Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2019 - IX ZR 37/19

bei uns veröffentlicht am19.09.2019
vorgehend
Landgericht Magdeburg, 11 O 761/17, 06.03.2018
Oberlandesgericht Naumburg, 5 U 50/18, 12.09.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 37/19
vom
19. September 2019
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:190919BIXZR37.19.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Grupp als Vorsitzenden , die Richterin Lohmann, den Richter Prof. Dr. Pape, die Richterin Möhring und den Richter Röhl
am 19. September 2019
beschlossen:
Den Prozessbevollmächtigten der Beklagten und Beschwerdeführer wird aufgegeben, binnen einer Frist von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses die Prozessvollmachten der beiden Beklagten vorzulegen.

Gründe:


1
Es bestehen Zweifel am Vorliegen einer wirksamen Prozessvollmacht. Nach Angaben des in den Vorinstanzen für die Klägerin tätigen Rechtsanwalts hat der frühere Generalbevollmächtigte des Beklagten zu 2 geäußert, er wisse nichts von Rechtsstreitigkeiten, die im Namen des Beklagten zu 2 geführt würden. Er, der frühere Generalbevollmächtigte des Beklagten zu 2, habe den vorinstanzlich tätigen Rechtsanwalt Dr. B. nur einmal gesehen, habe aber keine Informationen vom Verlauf der Prozesse erhalten. Der Schuldner habe seine Unterschrift sowie die Unterschrift der Geschäftsführerin der Beklagten zu 1 elektronisch gespeichert und bestreite damit den gesamten Schriftverkehr mit Dritten.

2
Im Anwaltsprozess wird der Mangel der Vollmacht grundsätzlich nur auf Rüge des Gegners hin geprüft (§ 88 Abs. 1 ZPO). An einer solchen fehlt es hier. Die Rüge nach § 88 Abs. 1 ZPO kann im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt erhoben werden (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2016 - I ZB 15/15, Rn. 19). Ausnahmsweise kann die Vollmacht aber auch von Amts wegen überprüft werden (BGH, Urteil vom 5. April 2001 - IX ZR 309/00, NJW 2001, 2095, 2096; BGH, Beschluss vom 25. Januar 2016 - I ZB 15/15, Rn. 21; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 88 Rn. 4; Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl., § 88 Rn. 2). Die Zweifel an einer wirksamen Prozessvollmacht folgen aus den eingangs zitierten fernmündlichen Äußerungen des früheren Generalbevollmächtigten des Beklagten zu 2 sowie daraus, dass dieser selbst mit Schriftsatz des Rechtsanwalts M. vom 5. September 2019 die Vollmacht der die Beklagten vertretenden Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof in Zweifel gezogen hat.

3
Die Fristsetzung erfolgt nach § 80 Satz 2 ZPO. Der Nachweis der Vollmacht kann nur durch Vorlage der Originalvollmachten in der Form des § 80 Satz 1 ZPO geführt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2006 - III ZB 50/05, BGHZ 166, 278 Rn. 9 mwN). Im Hinblick auf § 81 ZPO reicht die Vorlage der erstinstanzlich erteilten Prozessvollmachten aus.
Grupp Lohmann Pape
Möhring Röhl

Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 06.03.2018 - 11 O 761/17 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 12.09.2018 - 5 U 50/18 -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2019 - IX ZR 37/19 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 78 Anwaltsprozess


(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so m

Zivilprozessordnung - ZPO | § 81 Umfang der Prozessvollmacht


Die Prozessvollmacht ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen, einschließlich derjenigen, die durch eine Widerklage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens, eine Rüge nach § 321a und die Zwangsvollstreckung veranlasst werden; z

Zivilprozessordnung - ZPO | § 88 Mangel der Vollmacht


(1) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden. (2) Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 80 Prozessvollmacht


Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2016 - I ZB 15/15

bei uns veröffentlicht am 25.01.2016

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Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Feb. 2006 - III ZB 50/05

bei uns veröffentlicht am 23.02.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 50/05 vom 23. Februar 2006 in dem Verfahren wegen Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja (bezüglich des Leitsatzes zu a) und B. I. der Gründe) BGHR: ja a) ZPO § 10

Referenzen

(1) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden.

(2) Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

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a) Diese Rüge kann gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO, der nach § 88 Abs. 1 MarkenG im Rechtsbeschwerdeverfahren in Markensachen entsprechend gilt, nur durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt erfolgen. Die Vollmachtsrüge ist eine - formlose - Prozesshandlung (Piekenbrock in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, Stand 1. Juni 2015, § 88 Rn. 3; Weth in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 88 Rn. 3), die vom Anwaltszwang nicht aus- drücklich ausgenommen ist und deshalb von der Partei selbst nicht wirksam vorgenommen werden kann.

Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen.

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b) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Verfahrens gerügt werden (§ 88 Abs. 1 ZPO). Der Gegner hat auf diese Rüge die Bevollmächtigung - abgesehen von hier nicht gegebenen Sonderfällen (vgl. Stein/Jonas/Bork aaO § 80 Rn. 23 f) - durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben (§ 80 Abs. 1 ZPO). Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde - gegebenenfalls in beglaubigter Form (§ 80 Abs. 2 ZPO) - geführt werden, ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügt nicht (BGHZ 126, 266, 267 ff; Senatsurteil vom 5. Juni 1997 - III ZR 190/96 - ZIP 1997, 1474, 1475; Senatsbeschluss vom 27. März 2002 - III ZB 43/00 - NJW-RR 2002, 933). An einer solchen zweifelsfreien Feststellung der Bevollmächtigung besteht ein öffentliches Interesse und ein Interesse des Prozessgegners (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2002 aaO). Durch schriftliche Vollmacht nachzuweisen sind gegebenenfalls Haupt- und Untervollmacht (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2002 aaO und BGH, Urteil vom 27. Mai 1986 - IX ZR 152/85 - NJW-RR 1986, 1252, 1253).

Die Prozessvollmacht ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen, einschließlich derjenigen, die durch eine Widerklage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens, eine Rüge nach § 321a und die Zwangsvollstreckung veranlasst werden; zur Bestellung eines Vertreters sowie eines Bevollmächtigten für die höheren Instanzen; zur Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs; zur Empfangnahme der von dem Gegner oder aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten.