Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2012 - V ZB 221/11

bei uns veröffentlicht am19.01.2012
vorgehend
Landgericht Stade, 9 T 95/11, 30.08.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 221/11
vom
19. Januar 2012
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Anordnung der sogenannten "kleinen Sicherungshaft" gemäß § 62 Abs. 2
Satz 2 AufenthG ist eine Ermessensentscheidung des Gerichts, die dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen muss; sie setzt voraus,
dass der Tatrichter im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht auf den Einzelfall
bezogene Tatsachen feststellt, aus denen sich zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit
dafür ergibt, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen
wird.
BGH, Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZB 221/11 - LG Stade
AG Stade
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Januar 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Czub und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 30. August 2011 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Stade vom 24. Juni 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem Landkreis Stade auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, hielt sich seit 2010 im Bundesgebiet auf. Nach einem erfolglosen Asylverfahren konnte er zunächst nicht abgeschoben werden, weil er keinen Pass hatte. Nachdem die Zahlung des monatlichen Barbetrags nach dem Asylbewerberleistungsgesetz aus die- sem Grund eingestellt und Zwangsmaßnahmen angedroht worden waren, begab er sich im Juni 2011 zu der afghanischen Botschaft nach Berlin und erhielt dort einen Reisepass. Gegenüber dem Ordnungsamt erklärte er anschließend, er werde Deutschland auf gar keinen Fall freiwillig verlassen, um nach Afghanistan zurückzukehren. Daraufhin wurde seine Abschiebung für den 28. Juni 2011 geplant. Auf Antrag des Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht zunächst am 23. Juni 2011 eine einstweilige Anordnung erlassen und am 24. Juni 2011 die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 30. Juni 2011 angeordnet. Gegen diese Entscheidung hat der Betroffene Beschwerde eingelegt und nach seiner Abschiebung beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung festzustellen. Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene den Fortsetzungsfeststellungsantrag weiter.

II.

2
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts war der Haftantrag zulässig und begründet. Der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG habe vorgelegen. Es habe der begründete Verdacht bestanden, dass sich der Betroffene der geplanten Abschiebung entziehen werde. Denn er habe auch nach Beschaffen des Reisepasses erklärt, er wolle nicht freiwillig ausreisen, und zudem in der Anhörung geäußert, er wolle frei sein, und sein Leben sei in Afghanistan in Gefahr.

III.

