Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2011 - V ZB 307/10

bei uns veröffentlicht am29.09.2011
vorgehend
Amtsgericht Bingen am Rhein, 10 XIV 41/10.B, 27.10.2010
Landgericht Mainz, 8 T 181/10, 02.12.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 307/10
vom
29. September 2011
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein der Ausländerbehörde nicht mitgeteilter Wechsel des Aufenthaltsorts vor Ablauf
der Ausreisefrist begründet für sich genommen nicht den Verdacht, der Ausländer
werde sich der Abschiebung entziehen.
BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - V ZB 307/10 - LG Mainz
AG Bingen am Rhein
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den
Richter Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Der Antrag der Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 2. Dezember 2010 und der Beschluss des Amtsgerichts Bingen am Rhein vom 27. Oktober 2010 sie in ihren Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen aller Instanzen werden der Stadt Mainz auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Betroffene, eine kamerunische Staatsangehörige, reiste im August 2007 mit einem Visum zu Studienzwecken in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt einen Aufenthaltstitel, welcher nach einer Verlängerung bis zum 11. August 2009 galt. Eine weitere Verlängerung wurde durch Bescheid vom 11. Mai 2010 abgelehnt; zugleich wurde die Betroffene unter Androhung einer Abschiebung nach Kamerun aufgefordert, bis zum 31. Juli 2010 freiwillig aus dem Bundesgebiet auszureisen.
2
Am 27. Juni 2010 gab die Betroffene, die ihre Miete nicht mehr zahlen konnte, ihre Wohnung in Mainz auf und zog zu Freunden in eine Studentenwohnung. Die Ausländerbehörde benachrichtigte sie hiervon nicht.
3
Am 14. Oktober 2010 wurde die Betroffene festgenommen. Auf Antrag der Beteiligten zu 2 ordnete das Amtsgericht Mainz am selben Tag die Haft zur Sicherung der Abschiebung und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an; über die Fortdauer der Haft war vor dem 28. Oktober 2010 zu entscheiden.
4
Mit Beschluss vom 27. Oktober 2010 hat das Amtsgericht Bingen am Rhein die Sicherungshaft bis zum 27. Dezember 2010 verlängert. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde möchte die am 17. Dezember 2010 nach Kamerun abgeschobene Betroffene festgestellt wissen, dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 27. Oktober 2010 und die Entscheidung des Beschwerdegerichts sie in ihren Rechten verletzt haben.

II.

5
Das Beschwerdegericht hält den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG für gegeben. Die Betroffene habe in Kenntnis des Umstands, dass ihre Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert worden sei, ihre Wohnung im Juni 2010 aufgegeben, ohne die Ausländerbehörde von ihrem neuen Aufenthaltsort zu benachrichtigen. Da sie über keinen Wohnsitz, keinerlei finanzielle Mittel und keine familiären Bindungen im Bundesgebiet verfüge und ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen sei, bestehe in der Gesamtschau die Be- fürchtung, dass sie sich im Falle ihrer Haftentlassung der Abschiebung durch erneutes Untertauchen entziehen werde.

III.

6
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (vgl. nur Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10, Rn. 10 f., juris) und begründet. Die tatsächlichen Feststellungen in den angefochtenen Entscheidungen tragen nicht den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG, nämlich den Verdacht, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen will.
7
1. Wie sich aus § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ergibt, begründet der Umstand, dass der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift mitzuteilen, unter der er erreichbar ist, für sich genommen nur dann einen Haftgrund, wenn der Aufenthaltswechsel zeitlich nach dem Ablauf der Ausreisefrist liegt (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 15/11, InfAuslR 2011, 361). Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass aus einem der Behörde nicht mitgeteilten Aufenthaltswechsel vor Ablauf der Ausreisefrist allein nicht gefolgert werden kann, der Ausländer wolle sich der Abschiebung entziehen und sei daher gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG in Haft zu nehmen. Die Entziehungsabsicht muss sich in einem solchen Fall aus anderen Umständen ergeben, die - gegebenenfalls auch in einer Gesamtschau - mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann.
8
2. a) Danach durfte das Beschwerdegericht den Verdacht, die Betroffene werde sich der Abschiebung entziehen, nicht maßgeblich auf die unterlassene Mitteilung über den Aufenthaltswechsel stützen. Da dieser einen Monat vor Ab- lauf der Ausreisefrist erfolgt war, rechtfertigte allein die unterbliebene Benachrichtigung der Ausländerbehörde insbesondere nicht die Annahme, die Betroffene sei Ende Juni 2010 untergetaucht. Die zusätzlich angeführten Umstände - die Betroffene verfüge über keinen festen Wohnsitz, keinerlei finanzielle Mittel und keine familiären Bindungen im Bundesgebiet und sei ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen - tragen die Annahme der Entziehungsabsicht weder für sich genommen noch in einer Gesamtschau. Dass die Betroffene nicht freiwillig ausgereist ist, stellt die notwendige Voraussetzung für eine Abschiebung dar und kann daher nicht Grund sein, sie in Haft zu nehmen. Fehlende persönliche Bindungen in Deutschland können auch dafür sprechen, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehren möchte, und aus dem Fehlen finanzieller Mittel mag sich erklären, warum er seiner Ausreisepflicht nicht freiwillig nachgekommen ist. Beide Möglichkeiten sind von dem Beschwerdegericht nicht erwogen worden. Ebenso wenig konnte es aus dem Fehlen eines festen Wohnsitzes auf die Absicht, sich der Abschiebung zu entziehen , schließen, ohne die Betroffene danach gefragt zu haben, ob und wo sie im Falle einer Haftentlassung vorübergehend eine Unterkunft finden könne, oder hierzu anderweit Feststellungen zu treffen.
9
b) Das Amtsgericht hat in seinem Beschluss vom 27. Oktober 2010 den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG ausschließlich mit der unterlassenen Mitteilung über den Aufenthaltswechsel begründet und damit ebenfalls die Rechte der Betroffenen verletzt. Daran vermag auch die Feststellung in dem Beschluss nichts zu ändern, die Betroffene sei „nach Ablauf der Ausreise- frist“ untergetaucht.Zum einen ist schon nicht erkennbar, auf welchen Tatsachen diese - dem im Beschwerdeverfahren ermittelten Sachverhalt widersprechende - Feststellung beruht. Zum anderen wäre die Haftanordnung auch nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG rechtmäßig gewesen, wenn das Amtsgericht von einem Wohnungswechsel nach Ablauf der Ausreisefrist hätte aus- gehen dürfen. Zwar begründet der nicht angezeigte Aufenthaltswechsel nach Ablauf der Ausreisefrist die Vermutung, dass die Abschiebung ohne die Inhaftnahme erschwert oder vereitelt wird und damit den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Wegen dieser einschneidenden Folge kommt eine Inhaftierung gemäß dieser Vorschrift grundsätzlich aber nur dann in Betracht, wenn die Ausländerbehörde den Betroffenen zuvor auf die Anzeigepflicht nach § 50 Abs. 5 AufenthG und die mit einem Unterlassen der Anzeige verbundenen Folgen hingewiesen hatte (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 36/11, Rn. 10 juris). Hierzu enthält der Beschluss des Amtsgerichts keine Feststellungen.

IV.

10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 83 Abs. 2, § 81 Abs. 1, § 430 FamFG; unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, der Stadt Mainz als derjenigen Körperschaft, der die Beteiligte zu 2 angehört, zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen zu verpflichten (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, FGPrax 2010, 316, 317). Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.

V.

11
Dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist nicht zu entsprechen , weil es an einer aktuellen Erklärung der Betroffenen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 114 Satz 1 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 1 FGG) fehlt. Eine solche Erklärung muss grundsätzlich auch nach einer Abschiebung vorgelegt werden (Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 214/10, FG Prax 2011, 41). Die Bezugnahme der Betroffenen auf ihre in der Beschwerdeinstanz eingereichte Erklärung ist nicht ausreichend, weil sich ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Kamerun geändert haben können. Allein auf der Grundlage des Hinweises ihres Bevollmächtigten, dass selbst ein durchschnittlicher Verdienst in Kamerun nicht ausreichen würde, um das Rechtsbeschwerdeverfahren zu finanzieren, kann Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden. Krüger Stresemann Roth Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Bingen am Rhein, Entscheidung vom 27.10.2010 - 10 XIV 41/10.B -
LG Mainz, Entscheidung vom 02.12.2010 - 8 T 181/10 -

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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen

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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

10
1. Die nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthafte (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360) Rechtsbeschwerde ist gemäß § 71 FamFG form- und fristgerecht eingelegt.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 15/11
vom
19. Mai 2011
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die gesetzliche Vermutung des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG kommt erst zum
Tragen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Betroffene auch ab diesem
Zeitpunkt seine geänderte Anschrift nicht mitteilt.
BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 15/11 - LG Nürnberg-Fürth
AG Nürnberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Mai 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts NürnbergFürth vom 27. Dezember 2010 und der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 16. Dezember 2010 die Betroffene in ihren Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zweckentsprechenden notwendigen Auslagen der Betroffenen werden dem Regierungsbezirk Mittelfranken auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Betroffene, eine russische Staatsangehörige, reiste am 23. Januar 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte erfolglos die Gewährung von Asyl. Das zuständige Bundesamt forderte sie mit seit 15. November 2010 bestandskräftigem Ablehnungsbescheid vom 15. Juni 2010 unter Androhung der Abschiebung in die russische Föderation zur Ausreise auf. In der Folgezeit reiste die Betroffene in die Schweiz aus. Aufgrund eines Wiederaufnahmeersuchens des schweizerischen Bundesamtes für Migration wurde sie am 15. Dezember 2010 nach Deutschland rücküberstellt und auf der Grundlage einer einstweiligen Sicherungshaftanordnung des Amtsgerichts festgenommen. Am 16. Dezember 2010 hat das Amtsgericht auf Antrag der Beteiligten zu 2 die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 15. März 2010 angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2010 zurückgewiesen.
2
Die Beschwerdeentscheidung ist der Betroffenen am 10. Januar 2011 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit Schreiben vom 27. Januar 2011 Beschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt. Am 1. Februar 2011 wurde die Betroffene nach Russland abgeschoben. Am 1. März 2011 hat sie Rechtsbeschwerde durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerde- und Rechtsbeschwerdebegründungsfrist beantragt. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will sie die Feststellung erreichen, dass die Haftanordnung vom 16. Dezember 2010 und die Beschwerdeentscheidung sie in ihren Rechten verletzt haben.

