Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Apr. 2018 - StB 3/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:190418BSTB3.18.0
bei uns veröffentlicht am19.04.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 3/18
vom
19. April 2018
in der Strafvollstreckungssache
gegen
wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen
Vereinigung u.a.
hier: Sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Strafaussetzungsbeschluss
ECLI:DE:BGH:2018:190418BSTB3.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Verurteilten und seines Verteidigers am 19. April 2018 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 5, § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 23. Februar 2018 wird verworfen.
2. Der Verurteilte ist unverzüglich aus der Strafhaft zu entlassen.
3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten zu tragen.

Gründe:

1
Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt hat den Verurteilten am 23. Januar 2014 wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Anstiftung zum schweren Raub und mit Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt; die Entscheidung ist seit dem 10. Dezember 2014 rechtskräftig. Mit Beschluss vom 23. Februar 2018 hat das Oberlandesgericht die Vollstreckung des Strafrestes nach der Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe, die am 27. Dezember 2017 vollstreckt waren, auf Antrag des Verurteilten zur Bewährung ausgesetzt, ihn der Aufsicht und Leitung durch einen Bewährungshelfer unterstellt und ihm Weisungen erteilt; die Dauer der Bewäh- rungszeit hat es auf fünf Jahre bestimmt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts bleibt ohne Erfolg.
2
1. Der Senat teilt die Ansicht des Oberlandesgerichts, dass die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB).
3
a) Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ist die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen dieses Absatzes dann zur Bewährung auszusetzen, wenn dem Verurteilten eine günstige Prognose für eine Legalbewährung in Freiheit gestellt werden kann. Dabei sind an die Erwartung künftiger Straffreiheit umso strengere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger das im Falle eines Rückfalls bedrohte Rechtsgut ist (BGH, Beschlüsse vom 25. April 2003 - StB 4/03, BGHR StGB § 57 Abs. 1 Erprobung 2; vom 4. Oktober 2011 - StB 14/11, NStZ-RR 2012, 8). Die vorzunehmende Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen des bereits erlittenen Strafvollzugs und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit kann auch bei Kapitaldelikten, schweren Sexualstraftaten oder terroristischen Verbrechen zu dem Ergebnis führen, dass die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug verantwortbar ist; die Voraussetzungen an eine positive Legalprognose dürfen auch in diesem Bereich nicht so hochgeschraubt werden, dass dem Verurteilten letztlich kaum eine Chance auf vorzeitige Haftentlassung bleibt (BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2011 - StB 14/11, NStZ-RR 2012, 8). Insbesondere wenn sich ein terroristischer Straftäter im Vollzug ordnungsgemäß führt und von seiner früheren Gewaltbereitschaft glaubhaft lossagt, kann auch hier eine Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 1990 - StB 39/89, BGHR StGB § 57 Abs. 1 Erprobung 1).
4
b) Nach diesen Maßstäben ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat - sachverständig beraten (§ 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO) - die nach § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB für die Entscheidung zu berücksichtigenden Umstände einer Gesamtwürdigung unterzogen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine hinreichend günstige Prognose für eine bedingte Entlassung des Verurteilten gestellt werden kann, der sich von den seinen Taten zugrunde liegenden radikalen Einstellungen distanziert hat. Dem schließt sich der Senat an.
5
aa) Zwar ist der Beschwerde zuzugeben, dass einige Umstände - die auch das Oberlandesgericht Frankfurt erkannt hat - durchaus gegen die Annahme einer günstigen Legalprognose sprechen könnten. So beging der Verurteilte die verfahrensgegenständlichen Straftaten unter laufender Bewährung und weist nach dem eingeholten Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. S. Persönlichkeitszüge auf, die seine Einordnung in ein soziales Gefüge erschweren können. Eine begonnene Umschulungsmaßnahme konnte er wegen Fehlzeiten, die allerdings durch seine Erkrankung an Morbus Crohn bedingt waren, nicht abschließen. Auch verlief der Strafvollzug nicht frei von Verstößen gegen Weisungen der Justizvollzugsbediensteten und disziplinarischen Beanstandungen; die gegen ihn verhängte Disziplinarmaßnahme wegen Verletzung der Arbeitspflicht hat der Verurteilte indes akzeptiert, sich für sein Fehlverhalten entschuldigt und schließlich zunehmend angepasste Verhaltensweisen gezeigt.
6
bb) Demgegenüber fällt jedoch entscheidend ins Gewicht, dass sich der Verurteilte glaubhaft von seiner früheren radikalen Einstellung, die für die hier gegenständlichen Straftaten ursächlich war, gelöst und während des Strafvollzuges seit der über vier Jahre zurückliegenden Hauptverhandlung einen positiven Reifungsprozess durchlaufen hat, in dessen Folge er sich intensiv mit seinen Taten auseinandergesetzt und sich von diesen distanziert hat.
7
Seine Verurteilung hat er als "richtig" erkannt, die verhängte Strafe akzeptiert und eine insgesamt günstige Entwicklung genommen. Bereits im Jahre 2013 hat sich der Verurteilte schriftlich mit der Bitte um Unterstützung an das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen gewandt und nach seiner Aufnahme in das Aussteigerprogramm Islamismus (API) im Jahre 2015 mehr als einhundert Stunden intensive Gespräche mit dessen Mitarbeitern bei regelmäßigen , alle drei bis vier Wochen stattfindenden Besuchen geführt. Zudem hat er sich mit Literatur zum Islam befasst und schließlich erkannt, dass er in der Vergangenheit "den falschen Leuten vertraut" habe und "Rattenfängern" gefolgt sei; heute ist er der Ansicht, dass er durch Propagandavideos, Hasspredigten und die Einbindung in die islamistische Szene hin zu einem "Schwarz-Weiß-Denken" manipuliert worden sei. Die terroristische Vereinigung "Islamischer Staat" sieht er als "Räuberbande" an, die nicht zum Islam gehöre und die Religion missbrauche.
8
Ausweislich der Stellungnahme des API vom 13. November 2017 sei die Deradikalisierung des Verurteilten "besonders weit fortgeschritten", zudem sei er "in herausragender Weise" dazu in der Lage, extremistische Argumentationsmuster zu benennen und zu entkräften. Den Kontakt zu Personen, die ihn während des Strafvollzuges dahin beeinflussen wollten, seine früheren Einstellungen beizubehalten, hat der Verurteilte abgebrochen. Mit seinem Bruder, der weiterhin der salafistischen Szene angehöre, habe er über seine Erlebnisse bei Al Qaida und Al Shahab gesprochen; er wünsche sich, dass auch dieser in das Aussteigerprogramm aufgenommen werde. Seine im Februar 2016 begonnene externe Einzelpsychotherapie hat der Verurteilte nach 21 Sitzungen mit positivem Ergebnis abgeschlossen.
9
Für eine günstige Legalprognose spricht schließlich das soziale Umfeld des Verurteilten. Er hat nach wie vor eine sehr enge Beziehung zu seiner Familie , die nach Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. S. wesentlich zu seiner Stabilisierung beitragen wird. Nach der Entlassung wird er bei seiner Ehefrau und seinen Kindern in H. wohnen; die Familie plant einen Umzug nach D. , sodass der Verurteilte nicht mehr in sein früheres Umfeld in W. zurückkehren wird. Seine Ehefrau war ihm zwar nach Waziristan gefolgt, hat jedoch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland von radikalen Einstellungen Abstand genommen und wirkt inzwischen deutlich gereift. Sie absolviert eine Ausbildung zur Kindergärtnerin, arbeitet mit dem API zusammen und will ihre Kinder im westlichen Wertekontext erziehen. Ein erneutes Abgleiten in Kriminalität oder Extremismus würde sie dem Verurteilten nicht verzeihen. Zudem kann der Verurteilte bei seinen Zukunftsplänen - er will eine Fahrerlaubnis erwerben und sodann eine Arbeit in dem Imbissbetrieb seines Schwagers aufnehmen - auf die Unterstützung seiner weiteren Familienangehörigen zählen.
10
Zusammenfassend geht auch der Sachverständige Prof. Dr. S. in seinem Prognosegutachten - etwas zurückhaltender als die ausgesprochen positive Stellungnahme des API - davon aus, dass die in den Taten zutage getretene spezifische Gefährlichkeit des Verurteilten nicht mehr fortbesteht, "hinsichtlich der speziellen Bereitschaft zu ähnlichen Straftaten (…) konkrete Anhaltspunkte für derartige Gefährdungen heute nicht mehr zu erkennen sind" und "mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit" davon auszugehen sei, dass der Verurteilte zu einer Einsicht und auch zu einer Umkehr gelangt ist. Geeignete Auflagen und Weisungen könnten aus psychiatrischer Sicht zum Schutz vor Gefährdungen und Fehlentwicklungen beitragen.
11
Die kaum jemals zu erlangende Gewissheit, dass der Verurteilte dauerhaft keine Straftaten mehr begehen wird, ist im Übrigen selbst bei lebenslanger Freiheitsstrafe keine Voraussetzung für die Reststrafenaussetzung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. März 1998 - 2 BvR 77/97, NStZ 1998, 373, 374; KG, Beschluss vom 12. Oktober 2006 - 1 AR 1018/06 - 5 Ws 485 Ws 482/06, juris Rn. 15); ein vertretbares Restrisiko ist daher auch im vorliegenden Fall hinzunehmen.
12
c) Das weitere Beschwerdevorbringen - insbesondere auch, soweit es auf Umstände gründet, die erst nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts mitgeteilt worden sind - zeigt hinreichende Gründe, die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung abzulehnen und die angetragene Sperrfrist von sechs Monaten festzusetzten, nicht auf. Die Ermittlungsergebnisse in dem auf die Bezichtigungen durch ehemalige Mitgefangene eingeleiteten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Kleve/Zweigstelle Moers gegen den Verurteilten (508 Js 579/17) sind bisher so vage, dass darauf eine abweichende Beurteilung der Sozialprognose nicht gestützt werden kann.
13
2. Es verbleibt auch bei den Begleitentscheidungen des angefochtenen Beschlusses. Die auf fünf Jahre bestimmte Dauer der Bewährungszeit (§ 56 Abs. 1 StGB) ist angemessen; der Verurteilte bedarf der gemäß § 57 Abs. 3, § 56c StGB erteilten Weisungen. Sie verfolgen das Ziel, seine Lebensführung spezialpräventiv zu beeinflussen und sind angemessen und erforderlich, um ihn zu einem künftig straffreien Leben anzuhalten.
14
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen beruht auf § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO.
Becker Gericke Hoch

