Bundesgerichtshof Beschluss, 23. März 2006 - IX ZB 28/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.058,41 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der ebenfalls insolventen Segelmacherei Sch. GmbH gewesen war, wurde die weitere Beteiligte (Rechtsbeschwerdeführerin ) mit Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - vom 28. Dezember 2003 zur Insolvenzverwalterin bestellt. Zuvor war sie Gutachterin und vorläufige Insolvenzverwalterin gewesen. Am 28. Mai 2004 legte sie ihren Schlussbericht sowie den Antrag auf Festsetzung ihrer Vergütung in Höhe von 4.585,32 € zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer vor. Dabei ging sie von der Regelvergütung gemäß § 2 Abs. 1 InsVV bei einer Insolvenzmasse von 11.463,31 € aus.
- 2
- Das Insolvenzgericht hat diesem Antrag nur in Höhe von 2.292,66 € zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer stattgegeben. Es hat vom Regelsatz der Vergütung zwei Abschläge von jeweils 25 vom Hundert vorgenommen, weil die weitere Beteiligte zuvor bereits vorläufige Insolvenzverwalterin gewesen und das Verfahren hinsichtlich des Umfangs der dadurch veranlassten Tätigkeit weit hinter demjenigen eines Normalverfahrens zurückgeblieben sei. Die sofortige Beschwerde der Insolvenzverwalterin hat das Landgericht mit Beschluss vom 20. Januar 2005 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Insolvenzverwalterin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
- 3
- Rechtsmittel Das ist statthaft (§§ 6, 7, 63 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), jedoch unzulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
- 4
- 1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde besteht kein Bedürfnis nach einer klarstellenden Leitentscheidung, "ob sich der Insolvenzrichter bei der Vornahme eines Abschlags (nach § 3 Abs. 2 InsVV) auf eine Gesamtwürdigung und die Feststellung eines prozentualen Gesamtabschlags beschränken" darf. Der Senat hat mit Beschluss vom 24. Juli 2003 (IX ZB 607/02, NZI 2003, 603, 604) entschieden, das Insolvenzgericht brauche nicht für jeden in Frage kommenden Zuschlags- oder Abschlagstatbestand zunächst isoliert festzulegen, ob er eine Erhöhung oder Ermäßigung des Regelsatzes rechtfertige; es dürfe vielmehr eine Gesamtbetrachtung vornehmen, bei welcher freilich die Umstände, welche in das Endergebnis einflössen, in einer für die Beteiligten nachvollziehbaren Weise darzulegen seien. Der Beschluss vom 18. Dezember 2003 (IX ZB 50/03, NZI 2004, 251, 253) liegt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - auf derselben Linie. Die Entscheidungen der Vorinstanzen, welche die mindere Bedeutung des hier in Rede stehenden Insolvenzverfahrens in einer Gesamtschau gewürdigt und zu einem Abschlag von 25 vom Hundert zusammengefasst haben, halten sich in diesem Rahmen.
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- 2. Die Frage, ob ein vom Normalfall abweichendes vergütungsminderndes Kriterium gegeben ist, wenn im eröffneten Insolvenzverfahren keine Betriebsfortführung mehr stattfindet, stellt sich nicht. Der Schuldner hatte nie einen Betrieb. Unternehmensträger der Segelmacherei Sch. war die GmbH und nicht der Schuldner.
- 6
- 3. Eine Leitentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zu dem Maßstab für ein Unterschreiten des Regelsatzes ist nicht veranlasst.
