Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2014 - III ZR 81/14

bei uns veröffentlicht am24.07.2014
vorgehend
Landgericht Bochum, 6 O 99/10, 02.09.2010
Oberlandesgericht Hamm, 27 U 127/10, 28.01.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 81/14
vom
24. Juli 2014
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juli 2014 durch den Vizepräsidenten
Schlick sowie die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und
Reiter

beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Notanwalts wird abgelehnt.

Gründe:


I.


1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Rechtsanwaltskooperationsvertrags vom 27. Oktober 2005 und etwaige sich hieraus ergebende Vertragsstrafenansprüche des Klägers. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Der Kläger hat durch seine beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Frist zur Begründung des Rechtsmittels wurde auf Antrag bis zum 23. Juni 2014 verlängert. Mit Schreiben vom 30. Mai 2014 teilten die Prozessbevollmächtigen - unter Erläuterung der Gründe - der für den Kläger vorinstanzlich tätigen Rechtsanwältin mit, sie seien im Rahmen der Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis gekommen, dass sich keine Ansätze für erfolgversprechende Zulassungs- und Revisionsrügen ergeben würden. Dem Kläger wurde aus Kostengründen empfohlen , die Beschwerde zurückzunehmen. Hiermit waren der Kläger und seine Rechtsanwältin nicht einverstanden. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers blieben jedoch bei ihrem Rechtsstandpunkt und legten mit Schreiben vom 6. Juni 2014 das Mandat nieder. Nachdem fünf weitere vom Kläger in der Folgezeit angefragte beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte zu einer Vertretung nicht bereit waren, hat der Kläger mit Faxschreiben vom 23. Juni 2014 die Bestellung eines Notanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO beantragt.

II.


2
Der Antrag hat keinen Erfolg. Die Bestellung eines Notanwalts kann nicht deshalb verlangt werden, weil der zunächst zur Vertretung bereite Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof nach Prüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels verneint und insoweit nicht bereit ist, eine von ihm bereits eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde nach den Vorstellungen oder Vorgaben seiner Partei zu begründen. Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof ist es, die Rechtspflege durch eine leistungsfähige und in Revisionssachen besonders qualifizierte Anwaltschaft zu stärken. Die Rechtsuchenden sollen kompetent beraten werden und im Vorfeld von unzulässigen oder aussichtslosen Rechtsmitteln Abstand nehmen können, was ihnen Kosten spart. Zugleich soll der Bundesgerichtshof von der Bearbeitung solcher Rechtsmittel entlastet werden. Diesem Ziel liefe es zuwider, wenn die Partei einen Anspruch darauf hätte, ihre Rechtsansicht gegen die ihres - auf das Revisionsrecht spezialisierten - Rechtsanwalts durchzusetzen und das eingelegte Rechtsmittel entgegen dessen Auffassung durchzuführen (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2006 - VI ZR 255/05, VersR 2007, 132 Rn. 3; vom 18. Dezember 2012 - VIII ZR 239/12, NJW 2013, 1011 Rn. 4 und vom 12. März 2014 - V ZR 253/13, juris Rn. 2; Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2013 - III ZR 122/13, NJW-RR 2014, 378 Rn. 12).

3
Gemessen hieran reichen die Ausführungen des Klägers nicht aus, die Notwendigkeit der Bestellung eines Notanwalts zu begründen. Allein der Umstand , dass nach der Mandatsniederlegung des bisherigen Prozessbevollmächtigten andere beim Bundesgerichtshof zugelassene Anwälte nunmehr nicht mehr bereit waren, das Mandat zu übernehmen, genügt nicht.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 02.09.2010 - 6 O 99/10 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 28.01.2014 - I-27 U 127/10 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2014 - III ZR 81/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2014 - III ZR 81/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2014 - III ZR 81/14 zitiert 1 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 78b Notanwalt