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Apr. 2018 - StB 3/18

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Apr. 2018 - StB 3/18

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Apr. 2018 - StB 3/18 zitiert 7 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 56 Strafaussetzung


(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

Strafprozeßordnung - StPO | § 304 Zulässigkeit


(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig,

Strafgesetzbuch - StGB | § 57 Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der

Strafprozeßordnung - StPO | § 454 Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung


(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten un

Strafgesetzbuch - StGB | § 56c Weisungen


(1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Apr. 2018 - StB 3/18 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Apr. 2018 - StB 3/18 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Okt. 2011 - StB 14/11

bei uns veröffentlicht am 04.10.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS ___________ StB 14/11 vom 4. Oktober 2011 in dem Strafvollstreckungsverfahren gegen wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung

Referenzen

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn

1.
die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt,
2.
der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung
a)
bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate,
b)
bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre
der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder
3.
der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches).
Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird.

(2) Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes

1.
der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder
2.
einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, daß Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, daß dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten.

(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(4) Im Übrigen sind § 246a Absatz 2, § 268a Absatz 3, die §§ 268d, 453, 453a Absatz 1 und 3 sowie die §§ 453b und 453c entsprechend anzuwenden. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
___________
StB 14/11
vom
4. Oktober 2011
in dem Strafvollstreckungsverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. Oktober 2011 gemäß § 454
Abs. 3 Satz 1, § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 StPO beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 9. August 2011 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hatte gegen den Verurteilten am 15. Juli 2008 wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit dem Versuch der Beteiligung an einem Mord eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verhängt. Durch den angefochtenen Beschluss hat es das Oberlandesgericht erneut - wie schon zuvor am 12. Mai 2010 - abgelehnt, den Rest dieser Freiheitsstrafe nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln zur Bewährung auszusetzen. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Verurteilten führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht; denn dieses durfte dem Verurteilten die Reststrafenbewährung nicht versagen, ohne sich zuvor gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO wiederum sachverständig beraten zu lassen.
2
1. Nach der genannten Vorschrift holt das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art (hier: § 129b Abs. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie §§ 211, 30 StGB) zur Bewährung auszusetzen und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen. Die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung hatte das Oberlandesgericht vor seiner Entscheidung vom 12. Mai 2010 für gegeben erachtet, denn es hatte ein entsprechendes Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. eingeholt und in seine Erwägungen einbezogen. Vor diesem Hintergrund hätte es die Aussetzung der Verbüßung des Strafrestes zur Bewährung nur dann ohne erneute Anhörung eines Sachverständigen ablehnen dürfen, wenn das damals erstattete Gutachten wegen der Kürze der seither verstrichenen Zeit noch eine verlässliche Entscheidungsgrundlage geboten hätte und insbesondere keine neuen Umstände hervorgetreten wären, die grundsätzlich geeignet sein könnten, die Legalprognose für den Verurteilten positiv zu beeinflussen (so gerade auch die vom Oberlandesgericht herangezogenen Beschlüsse des OLG Rostock vom 20. August 2002 - 1 Ws 336/02, NJW 2003, 1334, 1335 und des Thüring. OLG vom 3. Dezember 1999 - 1 Ws 366/99, NStZ 2000, 224).
3
