Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2008 - IX ZB 7/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 862.191,65 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Die weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Gläubigerin) hat wegen rückständiger Wohngeldzahlungen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Die Schuldnerin hat die Forderungen sowie das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes bestritten. Nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt und Einholung eines Gutachtens hat das Insolvenzgericht das Verfahren mit Beschluss vom 26. Juli 2007 eröffnet. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Ziel der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen weiter.
II.
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- Die nach § 34 Abs. 2, §§ 7, 6 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Der geltend gemachte Zulässigkeitsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) ist nicht gegeben. Eine Verletzung des Anspruchs der Schuldnerin auf rechtliches Gehör liegt nicht vor.
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- 1. Die Gläubigerin hat einen zulässigen Insolvenzantrag gestellt. Sie hat ihre Forderung glaubhaft gemacht. Die Glaubhaftmachung der Forderung und des Insolvenzgrundes muss nicht notwendig durch Vorlage eines Titels und einer Bescheinigung über einen fruchtlosen Vollstreckungsversuch erfolgen, ausreichend ist auch, dass der antragstellende Gläubiger den Eröffnungsgrund auf andere Weise glaubhaft macht (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2004 - IX ZB 29/03, ZIP 2004, 1466, 1467 f; HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl., § 14 Rn. 11 f; Kübler /Prütting/Pape, InsO § 14 Rn. 51; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 14 Rn. 52). Der Begriff der Glaubhaftmachung in § 14 Abs. 1 InsO entspricht dem des § 294 ZPO (BGHZ 156, 139, 142; BGH, Beschl. v. 13. Juni 2006 - IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457, 1458 Rn. 5; HmbKomm-InsO/Wehr, 2. Aufl., § 14 Rn. 6; Kübler/Prütting/Pape, aaO Rn. 38). Beides hat das Beschwerdegericht in seiner Entscheidung nicht verkannt. Der Hinweis des Insolvenzgerichts, in der Regel sei ein vollstreckbarer Titel und das Protokoll eines vergeblichen Vollstreckungsversuchs vorzulegen, schließt nicht aus, dass die Glaubhaftmachung auch auf andere Weise erfolgen kann. Eine Selbstbindung des Gerichts schei- det aus. Hier ergibt sich schon aus dem Schreiben des Geschäftsführers der Schuldnerin vom 12. Februar 2007, dass sie nicht mehr über die Mittel verfügte, um die fälligen Wohngeldansprüche zu befriedigen.
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- 2. Wird das Verfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet, müssen die Eröffnungsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Eröffnungsantrag vorliegen (BGHZ 169, 17, 21 Rn. 11). Auch insoweit ist das Beschwerdegericht nicht von der Rechtsprechung des Senats abgewichen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel gegeben, wenn eine Liquiditätslücke von 10 % oder mehr besteht, die nicht innerhalb einer Frist von zwei bis drei Wochen geschlossen werden kann (BGHZ 163, 134, 145; BGH, Beschl. v. 19. Juli 2007 - IX ZB 36/07, ZIP 2007, 1666, 1669 Rn. 31). Fällige Zahlungspflichten können nur mit Geld oder anderen üblichen Zahlungsmitteln erfüllt werden, nur diese sind in die zur Prüfung der Voraussetzungen des § 17 InsO zu erstellende Liquiditätsbilanz aufzunehmen (BGH, Urt. v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2224 Rn. 28; Beschl. v. 19. Juli 2007, aaO Rn. 30).
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- Die Schuldnerin hatte auch nach dem Vortrag der Rechtsbeschwerdebegründung zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung unbestritten fällige und ernsthaft eingeforderte Verbindlichkeiten in Höhe von 600.000 €, denen sofort verfügbare liquide Mittel in Höhe von 55.000 € gegenüberstanden. Schon bei Zugrundelegung dieser von der Rechtsbeschwerde nicht beanstandeten Zahlen bestand eine Liquiditätslücke von mehr als 90 %, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht geschlossen werden konnte. Auf die Frage, ob die weiteren Verbindlichkeiten der Schuldnerin in einem Umfang von mehr als 37 Mio. € ernsthaft eingefordert waren, kommt es nicht an.
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- Die Schuldnerin hat nicht dargelegt, die durch Tatsachen belegte Erwartung gehabt zu haben, aufgrund von sicheren Zahlungseingängen künftig die erforderlichen Mittel zu haben, um ihre Gläubiger vollständig zu befriedigen. Sie war im Gegenteil nur in der Lage, durch Zahlungen aus dem Privatvermögen ihres Geschäftsführers überhaupt noch Forderungen teilweise zu befriedigen.
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- 3. Eine Verletzung des Anspruchs der Schuldnerin auf rechtliches Gehör liegt nicht vor. Selbst bei Unterstellung des Einverständnisses der drei durch Grundpfandrechte gesicherten Großgläubiger mit einer stillen Liquidation waren am 26. Juli 2007 immer noch die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegeben. Im Insolvenzverfahren liegen Forderungsanmeldungen von weit mehr als 250 Gläubigern vor. Zum Einverständnis all dieser Gläubiger mit einer stillen Liquidation wird in der Rechtsbeschwerdebegründung nichts ausgeführt.
III.
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- Die Festsetzung des Wertes des Rechtsbeschwerdegegenstandes beruht auf der im Eröffnungsgutachten geschätzten voraussichtlichen freien Insolvenzmasse von 862.191,65 € (§ 58 Abs. 3 GKG i.V.m. § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG).
Pape Lohmann
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 26.07.2007 - 1506 IN 1461/07 -
LG München I, Entscheidung vom 13.12.2007 - 14 T 16091/07 -
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(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
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dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.
(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.
(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.
(1) Die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und für die Durchführung des Insolvenzverfahrens werden nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens erhoben. Gegenstände, die zur abgesonderten Befriedigung dienen, werden nur in Höhe des für diese nicht erforderlichen Betrags angesetzt. Wird das Unternehmen des Schuldners fortgeführt, so ist von den bei der Fortführung erzielten Einnahmen nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben ergibt. Dies gilt auch, wenn nur Teile des Unternehmens fortgeführt werden.
(2) Ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger gestellt, wird die Gebühr für das Verfahren über den Antrag nach dem Betrag seiner Forderung, wenn jedoch der Wert der Insolvenzmasse geringer ist, nach diesem Wert erhoben.
(3) Bei der Beschwerde des Schuldners oder des ausländischen Insolvenzverwalters gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder gegen die Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse gilt Absatz 1. Bei der Beschwerde eines Gläubigers gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder gegen die Abweisung des Eröffnungsantrags gilt Absatz 2.
(4) Im Verfahren über einen Antrag nach Artikel 36 Absatz 7 Satz 2 der Verordnung (EU) 2015/848 bestimmt sich der Wert nach dem Mehrbetrag, den der Gläubiger bei der Verteilung anstrebt.
(5) Im Verfahren über Anträge nach Artikel 36 Absatz 9 der Verordnung (EU) 2015/848 bestimmt sich der Wert nach dem Betrag der Forderung des Gläubigers.
(6) Im Verfahren über die sofortige Beschwerde nach Artikel 102c § 26 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung gegen die Entscheidung über die Kosten des Gruppen-Koordinationsverfahrens bestimmt sich der Wert nach der Höhe der Kosten.