Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2014 - IX ZR 88/14

bei uns veröffentlicht am04.12.2014
vorgehend
Landgericht Berlin, 5 O 82/12, 07.02.2013
Kammergericht, 14 U 24/13, 21.03.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR88/14
vom
4. Dezember 2014
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape, Grupp und die Richterin
Möhring
am 4. Dezember 2014

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 21. März 2014, berichtigt durch Beschluss vom 23. Mai 2014, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 214.051,11 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.
2
1. Soweit das Berufungsgericht eine mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin als Grundlage der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO festgestellt hat, greift ein Zulassungsgrund nicht durch.
3
Das Berufungsgericht hat das Schreiben der Beklagten vom 11. Oktober 2007 in tatrichterlicher Auslegung ohne zulassungsrelevanten Rechtsfehler dahin gedeutet, dass die Beklagte den gesamten Darlehensbetrag fällig gestellt hat, zu dessen Rückzahlung die Schuldnerin außerstande war. Von einer unbe- denklichen Willensrichtung der Beteiligten kann nicht mit Rücksicht auf einen ernsthaften, aber gescheiterten Sanierungsversuch ausgegangen werden, weil es nach den tatgerichtlichen Feststellungen sowohl an einem endgültigen, schlüssigen Sanierungskonzept (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2014 - IX ZR 201/13, WM 2014, 1009 Rn. 40 f) als auch der Zustimmung der hauptsächlichen Kreditgeber (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09, WM 2012, 146 Rn. 13) und der um Nachschüsse ersuchten Kommanditisten fehlte.
4
2. Die geltend gemachten Gehörsrügen (Art. 103 Abs. 1 GG) greifen nicht durch.
5
a) Im Blick auf den angebotenen Zeugen- und Sachverständigenbeweis ist das Berufungsgericht zutreffend von einer fehlenden Substantiierung ausgegangen.
6
b) Der Antritt des Zeugenbeweises unter Bezug auf den "zuständigen Mitarbeiter" war überdies auch deshalb unbeachtlich, weil die Beweisperson nicht benannt wurde. Die Berufung auf das "Zeugnis NN" reicht als Beweisantritt gemäß § 373 ZPO grundsätzlich nicht aus (BGH, Urteil vom 16. März 1983 - VIII ZR 346/81, NJW 1983, 1905, 1908 aE; vom 4. März 2011 - V ZR 190/10, NJW 2011, 1738 Rn. 8). Ausnahmsweise ist ein Angebot auf Vernehmung eines mit "NN" benannten Zeugen zu berücksichtigen, wenn dieser - etwa durch Hinweis auf seine konkrete betriebliche Funktion - hinreichend individualisierbar ist (BGH, Urteil vom 5. Mai 1998 - VI ZR 24/97, NJW 1998, 2368, 2369). Die pauschale Benennung eines "instruierten Mitarbeiters" lässt die gebotene Individualisierung vermissen (BFH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - III B 168/09, BFH/NV 2010, 1847 Rn. 7). Ebenso verhält es sich im Streitfall, wo sich die Beklagte auf das Zeugnis des "zuständigen Mitarbeiters" berufen hat.

7
c) Das Berufungsgericht hat kein aus seiner rechtlichen Warte erhebliches tatsächliches Vorbringen der Beklagten übergangen. Der zum 31. Dezember 2006 erstellte, von der Beschwerde einseitig zu ihren Gunsten fehlinterpretierte Jahresabschluss der Schuldnerin ist jedenfalls für die Beurteilung ihrer Zahlungsfähigkeit ohne Bedeutung, weil er nicht den hier einschlägigen Zahlungszeitraum ab November 2007 betrifft (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2012 - II ZR 243/11, WM 2012, 1539 Rn. 16). Das Prolongationsangebot der Schuldnerin im Schreiben vom 25. September 2007 war aufgrund der Fälligstellung des Darlehens durch das Schreiben vom 11. Oktober 2007 überholt.
8
3. Die angefochtene Entscheidung wirft, soweit das Berufungsgericht aus der Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin die subjekti- ven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO hergeleitet hat, einen Rechtsfortbildungsbedarf nicht auf.
Kayser Gehrlein Pape Grupp Möhring

Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 07.02.2013 - 5 O 82/12 -
KG Berlin, Entscheidung vom 21.03.2014 - 14 U 24/13 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Insolvenzordnung - InsO | § 133 Vorsätzliche Benachteiligung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 373 Beweisantritt


Der Zeugenbeweis wird durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten.