Beides war hier nicht der Fall. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung vom 9. August 2011 waren seit dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen vom 8. Februar 2010 ein Jahr und sechs Monate und seit dessen mündlicher Anhörung vom 11. Mai 2010 nahezu ein Jahr und drei Monate vergangen, in denen durch den weiteren Strafvollzug resozialisierend auf den Verurteilten eingewirkt worden war. In dieser Zeit hatte der Verurteilte außerdem an einem Gruppentraining zur Förderung der sozialen Kompetenzen teilgenommen, das er nach der Bewertung der Kursleiterinnen positiv und mit sehr gutem Erfolg absolviert hatte. Außerdem steht er nunmehr in regelmäßigem Kontakt zu einem ehrenamtlichen Betreuer der Straffälligenhilfe, der ihm Unterstützung nach seiner Haftentlassung zugesagt hat. Bei dieser Sachlage hat das Oberlandesgericht den ihm durch § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO eingeräumten Beurteilungsspielraum (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2000 - StB 1/00, BGHR StPO § 454 Gutachten 3) überschritten, indem es die erneute Ablehnung der Reststrafenbewährung maßgeblich wieder auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. vom 8. Februar 2010 stützte (BA S. 5), ohne zuvor diesen oder einen anderen Sachverständigen zu den neuen prognoserelevanten Umständen zu hören. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 8. Juni 2000 - 2 Ws 281-282/00, NStZ-RR 2000, 317, 318; OLG Stuttgart, Beschluss vom 12. Juni 2003 - 2 Ws 99/03, Justiz 2004, 123, 124).
4
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
5
Das Oberlandesgericht führt in dem angefochtenen Beschluss unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 12. Mai 2010 zwar zutreffend aus, dass die Anforderungen an eine positive Legalprognose im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 StGB umso höher angesetzt werden müssen, je gewichtiger die Rechtsgüter sind, die bei einem möglichen Rückfall des entlassenen Verurteilten verletzt oder gefährdet würden (BGH, Beschluss vom 25. April 2003 - StB 4/03, BGHR StGB § 57 Abs. 1 Erprobung 2). Diese dürfen indes auch nicht so hoch geschraubt werden, dass dem wegen eines Kapitalverbrechens oder eines Organisationsdelikts im Sinne der §§ 129a, 129b StGB Verurteilten letztlich kaum eine Chance auf eine vorzeitige Haftentlassung bleibt. Insbesondere darf die Ablehnung der Reststrafenbewährung nicht auf Umstände gestützt werden, auf die der Verurteilte keinen Einfluss hat. Daher wird das Oberlandesgericht nunmehr zu beachten haben, dass einer Arbeitsaufnahme des Verurteilten nach Haftentlassung gerade sein Eintrag im Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 entgegensteht. Sollten sonstige prognoserelevante Umstände der Aussetzung des Vollzugs der Reststrafe zur Bewährung nicht entgegenstehen, wird sie dem Verurteilten daher nicht mit Hinweis darauf versagt werden können, wegen der fehlenden Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme bestehe die Gefahr seiner Rückkehr in sein früheres Umfeld "im Umkreis muslimischer Moscheen" und der dortigen Aufnahme in eine islamistischterroristische Gruppe. Becker Pfister Menges

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn

1.
die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt,
2.
der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung
a)
bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate,
b)
bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre
der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder
3.
der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches).
Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird.

(2) Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes

1.
der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder
2.
einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, daß Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, daß dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten.

(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(4) Im Übrigen sind § 246a Absatz 2, § 268a Absatz 3, die §§ 268d, 453, 453a Absatz 1 und 3 sowie die §§ 453b und 453c entsprechend anzuwenden. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Das Gericht kann den Verurteilten namentlich anweisen,

1.
Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen,
2.
sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Gegenstände, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen oder
5.
Unterhaltspflichten nachzukommen.

(3) Die Weisung,

1.
sich einer Heilbehandlung, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, oder einer Entziehungskur zu unterziehen oder
2.
in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen,
darf nur mit Einwilligung des Verurteilten erteilt werden.

(4) Macht der Verurteilte entsprechende Zusagen für seine künftige Lebensführung, so sieht das Gericht in der Regel von Weisungen vorläufig ab, wenn die Einhaltung der Zusagen zu erwarten ist.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.