- 7
- a) Die Ausführungen des Beschwerdegerichts, die von der weiteren Beteiligten als vorläufige Insolvenzverwalterin gefertigte Bestandsaufnahme sei Grundlage der - ihrerseits mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbundenen - Verwertung gewesen, sind nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, dahin zu verstehen, dass nach Ansicht des Beschwerdegerichts das Fehlen besonderer Schwierigkeiten bereits für sich allein einen Abschlag rechtfertige. Das Beschwerdegericht hat das Fehlen besonderer Verwertungsschwierigkeiten nur beiläufig bei der Abwägung des Umstands erwähnt, dass die Insolvenzverwalterin zuvor vorläufige Insolvenzverwalterin gewesen ist, was ihr nach Ansicht des Beschwerdegerichts bei ihrer Tätigkeit - die sich im Wesentlichen auf die Verwertung beschränkt habe - sehr zustatten gekommen sei. Tragend für den Ab- schlag gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. a InsVV war nur die Vorbefassung als vorläufige Insolvenzverwalterin und die dadurch bewirkte Arbeitserleichterung.
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- b) Geht man von einem unterdurchschnittlichen Verfahren aus, scheitert die Vornahme eines Abschlags - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht daran, dass auch die Teilungsmasse klein gewesen ist. Zwar fehlt damit eine Voraussetzung des Regeltatbestandes in § 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV. Die einzelnen Zuschlags- oder Abschlagstatbestände des § 3 InsVV sind jedoch lediglich beispielhaft. Es gibt zahlreiche weitere Umstände, die für die Bemessung der Vergütung im Einzelfall Bedeutung gewinnen können. Von bindenden Vorgaben hat der Verordnungsgeber bewusst abgesehen, weil im Einzelfall alle in Betracht kommenden Faktoren umfassend berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden müssen. Entscheidend ist, ob das Insolvenzgericht eine im Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung vorgenommen hat (BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003 - IX ZB 607/02, NZI 2003, 603, 604; v. 23. März 2006 - IX ZB 20/05 z.V.b.). Dies ist eine Frage des Einzelfalls.
- 9
- 4. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist es auch nicht willkürlich , dass das Insolvenzgericht, vom Beschwerdegericht bestätigt, zweimal einen Abschlag von 25 vom Hundert vorgenommen hat. Die Rechtsbeschwerde meint, hier sei ein und derselbe Umstand doppelt berücksichtigt worden. Das Insolvenzgericht habe "einmal wegen des Fehlens von ‚besonderen Schwierigkeiten ‘ ... und ein weiteres Mal mit der Begründung, die Tätigkeit der Insolvenzverwalterin habe ‚deutlich unterhalb des Bearbeitungsaufwandes in einem Normalverfahren gelegen, weil die Verwertung des Schuldnervermögens keinerlei Probleme bereitet habe' ", Abschläge vorgenommen. Wie bereits im Vorstehenden dargelegt, trifft dies jedoch nicht zu.
- 10
- Weder 5. hat das Beschwerdegericht verkannt, dass nicht schon die Vorbefassung als vorläufige Insolvenzverwalterin ein vergütungsmindernder Faktor, eine Kürzung vielmehr nur bei einer erheblichen Arbeitsersparnis gerechtfertigt ist, noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, es habe Vortrag der Insolvenzverwalterin unter Verstoß gegen deren Anspruch auf rechtliches Gehör unberücksichtigt gelassen.
- 11
- Den fraglichen Abschlag hat das Beschwerdegericht für gerechtfertigt gehalten, weil "die Insolvenzverwalterin aus ihrer Tätigkeit als Sachverständige und vorläufige Insovenzverwalterin Erkenntnisse gewinnen konnte, die ihre Tätigkeit im nachfolgenden Insolvenzverfahren erheblich vereinfachten und erleichterten". Dies entspricht dem rechtlichen Ansatz der Rechtsbeschwerde.
- 12
- der Aus Begründung des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses ergibt sich, dass das Insolvenzgericht den Vortrag der Insolvenzverwalterin zur Darlegung eines Normalverfahrens in vollem Umfang zur Kenntnis genommen und lediglich anders bewertet hat, als es die Rechtsbeschwerde für angezeigt hält. Für eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist damit nichts ersichtlich.
