Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2013 - III ZB 58/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien schlossen in einem vor dem Amtsgericht Nürtingen geführten Rechtsstreit (Streitwert: 3.233 €) am 11. Oktober 2011 einen Vergleich, in dem unter anderem vereinbart wurde, dass von den Kosten des Rechtsstreits die Kläger zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel zu tragen haben.
- 2
- Beide Parteien beantragten, die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 106 ZPO auszugleichen. In dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Februar 2012 berücksichtigte das Amtsgericht auf Seiten der Kläger eine Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV RVG um 0,3 und mithin - einschließlich Umsatzsteuer - um 77,47 €. Auf Seiten der Beklagten berücksichtigte das Amtsgericht nicht die von der Beklagten beantragte Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 VV RVG von - einschließlich Umsatzsteuer - 258,23 €.
- 3
- Die Beklagte hat gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss sofortige Beschwerde eingelegt, soweit im Rahmen des Kostenausgleichs auf Seiten der Kläger die Erhöhungsgebühr berücksichtigt und auf Seiten der Beklagten die Einigungsgebühr nicht in Ansatz gebracht wurde. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Beschwerde zurückgewiesen und den Beschwerdewert auf 335,70 € festgesetzt.
- 4
- Die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beklagten richtet sich gegen die Versagung der Erstattung der Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 VV RVG.
II.
- 5
- Ungeachtet des Umstands, dass das Landgericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (vgl. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO), ist dem Senat eine Entscheidung in der Sache verwehrt; denn die sofortige Beschwerde war gemäß § 567 Abs. 2 ZPO nicht zulässig, so dass das Landgericht über sie nicht hätte entscheiden dürfen.
- 6
- Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist vom Senat von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 369/02, NJW 2004, 1112, 1113; Wulf in Beck OK [2012], ZPO, § 574 Rn. 4). Der insofern nach § 567 Abs. 2 ZPO erforderliche Beschwerdewert wird durch die sofortige Beschwerde der Beklagten nicht erreicht. Gemäß § 567 Abs. 2 ZPO ist die Beschwerde gegen Entscheidungen über Kosten nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 € übersteigt.
- 7
- Der Beschwerdewert bestimmt sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem in der angefochtenen Entscheidung zugebilligten und dem in der Beschwerdeinstanz beantragten Betrag, also nach der Differenz, um die der Beschwerdeführer sich verbessern will (MünchKommZPO/Lipp, 4. Aufl., § 567 Rn. 39 mwN; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 567 Rn. 40). Das Beschwerdegericht hat den Beschwerdewert zwar - ersichtlich unter Addition der streitigen Gebühren - auf 335,70 € festgesetzt. Es hat dabei jedoch die in dem Vergleich vom 11. Oktober 2011 vereinbarte Kostenteilung und die aus ihr folgende Reduzierung der Beschwer der Beklagten nicht berücksichtigt (zur Berücksichtigung der Kostentragung nach Bruchteilen bei der Berechnung des Beschwerdewerts vgl. Zöller/Heßler aaO § 567 Rn. 48). Diese berechnet sich wie folgt: Auf Antrag der Kläger festgesetzte Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG (einschließlich Umsatzsteuer): 77,47 € davon von der Beklagten zu tragen: 1/3 = 25,82 € Von der Beklagten beantragte Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 VV RVG (einschließlich Umsatzsteuer): 258,23 € davon von den Klägern zu tragen: 2/3 = 172,15 € Beschwerdewert 197,97 €
- 8
- Der Beschwerdewert nach § 567 Abs. 2 ZPO wurde somit nicht erreicht. Die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss war unzulässig und das Landgericht mangels Eröffnung der Beschwerdeinstanz nicht zur Entscheidung befugt. Seine Entscheidung war daher aufzuheben.
- 9
- Der Rechtsbehelf der Beklagen war angesichts seiner mangelnden Zulässigkeit als sofortige Beschwerde als Erinnerung gegen die Entscheidung der Rechtspflegerin auszulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2012 - XII ZB 442/11, NJW-RR 2012, 1476 Rn. 11). Seine fehlerhafte Bezeichnung als sofortige Beschwerde ist unschädlich (vgl. Zöller/Herget aaO § 104 Rn. 13). Hält das Beschwerdegericht eine ihm vorgelegte Beschwerde gegen die Entscheidung eines Rechtspflegers für nicht statthaft, hat es durch Beschluss die Vorlage an das Erstgericht zur Entscheidung im Erinnerungsverfahren zurückzuverweisen (Zöller/Heßler aaO § 567 Rn. 44). Die Zurückverweisung kann - nach Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts - auch unmittelbar durch das Rechtsbeschwerdegericht erfolgen.
Vorinstanzen:
AG Nürtingen, Entscheidung vom 15.02.2012 - 45 C 1967/09 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 22.06.2012 - 19 T 158/12 -
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(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.
(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.
(1) Sind die Prozesskosten ganz oder teilweise nach Quoten verteilt, so hat nach Eingang des Festsetzungsantrags das Gericht den Gegner aufzufordern, die Berechnung seiner Kosten binnen einer Woche bei Gericht einzureichen. Die Vorschriften des § 105 sind nicht anzuwenden.
(2) Nach fruchtlosem Ablauf der einwöchigen Frist ergeht die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Kosten des Gegners, unbeschadet des Rechts des letzteren, den Anspruch auf Erstattung nachträglich geltend zu machen. Der Gegner haftet für die Mehrkosten, die durch das nachträgliche Verfahren entstehen.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.
(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.