(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Re

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2014 - III ZR 81/14 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2014 - III ZR 81/14 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. März 2014 - V ZR 253/13

bei uns veröffentlicht am 12.03.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZR 253/13 vom 12. März 2014 in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. März 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Lemke und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. B

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2012 - VIII ZR 239/12

bei uns veröffentlicht am 18.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZR 239/12 vom 18. Dezember 2012 in dem Rechtsstreit Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2012 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Ac

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2013 - III ZR 122/13

bei uns veröffentlicht am 18.12.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZR 122/13 vom 18. Dezember 2013 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 78b, § 233 B a) Hat eine Partei zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und e

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juni 2006 - VI ZR 255/05

bei uns veröffentlicht am 20.06.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 255/05 vom 20. Juni 2006 in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2014 - III ZR 81/14.

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2019 - III ZB 126/18

bei uns veröffentlicht am 25.04.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 126/18 vom 25. April 2019 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2019:250419BIIIZB126.18.0 Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Seite

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2018 - III ZR 121/18

bei uns veröffentlicht am 25.10.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZR 121/18 vom 25. Oktober 2018 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2018:251018BIIIZR121.18.0 Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, den Richter S

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2015 - V ZR 292/14

bei uns veröffentlicht am 16.09.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZR292/14 vom 16. September 2015 in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. September 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Okt. 2016 - IX ZR 128/16

bei uns veröffentlicht am 13.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 128/16 vom 13. Oktober 2016 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2016:131016BIXZR128.16.0 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den Richt

Referenzen

(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

(2) Gegen den Beschluss, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.