II.

3
Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG seien erfüllt. Die Betroffene habe am 8. Juli 2010 ihren Aufenthaltsort gewechselt und sei seitdem für die Ausländerbehörde nicht mehr greifbar gewesen. Die ihr gesetzte Ausreisefrist sei am 15. Dezember 2010 abgelaufen. Wie das Untertauchen der Betroffenen, ihre Ausreise in die Schweiz und ihre Einlassung vor dem Amtsgericht, sie wolle keinesfalls in ihr Heimatland zurückkehren, belegten, sei davon auszugehen, dass sie sich auch zukünftig der Abschiebung entziehen werde.

III.

4
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
5
1. Der nach Erledigung der Hauptsache gestellte Feststellungsantrag ist statthaft (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 Rn. 9) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wahrt die am 1. März 2011 formwirksam eingelegte Rechtsbeschwerde die einmonatige Beschwerdefrist des § 71 Abs. 1 FamFG. Die am 10. Januar 2011 bewirkte Zustellung der Beschwerdeentscheidung an die Betroffene setzte den Lauf der Rechtsbeschwerdefrist nicht in Gang.
6
a) Die Wirksamkeit der Zustellung der Beschwerdeentscheidung beurteilt sich hier nach den §§ 41 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. FamFG i.V.m. § 172 ZPO. Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat in einem anhängigen Verfahren die Zustellung ausschließlich an den für diese Instanz bestellten Verfahrensbevollmächtigten zu erfolgen. Diese Vorschrift ist für den Anwendungsbereich des § 15 FamFG jedenfalls dann anwendbar, wenn der Beteiligte einem Rechtsanwalt eine unbeschränkte Verfahrensvollmacht erteilt und dieser dem Gericht seine Bestellung angezeigt hatte (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 202/09, Rn. 8, juris; Sternal in Keidel, FamFG, 16. Auflage, § 15 Rn. 24; Bumiller/Harders, FamFG, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 9. Auflage, § 15 Rn. 7). Ein Verstoß gegen § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO führt zur Unwirksamkeit der Zustellung , und die Rechtsmittelfrist beginnt nicht zu laufen (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1980 - I ZR 51/80, NJW 1981, 1673, 1674). Jedoch setzt die Pflicht des Gerichts, Zustellungen an den Verfahrensbevollmächtigten zu richten , erst ein mit der Kenntnis des Gerichts von dessen Bestellung. Diese Kenntnis muss dem Gericht bis spätestens zu Beginn der Zustellung vermittelt worden sein. Maßgebend ist danach, ob die Geschäftsstelle in dem Zeitpunkt, in dem sie die gerichtliche Entscheidung zur Post gibt oder dem Gerichts- http://www.juris.de/jportal/portal/t/12l0/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR195010004BJNE006902310&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 5 - wachtmeister aushändigt, Kenntnis von der Bestellung des Prozessbevollmächtigten hat bzw. haben müsste (BGH, aaO).
7
b) Hier ging am 3. Januar 2011 beim Landgericht ein Schriftsatz einer Rechtsanwältin vom 29. Dezember 2010 ein, mit dem diese unter Vorlage einer Vollmacht der Betroffenen Beschwerde gegen die Anordnung der Abschiebungshaft einlegte. Der Schriftsatz lag am 4. Januar 2011 der zuständigen Richterin des Landgerichts vor. Am 5. Januar 2011 gab die Geschäftsstelle die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 27. Dezember 2010 zur Post. Die Zustellung hätte daher an die Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen erfolgen müssen.
8
c) Die mangelhafte Zustellung ist nicht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. FamFG i.V.m. § 189 ZPO geheilt worden. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen die Beschwerdeentscheidung zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; insbesondere lässt sich der gerichtlichen Mitteilung vom 24. Januar 2011 an die Verfahrensbevollmächtigte , über die Beschwerde sei bereits entschieden, nicht entnehmen , dass ihr zugleich die Beschwerdeentscheidung zur Kenntnisnahme übersandt wurde.
9
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
10
a) Das Amtsgericht und das Beschwerdegericht haben zu Unrecht das Vorliegen des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bejaht.
11