3
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist nur die auf die Haftanordnung vom 24. Juni 2011, nicht aber die auf die einstweilige Anordnung vom 23. Juni 2011 bezogene Beschwerdeentscheidung. Sie hält rechtlicher Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil die Haftanordnung keine ausreichende Ermessensausübung im Hinblick auf den Haftgrund erkennen lässt.
4
1. Die Anordnung der auf zwei Wochen beschränkten sogenannten "kleinen Sicherungshaft" gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG (in der bis zum 25. November 2011 geltenden Fassung) setzt voraus, dass - wie hier - die Ausreisefrist abgelaufen ist und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann (vgl. Renner/Dienelt, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 62 AufenthG Rn. 21). Auf diese Weise soll der Vollzug der Abschiebung insbesondere dann gesichert werden, wenn eine Sammelabschiebung geplant oder aus anderen Gründen ein erheblicher organisatorischer Aufwand erforderlich ist (so die Begründung zu dem gleichlautenden § 57 Abs. 2 Satz 2 AuslG in der Fassung vom 26. Juni 1992, BT-Drucks. 12/2062 S. 45 f.). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Haft unter diesen Voraussetzungen stets angeordnet werden muss und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit allein durch die zeitliche Begrenzung der Haft Rechnung getragen wird (so aber OLG Naumburg, Beschluss vom 13. März 2000 - 10 Wx 25/99, juris Rn. 13). Wie schon der Gesetzeswortlaut belegt ("kann"), ist die Haftanordnung nämlich in das Ermessen des Gerichts gestellt. Aus diesem Grund hat der Tatrichter im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht gemäß § 26 FamFG festzustellen, ob auf den Einzelfall bezogene Tatsachen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür ergeben, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen wird (OLG Düsseldorf, InfAuslR 2007, 111 f.; OLG München, InfAuslR 2010, 71, 72 f.; HK-AuslR/ Keßler, § 62 AufenthG Rn. 30 mwN; Huber/Beichel-Benedetti, AufenthG, § 62 Rn. 16; Marschner in Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung , Abschnitt E Rn. 28; Renner/Dienelt, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 62 AufenthG Rn. 21; einschränkend OLG Hamm, FGPrax 2005, 90, 91 f. und InfAuslR 2007, 159, 160 f.). Denn der Umstand, dass er nicht freiwillig ausreist, ist für sich genommen kein Haftgrund, sondern Voraussetzung für die Abschiebung. Die Entscheidung selbst erfordert eine Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und dem staatlichen Interesse an der zügigen Durchführung der Abschiebung, das umso schwerer wiegt, je höher die Gefahr der Entziehung einzuschätzen ist. Die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gründe sind - wenn auch in knapper Form - in der Entscheidung darzulegen (§ 38 Abs. 3 Satz 1, § 69 Abs. 2 FamFG). Das Rechtsbeschwerdegericht darf zwar nicht das Ermessen des Tatrichters durch eine eigene Entscheidung ersetzen. Es hat aber zu überprüfen, ob eine Ermessensausübung überhaupt stattgefunden hat und ob sie fehlerfrei - insbesondere unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - erfolgt ist (vgl. zum Ganzen OLG Düsseldorf, InfAuslR 2007, 111 f.; OLG Hamm, InfAuslR 2007, 159, 160 f.; OLG München, InfAuslR 2010, 71, 72 f.).
5
2. Daran gemessen erweist sich die Haftanordnung als rechtsfehlerhaft. Sie ist allein auf die allgemein gehaltene Überlegung gestützt, der ausreiseunwillige Betroffene könne sich der aufwendigen Abschiebung durch kurzfristige Abwesenheit entziehen und sie damit vereiteln. Daraus lässt sich schon nicht entnehmen, dass dem Amtsgericht die Notwendigkeit einer Ermessensausübung bewusst war. Denn mit der gewählten Begründung ließe sich die Haft bei jeder geplanten Abschiebung rechtfertigen, die einen höheren Organisationsaufwand erfordert. Einzelfallbezogene Tatsachen, die die Annahme der Vereitelungsabsicht untermauern könnten, hat das Amtsgericht nicht festgestellt. Insoweit hat es seine Entscheidung unter Verstoß gegen § 26 FamFG auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 3/10, InfAuslR 2010, 381, 383 f.), weil die entscheidende Frage nach der Vereitelungsabsicht nicht Gegenstand der Anhörung des Betroffenen war. Er ist nämlich nicht konkret dazu befragt worden, ob er sich der Abschiebung stellen werde. Zwar hat er angegeben, er wolle frei sein, sein Leben sei in Afghanistan in Gefahr. Dies lässt - anders als das Beschwerdegericht meint - aber nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass er über die fehlende Ausreisewilligkeit hinaus auch die Absicht hatte, die Abschiebung zu vereiteln. Darüber hinaus hat das Amtsgericht verschiedene Umstände, die gegen eine solche Absicht sprachen, nicht in seine Überlegungen einbezogen. Zum einen hatte der Betroffene an der vorangehenden Passbeschaffung mitgewirkt, obwohl ihm bewusst sein musste, dass sie nur der Vorbereitung der Abschiebung dienen konnte; auch konnte die Festnahme an seinem Wohnort erfolgen. Zum anderen äußerte der Verfahrensbevollmächtigte bei der telefonischen Anhörung , seiner Einschätzung nach werde sich sein Mandant freiwillig der Abschiebung stellen.
6
Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Die Ermessensentscheidung ist schon deshalb nicht nachholbar, weil eine Anhörung des Betroffenen nach Durchführung der Abschiebung nicht mehr möglich ist.

IV.

7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO. Krüger Stresemann Czub Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Stade, Entscheidung vom 24.06.2011 - 41 XIV 1722 B -
LG Stade, Entscheidung vom 30.08.2011 - 9 T 95/11 -

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Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 74 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 62 Abschiebungshaft


(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 26 Ermittlung von Amts wegen


Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 38 Entscheidung durch Beschluss


(1) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (Endentscheidung). Für Registersachen kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden. (2) Der Beschluss enthält

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 83 Kostenpflicht bei Vergleich, Erledigung und Rücknahme


(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst. (

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 430 Auslagenersatz


Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zu

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 69 Beschwerdeentscheidung


(1) Das Beschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden. Es darf die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens nur dann an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverweisen, wenn dieses in der Sache noch nicht en

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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (Endentscheidung). Für Registersachen kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden.

(2) Der Beschluss enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten;
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Gerichtspersonen, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;
3.
die Beschlussformel.

(3) Der Beschluss ist zu begründen. Er ist zu unterschreiben. Das Datum der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle oder der Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel (Erlass) ist auf dem Beschluss zu vermerken.

(4) Einer Begründung bedarf es nicht, soweit

1.
die Entscheidung auf Grund eines Anerkenntnisses oder Verzichts oder als Versäumnisentscheidung ergeht und entsprechend bezeichnet ist,
2.
gleichgerichteten Anträgen der Beteiligten stattgegeben wird oder der Beschluss nicht dem erklärten Willen eines Beteiligten widerspricht oder
3.
der Beschluss in Gegenwart aller Beteiligten mündlich bekannt gegeben wurde und alle Beteiligten auf Rechtsmittel verzichtet haben.

(5) Absatz 4 ist nicht anzuwenden:

1.
in Ehesachen, mit Ausnahme der eine Scheidung aussprechenden Entscheidung;
2.
in Abstammungssachen;
3.
in Betreuungssachen;
4.
wenn zu erwarten ist, dass der Beschluss im Ausland geltend gemacht werden wird.

(6) Soll ein ohne Begründung hergestellter Beschluss im Ausland geltend gemacht werden, gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisentscheidungen entsprechend.

(1) Das Beschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden. Es darf die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens nur dann an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverweisen, wenn dieses in der Sache noch nicht entschieden hat. Das Gleiche gilt, soweit das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und zur Entscheidung eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung notwendig wäre und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt. Das Gericht des ersten Rechtszugs hat die rechtliche Beurteilung, die das Beschwerdegericht der Aufhebung zugrunde gelegt hat, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist zu begründen.

(3) Für die Beschwerdeentscheidung gelten im Übrigen die Vorschriften über den Beschluss im ersten Rechtszug entsprechend.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 3/10
vom
17. Juni 2010
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Das Beschwerdegericht darf von der erneuten Anhörung des Betroffenen nicht
absehen, wenn sich nach der Haftanordnung neue Gesichtspunkte ergeben haben.

b) § 420 Abs. 1 FamFG gibt dem Haftrichter keine inhaltlichen Vorgaben für die Gestaltung
der Anhörung des Betroffen.

c) Der Haftrichter hat die Anhörung des Betroffenen nach § 26 FamFG so zu gestalten
, wie es einer ordnungsgemäßen amtswegigen Sachaufklärung entspricht. Dazu
hat er den Betroffenen regelmäßig zu allen entscheidungserheblichen Punkten
zu befragen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Haftantrag der Behörde wesentliche
Punkte offen lässt.
BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 3/10 - LG Hamburg
AG Hamburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juni 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der Zivilkammer 29 des Landgerichts Hamburg vom 29. Dezember 2009 und der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 13. November 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zweckentsprechenden notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Beteiligten zu 2 auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene reiste etwa zwei bis drei Wochen vor dem 13. November 2009 nach Deutschland ein. An diesem Tag wurde er von Vollzugsbeamten der Beteiligten zu 2 festgenommen. Bei seiner Festnahme hatte er keine Ausweispapiere bei sich, behauptete aber, eine italienische Identitätskarte zu haben, die sich bei einem Freund befinde. Im weiteren Verlauf des Verfahrens legte er mehrere italienische Dokumente, darunter eine "Carta d’Identità (Personalausweis ) mit einer Gültigkeit bis zum 10. Juli 2018, eine "Permesso di Soggiorno" (Aufenthaltserlaubnis) mit einer Gültigkeit bis zum Ablauf des 23. Juli 2010 und einen "Titulo di Viaggio per Stranieri" (Fremdenpass) mit nicht lesbarer Angabe zur Gültigkeit, vor. Die Beamten der Beteiligten zu 2 stellten fest, dass der Betroffene in dem Eurodac-System erfasst ist, konnten aber Einzelheiten nicht klären. Die Beteiligte zu 2 beantragte die Anordnung der Haft zur Sicherung der Rückschiebung des Betroffenen nach Italien bis zum 15. Januar 2010.
2
Das Amtsgericht hat dem Antrag entsprochen. Die Beschwerde des Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen hat sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde gewandt. Er ist am 11. Januar 2010 nach Italien zurückgeschoben worden und beantragt die Feststellung, dass die Haftanordnung und die Beschwerdeentscheidung ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