3
1. Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO ist auch unter Berücksichtigung des im Schreiben vom 5. bis 11. Mai 2006 enthaltenen Vorbringens offensichtlich unbegründet. Da der Kläger einen Rechtsanwalt beauftragt hatte, der zu seiner Vertretung bereit war, kann keine Rede davon sein, dass er keinen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof finden konnte. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers ist die Einreichung einer Nichtzulassungsbeschwerdebegründung daran gescheitert, dass der beauftragte Rechtsanwalt nicht bereit ist, den rechtlichen Überlegungen des Klägers zu folgen und sie zur Grundlage eines Begründungsschriftsatzes zu machen. Indes hat der Kläger darauf kein Recht. Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof ist, die Rechtspflege durch eine leistungsfähige und in Revisionssachen besonders qualifizierte Anwaltschaft zu stärken. Die Rechtssuchenden sollen kompetent beraten werden und im Vorfeld von aussichtslosen Rechtsmitteln Abstand nehmen können, was ihnen Kosten erspart. Zugleich soll der Bundesgerichtshof von unzulässigen Rechtsmitteln entlastet werden (vgl. BVerfG, VersR 2003, 1556, 1557). Dem liefe zuwider, wenn der Kläger einen Anspruch darauf hätte, seine Rechtsansichten gegen den Anwalt durchzuset- zen. Auch stünde eine solche Auffassung in Widerspruch zur Eigenverantwortung des Rechtsanwalts (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994 - XI ZR 96/94 - NJW 1995, 537).
4
Mit dem von den Beklagten angestrebten Ziel kann die Bestellung eines Notanwalts nach § 78b ZPO jedoch nicht gerechtfertigt werden. Die Nichtzulassungsbeschwerde darf nach den gesetzlichen Vorschriften nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt begründet werden; er trägt die Verantwortung für ihre Fassung. Die Beiordnung eines am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts allein zu dem Zweck, das eingelegte Rechtsmittel entgegen dem Rat der Prozessbevollmächtigten durchzuführen und hierbei die rechtlichen Überlegungen der Beklagten zur Grundlage eines Begründungsschriftsatzes zu machen, würde dem Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung zuwiderlaufen, der darin besteht, die Rechtspflege durch eine leistungsfähige und in Revisionssachen besonders qualifizierte Anwaltschaft zu stärken, die Rechtsuchenden kompetent zu beraten und den Bundesgerichtshof von unzulässigen Rechtsmitteln zu entlasten. Auch stünde eine solche Beiordnung im Widerspruch zur Eigenverantwortung des Rechtsanwalts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. November 1994 - XI ZR 96/94, NJW 1995, 537; vom 20. Juni 2006 - VI ZR 255/05, VersR 2007, 132 Rn. 3; vom 20. November 2012 - VIII ZR 175/12, zur Veröffentlichung vorgesehen).
2
Hieran fehlt es. Warum sowohl die Rechtsanwälte P. , die zunächst die Vertretung der Kläger übernommen und die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt haben, als auch später Rechtsanwalt Prof. Dr. V. das Mandat niedergelegt haben, erläutern die Kläger nicht. Ihr Hinweis, es sei von ihrer Seite nicht zu Differenzen mit Prof. Dr. V. gekommen , genügt nicht. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass die Bestellung eines Notanwalts nicht deshalb verlangt werden kann, weil der bisher zur Vertretung bereite Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof nicht willens war, eine Revisions- oder Nichtzulassungsbeschwerdebegründung nach den Vorstellungen oder gar Vorgaben der Partei zu fertigen, oder weil er das Rechtsmittel für unzulässig hält. Denn es liefe dem Zweck der Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof zuwider, wenn die Partei einen Anspruch darauf hätte, ihre Rechtsansicht gegen die des - auf das Revisionsrecht spezialisierten - Rechtsanwalts durchzusetzen (vgl. näher BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2013 - III ZR 122/13, WM 2014, 425 Rn. 12 sowie Senat, Beschluss vom 13. September 2013 - V ZR 136/13, AnwBl 2013, 826). Stresemann Lemke Roth Brückner Weinland
12
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtfertigen allein Differenzen einer Partei über die von ihrem Prozessbevollmächtigten und beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt avisierten Nichtzulassungsbeschwerdebegründung und die darauf folgende Mandatsniederlegung nicht die Bestellung eines Notanwalts. Mit dem Ziel, die Einreichung einer inhaltlich seinen Vorstellungen entsprechenden Revisions- oder Nichtzulassungsbeschwerdebegründung zu erreichen, kann die Bestellung eines Notanwalts gemäß § 78b ZPO nicht verlangt werden. Nach den gesetzlichen Vorschriften dürfen diese Rechtsmittel nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt begründet werden. Dieser trägt auch die Verantwortung für die Fassung. Eine Beiordnung allein zu dem Zweck, die von einer nicht postulationsfähigen Person verfasste Rechtsmittelbegründung in das Verfahren einzuführen , würde dem Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung zuwiderlaufen und stünde im Widerspruch zur Eigenverantwortung des Rechtsanwalts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. November 1994 - XI ZR 96/94, NJW 1995, 537 und vom 25. November 1997 - VI ZR 174/97, NJW-RR 1998, 575). Scheitert die Einreichung einer Nichtzulassungsbeschwerdebegründung daran, dass der beauftragte postulationsfähige Rechtsanwalt nicht bereit ist, den rechtlichen Überlegungen der Partei zu folgen und sie zur Grundlage eines Begründungsschriftsatzes zu machen, rechtfertigt dies für sich genommen nicht die Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO. Hierauf hat eine Partei nämlich kein Recht. Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof ist, die Rechtspflege durch eine leistungsfähige und in Revisionssachen besonders qualifizierte Anwaltschaft zu stärken. Die Rechtsuchen- den sollen kompetent beraten werden und im Vorfeld von aussichtslosen Rechtsmitteln Abstand nehmen können, was ihnen Kosten erspart. Zugleich soll der Bundesgerichtshof von unzulässigen Rechtsmitteln entlastet werden. Dem liefe es zuwider, wenn der Kläger einen Anspruch darauf hätte, seine Rechtsansicht gegen den Anwalt durchzusetzen (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZR 255/05, VersR 2007, 132).