aa) Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. Der nicht angezeigte Aufenthaltswechsel begründet in diesem Fall die Vermutung, dass die Abschiebung ohne die Inhaftnahme erschwert oder vereitelt wird (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 36/11). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts lief die Ausreisefrist der Betroffenen am 15. Dezember 2010 ab. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Betroffene aufgrund einer vorläufigen Inhaftierung nach ihrer Rücküberstellung aus der Schweiz bereits in öffentlichem Gewahrsam. Damit war sie für die Ausländerbehörde erreichbar, so dass eine Pflicht der Betroffenen zur Anzeige ihres Aufenthalts nicht bestand.
12
Soweit das Amtsgericht und das Beschwerdegericht daran anknüpfen, dass die Betroffene vor Ablauf der Ausreisefrist ihren Aufenthaltswechsel nicht angezeigt habe, vermag dies den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht zu begründen. Maßgeblich für die Vermutung, dass die Abschiebung ohne die Inhaftnahme erschwert oder vereitelt wird, ist der Umstand, dass der Betroffene nach Ablauf der Ausreisefrist für die Durchführung der Abschiebung nicht zur Verfügung steht, weil er die Ausländerbehörde nicht über seinen Aufenthaltsort unterrichtet hat (vgl. OLG München, OLGR 2007, 144, 145, juris Rn. 12; OLG Hamm, OLGR 2002, 332, juris Rn. 14). Wird dem Betroffenen eine Frist zur Ausreise gewährt, muss er vor Ablauf der Frist mit Abschiebungsmaßnahmen nicht rechnen. Daher begründet eine vor Ablauf der Ausreisefrist unterlassene Mitteilung eines Aufenthaltswechsels nicht die Vermutung des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, der Betroffene werde für eine Abschiebung nicht zur Verfügung stehen. Die gesetzliche Vermutung des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG kommt vielmehr erst dann zum Tragen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Betroffene nun seine geänderte Anschrift nicht mitteilt; denn ab diesem Zeitpunkt muss er sich auf Abschiebungsmaßnahmen einstellen und seine Erreichbarkeit für eine Abschiebung gewährleisten. Geschieht dies nicht, ist allein aufgrund der Nichtanzeige seines Aufenthalts die Vermutung gerechtfertigt, dass er sich dem Zugriff der Ausländerbehörde entziehen will.
13
bb) Im Übrigen lässt sich weder den Feststellungen des Amtsgerichts und des Beschwerdegerichts noch den von der Behörde eingereichten Unterlagen entnehmen, dass die Ausländerbehörde die Betroffene über die Folgen einer unterlassenen Mitteilung über den Aufenthalt hingewiesen hat. Angesichts der in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG normierten einschneidenden Folgen einer unterlassenen Anzeige des Wohnortwechsels muss die Ausländerbehörde in der Regel auf die Anzeigepflicht nach § 50 Abs. 5 AufenthG und die mit einem Unterlassen der Anzeige des Aufenthaltswechsels verbundenen Folgen hinweisen (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 36/11, vgl. auch OLG Celle, InfAuslR 2004, 118; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 61. Aktual. Dezember 2008, § 62 AufenthG Rn. 44).
14
b) Die Feststellungen tragen auch nicht eine Haftanordnung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG.
15
Nach dieser Vorschrift ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies setzt konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, Rn. 15, juris). Aus der Ausreise der Betroffenen in die Schweiz lässt sich nicht ohne Weiteres die Schlussfolgerung ziehen, dass sie sich einer Abschiebung entziehen wollte. Zwar hat die Betroffene, die aufgrund des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Schweizerischen Bundesrat über die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt (BGBl. 1996 II S. 945) wieder in das Bundesgebiet rücküberstellt wurde, rückschauend betrachtet ihre Ausreisepflicht nicht erfüllt (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 62. Aktual. Februar 2009, § 57 AufenthG Rn. 16). Dies allein rechtfertigt jedoch nicht die Annahme einer Entziehungsabsicht. Weitere Umstände, die den Schluss rechtfertigen, die Betroffene sei allein mit dem Ziel des Untertauchens in die Schweiz ausgereist und nicht, um ihrer Ausreisepflicht nachzukommen, haben weder das Amtsgericht noch das Beschwerdegericht festgestellt.