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(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

40
aa) Allerdings kann die Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ausgeschlossen sein, wenn die angefochtene Rechtshandlung als Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber gescheiterten Sanierungskonzepts von einem anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet war. Voraussetzung ist, dass zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tat- sächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegt, das beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt (BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - IX ZR 52/10, WM 2013, 763 Rn. 11). Die bloße Hoffnung des Schuldners auf eine Sanierung räumt jedoch seinen Benachteiligungsvorsatz nicht aus, wenn die dazu erforderlichen Bemühungen über die Entwicklung von Plänen und die Erörterung von Hilfsmöglichkeiten nicht hinausgekommen sind (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09, WM 2012, 146 Rn. 11). Den über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unterrichteten Anfechtungsgegner trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, spätere Zahlungen des Schuldners auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts erlangt zu haben (Gehrlein, WM 2011, 577, 578 f; vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 33).
13
Entgegen der Ansicht der Revision setzt ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept zwar nicht in jedem Fall eine Einbeziehung sämtlicher Gläubiger voraus. Ein Sanierungsversuch kann auch aussichtsreich sein, wenn sich die beabsichtigten Maßnahmen nur auf einen Teil der Gläubiger erstrecken, etwa wenn - wie hier - umfangreiche Forderungsverzichte der hauptsächlichen Kreditgeber dem Schuldner neue Liquidität verschaffen sollen, mittels der er in die Lage versetzt wird, seine übrigen Gläubiger vollständig zu befriedigen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Der Zeugenbeweis wird durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten.

8
Die genannte Vorschrift verhält sich nicht zu gegen den Verband gerichtete Klagen, sondern nur zu Rechtsstreitigkeiten, in denen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft Parteien eines Rechtstreites sind. Dagegen ist die Benennung der Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft bei Klagen gegen den teilrechtsfähigen Verband nicht erforderlich (§ 10 Abs. 6 Satz 5 WEG i.V.m. Satz 4 WEG; vgl. auch MünchKomm-BGB/Engelhardt, 5. Aufl., § 44 WEG Rn. 1). Stellt sich aber die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die (üb- rigen) Wohnungseigentümer namentlich zu bezeichnen sind, nur bei Klagen, die gegen Mitglieder des Verbandes zu erheben sind, kann die Klageschrift verständigerweise nur so gewürdigt werden, dass Klage gegen die sonstigen Wohnungseigentümer erhoben werden sollte. Soweit in der - ohnehin erst nach Zustellung der Klage bei Gericht eingegangenen - Klagebegründung von "Zeugnis N.N. anwesende Miteigentümer" (zur Unbeachtlichkeit eines solchen "Beweisantritts" vgl. nur Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 356 Rn. 4 mwN) die Rede ist, handelt es sich um eine - in anwaltlichen Schriftsätzen häufiger auftretende - Nachlässigkeit, die jedoch nicht den sicheren Rückschluss darauf zulässt, entgegen den Angaben in der Klageschrift sei die Klage doch gegen den Verband und damit gegen die falsche Partei erhoben worden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhielt Kindergeld für ihre Tochter (T). Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 4. April 2008 die Festsetzung für die Monate November 2005 bis August 2006, Dezember 2006 bis Februar 2007 und April 2007 bis Juli 2007 auf und forderte einen Betrag von insgesamt 2.618 € zurück, da T in diesen Zeiträumen nicht als Bewerberin für einen Ausbildungsplatz gemeldet gewesen sei und die Klägerin auch keine Unterlagen vorgelegt habe, aus denen eine ernsthafte Ausbildungsstellensuche ersichtlich sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Im anschließenden Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) bot die Klägerin im Schriftsatz vom 19. Juni 2009 das "Zeugnis eines instruierten Mitarbeiters der Personalabteilung des jeweiligen Betriebes" an. Mit Erklärung vom 9. September 2009 verzichtete sie auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Das FG wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, T sei in den streitigen Zeiträumen nicht bei der Berufsberatung gemeldet gewesen. Ausreichende Nachweise für eigene Bemühungen um einen Ausbildungsplatz habe die Klägerin nicht vorgelegt.

2

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, das FG sei seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht nachgekommen, da es die angebotenen Beweise nicht erhoben habe. Außerdem habe es das rechtliche Gehör verletzt. Sie, die Klägerin, habe vorgetragen, bei welchen Ausbildungsbetrieben sich T beworben habe, auch habe sie Kopien von Bewerbungsschreiben und Absagen vorgelegt. Weiterhin habe sie die Zeugeneinvernahme von Mitarbeitern der Personalabteilung der jeweiligen Betriebe angeboten. Das Gericht hätte darüber hinaus T als Zeugin vernehmen können. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts wäre geboten und notwendig gewesen. Das angefochtene Urteil sei eine Überraschungsentscheidung. Sie, die Klägerin, habe dem Gericht mitgeteilt, dass weitere schriftliche Nachweise zu den Bewerbungsbemühungen nicht mehr vorhanden seien. Außerdem habe sie um einen richterlichen Hinweis für den Fall gebeten, dass das Gericht weiteren Sach- und Rechtsvortrag als notwendig erachten sollte. Ungeachtet dessen habe das FG ein klageabweisendes Urteil gefällt. Mit einer solchen Verfahrensbeendigung sei nicht zu rechnen gewesen.

