Abs. 1 FamFG gestützten Auslegung die sich aus Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen für einen effektiven Rechtsschutz nach Freiheitsentziehungen nicht erkannt. In Haftsachen hängt die Gewährung von Rechtsschutz im Hinblick auf das bestehende Rehabilitierungsinteresse weder von dem konkreten Ablauf des Verfahrens noch von dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme ab (vgl. BVerfG, BVerfGE 104, 220, 235 und Beschluss vom 31. Oktober 2005 - 2 BvR 2233/04, juris Rn. 22). Bei Freiheitsentziehungen durch Haft besteht auch dann ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an der (nachträglichen) Feststellung der Rechtswidrigkeit, wenn sie erledigt sind, was die Fachgerichte bei der Beantwortung der Frage nach einem Rechtsschutzinteresse gemäß Art. 19 Abs. 4 GG beachten müssen (BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 2005 - 2 BvR 2233/04, juris Rn. 25). Die Haftaufhebung ist ein "wesensgleiches Plus" zu der Feststellung, dass die Inhaftierung rechtswidrig ist; mit dieser wird die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit praktisch umgesetzt (BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 2005 - 2 BvR 2233/04, aaO).

(1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen.

(2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn

1.
ein Ausweisungsinteresse besteht,
2.
der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient,
2a.
er nur über ein Schengen-Visum verfügt oder für einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visumpflicht befreit ist und beabsichtigt, entgegen § 4a Absatz 1 und 2 eine Erwerbstätigkeit auszuüben oder
3.
er die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien nach Artikel 6 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt.

(3) Ein Ausländer, der für einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist, kann zurückgewiesen werden, wenn er nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 erfüllt.

(4) § 60 Abs. 1 bis 3, 5 und 7 bis 9 ist entsprechend anzuwenden. Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, darf nicht zurückgewiesen werden, solange ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nach den Vorschriften des Asylgesetzes gestattet ist.

(5) Ein Ausländer soll zur Sicherung der Zurückweisung auf richterliche Anordnung in Haft (Zurückweisungshaft) genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann. Im Übrigen ist § 62 Absatz 4 entsprechend anzuwenden. In den Fällen, in denen der Richter die Anordnung oder die Verlängerung der Haft ablehnt, findet Absatz 1 keine Anwendung.

(6) Ist der Ausländer auf dem Luftweg in das Bundesgebiet gelangt und nicht nach § 13 Abs. 2 eingereist, sondern zurückgewiesen worden, ist er in den Transitbereich eines Flughafens oder in eine Unterkunft zu verbringen, von wo aus seine Abreise aus dem Bundesgebiet möglich ist, wenn Zurückweisungshaft nicht beantragt wird. Der Aufenthalt des Ausländers im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft nach Satz 1 bedarf spätestens 30 Tage nach Ankunft am Flughafen oder, sollte deren Zeitpunkt nicht feststellbar sein, nach Kenntnis der zuständigen Behörden von der Ankunft, der richterlichen Anordnung. Die Anordnung ergeht zur Sicherung der Abreise. Sie ist nur zulässig, wenn die Abreise innerhalb der Anordnungsdauer zu erwarten ist. Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

9
Der angeordnete Aufenthalt des Ausländers im Transitbereich des Flughafens oder in einer Unterkunft nach § 15 Abs. 6 Satz 1 AufenthG ist nämlich einer Freiheitsentziehung insofern gleichgestellt worden, als der Transitaufenthalt spätestens 30 Tage nach der Ankunft des Ausländers nach § 15 Abs. 6 Satz 2 AufenthG - wie die bei einer Ankunft auf dem Land- oder Seeweg allein mögliche Verhängung von Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 5 AufenthG - einer richterlichen Anordnung bedarf (BT-Drucks. 16/5065, 165). Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung ist jedenfalls dann, wenn der Transitaufenthalt richterlich angeordnet worden ist, nach der Erledigung eines gegen diese Entscheidung von dem Ausländer eingelegten Rechtsmittels - ebenso wie bei den Rechtsbehelfen gegen richterliche Haftanordnungen - ein berechtigtes Interesse des Betroffenen an einer Feststellung nach § 62 Abs. 1 FamFG anzuerkennen, durch die zu Unrecht richterlich angeordnete Aufenthaltsbeschränkung in seinen Rechten verletzt worden zu sein.

(1) Wenn ein Antrag, der nach den Verfahrensakten von einem Beteiligten gestellt wurde, ganz oder teilweise übergangen oder die Kostenentscheidung unterblieben ist, ist auf Antrag der Beschluss nachträglich zu ergänzen.