IV.

16
1. Die Sache ist zur Entscheidung reif, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG. Zwar ist nicht auszuschließen, dass die fehlenden Feststellungen noch getroffen werden können. Solche Ergebnisse könnten allerdings nur dann zum Nachteil der Betroffenen verwertet werden, wenn sie hierzu persönlich angehört würde. Dies ist aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Abschiebung nicht mehr möglich.
17
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, den Regierungsbezirk Mittelfranken , dem die beteiligte Behörde angehört (§ 430 FamFG), zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Betroffenen zu verpflichten (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 223/09, FGPrax 2010, 212 f. Rn. 19). Krüger Stresemann Roth Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Nürnberg, Entscheidung vom 16.12.2010 - 68 XIV 85/10 B -
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 27.12.2010 - 18 T 10247/10 -

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

10
(1) Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. Der nicht angezeigte Aufenthaltswechsel begründet in diesem Fall die Vermutung, dass die Abschiebung ohne die Inhaftnahme erschwert oder vereitelt wird (Senat, Beschluss vom 9. Februar 2011 – V ZB 16/11 Rn. 8, juris; Beschluss vom 1. Juli 1993 – V ZB 19/93, NJW 1993, 3069, 3070 zu § 57 Abs. 2 AuslG). Wegen dieser einschneidenden Folge muss die Ausländerbehörde in der Regel auf die Anzeigepflicht nach § 50 Abs. 5 AufenthG und die mit einem Unterlassen der Anzeige des Aufenthaltswechsels verbundenen Folgen hinweisen (Senat, Beschluss vom 9. Februar 2011 – V ZB 16/11 Rn. 8, juris; OLG Celle, InfAuslR 2004, 118; OLG München, OLGR München 2007, 144, 145; OLG Zweibrücken, InfAuslR 2006, 376; Hailbronner, AuslR, 61. Aktualisierung, § 62 AufenthG Rn. 44 a.E.). Bei der Anwendung der Vorschrift ist zudem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der in Ausnahmefällen dazu führt, dass die Vermutung widerlegt werden kann (BVerfG, InfAuslR 1994, 342, 344 zu § 57 Abs. 2 AuslG; insoweit unzutreffend Senat, Beschluss vom 9. Februar 2011 – V ZB 16/11 Rn. 8, juris, im Anschluss an den Beschluss vom 1. Juli 1993 – V ZB 19/93, NJW 1993, 3069, 3070 zu § 57 Abs. 2 AuslG). Will sich der Ausländer offensichtlich nicht der Abschiebung entziehen, ist der nicht angezeigte Aufenthaltswechsel allein kein ausreichender Haftgrund (BVerfG, InfAuslR 1994, 342, 344; Hailbronner, AuslR, 61. Aktualisierung, § 62 AufenthG Rn. 44).

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/10
vom
22. Juli 2010
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Werden in der Begründung des Haftantrags die Tatsachen, auf denen die
Ausreisepflicht des Betroffenen beruht, nicht oder falsch vorgetragen, leidet die
richterliche Anordnung der Freiheitsentziehung an einem Verfahrensmangel,
der zu ihrer Rechtswidrigkeit führt.
BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10 - LG Hannover
AG Hannover
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Lemke, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Dem Betroffenen wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt Rinkler Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Hannover vom 19. Januar 2010 bewilligt. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Hannover vom 19. Januar 2010 und der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 30. November 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem Land Niedersachsen auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.

1
Der Betroffene reiste erstmalig Anfang 2008 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ein von ihm am 6. Februar 2008 gestellter Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 5. März 2008 als unzulässig zurückgewiesen und die Überstellung des Betroffenen nach Art. 18 Dublin II-Verordnung in die Slowakische Republik angeordnet, in der der Betroffene zuvor ebenfalls Asyl beantragt hatte. Die Überstellung scheiterte, weil der Betroffene die Aufnahmeein-richtung, in der er untergebracht war, verließ und danach sein Aufenthalt für die Behörden unbekannt war.
2
Nach Ankündigung einer Rücküberstellung des Betroffenen aus dem Königreich der Niederlande in die Bundesrepublik Deutschland hob das Bundesamt am 5. Oktober 2009 den Bescheid vom 5. März 2008 auf und kündigte eine neue Entscheidung über den Asylantrag an, weil eine Überstellung des Betroffenen in die Slowakische Republik infolge Zeitablaufs nicht mehr zulässig war. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2009 wurde der Asylantrag vom 6. Februar 2008 als offensichtlich unbegründet abgelehnt, der Betroffene zum Verlassen des Bundesgebietes binnen einer Woche aufgefordert und eine Abschiebung nach Georgien angedroht. Dieser Bescheid wurde der Aufnahmeeinrichtung, in der der Betroffene im Jahr 2008 untergebracht war, mit der Bitte um Aushändigung übersandt und ging dort am 9. Oktober 2009 ein. In der Rückantwort teilte die Aufnahmeeinrichtung dem Bundesamt mit, dass der Betroffene die Einrichtung am 21. Januar 2009 verlassen habe und sein Aufenthaltsort nicht bekannt sei.
3
Nach Überstellung des Betroffenen aus den Niederlanden ordnete das Amtsgericht auf Antrag der Beteiligten zu 2 (Ausländerbehörde) die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens zum 28. Februar 2010 und die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung an. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Am 20. Februar 2010 wurde der Betroffene abgeschoben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er, die Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Landgerichts und der Haftanordnung des Amtsgerichts festzustellen.

II.

4
Das Beschwerdegericht hat den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG bejaht und ein Abschiebungshindernis auf Grund des Asylantrags des Betroffenen vom 6. Februar 2008 verneint. Die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG sei mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 7. Oktober 2009 erloschen, der nach § 10 Abs. 2 AsylVfG als am 12. Oktober 2009 zu-gestellt gelte, so dass der Betroffene seit dem 20. Oktober 2009 vollziehbar ausreisepflichtig sei.

III.