Entscheidungsgründe

3

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.

4

1. Die Rüge der Verletzung der Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) führt nicht zum Erfolg.

5

a) Die Klägerin ist der Ansicht, das FG hätte von Amts wegen T als Zeugin vernehmen müssen. Dieses Vorbringen rechtfertigt jedoch nicht die Zulassung der Revision. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, weshalb sich dem FG --auch ohne entsprechenden Antrag-- eine Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (s. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Oktober 2008 X B 248/07, BFH/NV 2009, 186).

6

b) Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe zu Unrecht Mitarbeiter von Firmen, bei denen sich S beworben habe, nicht als Zeugen vernommen, kann sie mit diesem Einwand schon deshalb nicht gehört werden, weil sie im Schriftsatz vom 9. September 2009 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hat (§ 90 Abs. 2 FGO). Damit hat sie zugleich den Verzicht auf die zuvor beantragte Zeugeneinvernahme erklärt (BFH-Beschlüsse vom 5. Oktober 2000 V B 74/00, BFH/NV 2001, 330; vom 2. August 2006 VII S 56/05 (PKH), BFH/NV 2006, 2116, und vom 26. Oktober 2006 VII B 272/05, BFH/NV 2007, 725).

7

c) Unabhängig hiervon brauchte das FG dem Beweisangebot nicht nachzugehen, da die Klägerin den Beweis nicht ordnungsgemäß angetreten hatte. Nach § 82 FGO i.V.m. § 373 der Zivilprozessordnung (ZPO) wird der Zeugenbeweis durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten. Die Klägerin hat jedoch nur pauschal "instruierte Mitarbeiter der Personalabteilung des jeweiligen Betriebes" benannt.

8

2. Das FG hat auch keine Überraschungsentscheidung getroffen und nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO).

9

a) Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassung nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 17. März 2008 IX B 258/07, BFH/NV 2008, 1180). Die Klägerin sieht eine Gehörsverletzung darin, dass das FG sein Urteil gefällt habe, ohne zuvor den Beweisangeboten nachgegangen zu sein. Ein fachkundig vertretener Prozessbeteiligter kann jedoch nicht davon überrascht sein, dass ein Gericht einen Zeugenbeweis, der nicht den Vorgaben des § 373 ZPO entspricht, nicht erhebt.

10

b) Soweit die Klägerin sinngemäß beanstandet, das FG habe gegen die Pflicht zur Erteilung eines Hinweises nach § 76 Abs. 2 FGO verstoßen, ist diese Rüge ebenfalls unbegründet. Ein richterlicher Hinweis nach § 76 Abs. 2 FGO soll zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens, zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und zur Vermeidung von Überraschungsentscheidungen Schutz und Hilfestellung für die Beteiligten geben, ohne dass deren Eigenverantwortlichkeit eingeschränkt wird. Bei Beteiligten, die --wie die Klägerin-- im finanzgerichtlichen Verfahren durch einen fach- und sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten sind, stellt das Unterlassen eines richterlichen Hinweises in der Regel keine Verletzung der Pflicht aus § 76 Abs. 2 FGO dar (z.B. BFH-Beschluss vom 19. Januar 2010 IV B 136/08, BFH/NV 2010, 918).

16
Diese Feststellungen betreffen einerseits die bilanzielle Situation der Schuldnerin ein Jahr vor dem hier maßgeblichen Zeitpunkt und andererseits die Frage der Zahlungsfähigkeit. Sie schließen eine mögliche Überschuldungzum 31. Dezember 2003 und deren Erkennbarkeit für den Beklagten nicht aus. Offen bleibt insbesondere, ob (nicht sofort fällige) Verbindlichkeiten in beträchtlicher Größenordnung aufgelaufen waren und der Beklagte dies hätte bemerken müssen. Weiter zieht das Berufungsgericht zwar in Betracht, dass die - mögliche - Überschuldung für den Beklagten mit Zugang des Bescheids der Berufsgenossenschaft vom 30. April 2004 erkennbar geworden sei, befasst sich aber nicht mit der naheliegenden Frage, ob der Beklagte mit dem Bestehen und der ungefähren Höhe der aus den Jahren 2002 und 2003 herrührenden Beitragsforderungen nicht schon zum Jahreswechsel 2003/2004 rechnen musste.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.