Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2019 - IX ZA 5/18

bei uns veröffentlicht am14.01.2019
vorgehend
Landgericht Hannover, 20 O 263/15, 27.06.2017
Oberlandesgericht Celle, 16 U 79/17, 15.03.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 5/18
vom
14. Januar 2019
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:140119BIXZA5.18.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, die Richterin Möhring und den Richter Dr. Schoppmeyer
am 14. Januar 2019
beschlossen:
Die Gegenvorstellung der Beklagten gegen den Beschluss des Senats vom 15. November 2018 wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
Der Senat hat mit Beschluss vom 15. November 2018 den Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Berufungsgerichts abgelehnt. Die dagegen gerichtete Eingabe der Antragstellerin vom 4. Januar 2019 ist als Gegenvorstellung zu behandeln, weil eine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Senats nicht statthaft ist (§ 567 Abs. 1 ZPO).
2
Die Gegenvorstellung ist unbegründet. Die angegriffene Entscheidung ist nicht gesetzwidrig. Die Beurteilung, dass eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde regelmäßig nicht in Betracht kommt, wenn innerhalb der Beschwerdefrist zwar Prozesskostenhilfe beantragt, aber dem Antrag keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den erforderlichen Belegen beigefügt worden ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl.
etwa BGH, Beschluss vom 16. November 2010 - VIII ZB 55/10, NJW 2011, 230 Rn. 7; vom 10. November 2016 - V ZA 12/16, NJW 2017, 735 Rn. 7; je mwN). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann in Betracht kommen, wenn der verspätete Eingang der Unterlagen unverschuldet ist (BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 131/06, NJW-RR 2008, 1518 Rn. 13). Ein fehlendes Verschulden ergibt sich jedoch weder aus dem ursprünglichen Antrag noch aus dem Vortrag im Schriftsatz vom 4. Januar 2019. Ein mögliches Verschulden ihres Anwalts muss sich die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (BGH, Beschluss vom 10. November 2016, aaO).
Kayser Gehrlein Grupp
Möhring Schoppmeyer
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 27.06.2017 - 20 O 263/15 -
OLG Celle, Entscheidung vom 15.03.2018 - 16 U 79/17 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 567 Sofortige Beschwerde; Anschlussbeschwerde


(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde E

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Tenor Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen. Gründe I.

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(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.

(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

7
1. Einer bedürftigen Partei, die ein Rechtsmittel einlegen will, ist grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Fristversäumung (§§ 233 ff. ZPO) zu gewähren, wenn sie bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ein Prozesskostenhilfegesuch eingereicht hat und sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 19. November 2008 - IV ZB 38/08, NJW-RR 2009, 563 Rn. 8; vom 13. Januar 2010 - XII ZB 108/09, MDR 2010, 400 mwN). Dies setzt allerdings voraus, dass dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine ordnungsgemäß ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den erforderlichen Belegen beigefügt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 2008 - XII ZB 151/07, NJW-RR 2008, 942 Rn. 10; vom 7. Juli 2008 - IX ZB 76/08, juris Rn. 2; jeweils mwN). Diesen Anforderungen ist der Beklagte im Rechtsbeschwerdeverfahren gerecht geworden. Er hat vor Ablauf der in § 575 Abs. 1 ZPO geregelten Frist zur Einlegung einer Rechtsbeschwerde einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingereicht und diesem einen ausgefüllten Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beigefügt. Damit war er ohne Verschulden an der rechtzeitigen Einlegung (und Begründung) der von ihm beabsichtigten Rechtsbeschwerde gehindert.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Landgericht hat die auf Herausgabe diverser Gegenstände gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen.

2

Das Berufungsurteil ist dem Kläger am 20. Mai 2016 zugestellt worden. Mit am 16. Juni 2016 per Telefax ohne Anlagen bei dem Bundesgerichtshof eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde und ein sich anschließendes Revisionsverfahren beantragt. Dem im Original am 17. Juni 2016 bei Gericht eingegangenen Prozesskostenhilfeantrag war eine ausgefüllte und unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ohne jegliche Belege beigefügt.

II.

3

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen.

4

1. Die Angaben des Klägers ermöglichen keine Prüfung, ob er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 114 Satz 1 ZPO). Der Kläger hat zwar eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf einem unterschriebenen Vordruck übermittelt. Jedoch fehlt es an der Vorlage von Belegen für die darin enthaltenen Angaben. Die Beifügung der „entsprechenden Belege“ ist dem Antragsteller in § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausdrücklich zur Pflicht gemacht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - IX ZA 8/03, FamRZ 2004, 99, 100). Der Vordruck enthält auch auf Seite 1 oben den Hinweis, dass Belege in Kopie durchnummeriert beizufügen sind. Außerdem ist bei den abgefragten Angaben jeweils eine Rubrik „Beleg Nummer“ vorhanden, die entsprechend auszufüllen ist.

5

Wegen des Fehlens der Belege durfte der Kläger bei Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht darauf vertrauen, dass seinem Prozesskostenhilfeantrag entsprochen würde. Dies gilt vorliegend umso mehr, als schon das Landgericht in seinem den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückweisenden Beschluss darauf hingewiesen hat, dass der Kläger (trotz einer Auflagenverfügung) seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mangels Vorlage von Belegen nicht glaubhaft gemacht habe.

6

2. Ein Hinweis auf das Fehlen von Belegen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers konnte nicht innerhalb der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgen, weil der Antrag mit dem Vordruck erst am 17. Juni  2016, einem Freitag, eingegangen ist und eine Prüfung der Vollständigkeit des Prozesskostenhilfeantrages im normalen Geschäftsgang nicht vor Ablauf der Rechtsmittelfrist am 20. Juni 2016 erfolgen konnte.

7

Eines Hinweises zum jetzigen Zeitpunkt bedarf es nicht, weil dem Kläger damit nicht gedient wäre. Die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ist verstrichen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) kommt nicht in Betracht. Eine Partei, die nicht in der Lage ist, die Prozesskosten zu tragen, muss ihr vollständiges Gesuch um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Rechtsmittelverfahren unter Verwendung der vorgeschriebenen Vordrucke und Beifügung aller erforderlichen Unterlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist einreichen. Ist dies nicht geschehen, war die Partei nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde einzuhalten (Senat, Beschluss vom 18. April 2013 - V ZA 35/12, juris Rn. 4; Beschluss vom 2. Februar 2012 - V ZA 3/12, Grundeigentum 2012, 495; Beschluss vom 7. Oktober 2004 - V ZA 8/04, FamRZ 2004, 1961, 1962 mwN). Ein etwaiges Verschulden seiner Anwälte wäre dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2001 - XI ZR 161/01, BGHZ 148, 66, 70).

Stresemann                        Schmidt-Räntsch                          Weinland

                     Kazele                                          Göbel

13
c) Der Klägerin ist aber trotz der verspätet eingegangenen Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu bewilligen, weil sie die Frist schuldlos versäumt und die Wiedereinsetzung frist- und formgerecht beantragt hat (§§ 234, 236 ZPO). Sie musste deswegen nicht mit der Versagung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen. Denn selbst wenn innerhalb der Berufungsfrist kein vollständiger Prozesskostenhilfeantrag eingegangen ist, bleibt es bei einer unverschuldeten Versäumung der Berufungsfrist, sofern auch der verspätete Eingang des Prozesskostenhilfeantrags unverschuldet ist und innerhalb der Frist des § 234 ZPO nachgeholt wird (BGH Beschluss vom 21. Februar 2002 - IX ZA 10/01 - NJW 2002, 2180). So liegt der Fall hier.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.