3
Das Beschwerdegericht hält die Haftanordnung für rechtmäßig. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG habe vorgelegen, weil der Betroffene nicht glaubhaft gemacht habe, dass er sich der Zurückschiebung nicht entziehen wolle. Er habe sich seit seiner Einreise nicht mit den Behörden in Verbindung gesetzt, keine Angaben zum Zwecke seines Aufenthalts gemacht, er sei ohne festen Wohnsitz und ohne Einkommen. Die Dauer der angeordneten Haft sei verhältnismäßig und das Verfahren auch fortwährend durch die Ausländerbehörde betrieben worden.

III.

4
Das Rechtsmittel des Betroffenen hat Erfolg.
5
1. Die Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie kann nach der Erledigung der Hauptsache auch mit dem Antrag fortgesetzt werden, die Rechtsverletzung durch die Haftanordnung und, wie hier, die Beschwerdeentscheidung festzustellen (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726 = juris Rdn. 9.; Senat , Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246 = juris Rdn. 6). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
6
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
7
a) Das Beschwerdegericht hat die gebotene persönliche Anhörung des Betroffenen versäumt.
8
aa) Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG (dazu: BVerfG NVwZ-RR 2009, 304, 305; BVerfG, Beschl. v. 1. April 2008, 2 BvR 1925/04, juris Rdn. 18) auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zwingend vorgeschrieben. Hiervon darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur absehen, wenn eine ordnungsgemäße persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 11. Mai 1995, V ZB 13/95, NJW 1995, 2226, insoweit in BGHZ 129, 383 nicht abgedruckt ; Beschl. v. 28. Januar 2010, V ZB 2/10, juris Rdn. 7; Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246 = juris Rdn. 13). Diese Voraussetzungen lagen hier ersichtlich nicht vor.
9
bb) Die Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht war, wie noch darzulegen sein wird, nicht ordnungsgemäß. Vor allem aber hatten sich seit dem Erlass der Haftanordnung neue Gesichtspunkte ergeben, die einem Abse- hen von der persönlichen Anhörung entgegenstanden und diese im Gegenteil sogar erforderlich machten. Der Betroffene hatte nämlich italienische Dokumente vorgelegt, die seine Einlassungen vor den Vollzugsbeamten der Beteiligten zu 2 bestätigten und die Fortdauer der Sicherungshaft in Frage stellten. Sie ergaben zwar nicht, dass der Betroffene Flüchtlingsstatus hat und schon deshalb nicht unerlaubt eingereist ist. Nach diesen Unterlagen konnte es aber aus anderen Gründen an einer unerlaubten Einreise, jedenfalls an einem Haftgrund fehlen. Diese Fragen konnte das Beschwerdegericht sachgerecht nur klären, indem es den Betroffenen erneut persönlich anhörte. Denn es kam dazu auch auf den persönlichen Eindruck von dem Betroffenen entscheidend an (dazu BVerfGE 58, 208, 220 ff.; BVerfG NJW 1990, 2309, 2310).
10
b) Die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde durch das Beschwerdegericht ist auch in der Sache fehlerhaft.
11
aa) Zu dieser Entscheidung durfte das Beschwerdegericht nur kommen, wenn der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig war, ein Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und/oder Nr. 5 AufenthG vorlag und die Fortdauer der Haft noch verhältnismäßig war. Die vollziehbare Ausreisepflicht des Betroffenen ergab sich hier nicht aus einer Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde oder des Verwaltungsgerichts, an die das Beschwerdegericht gebunden wäre. Sie konnte sich unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Einreise nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nur aus dem Gesetz selbst ergeben und war deshalb von dem Haftrichter selbständig festzustellen (Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50 = juris Rdn. 7). Die danach erforderlichen Feststellungen hat das Beschwerdegericht nicht rechtsfehlerfrei getroffen.
