Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2007 - III ZB 47/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis zu 300 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Der Rechtsvorgänger des Klägers verpachtete dem Beklagten durch Vertrag vom 23. Juli 1991 auf unbestimmte Zeit eine Gartenparzelle, die den Bestimmungen des Bundeskleingartengesetzes unterliegt. Die von dem Beklagten zu entrichtende Pacht beträgt nach seinen Angaben 35,03 € jährlich und wird vom Kläger mit 52,57 € beziffert.
- 2
- Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 28. Dezember 2004 den Vertrag fristlos gemäß § 8 Nr. 2 BKleingG wegen schwerwiegender Pflichtverletzungen und erklärte hilfsweise die ordentliche Kündigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG zum 31. Oktober 2005, hilfsweise zum 30. November 2005. Mit seiner im Dezember 2005 zugestellten Klage hat er die Verurteilung des Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Gartenparzelle begehrt.
- 3
- Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen rechtzeitig eingelegte Berufung des Beklagten hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes nach dem dreieinhalbfachen Wert der Jahrespacht zu bemessen sei und damit 600,00 € nicht übersteige. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, jedoch deshalb nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (BGHZ 161, 86, 87 m.w.N.), nicht gegeben sind.
- 5
- 1. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nicht gemäß § 574 Abs. 2 Nr.2, 2. Alt. ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Ein dazu ausreichendes grundlegendes Missverständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 8. September 2004 - V ZR 260/03 - NJW 2005, 154, 155 unter II. 2. a)) kann dem Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht angelastet werden. Es hat vielmehr die anerkannten Grundsätze zur Wertberechnung bei Räumungsklagen - die zuletzt in dem Senatsurteil vom 17. März 2005 (III ZR 342/04 - NJW-RR 2005, 867, 868 f.) und in dem Beschluss des VIII. Zivilsenats vom 13. März 2007 (VIII ZR 189/06 - NZM 2007, 355 f.) bestätigt worden sind - zutreffend erfasst und angewandt. Danach ist die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen worden, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteigt.
- 6
- Hinsichtlich a) des dem Kläger zuerkannten Räumungsanspruchs bestimmt sich der Wert der Beschwer nach § 8 ZPO, der auch auf Räumungsklagen nach vorausgegangener Kündigung eines Kleingartenpachtverhältnisses anzuwenden ist (Senatsurteil vom 17. März 2005 aaO S. 868 unter 1. m.w.N.). Nach dieser Vorschrift ist bei einem Streit über das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25-fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend. Die "streitige Zeit" im Sinne dieser Vorschrift beginnt mit der Klageerhebung, wenn die Räumungsklage nach vorausgegangener Kündigung zu einem Zeitpunkt erhoben wird, zu dem die Kündigung nach der Behauptung der klagenden Partei bereits wirksam geworden ist (Senatsurteil vom 17. März 2005 aaO S. 868 unter 1. a); BGH, Urteil vom 2. Juni 1999 - XII ZR 99/99 - NJW-RR 1999, 1385 unter I. 1. a); jew. m.w.N.). So liegt der Fall hier; der Kläger hat mit der im Dezember 2005 erhobenen Klage die Beendigung des Pachtverhältnisses aufgrund der dem Beklagten am 5. Januar 2005 zugegangenen fristlosen Kündigung , hilfsweise aufgrund der mit gleicher Post erklärten ordentlichen Kündigung zum 31. Oktober bzw. 30. November 2005, geltend gemacht.
- 7
- Das Ende der streitigen Zeit wird bei Verträgen von unbestimmter Dauer nach dem Zeitpunkt bestimmt, auf den diejenige Partei hätte kündigen können, die die längere Bestehenszeit behauptet (Senatsurteil vom 17. März 2005 aaO S. 868 unter 1. b) bb); BGH, Urteil vom 1. April 1992 - XII ZR 200/91 - NJW-RR 1992, 1359 unter 2.; jeweils m.w.N.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die beklagte Partei, die eine längere Bestehenszeit behauptet, von einer für sie gegebenen Kündigungsmöglichkeit überhaupt Gebrauch machen will oder nur ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht für sich in Anspruch nimmt. Auch wenn die beklagte Partei an dem Vertrag unbestimmter Dauer ohne zeitliche Eingrenzung festhalten will, führt dies nicht ohne weiteres zu einer Verlängerung der streitigen Zeit und der Zugrundelegung eines höheren, lediglich durch das 25fachen Jahresentgelt begrenzten Betrages (Senatsurteil vom 17. März 2005 aaO S. 868 unter 1. b) bb)). Insbesondere ist die streitige Zeit auch nicht deshalb auf einen längeren Zeitraum zu erstrecken, weil der Pächter die Vorstellung hat, den Kleingarten grundsätzlich bis zu seinem Lebensende nutzen zu können (Senatsurteil vom 17. März 2005 aaO S. 868 f unter 2. b)). Die Regelung des § 8 ZPO ist auf Fälle zugeschnitten, in denen die streitige Zeit genau bestimmt werden kann. Indes dient diese Bestimmung nicht dazu, den Wert bei Verträgen von unbestimmter Dauer oder in Fällen, in denen der Nutzungsberechtigte eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses verlangen kann, zu bestimmen (Senatsurteil vom 17. März 2005 S. 869 aaO unter 2. b); BGH, Beschluss vom 13. März 2007 S. 356 aaO). In solchen Fällen ist auf den Zeitpunkt abzustellen, den der Nutzungsberechtigte für sich als den günstigsten Beendigungszeitpunkt in Anspruch nimmt. Hat er - wie hier der Beklagte - keinen konkreten Zeitpunkt genannt oder sich auf ein lebenslanges Nutzungsrecht berufen , so ist in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO auf einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren abzustellen (Senatsurteil vom 17. März 2005 aaO S. 869 unter 2. b); BGH, Beschluss vom 13. März 2007 aaO; jew. m.w.N.; vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 2006 - 1 BvR 761/06 - NZM 2006, 578).
