Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2016 - III ZR 116/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann und die Richter Tombrink, Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterin Dr. Liebert
beschlossen:
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Streitwert: 98.030,08 €
Gründe:
- 1
- 1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Beschluss ist unbegründet, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
- 2
- a) Die Frage, ob die Bekanntgabe des Güteantrags der Klägerin an die Beklagte noch "demnächst" im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB veranlasst worden ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn dieser Antrag genügt nicht den Anforderungen an die Individualisierung des geltend gemachten (prozessualen) Anspruchs, so dass er die Verjährung nicht zu hemmen vermochte mit der Fol- ge, dass etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin bereits aus diesem Grunde gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB mit Ablauf des 2. Januar 2012 verjährt sind.
- 3
- aa) Der Güteantrag hat in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen. Ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner und der Gütestelle ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist; eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten (Senatsurteile vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14, NJW 2015, 2407, 2409 Rn. 25 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; vom 20. August 2015 - III ZR 373/14, NJW 2015, 3297, 3298 Rn. 18; vom 3. September 2015 - III ZR 347/14, BeckRS 2015, 16019 Rn. 17 und vom 15. Oktober 2015 - III ZR 170/14, WM 2015, 2181, 2182 Rn. 17; Senatsbeschlüsse vom 13. August 2015 - III ZR 380/14, BeckRS 2015, 15051 Rn. 14 und III ZR 358/14, BKR 2015, 527 Rn. 3). Auch bedarf es für die Individualisierung nicht der Angabe von Einzelheiten, wie sie für die Substantiierung des anspruchsbegründenden Vorbringens erforderlich sind (Senatsurteil vom 15. Oktober 2015 aaO a.E.).
- 4
- bb) Der Güteantrag vom 29. Dezember 2011 genügt diesen Anforderungen nicht. Er nennt zwar den Namen und die Anschrift der Klägerin (als "antragstellende Partei"), die Fondsgesellschaften, die Vertragsnummern und die Summe der jeweiligen Einlagen (zuzüglich 5 % Agio) sowie eine Reihe der geltend gemachten Beratungs- bzw. Prospektmängel. Der Name des Beraters und der Zeitraum der Beratung und Zeichnung werden jedoch nicht erwähnt. Aus der Fondsbezeichnung "D. 92/10" und "D. 92/12" kann entgegen der Ansicht der Klägerin kein sicherer Rückschluss auf das Jahr 1992 erfolgen, zumal die Zeichnungen hier im Dezember 1991 und im Mai 1993 erfolgt sind. Vor allem aber bleibt das angestrebte Verfahrensziel (Art und Umfang der Forderung) im Dunkeln. Im Güteantrag ist davon die Rede, dass die antragstellende Partei so zu stellen sei, als ob keine Beteiligungen zustande gekommen wären. Der geforderte Schadensersatz umfasse "sämtliche aufgebrachten Kapitalbeträge sowie entgangenen Gewinn und ggf. vorhandene sonstige Schäden (z.B. aus Darlehensfinanzierung oder Steuerrückzahlungen)" sowie Rechtsanwaltskosten und "künftig noch aus der Beteiligung entstehende Schäden" [Anlage K 1a, S. 7-8]. Dabei bleibt offen ("ggf."), ob und inwieweit das eingebrachte Beteiligungskapital im vorliegenden Fall fremdfinanziert war, so dass ein etwaiger Schaden - wie hier - auch oder gar zu einem großen Teil in den aufgebrachten Zins- und Tilgungsleistungen bestanden hätte (vgl. dazu auch Senatsurteile vom 20. August 2015 aaO S. 3299 Rn. 22 und vom 3. September 2015 aaO Rn. 18). Auch die weiteren Schäden (entgangener Gewinn und sonstige Schäden ) bleiben vollends unbestimmbar. Die Größenordnung des geltend gemachten Anspruchs ist für die Beklagte (als Antragsgegnerin und Schuldnerin) und für die Gütestelle hiernach aus dem Güteantrag nicht zu erkennen und auch nicht wenigstens im Groben einzuschätzen gewesen.
- 5
- b) Auf die weiteren im Beschwerdeverfahren aufgeworfenen Fragen zum Zeitpunkt des Eingangs des Güteantrags bei der Gütestelle und zu einem etwaigen Rechtmissbrauch des Güteverfahrens kommt es sonach nicht mehr an.
Reiter Liebert
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 01.10.2014 - 7 O 101/13 -
OLG Celle, Entscheidung vom 24.03.2015 - 11 U 228/14 -
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Annotations
(1) Die Verjährung wird gehemmt durch
- 1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, - 1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, - 2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, - 3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1), - 4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer - a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder - b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
- 5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, - 6.
die Zustellung der Streitverkündung, - 6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird, - 7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, - 8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, - 9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird, - 10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, - 10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist, - 11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, - 12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, - 13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und - 14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.