Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Feb. 2006 - IV ZR 6/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert insoweit: 74.508,81 € 2. Soweit auch für die Beklagte zu 2) Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. November 2004 eingelegt und zurückgenommen worden ist, wird die Beklagte zu 2) des Rechtsmittels für verlustig erklärt; sie hat die dadurch entstandenen Kosten nach einem Streitwert von 68.162,12 € zu tragen (vgl. §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO).
Gründe:
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- I. Die Beklagte zu 1) macht mit der Widerklage, um die es allein noch geht, Ansprüche aus einer Vereinbarung vom 18. April 1996 geltend , in der sich der am 30. September 1998 verstorbene Ehemann der Klägerin und ehemalige Geschäftsführer der Beklagten zu 1) u.a. verpflichtet hatte, der Beklagten zu 1) und den Gesellschaftern einen Betrag von insgesamt 1.464.627,60 DM zu erstatten. Die Klägerin und Widerbeklagte , die als Erbin ihres Ehemannes in Anspruch genommen wird, hat sich auf die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses berufen (§ 1990 BGB). Im Hinblick darauf hat die Beklagte zu 1) ihre Widerklage der Höhe nach auf den bezifferten Wert des Nachlasses beschränkt. Die Klägerin hat die Annahme der Erbschaft, die hier mit Ablauf der Ausschlagungsfrist sechs Wochen nach dem Erbfall eingetreten ist (vgl. §§ 1943, 1944 BGB), wegen Irrtums gemäß §§ 1956, 1954, 119 Abs. 2 BGB angefochten. Sie trägt vor, ihr sei die von ihrem verstorbenen Ehemann unterzeichnete Vereinbarung vom 18. April 1996 erst durch ein Schreiben des gegnerischen Anwalts vom 15. Februar 2000 zur Kenntnis gelangt, dem eine Kopie des Protokolls vom 18. April 1996 beigefügt war. Die öffentlich beglaubigte Anfechtung der Erbschaftsannahme und Ausschlagung der Erbschaft ging am 2. März 2000 beim Nachlassgericht ein.
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- Die Vorinstanzen haben die Widerklage abgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht habe zwar zutreffend erkannt , dass die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anfechtungsgrund beweisen müsse, nämlich dass sie die (den Wert des Nachlasses übersteigende) Verbindlichkeit des Erblassers in Höhe von 1.464.627,60 DM bis zum Ablauf der Ausschlagungsfrist nicht gekannt habe; im Hinblick auf die damit erforderliche negative Beweisführung sei die Beklagte zu 1) substantiierungspflichtig. Soweit das Berufungsgericht aber angenommen habe, das Bestehen der Verbindlichkeit sei der Klägerin bei einem Telefongespräch mit der Beklagten zu 2), der Geschäftsführerin der Beklagten zu 1), im Oktober 1998 nicht hinreichend zuverlässig dargelegt worden, habe das Berufungsgericht lediglich den ursprünglichen Vortrag der Beklagten berücksichtigt, nämlich dass die Beklagte zu 2) die Klägerin auf eine Verpflichtung des Erblassers in Höhe von mehr als 1 Mio. DM hingewiesen habe. Dieses Vorbringen hatte bereits das Landgericht im Termin vom 14. März 2002 nicht für ausreichend gehalten, weil eine Kenntnis der Klägerin erst angenommen werden könne , wenn ihr zumindest die Grundlagen bekannt seien, die eine Überprüfung der in den Raum gestellten Ansprüche ermöglichen. Darauf haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 8. April 2002 vorgetragen, die Klägerin habe das Telefongespräch mit der Feststellung eröffnet, ihr sei bekannt, dass ihr verstorbener Ehemann der Gesellschaft noch eine siebenstellige Summe schulde; um dieses Problem aus der Welt zu schaffen, wolle sie ein Gespräch mit der Beklagten zu 2) führen; diese habe erwidert, es handle sich um 1,4 Mio. DM. Diesen Schriftsatz habe das Berufungsgericht nicht in seine Würdigung einbezogen. Da die Klägerin keinen Beweis für ihre Unkenntnis in der Zeit bis zum Ablauf der Ausschlagungs- frist angetreten habe, könne die Anfechtung der Erbschaftsannahme nicht durchgreifen.
