Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2018 - IX ZR 299/17

bei uns veröffentlicht am13.09.2018
vorgehend
Landgericht Baden-Baden, 4 O 133/15, 30.12.2016
Oberlandesgericht Karlsruhe, 3 U 5/17, 18.08.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 299/17
vom
13. September 2018
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2018:130918BIXZR299.17.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, die Richter Prof. Dr. Pape, Dr. Schoppmeyer und Meyberg
am 13. September 2018
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18. August 2017 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 161.301,40 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die geltend gemachten Verletzungen von Verfahrensgrundrechten hat der Senat geprüft , aber für nicht durchgreifend erachtet.
2
Auf die Frage der Werthaltigmachung kommt es nicht an, weil bereits die Abtretung der Forderungen gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar ist. Insoweit ist nicht der Zeitpunkt der Globalzession ausschlaggebend, sondern die Entstehung der Forderungen gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung, weil es sich um eine Abtretung künftiger Forderungen handelt (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2007 - IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 Rn. 13; vom 26. Juni 2008 - IX ZR 144/05, ZIP 2008, 1435 Rn. 19 mwN; vom 11. Juni 2015 - IX ZR 110/13, ZIP 2015, 1398 Rn. 15). Forderungen gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung entstehen jedenfalls nicht, bevor der Vertragszahnarzt vergütungsfähige Leistungen erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 Rn. 7; vom 18. April 2013 - IX ZR 165/12, NZI 2013, 641 Rn. 19; für Entstehung erst mit Vorlage der Abrechnung über das jeweilige Quartal BSGE 118, 30 Rn. 32). Damit sind die Forderungen hinsichtlich der ab 2. Oktober 2008 angefochtenen Zahlungen mit Sicherheit erst nach Ende 2005 und damit nach dem Zeitpunkt entstanden, zu dem das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Vorsatzanfechtung bejaht hat. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Kayser Lohmann Pape
Schoppmeyer Meyberg
Vorinstanzen:
LG Baden-Baden, Entscheidung vom 30.12.2016 - 4 O 133/15 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 18.08.2017 - 3 U 5/17 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Insolvenzordnung - InsO | § 133 Vorsätzliche Benachteiligung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

13
2. Die Einzahlung der Drittschuldner auf das bei der Beklagten geführte Konto der Schuldnerin ist unmittelbar in das Vermögen des Kreditinstituts gelangt. Dieses hat aufgrund der Sicherungsabtretung den Erlös als wahre Berechtigte erhalten, obwohl die Abtretung noch nicht offen gelegt war (vgl. BGH, Urt. v. 1. Oktober 2002 - IX ZR 360/99, WM 2002, 2369, 2371). Zwar ist mit der Zahlung die der Beklagten als Sicherheit abgetretene Forderung erloschen (§§ 362, 407 Abs. 1 BGB). Die Bank hat jedoch an deren Stelle ein Pfandrecht an dem neu entstandenen Anspruch der Schuldnerin aus § 667 BGB gemäß Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken erworben. Dieser unmittelbare Sicherheitentausch benachteiligt die Gläubiger nicht, sofern die Beklagte aufgrund der Globalabtretung an den ab 15. September 2004 - also während des Drei-Monats-Zeitraums vor dem Eingang des Eröffnungsantrags - entstandenen oder werthaltig gewordenen Forderungen ein anfechtungsfestes Absonderungsrecht (§ 51 Nr. 1 InsO) erworben hatte (vgl. BGH, Urt. v. 1. Oktober 2002 - IX ZR 360/99, aaO; v. 2. Juni 2005 - IX ZR 181/03, WM 2005, 1790, 1791). Dabei ist für die anfechtungsrechtliche Beurteilung auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die zukünftigen Forderungen begründet worden sind (vgl. BGHZ 157, 350, 353 f; BGH, Urt. v. 20. März 2003 - IX ZR 166/02, WM 2003, 896, 897; v. 22. Juli 2004 - IX ZR 183/03, ZIP 2004, 1819, 1821; v. 8. März 2007 - IX ZR 127/05, NZI 2007, 337, 338).
19
Dabei ist für die anfechtungsrechtliche Beurteilung der Abtretung auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die zukünftigen Forderungen jeweils begründet worden sind (BGHZ 157, 350, 353 f; BGH, Urt. v. 20. März 2003 - IX ZR 166/02, ZIP 2003, 808, 809; v. 8. März 2007 - IX ZR 127/05, ZIP 2007, 924, 925 Rn. 16 f; v. 29. November 2007 - IX ZR 30/07 aaO).
15
Für die Beurteilung der Anfechtbarkeit des Absonderungsrechts ist gemäß § 140 Abs. 1 InsO auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die zukünftigen Forderungen begründet worden sind (BGH, Urteil vom 29. November 2007 - IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 Rn. 13). Entscheidend ist folglich der Abschluss des notariellen Kaufvertrages, welcher am 28. Februar 2008 und somit außerhalb der Dreimonatsfrist des § 130 Abs. 1 InsO erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und somit auch nicht von einem möglichen Benachteiligungsvorsatz im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO.
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Werden Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen abgetreten, kommt es darauf an, ob sie bereits mit dem Vertragsschluss betagt entstehen oder erst befristet mit der Inanspruchnahme der Gegenleistung; nur im ersten Fall hat der Abtretungsempfänger eine gesicherte Rechtsposition. Bei Dienstverträgen entsteht der Vergütungsanspruch erst mit der Erbringung der Dienstleistung (BGH, Urteil vom 20. September 2012, aaO Rn. 14), weil der Vertrag durch Kündigung beendet werden oder der Dienstverpflichtete die ihm obliegende Leistung ohne Gründe, die einen Vergütungsanspruch begründen, verweigern kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - IX ZR 87/07, WM 2008, 1460 Rn. 13). Der allgemeine Grundsatz, dass der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste nicht vor der Dienstleistung entsteht, gilt auch für den Vergütungsanspruch des Kassenarztes gegen die KV. Voraussetzung jeglicher Vergütungsansprüche des Kassenarztes ist es, dass er vergütungsfähige ärztliche Leistungen erbringt. Diese sind Grundlage des endgültigen Honorarbescheids der KV. Abschlagszahlungen , die der Kassenarzt aufgrund satzungsmäßiger Bestimmungen erhalten mag, ändern daran nichts (BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 Rn. 7). Eine gesicherte Rechtsposition an Honoraransprüchen eines Kassenarztes kann der Zessionar darum erst erwerben, nachdem der Arzt vergütungsfähige Leistungen erbracht hat (BGH, Urteil vom 11. Mai 2006, aaO Rn. 25; vom 20. Oktober 2011 - IX ZR 10/11, WM 2011, 2294 Rn. 9). Folglich geht eine Vorausabtretung insbesondere dann ins Leere, wenn der Verwalter die Praxis des Schuldners fortführt (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2010 - IX ZR 61/09, WM 2010, 567 Rn. 2).