12
bb) Schon die Feststellung der vollziehbaren Ausreisepflicht des Betroffenen ist rechtsfehlerhaft.
13
(1) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht zwar davon aus, dass die Einreise des Betroffenen nach § 14 Abs. 1 AufenthG unerlaubt war, wenn er ohne gültigen Pass oder Passersatz und ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel (regelmäßig ein Visum) eingereist ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat es aber nicht so aufgeklärt, wie das nach § 26 FamFG erforderlich war. Es hat sich allein darauf gestützt, dass der Betroffene bei seiner Festnahme keine Papiere bei sich führte und keinen Flüchtlingsstatus hat. Das ist unzureichend.
14
(2) Als Pass oder Passersatz genügt zwar nicht die italienische Identitätskarte , auf die sich der Betroffene von Anfang an und in der Sache auch zutreffend berufen hat. Ein solches Papier ist nach § 3 Abs. 3 Nr. 5 AufenthV nur bei den eigenen Staatsangehörigen des ausstellenden Mitgliedstaates der Europäischen Union ein ausreichender Passersatz, nicht bei Drittausländern, zu denen der Betroffene gehört. Der Betroffene hat aber im Beschwerdeverfahren auch eine Kopie seines italienischen Fremdenpasses vorgelegt, der nach seinem Inhalt für das Gebiet aller Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens und damit auch für die Bundesrepublik Deutschland gilt und als Reisedokument ausreicht. Die Vorlage dieses Dokuments aus der Sicherungshaft heraus spricht dafür, dass er diesen Pass auch bei der Einreise bei sich führte. Ob der Pass bei der Einreise und der Festnahme des Betroffenen noch gültig war, ist zwar aus der vorgelegten Kopie nicht eindeutig zu entnehmen. Dem war aber nachzugehen, weil die unerlaubte Einr eise Voraussetzung für die Haftanordnung ist und angesichts der vorgelegten anderen Dokumente Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Pass gültig war.
15
(3) Allerdings bliebe die Einreise nach § 14 Abs. 1 AufenthG unerlaubt, wenn der Betroffene ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel eingereist wäre. Ein Visum ist aus dem Fremdenpass des Betroffenen nicht ersichtlich. Er hat auch nicht behauptet, mit einem Visum eingereist zu sein. Ein Visum war auch nicht, darin ist dem Beschwerdegericht Recht zu geben, nach § 18 Satz 1 AufenthV entbehrlich, weil der Betroffenen keinen Flüchtlingsstatus hat. An dieser Stelle durfte das Beschwerdegericht seine Prüfung aber nicht abbrechen.
16
Drittausländer, die wie der Betroffene über eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union verfügen, dürfen sich nach Art. 21 Abs. 2 SDÜ unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a, c und e der Verordnung (EG Nr. 562/2006, ABl. Nr. L 105 S. 1 - Schengener Grenzkodex) bis zu drei Monaten im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens auf Grund des Aufenthaltstitels und eines von dem Mitgliedstaat ausgestellten Reisedokuments bewegen. Der Betroffene hat dargelegt, dass er eine gültige befristete italienische Aufenthaltserlaubnis hat. Er durfte sich deshalb in Deutschland aufhalten, wenn er ein gültiges Reisedokument, das ihn zum Überschreiten der Grenze berechtigt, hatte und wenn er die übrigen Voraussetzungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchstaben c und e Schengener Grenzkodex erfüllte. Seinen Fremdenpass hat der Betroffene in Kopie vorgelegt. Dessen Gültigkeit und das Vorliegen der anderen Voraussetzungen für seinen visumsfreien Aufenthalt in Deutschland hat das Beschwerdegericht nicht überprüft. Anhaltspunkte, die das Vorliegen dieser Voraussetzungen von vornherein ausschlossen, bestanden und bestehen nicht. Der Betroffene ist mit gültigen Fahrscheinen nach und in Hamburg gereist und hat dort einen Freund besucht. Aus dem Umstand, dass er bei seiner Festnahme dessen Namen nicht genannt hat, lässt sich auf das Fehlen der Voraussetzungen nicht schließen. Denn dieser Freund hat wenige Tage später der Beteiligten zu 2 Papiere vorgelegt, die der Betroffene zu haben behauptet hatte. Je- denfalls haben sich weder die Beteiligte zu 2 noch das Beschwerdegericht mit diesen Fragen auch nur im Ansatz befasst. Das war aber zur Feststellung der Voraussetzungen für die Haftanordnung erforderlich.
17
cc) Auch der von dem Beschwerdegericht angenommene Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
18
Bei einer - hier zudem schon nicht ordnungsgemäß festgestellten - unerlaubten Einreise des Betroffenen ist nach § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG von der Anordnung der Sicherungshaft abzusehen, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Das Vorliegen dieser Ausnahme hat das Beschwerdegericht verfahrensfehlerhaft verneint. Der Betroffene durfte nach Vorlage seiner Dokumente davon ausgehen, dass diese zur Glaubhaftmachung ausreichten, und nach § 37 Abs. 2 FamFG und Art. 103 Abs. 1 GG einen Hinweis des Gerichts erwarten, wenn es Zweifel daran hatte. Außerdem war etwaigen Zweifeln in der ohnehin vorgeschriebenen persönlichen Anhörung nachzugehen. Beides ist nicht geschehen. Die nicht näher konkretisierten Zweifel des Beschwerdegerichts an der Glaubhaftmachung des Betroffenen waren jedenfalls nicht begründet. Der Betroffene hat sich von Anfang an auf seine italienische Identitätskarte berufen, die er tatsächlich besitzt. Er hat dargelegt, dass er in Italien ein gesichertes Aufenthaltsrecht hat und nach dem Fremdenpass jederzeit dorthin zurückkehren darf. Er hat in Italien seinen Wohnsitz und betreibt dort ein Asylverfahren. Weshalb er von seinem Rückkehrrecht keinen Gebrauch machen sollte, dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Dass der Betroffene eine Rückkehr nach Italien abgelehnt hätte, ist den Akten und den angefochtenen Entscheidungen nicht zu entnehmen. Das reichte unter den hier gegebenen Umständen zur Glaubhaftmachung aus.
19
dd) Die Zurückweisung der Beschwerde war schließlich auch deshalb fehlerhaft, weil die weitere Fortdauer der Haft jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht mehr verhältnismäßig war. Der Betroffene hatte gültige Papiere, die ihn zum Aufenthalt in Italien berechtigten und ihm die jederzeitige Rückkehr dorthin sicherten. Anhaltspunkte dafür, dass er nicht mit dem nächst erreichbaren Flugzeug nach Italien zurückkehren würde, sind nicht festgestellt. Der Rückkehr des Betroffenen stand auch die Bitte um Unterstützung bei der Rückführung an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht entgegen. Denn dieses hatte das dazu Erforderliche spätestens am 14. Dezember 2009 unternommen. Einen sachlichen Grund dafür, die Rückkehr des Betroffenen nach Italien erst für den 11. Januar 2010 vorzusehen und die Haft solange fortdauern zu lassen, gab es nicht.
20
3. Auch die Entscheidung des Amtsgerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
21
a) Das ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die Beteiligte zu 2 dem Amtsgericht die Ausländerakte nicht vorgelegt hat. Die beteiligte Behörde soll dem Haftrichter nach § 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG die (vollständige) Akte vorlegen. Der Haftrichter selbst wird die Ausländerakte regelmäßig schon nach § 26 FamFG von sich aus beizuziehen haben, weil sie notwendige Grundlage der Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft ist (vgl. BVerfG NVwZ 2008, 304, 305; InfAuslR 2008, 358, 360; NJW 2009, 2659, 2660; Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246 = juris Rdn. 19; Beschlussempfehlung zum FamFG in BT-Drucks. 16/9733 S. 299). Etwas anderes gilt nicht nur, wenn sich der unter Beiziehung der Ausländerakte festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09 aaO), sondern auch dann, wenn die Verfahrensakte - wie hier - nur aus der dem Haftantrag zugrunde liegenden Verfügung besteht und dieser den Inhalt der Akten wiedergibt.
22