Kayser Cierniak
Vorinstanzen:
AG Flensburg, Entscheidung vom 27.09.2004 - 56 IN 493/03 -
LG Flensburg, Entscheidung vom 20.01.2005 - 5 T 360/04 -
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Annotations
(1) Der Insolvenzverwalter erhält in der Regel
- 1.
von den ersten 35 000 Euro der Insolvenzmasse 40 Prozent, - 2.
von dem Mehrbetrag bis zu 70 000 Euro 26 Prozent, - 3.
von dem Mehrbetrag bis zu 350 000 Euro 7,5 Prozent, - 4.
von dem Mehrbetrag bis zu 700 000 Euro 3,3 Prozent, - 5.
von dem Mehrbetrag bis zu 35 000 000 Euro 2,2 Prozent, - 6.
von dem Mehrbetrag bis zu 70 000 000 Euro 1,1 Prozent, - 7.
von dem Mehrbetrag bis zu 350 000 000 Euro 0,5 Prozent, - 8.
von dem Mehrbetrag bis zu 700 000 000 Euro 0,4 Prozent, - 9.
von dem darüber hinausgehenden Betrag 0,2 Prozent.
(2) Haben in dem Verfahren nicht mehr als 10 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet, so soll die Vergütung in der Regel mindestens 1 400 Euro betragen. Von 11 bis zu 30 Gläubigern erhöht sich die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um 210 Euro. Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene 5 Gläubiger um 140 Euro.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Der Insolvenzverwalter hat Anspruch auf Vergütung für seine Geschäftsführung und auf Erstattung angemessener Auslagen. Der Regelsatz der Vergütung wird nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens berechnet. Dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters wird durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen.
(2) Sind die Kosten des Verfahrens nach § 4a gestundet, steht dem Insolvenzverwalter für seine Vergütung und seine Auslagen ein Anspruch gegen die Staatskasse zu, soweit die Insolvenzmasse dafür nicht ausreicht.
(3) Die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters wird gesondert vergütet. Er erhält in der Regel 25 Prozent der Vergütung des Insolvenzverwalters bezogen auf das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. Maßgebend für die Wertermittlung ist der Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Verwaltung oder der Zeitpunkt, ab dem der Gegenstand nicht mehr der vorläufigen Verwaltung unterliegt. Beträgt die Differenz des tatsächlichen Werts der Berechnungsgrundlage der Vergütung zu dem der Vergütung zugrunde gelegten Wert mehr als 20 Prozent, so kann das Gericht den Beschluss über die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Vergütung des Insolvenzverwalters ändern.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist insbesondere festzusetzen, wenn
- a)
die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat, ohne daß ein entsprechender Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 angefallen ist, - b)
der Verwalter das Unternehmen fortgeführt oder Häuser verwaltet hat und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist, - c)
die Masse groß war und die Regelvergütung wegen der Degression der Regelsätze keine angemessene Gegenleistung dafür darstellt, daß der Verwalter mit erheblichem Arbeitsaufwand die Masse vermehrt oder zusätzliche Masse festgestellt hat, - d)
arbeitsrechtliche Fragen zum Beispiel in bezug auf das Insolvenzgeld, den Kündigungsschutz oder einen Sozialplan den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben oder - e)
der Verwalter einen Insolvenzplan ausgearbeitet hat.
(2) Ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz ist insbesondere gerechtfertigt, wenn
- a)
ein vorläufiger Insolvenzverwalter in Verfahren tätig war, - b)
die Masse bereits zu einem wesentlichen Teil verwertet war, als der Verwalter das Amt übernahm, - c)
das Insolvenzverfahren vorzeitig beendet wird oder das Amt des Verwalters vorzeitig endet, - d)
die Masse groß war und die Geschäftsführung geringe Anforderungen an den Verwalter stellte, - e)
die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist oder - f)
der Schuldner in ein Koordinationsverfahren einbezogen ist, in dem ein Verfahrenskoordinator nach § 269e der Insolvenzordnung bestellt worden ist.