- 8
- b) Von diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat hervorgehoben, aus der vorgenannten Rechtsprechung könne nicht entnom- men werden, dass die Beschwer des Beklagten mit dem 25-fachen Wert der Jahrespacht berechnet werden müsse, weil eine Nutzung auf unbestimmte Zeit vereinbart gewesen sei.
- 9
- 2. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch nicht wegen Verletzung von Verfahrensgrundrechten des Beklagten gefordert. Dass der Verwerfungsbeschluss, wie von der Rechtsbeschwerde geltend gemacht wird, den verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, ist nicht ersichtlich.
Herrmann Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
AG Brandenburg, Entscheidung vom 30.11.2006 - 33 C 94/05 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 09.05.2007 - 11 S 10/07 -
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Annotations
Der Verpächter kann den Kleingartenpachtvertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn
- 1.
der Pächter mit der Entrichtung der Pacht für mindestens ein Vierteljahr in Verzug ist und nicht innerhalb von zwei Monaten nach Mahnung in Textform die fällige Pachtforderung erfüllt oder - 2.
der Pächter oder von ihm auf dem Kleingartengrundstück geduldete Personen so schwerwiegende Pflichtverletzungen begehen, insbesondere den Frieden in der Kleingärtnergemeinschaft so nachhaltig stören, daß dem Verpächter die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(1) Der Verpächter kann den Kleingartenpachtvertrag kündigen, wenn
- 1.
der Pächter ungeachtet einer in Textform abgegebenen Abmahnung des Verpächters eine nicht kleingärtnerische Nutzung fortsetzt oder andere Verpflichtungen, die die Nutzung des Kleingartens betreffen, nicht unerheblich verletzt, insbesondere die Laube zum dauernden Wohnen benutzt, das Grundstück unbefugt einem Dritten überläßt, erhebliche Bewirtschaftungsmängel nicht innerhalb einer angemessenen Frist abstellt oder geldliche oder sonstige Gemeinschaftsleistungen für die Kleingartenanlage verweigert; - 2.
die Beendigung des Pachtverhältnisses erforderlich ist, um die Kleingartenanlage neu zu ordnen, insbesondere um Kleingärten auf die im § 3 Abs. 1 vorgesehene Größe zu beschränken, die Wege zu verbessern oder Spiel- oder Parkplätze zu errichten; - 3.
der Eigentümer selbst oder einer seiner Haushaltsangehörigen im Sinne des § 18 des Wohnraumförderungsgesetzes einen Garten kleingärtnerisch nutzen will und ihm anderes geeignetes Gartenland nicht zur Verfügung steht; der Garten ist unter Berücksichtigung der Belange der Kleingärtner auszuwählen; - 4.
planungsrechtlich eine andere als die kleingärtnerische Nutzung zulässig ist und der Eigentümer durch die Fortsetzung des Pachtverhältnisses an einer anderen wirtschaftlichen Verwertung gehindert ist und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; - 5.
die als Kleingarten genutzte Grundstücksfläche alsbald der im Bebauungsplan festgesetzten anderen Nutzung zugeführt oder alsbald für diese Nutzung vorbereitet werden soll; die Kündigung ist auch vor Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans zulässig, wenn die Gemeinde seine Aufstellung, Änderung oder Ergänzung beschlossen hat, nach dem Stand der Planungsarbeiten anzunehmen ist, daß die beabsichtigte andere Nutzung festgesetzt wird, und dringende Gründe des öffentlichen Interesses die Vorbereitung oder die Verwirklichung der anderen Nutzung vor Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans erfordern, oder - 6.
die als Kleingartenanlage genutzte Grundstücksfläche - a)
nach abgeschlossener Planfeststellung für die festgesetzte Nutzung oder - b)
für die in § 1 Abs. 1 des Landbeschaffungsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 54-3, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch§ 33 des Gesetzes vom 20. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3574)geändert worden ist, genannten Zwecke
alsbald benötigt wird.
(2) Die Kündigung ist nur für den 30. November eines Jahres zulässig; sie hat spätestens zu erfolgen
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 am dritten Werktag im August, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 bis 6 am dritten Werktag im Februar
(3) Ist der Kleingartenpachtvertrag auf bestimmte Zeit eingegangen, ist die Kündigung nach Absatz 1 Nr. 3 oder 4 unzulässig.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.