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- II. Die zulässige Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet.
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- 1. Dem Berufungsurteil lässt sich nicht entnehmen, dass der weitere Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 8. April 2002 zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen worden ist. Das Berufungsgericht führt im Zusammenhang seiner Ausführungen zum Anfechtungsgrund hinsichtlich des Telefongesprächs vom Oktober 1998 lediglich aus, selbst wenn der bestrittene Vortrag der Beklagten zutreffe, dass die Klägerin von der Beklagten zu 2) auf die Verbindlichkeiten des Erblassers hingewiesen worden sei, schließe dies den geltend gemachten Irrtum nicht aus; vielmehr liege nahe, dass die Klägerin der Beklagten zu 2) nicht geglaubt habe und weiter davon ausgegangen sei, dass keine Verbindlichkeiten des Erblassers in der erwähnten Höhe bestanden.
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- Hätte das Berufungsgericht darüber hinaus in Betracht gezogen, dass die Klägerin das Telefongespräch von sich aus mit der Feststellung eröffnet haben soll, ihr sei bekannt, dass der Erblasser der Gesellschaft noch eine siebenstellige Summe schulde, wie die Beklagten im Schriftsatz vom 8. April 2002 vorgetragen haben, hätte es die von der Klägerin geltend gemachte Unkenntnis einer Überschuldung des Nachlasses für bestritten halten müssen. Seine Annahme, der Anfechtungsgrund stehe schon aufgrund des Vorbringens der Klägerin fest, kann danach keinen Bestand behalten.
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- 2. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ist es Sache der Klägerin, den Anfechtungsgrund zu beweisen (vgl. Soergel/ Stein, BGB 13. Aufl. § 1954 Rdn. 13). Sie ist vom Landgericht auf Antrag der Beklagten als Partei zu der Frage vernommen worden, sie habe schon geraume Zeit vor dem 15. Dezember 2000 Kenntnis davon gehabt, dass der Nachlass mit mehr als 1,4 Mio. DM überschuldet gewesen sei. Dabei ist sie vom Beklagtenvertreter auch nach dem Telefongespräch vom Oktober 1998 gefragt worden und hat ausgesagt, sie habe die Beklagte zu 2) wegen der Ansprüche angerufen, die der Klage zugrunde liegen; der streitige Betrag von 1,4 Mio. DM sei nicht erwähnt worden. Damit wird sich das Berufungsgericht nach Zurückverweisung der Sache befassen müssen.
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 09.09.2003 - 12 O 40/01 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 08.11.2004 - 31 U 230/03 -
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Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.
(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.
(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.
(1) Ist die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht tunlich oder wird aus diesem Grunde die Nachlassverwaltung aufgehoben oder das Insolvenzverfahren eingestellt, so kann der Erbe die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht. Der Erbe ist in diesem Fall verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben.
(2) Das Recht des Erben wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gläubiger nach dem Eintritt des Erbfalls im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung ein Pfandrecht oder eine Hypothek oder im Wege der einstweiligen Verfügung eine Vormerkung erlangt hat.
Der Erbe kann die Erbschaft nicht mehr ausschlagen, wenn er sie angenommen hat oder wenn die für die Ausschlagung vorgeschriebene Frist verstrichen ist; mit dem Ablauf der Frist gilt die Erbschaft als angenommen.
(1) Die Ausschlagung kann nur binnen sechs Wochen erfolgen.
(2) Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die Frist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 entsprechende Anwendung.
(3) Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält.
Die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden.
(1) Ist die Annahme oder die Ausschlagung anfechtbar, so kann die Anfechtung nur binnen sechs Wochen erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der Anfechtbarkeit wegen Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört, in den übrigen Fällen mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210, 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält.
(4) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Annahme oder der Ausschlagung 30 Jahre verstrichen sind.
(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.