Bundesgerichtshof Beschluss, 06. März 2013 - IV ZR 211/11

bei uns veröffentlicht am06.03.2013
vorgehend
Landgericht München I, 12 O 14109/10, 23.12.2010
Oberlandesgericht München, 29 U 589/11, 22.09.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 211/11
vom
6. März 2013
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richterin
Dr. Brockmöller
am 6. März 2013

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberlandesgerichts München - 29. Zivilsenat - vom 22. September 2011 wird auf Kosten der Beklagten verworfen.
Streitwert: 5.000 €

Gründe:


1
I. Der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Kläger begehrt von dem beklagten Rechtsschutzversicherer die Unterlassung der Verwendung einer Ausschlussklausel, die jeweils zwei Ausschlusstatbestände (die Anschaffung oder Veräußerung von Effekten sowie die Beteiligung an Kapitalanlagemodellen, auf welche die Grundsätze der Prospekthaftung anwendbar sind) zum Gegenstand hat. Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

2
II. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten , die mit der beabsichtigten Revision ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen möchte, ist unzulässig, weil die gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 20.000 € nicht erreicht ist.
3
Dies folgt daraus, dass sich der Streitwert in Verfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) allein nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der gesetzwidrigen AGB-Bestimmung, nicht hingegen der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselverbots richtet. Auf diese Weise sollen Verbraucherschutzverbände vor Kostenrisiken bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnisse zur Befreiung des Rechtsverkehrs von unwirksamen AGB geschützt werden (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. zu §§ 13 ff. AGBG a.F.: Senatsbeschluss vom 17. September 2003 - IV ZR 83/03, NJW-RR 2003, 1694; zum UKlaG: BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - III ZR 33/06, NJW-RR 2007, 497 Rn. 2). Diesen Wert setzt der Senat in ständiger Rechtsprechung mit 2.500 € je angegriffener Teilklausel an; im Streitfall beläuft er sich angesichts von zwei Bestimmungen damit auf insgesamt 5.000 €.
4
Dies gilt ebenso für die nach § 3 ZPO zu schätzende Beschwer der in der Vorinstanz unterlegenen Partei, und zwar nicht nur für die Beschwer eines Verbraucherschutzverbandes, sondern, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt, auch für die Bemessung der Beschwer des im Unterlassungsprozess unterliegenden Verwenders (BGH, Urteil vom 13. November 2012 - XI ZR 500/11, WM 2012, 2381 Rn. 59; Beschlüsse vom 8. September 2011 - III ZR 229/10, juris Rn 1, 2; vom 18. Juli 2000 - VIII ZR 12/00, NJW-RR 2001, 352 und vom 15. April 1998 - VIII ZR 317/97, NJW-RR 1998, 1465).
Mayen Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 23.12.2010- 12 O 14109/10 -
OLG München, Entscheidung vom 22.09.2011- 29 U 589/11 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Unterlassungsklagengesetz - UKlaG | § 4 Liste der qualifizierten Einrichtungen


(1) Das Bundesamt für Justiz führt eine Liste der qualifizierten Einrichtungen und veröffentlicht sie in der jeweils aktuellen Fassung auf seiner Internetseite. Es übermittelt die Liste mit Stand zum 1. Januar und zum 1. Juli eines jeden Jahres an di

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(1) Das Bundesamt für Justiz führt eine Liste der qualifizierten Einrichtungen und veröffentlicht sie in der jeweils aktuellen Fassung auf seiner Internetseite. Es übermittelt die Liste mit Stand zum 1. Januar und zum 1. Juli eines jeden Jahres an die Europäische Kommission unter Hinweis auf Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 2009/22/EG.

(2) Ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Interessen der Verbraucher durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, wird auf seinen Antrag in die Liste eingetragen, wenn

1.
er mindestens drei Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind, oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder hat,
2.
er zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens einem Jahr im Vereinsregister eingetragen ist und ein Jahr seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrgenommen hat,
3.
auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit sowie seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung gesichert erscheint, dass er
a)
seine satzungsgemäßen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen wird und
b)
seine Ansprüche nicht vorwiegend geltend machen wird, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen,
4.
den Mitgliedern keine Zuwendungen aus dem Vereinsvermögen gewährt werden und Personen, die für den Verein tätig sind, nicht durch unangemessen hohe Vergütungen oder andere Zuwendungen begünstigt werden.
Es wird unwiderleglich vermutet, dass Verbraucherzentralen sowie andere Verbraucherverbände, wenn sie überwiegend mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, diese Voraussetzungen erfüllen.

(3) Über die Eintragung wird durch einen schriftlichen Bescheid entschieden, der dem antragstellenden Verein zuzustellen ist. Auf der Grundlage eines wirksamen Bescheides ist der Verein unter Angabe des Namens, der Anschrift, des zuständigen Registergerichts, der Registernummer und des satzungsmäßigen Zwecks in die Liste einzutragen.

(4) Auf Antrag erteilt das Bundesamt für Justiz einer qualifizierten Einrichtung, die in der Liste eingetragen ist, eine Bescheinigung über ihre Eintragung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 83/03
vom
17. September 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:ja
BGHZ: nein
EGZPO § 26 Nr. 8, ZPO § 544, AGBG § 13
Zum Wert des Beschwerdegegenstandes bei Verbandsklagen gem.
§§ 13 ff. AGBG zur Überprüfung von Tarifklauseln in Krankenversicherungsverträgen.
BGH, Beschl. v. 17. September 2003 - IV ZR 83/03 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert und Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 17. September 2003

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Februar 2003 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Streitwert: 5.112,91

Gründe:


I. Der klagende Verbraucherschutzverein begehrt, dem beklagten Versicherungsunternehmen die Verwendung der Tarifbedingung einer privaten Krankenversicherung zu untersagen, die die Erstattung der Aufwendungen für ambulante psychotherapeutische Behandlungen auf 20 Sitzungen pro Kalenderjahr beschränkt.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen und den Streitwert auf 10.000 DM festgesetzt. Der Kläger erstrebt die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Der Rechtsfrage, in welchem

Ausmaß Krankenversicherer ihre Pflicht zum Ersatz dieser Kosten in ihrem Bedingungswerk beschränken dürfen, komme wegen der großen wirtschaftlichen Auswirkung auf einen breiten Kreis von Krankenversicherungsunternehmen grundsätzliche Bedeutung zu.
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes die gemäß §§ 544 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO vorausgesetzte Grenze von 20.000 übersteigt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02 - MDR 2002, 1389 = NJW 2002, 3180 unter II und vom 27. Juni 2002 - V ZR 148/02 - NJW 2002, 2720 unter II 2).
Im Verbandsprozeß gemäß §§ 13 ff. AGBG bemißt sich das Interesse der Prozeßpartei ausschließlich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der gesetzeswidrigen AGB-Bestimmung; die wirtschaftliche Bedeutung eines Klauselverbots soll sich dagegen nicht ausschlaggebend auf die Wertfestsetzung auswirken, um die Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnisse zur Befreiung des Rechtsverkehrs von unwirksamen AGB vor Kostenrisiken möglichst zu schützen (BGH, Beschluß vom 18. Juli 2000 - VIII ZR 12/00 - NJW-RR 2001, 352 m.w.N. und ständig ). Rechtsprechung und Literatur haben auf dieser Grundlage Regelstreitwerte von 3.000 DM, 5.000 DM und 10.000 DM je Klausel gebilligt, wobei der Zugang zum Revisionsgericht keine Bedeutung für die Wertfestsetzung hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. April 1998 - VIII ZR 317/97 - NJW-RR 1998, 1465 und vom 26. März 1997 - III ZR 296/96 - BGHR ZPO § 3 Unterlassungsklage 3; MünchKomm/Micklitz, BGB

4. Aufl. § 15 AGB Rdn. 49, 50; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 9. Aufl. § 15 Rdn. 33; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 4. Aufl. § 15 Rdn. 31; Palandt /Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 15 AGBG Rdn. 9). Das schließt indes nicht aus, daß insbesondere bei Allgemeinen Versicherungsbedingungen im Einzelfall auch ein höherer Wert in Betracht kommen kann.
Im vorliegenden Fall ist jedoch eine die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO übersteigende Wertsteigerung nicht gerechtfertigt. Der Kläger hat den Wert in der Klageschrift mit vorläufig 10.000 DM angegeben. Der darauf beruhenden Streitwertfestsetzung durch das Landgericht ist er ebensowenig entgegengetreten wie der durch das Berufungsgericht in dessen Beschluß vom 8. Mai 2001. Schon daraus ergibt sich ein Hinweis darauf, wie der Kläger das hier maßgebliche Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der Klausel eingeschätzt hat. Auch die mit der Beschwerde vorgelegten weiteren Tarife der Beklagten und anderer Versicherer mit Beschränkungen des Kostenersatzes auf unter 50 psychotherapeutische Sitzungen pro Jahr und der Hinweis auf den zunehmenden Bedarf an solchen Behandlungen stützen eine höhere Wertfestsetzung nicht. Denn daraus ergibt sich noch nicht, daß einer solchen Tarifbestimmung innerhalb des Gesamtbedingungswerks der privaten Krank-

heitskostenversicherung aus der Sicht der Allgemeinheit ein solches Gewicht beizumessen wäre, was eine vom Regelfall abweichende höhere Wertfestsetzung - zumal auf mehr als 20.000 - rechtfertigen könnte.
Terno Seiffert Wendt Dr. Kessal-Wulf Felsch
2
Der Wert der Beschwer eines Verbraucherschutzverbandes, der mit einer Klage auf Unterlassung der Verwendung einzelner Allgemeiner Geschäftsbedingungen unterlegen ist, orientiert sich an dem Interesse der Allgemeinheit am Unterbleiben des Gebrauchs der strittigen Klauseln (z.B. Senatsbeschluss vom 26. März 1997 - III ZR 296/96 - NJW-RR 1997, 884; BGH, Beschlüsse 15. April 1998 - VIII ZR 317/97 - NJW-RR 1998, 1465 und vom 18. Juli 2000 - VIII ZR 12/00 - NJW-RR 2001, 352 jeweils m.w.N.). Um die Verbraucher- schutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Gemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken zu schützen , wird der wirtschaftlichen Bedeutung der Verbote, bestimmte Klauseln zu verwenden, bei der Bemessung der Beschwer hingegen keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2000 aaO).

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

59
3. Den Wert der Beschwer der Beklagten sowie den Streitwert für das Revisionsverfahren für den auf Unterlassung der Verwendung der streitigen Entgeltklausel gerichteten Klageantrag bemisst der Senat, ausgehend von den hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - III ZR 33/06, NJW-RR 2007, 497 Rn. 3), mit 3.000 €. Dem ist der Wert für den vom Kläger verfolgten weiteren Antrag, ihm nach § 7 UKlaG die Befugnis zur Bekanntmachung der Urteilsformel zuzusprechen, hinzuzurechnen. Dabei handelt es sich um einen selbständigen Streitgegenstand mit eigenem Streitwert (OLG Hamburg, MDR 1977, 142; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rn. 16 Stichwort "Veröffentlichungsbefugnis" ; Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 7 UKlaG Rn. 8 mwN), der mit einem Zehntel des Wertes der Hauptsache, vorliegend also mit 300 €, in Ansatz zu bringen ist (vgl. Köhler/Bornkamm, aaO).