5
Die nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthafte (dazu: Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726, 727) und gemäß § 71 FamFG form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Der mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 62 FamFG ist begründet.
6
1. Die Abschiebungshaft durfte von dem Amtsgericht schon deshalb nicht angeordnet und von dem Beschwerdegericht nicht bestätigt werden, weil es an einem wirksamen Antrag der Beteiligten zu 2 auf Anordnung der Freiheitsentziehung fehlt.
7
a) Das Vorliegen eines zulässigen Antrages der zuständigen Verwaltungsbehörde nach § 417 FamFG ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat, Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rn. 7; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 12, juris).
8
Der Haftantrag ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG zu begründen. Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags (Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 14, juris). Für die Abschiebungs - und Zurückschiebungshaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen , zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführung der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG).
9
b) Die Begründung des Haftantrags der Beteiligten zu 2 vom 25. November 2010 genügt diesen Anforderungen nicht.
10
aa) In dem Antrag fehlt die nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG erforderliche Angabe der Tatsachen, aus denen sich die Ausreisepflicht des Betroffenen ergab. Die den Antrag stellende Behörde muss dazu aufzeigen, dass dem Betroffenen ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet nicht zusteht. Hierfür ist der Grund der Ausreisepflicht zu bezeichnen, zu dessen Sicherung die Abschiebungshaft angeordnet werden soll. Ergibt sich die Ausreisepflicht aus einem vollziehbaren Bescheid, muss die Behörde in dem Haftantrag auf diesen Bescheid Bezug nehmen (vgl. Bahrenfuss/Grotkopp, FamFG, § 417 Rn. 4; Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 417 Rn. 8).
11
Dem entspricht der Haftantrag der Beteiligten zu 2 nicht, weil in diesem nur der bereits aufgehobene Bescheid des Bundesamtes vom 5. März 2008, jedoch nicht der Bescheid vom 7. Oktober 2009 erwähnt ist, aus dem allein sich die Ausreisepflicht des Betroffenen im Zeitpunkt der Beantragung der Abschiebungshaft ergeben konnte.
12
bb) Den Anforderungen an die Begründung des Haftantrags wird auch nicht dadurch genügt, dass nach der Akte der Bescheid des Bundesamtes vom 7. Oktober 2009 dem Haftantrag beilag. Die Behörde muss nämlich in dem Antrag selbst die die Verlassenspflicht begründenden Tatsachen bezeichnen. Nur dann ist gewährleistet, dass das Gericht die Grundlagen erkennt, auf welche die Behörde ihren Antrag stützt, und das rechtliche Gehör des Betroffenen durch die Übermittlung des Haftantrags nach § 23 Abs. 2 FamFG gewahrt wird (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Dodegge, FamFG, § 417 Rn. 14).
13
cc) Eine mögliche Heilung eines unvollständigen schriftlichen Haftantrags durch eine zu Protokoll des Haftrichters erklärte Ergänzung der Begründung (dazu Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 17, juris) ist hier nicht erfolgt, weil nach dem Protokoll der Anhörung vom 30. November 2009 von der Beteiligten zu 2 niemand zugegen war, dem Betroffenen allein der Haftantrag bekannt gegeben wurde und er sich dazu äußern konnte.
14
dd) Auf einen unvollständigen Antrag darf keine Haft angeordnet werden; vielmehr ist der Antrag - wenn keine Nachbesserung erfolgt - als unzulässig zu verwerfen (Bahrenfuss/Grotkopp, FamFG, § 417 Rn. 6; Bassenge/Roth/Gottwald , FamFG/RpflG, 12. Aufl., § 418 FamFG Rn. 5).
15
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand, weil es auch in der Beschwerdeinstanz an einem ordnungsgemäßen Haftantrag gefehlt hat (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 24). Die Beteiligte zu 2 hat nur den Haftantrag vom 25. November 2010 gestellt.
16
Die Mängel in jenem Haftantrag sind auch nicht durch die davon abweichenden Ausführungen in den Schriftsätzen der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz behoben worden, in denen die Beteiligte zu 2 zur Begründung der Ausreisepflicht des Betroffenen sich auf den Bescheid des Bundesamtes vom 5. Oktober 2009 gestützt, und auf dessen Einwand, ihm sei dieser Bescheid unbekannt gewesen, sich auf die Zustellungsfiktionen in § 10 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 4 Satz 4 AsylVfG berufen hat. Bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde handelt es sich um eine unverzichtbare Verfahrensgarantie, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert (BVerfG NVwZ-RR 2009, 304, 305; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 19, juris).
17
3. Da ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 417 FamFG nicht mit der Argumentation für unbeachtlich erklärt werden kann, dass die Freiheitsentziehung materiell zu Recht angeordnet worden sei (BVerfG NVwZRR 2009, 304, 305), kommt es auf alle weiteren Ausführungen der Beteiligten nicht an.

IV.

18
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, dem Land Niedersachen, als derjenigen Körperschaft, der die beteiligte Behörde angehört (vgl. § 430 FamFG) zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Betroffenen zu verpflichten.
19
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO.
Krüger Lemke RinBGH Dr. Stresemann ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben. Krüger Czub Roth Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 30.11.2009 - 44 XIV 144/09 -
LG Hannover, Entscheidung vom 19.01.2010 - 28 T 62/09 -