(2) Die nachträgliche Entscheidung muss binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses beginnt, beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 205/13
vom
6. März 2014
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hebt das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung
der Abschiebungshaft auf und unterlässt dabei versehentlich eine Entscheidung
über den aktenkundigen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit
der Haftanordnung, so ist der Beschluss gemäß § 43 FamFG auf Antrag
nachträglich um eine Sachentscheidung zu ergänzen; wird ein solcher Ergänzungsantrag
nicht gestellt, entfällt die Rechtshängigkeit des Feststellungsantrags
mit Fristablauf (Abgrenzung zu dem Senatsbeschluss vom 6. März 2014
- V ZB 17/14).
BGH, Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 205/13 - LG Saarbrücken
AG Saarbrücken
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. März 2014 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub, die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele

beschlossen:
Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

1
Mit der Beschwerde hat sich der Betroffene gegen die Abschiebungshaftanordnung des Amtsgerichts vom 4. November 2013 gewendet und hat zugleich die Feststellung beantragt, dass ihn der angefochtene Beschluss in seinen Rechten verletzt hat. Das Landgericht hat die Haftanordnung mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. Dezember 2013 aufgehoben. Am 5. Dezember 2013 hat der Betroffene die Ergänzung des Beschlusses im Hinblick auf den Feststellungsantrag beantragt und am 30. Dezember 2013 Rechtsbeschwerde eingelegt. Nachdem das Landgericht den Beschluss am 6. Januar 2014 um die Feststellung der Rechtswidrigkeit ergänzt hat, hat der Betroffene die Rechtsbeschwerde zurückgenommen und beantragt, von der Erhebung von Kosten abzusehen und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen in allen Instanzen der Behörde aufzuerlegen.

II.

2
Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens gemäß § 83 Abs. 2, § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG zu tragen, weil die Rechtsbeschwerde von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der anwaltlich vertretene Betroffene dies erkennen musste. Im Hinblick auf die Haftaufhebung fehlte es an der erforderlichen Beschwer; der Feststellungsantrag blieb aufgrund des fristgerecht gestellten Ergänzungsantrags vor dem Landgericht anhängig und konnte deshalb nicht zum Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens gemacht werden.
3
1. Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Betroffene neben der Aufhebung der Haftanordnung in entsprechender Anwendung von § 62 Abs. 1 FamFG die Feststellung der Rechtswidrigkeit beantragen (Beschlüsse vom 30. August 2012 - V ZB 12/12, InfAuslR 2013, 37 und vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39 Rn. 12 f.). Hebt das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung der Abschiebungshaft auf, ohne zugleich über den aktenkundigen Feststellungsantrag zu entscheiden, so ist die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nur dann zulässig, wenn aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass das Gericht über den Feststellungsantrag bewusst nicht entschieden hat (dazu Senat, Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 17/14, zur Veröffentlichung bestimmt). Enthalten die Entscheidungsgründe dagegen - wie hier - keine Ausführungen zu dem Feststellungsantrag, ist davon auszugehen, dass die Entscheidung über diesen Antrag versehentlich unterblieben ist. Dann ist der Beschluss des Beschwerdegerichts gemäß § 43 FamFG insoweit auf Antrag nachträglich um eine Sachentscheidung zu ergänzen; nur letztere kann ggf. mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden. Wird ein solcher Ergänzungsantrag nicht gestellt, entfällt die Rechtshängigkeit des Feststellungsantrags mit Ablauf der in § 43 Abs. 2 FamFG bestimmten Frist von zwei Wochen. Er kann dann lediglich zum Gegenstand eines neuen Verfahrens gemacht werden; anders liegt es nur, wenn er im Wege einer zulässigen Erweiterung erneut in das noch anhängige Verfahren eingeführt werden kann (Keidel /Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl., § 43 Rn. 12; zu § 321 ZPO BGH, Versäumnisurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 133/04, NJW-RR 2005, 790, 791 f.).
4
2. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 3 GNotKG. Stresemann Czub Brückner Weinland Kazele
Vorinstanzen:
AG Saarbrücken, Entscheidung vom 04.11.2013 - 7 XIV 73/13 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 02.12.2013 - 5 T 448/13 -

(1) Wenn ein Antrag, der nach den Verfahrensakten von einem Beteiligten gestellt wurde, ganz oder teilweise übergangen oder die Kostenentscheidung unterblieben ist, ist auf Antrag der Beschluss nachträglich zu ergänzen.

(2) Die nachträgliche Entscheidung muss binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses beginnt, beantragt werden.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.

(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.