b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Amtsgericht auch nicht die nach § 420 Abs. 1 FamFG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG gebotene persönliche Anhörung des Betroffenen versäumt. Diese hat ausweislich des Protokolls vom 13. November 2009 im Beisein eines Vertreters der Beteiligten zu 2 und einer Dolmetscherin für die italienische Sprache stattgefunden. Das stellt die Rechtsbeschwerde auch nicht in Abrede. Sie leitet den Verstoß gegen § 420 Abs. 1 FamFG vielmehr aus der aus ihrer Sicht unzureichenden Durchdringungstiefe ab, die die Anhörung nach dem Inhalt des Protokolls gehabt habe. Eine im Einzelfall nicht ausreichende Durchdringungstiefe führt aber nicht dazu, dass die durchgeführte Anhörung gewissermaßen als "Nichtanhörung" anzusehen und § 420 Abs. 1 FamFG verletzt wäre. § 420 Abs. 1 FamFG begründet kein besonderes, neben § 26 FamFG tretendes Sachaufklärungsgebot. Die Vorschrift legt vielmehr fest, dass der Richter den Betroffenen persönlich anhören muss, aber nicht, in welchem Umfang das zu geschehen hat. Das ließe sich auch nicht allgemein festlegen. Der Umfang der Anhörung bestimmt sich vielmehr wie bei allen anderen Maßnahmen der Sachaufklärung gemäß § 26 FamFG danach, was nach den Umständen des Einzelfalls geboten ist, um den Sachverhalt sachgerecht von Amts wegen aufzuklären. Das bedeutet nicht, dass Unzulänglichkeiten bei der Anhörung folgenlos blieben. Eine inhaltlich unzureichende persönliche Anhörung des Betroffenen führt im Gegenteil dazu, dass der Sachverhalt nicht in dem gebotenen Umfang aufgeklärt ist, die Haftanordnung deshalb nicht ergehen darf und gegebenenfalls aufgehoben werden muss.
23
c) Dieser Fall ist hier eingetreten. Das Amtsgericht hat, was die Rechtsbeschwerde inhaltlich auch gerügt hat, den Sachverhalt nicht ansatzweise aufgeklärt. Seine Feststellungen tragen die Haftanordnung nicht.
24
aa) Die Angaben in dem Haftantrag der Beteiligten zu 2 boten keine taugliche Grundlage für den Erlass der beantragten Sicherungshaft. Daraus ergab sich zwar, dass der Betroffene bei seiner Festnahme keine Papiere bei sich führte. Die Beteiligte zu 2 hatte in dem Haftantrag aber auch dargelegt, dass der Betroffene behauptete, eine italienische Identitätskarte zu haben, die sich bei einem Freund befinde. Das konnte nach dem Haftantrag richtig sein, weil über den Betroffenen in Eurodac ein Eintrag für Italien zu finden war. Damit blieben alle für die Haftanordnung wesentlichen Fragen offen.
25
bb) Das hatte zur Folge, dass das Amtsgericht dem Haftantrag nur entsprechen konnte, wenn es selbst die von der Beteiligten zu 2 unterlassene Sachaufklärung vornahm und feststellte, ob der Betroffene tatsächlich unerlaubt eingereist, der - zudem in dem Haftantrag nicht spezifizierte - Haftgrund gegeben und die Anordnung der Haft verhältnismäßig war. Dazu war eine eingehende Befragung des Betroffenen zu den Umständen seiner Einreise und zu seinem aufenthaltsrechtlichen Status in Italien unerlässlich. Zusätzliche Veranlassung hierzu ergab die Erklärung des Betroffenen, er habe in Italien Asyl beantragt. Das entsprach den Angaben der Beteiligten zu 2 in dem Haftantrag. Die gebotene Sachaufklärung hat das Amtsgericht nicht vorgenommen. Es hat die persönliche Anhörung des Betroffenen schon nach dessen Hinweis auf das Asylverfahren in Italien abgebrochen, obwohl ihm dieser Hinweis erst recht Veranlassung gab, den Betroffenen eingehend zu den Umständen seiner Einreise, dem Vorhandensein von Papieren und dem aufenthaltsrechtlichen Status in Italien zu befragen.

IV.

26
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128c KostO und § 83 Abs. 2, § 81 und § 430 FamFG (vgl. Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, juris). Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 13.11.2009 - 219e XIV 41237/09 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 29.12.2009 - 329 T 72/09 -

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.

Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.