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 214/10
vom
26. Mai 2011
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Mai 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter
Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen werden der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 4. August 2010 und der Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 11. November 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auch für den Zeitraum ab dem 10. November 2009 zum Nachteil der Betroffenen entschieden worden ist. Es wird festgestellt, dass die Fortdauer der Haft über den 10. November 2009 hinaus die Betroffene in ihren Rechten verletzt hat. Im Übrigen wird das Rechtsmittel mit der Maßgabe zurückgewiesen , dass die Beschwerde der Betroffenen nicht als unzulässig verworfen, sondern als unbegründet zurückgewiesen wird. Ein Drittel der der Betroffenen in allen Instanzen entstandenen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen wird dem Landkreis Viersen auferlegt. Im Übrigen findet eine Auslagenerstattung nicht statt. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Betroffene ist ukrainische Staatsangehörige. Sie hatte sich mehrere Jahre in Tschechien aufgehalten und war dann nach Deutschland ausgereist. Sie wandte sich am 7. September 2009 an die Polizei in K. , um den Verlust ihres Rucksacks und Passes zu melden. Dort wurde sie festgenommen. Auf Antrag des Beteiligten zu 2 vom 8. September 2009 ordnete das Amtsgericht gegen die Betroffene Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 7. Dezember 2009 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an.
2
Am 10. November 2009 hat die Betroffene bei dem Amtsgericht beantragt , den Beschluss des Amtsgerichts vom 8. September 2009 aufzuheben und festzustellen, dass die "Inhaftierung in Abschiebungshaft" rechtswidrig gewesen ist. Gegen die Zurückweisung ihres Antrags hat sie sofortige Beschwerde eingelegt , nach ihrer Abschiebung in die Ukraine am 25. November 2009 mit dem Antrag festzustellen, dass die "Inhaftierung in Abschiebungshaft" rechtswidrig war. Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dagegen hat die Betroffene fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg.
4
1. Das Rechtsmittel ist mit dem gestellten Feststellungsantrag nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Mit dem Antrag verfolgt die Betroffene zwar das Ziel, die Verletzung ihrer Rechte durch die Zurückweisung ihres Antrags auf Haftaufhebung nach § 426 Abs. 2 Satz 1 FamFG festzustellen. Ein solcher Feststellungsantrag kann aber wie entsprechende Anträge nach Erledigung gegen die Haftanordnung eingelegter Beschwerden analog § 62 Abs. 1 FamFG auch im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellt werden, ohne dass es einer Zulassung des Rechtsmittels bedarf (Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 292/10, juris Rn. 8). Das gilt auch dann, wenn - wie hier - das Beschwerdegericht über einen Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG entschieden hat und in dem Rechtsbeschwerdeverfahren die Überprüfung dieser Entscheidung verlangt wird (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27 Rn. 4).
5
2. Das Rechtsmittel ist teilweise begründet.
6
a) Die Zurückweisung des Aufhebungsantrags hat von dessen Eingang bei dem Amtsgericht am 10. November 2009 an die Betroffene in ihren Rechten verletzt, weil sie schon bei der Anordnung der Haft nicht nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen 24. April 1963 (BGBl. 1969 II S. 1585 – Wiener Konsularübereinkommen, WÜK) belehrt worden ist.
7
aa) Die Aufhebung der Haft zur Sicherung der Abschiebung für die Zukunft kann nach der Rechtsprechung des Senats nicht nur auf neue Umstände, sondern auch auf Einwände gegen ihre Anordnung gestützt werden (Beschluss vom 18. September 2008 - V ZB 129/08, NJW 2009, 299, 300). Das hat der Senat zwar auch auf den Wortlaut der Regelung in dem seinerzeit maßgeblichen § 10 Abs. 2 FreihEntzG gestützt, die der Gesetzgeber in den jetzt geltenden § 426 FamFG nicht aufgenommen hat. Damit war aber keine Verengung des Prüfungsrahmens des Gerichts bezweckt. Vielmehr soll das Gericht weiterhin von Amts wegen die Aufhebung der Freiheitsentziehung zu prüfen haben, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben. Es soll lediglich im Verfahrensablauf freier sein als zuvor (Entwurfsbegründung in BT-Drucks 16/6308 S. 293). Deshalb hat das Gericht auch im Rahmen von § 426 Abs. 1 FamFG dem inhaltlich unveränderten Zweck des Aufhebungsverfahrens Rechnung zu tragen und eine rechtswidrige Inhaftierung zur Verwirklichung der Freiheitsgarantien des Art. 104 GG umgehend zu beenden (vgl. Senat, Beschluss vom 18. September 2008 aaO).
8
bb) Danach wäre dem Aufhebungsantrag stattzugeben gewesen. Die angeordnete Haft war fehlerhaft, weil die Betroffene nicht nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK belehrt worden ist.
9
(1) Haft zur Sicherung der Abschiebung darf gegen einen Betroffenen nur angeordnet werden, wenn dieser, soweit vorgeschrieben, darüber belehrt worden ist, dass er eine Unterrichtung der konsularischen Vertretung seines Heimatlandes verlangen und mit dieser Kontakt aufnehmen darf. Unterbleibt diese Belehrung, ist die angeordnete Haft rechtsfehlerhaft. Dieser Fehler kann nicht geheilt werden (Senat, Beschlüsse vom 6. Mai 2010 - V ZB 223/09, FGPrax 2010, 212 Rn. 17 f. und vom 18. November 2010 - V ZB 165/10, InfAuslR 2011, 119,120 Rn. 4). Der Fehler ist dem erstbefassten Amtsgericht bei der Anordnung der Haft am 8. September 2009 unterlaufen.
10
(2) Die Pflicht zur Belehrung des Betroffenen ergibt sich aus Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK. Danach haben die Behörden des Empfangsstaats, hier also die deutschen Behörden, einen Betroffenen aus einem Vertragsstaat des Wiener Konsularübereinkommens unverzüglich darüber zu unterrichten, dass er eine unverzügliche Unterrichtung der konsularischen Vertretung seines Heimatlandes über seine Inhaftierung verlangen kann (Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 1 WÜK) und dass seine an diese Vertretung gerichteten Mitteilungen unverzüglich an diese weiterzuleiten sind (Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 2 WÜK). Die Belehrungspflicht bestand gegenüber der Betroffenen, weil ihr Heimatland Ukraine Vertragsstaat des Wiener Konsularübereinkommens ist (Bekanntmachung vom 5. Juli 1989, BGBl. II S. 640).
11
(3) Dass die vorgeschriebene Belehrung unterblieben ist, ist anzunehmen , weil sie aus den Akten nicht ersichtlich ist. Die Belehrung des Betroffenen, seine Reaktion hierauf und eine von ihm verlangte unverzügliche Unterrichtung der konsularischen Vertretung sind in den Akten zu dokumentieren. Unterbleibt dies, kann nicht festgestellt werden, dass die Verfahrensgarantien des Wiener Übereinkommens gewahrt worden sind. Dies wirkt zugunsten des Betroffenen (Senat, Beschluss vom 18. November 2010 - V ZB 165/10, InfAuslR 2011, 119, 120 Rn. 5). So liegt es hier. Die Betroffene ist nach dem Inhalt des Protokolls über ihre Anhörung am 8. September 2009 "besonders belehrt" worden. Diese Belehrung bezog sich aber auf die illegale Einreise und die mögliche Strafbarkeit. Hinweise darauf, dass die Betroffene auch über ihre Rechte nach Art. 36 WÜK belehrt worden ist, ergeben sich weder aus dem Anhörungsprotokoll noch aus dem weiteren Ablauf des Verfahrens oder dem Aktenvermerk der Kreispolizeibehörde V. vom 25. Juni 2010 über den Ablauf der Festnahme.
12
cc) Nach Erledigung des Aufhebungsantrags ist deshalb festzustellen, dass die Fortdauer der Inhaftierung seit dem Eingang des Aufhebungsantrags die Betroffene in ihren Rechten verletzt hat. Insoweit ist nicht nur die Entscheidung des Beschwerdegerichts aufzuheben, sondern auch der Beschluss vom 11. November 2009, durch welchen das Amtsgericht die Aufhebung der Haftanordnung und den Antrag auf Feststellung der Rechtsverletzung zurückgewiesen hat.
13
b) Unbegründet ist die Rechtsbeschwerde, soweit es um die Feststellung der Rechtsverletzung durch die Haftanordnung in dem Zeitraum bis zum Eingang des Aufhebungsantrags geht. Dieser Feststellung steht die formelle Rechtskraft der Haftanordnung des Amtsgerichts vom 8. September 2009 entgegen.
14
aa) Zwar ist ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer freiheitsentziehenden Maßnahme regelmäßig gegeben (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10, InfAuslR 2011, 205 f. Rn. 8 mwN). Dieses rechtliche Interesse muss der Betroffene jedoch im Rahmen der gegebenen Rechtschutzmöglichkeiten verfolgen (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10, InfAuslR 2011, 205 f. aaO). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Gegen den Beschluss, mit dem das Amtsgericht die Haft angeordnet hat, hat die Betroffene kein Rechtsmittel eingelegt, obwohl dies möglich gewesen wäre.
15
bb) Die formelle Rechtskraft der Entscheidung über die Haftanordnung kann nicht mit einem Antrag auf Aufhebung der Haft nach § 426 Abs. 2 Satz 1 FamFG durchbrochen werden. Zwar darf der Betroffene einen solchen Antrag auch auf Einwände gegen die ursprüngliche Haftanordnung stützen (oben a) aa)). Der Aufhebungsantrag führt dann aber nur zur Aufhebung der Haft für die Zukunft und zur Feststellung der Verletzung seiner Rechte seit dem Eingang seines Aufhebungsantrags, nicht hingegen zur Feststellung einer Rechtsverletzung auch für den Zeitraum davor (Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 292/10, juris Rn. 17).

III.

16
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, den Landkreis V. , dem die beteiligte Behörde angehört, zur Erstattung eines Teils der notwendigen Auslagen der Betroffenen zu verpflichten. Die Kostenquote entspricht dem Verhältnis des gesamten Haftzeitraums zu dem Zeitraum, für den das Rechts- mittel Erfolg hat. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 Abs. 2, § 128c Abs. 2 KostO. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Krefeld, Entscheidung vom 11.11.2009 - 29 XIV 37/09/B -
LG Krefeld, Entscheidung vom 04.08.2010 - 7 T 289/09 -