Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juni 2014 - I ZR 49/13

published on 18/06/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juni 2014 - I ZR 49/13
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Landgericht München I, 7 O 12292/11, 10/05/2012
Oberlandesgericht München, 29 U 3907/12, 21/02/2013

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 49/13
vom
18. Juni 2014
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juni 2014 durch die
Richter Prof. Dr. Büscher, Pokrant, Dr. Koch, Dr. Löffler und die Richterin
Dr. Schwonke

beschlossen:
Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 26. Februar 2014 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:


1
Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet.
2
I. Die Beklagte macht ohne Erfolg geltend, der Senat habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil er ihr entscheidungserhebliches Vorbringen zur Frage der Geltung der Berliner Fassung der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ) auch im Blick auf ein „verbandsfremdes Land“ und dem in der Berliner Fassung der RBÜ verwandten Begriff der „gleichzeitigen Veröffent- lichung“ nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen habe. Der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör ist schon deshalb nicht verletzt, weil das von ihr als übergangen gerügte Vorbringen vom Standpunkt des Senats aus nicht entscheidungserheblich war.
3
Der Senat hat angenommen, die Revidierte Berner Übereinkunft sei für den hier in Rede stehenden Roman nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 26. Februar 2014 - I ZR 49/13, GRUR 2014, 559 Rn. 44 bis 49 = WRP 2014, 709 - Tarzan). Sie gelte gemäß Art. 18 Abs. 1 und 4 Halbsatz 1 RBÜ nicht für Wer- ke, die beim Beitritt eines Landes zum Verband infolge Ablaufs der Schutzdauer im Ursprungsland gemeinfrei seien. Der Begriff des Ursprungslandes im Sinne von Art. 18 RBÜ sei nicht der zum Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung des Werkes im Jahr 1912 geltenden Berliner Fassung der Berner Übereinkunft, sondern ihrer zum Zeitpunkt des Beitritts der Vereinigten Staaten im Jahr 1989 geltenden Pariser Fassung zu entnehmen. Nach Art. 5 Abs. 4 Buchst. a RBÜ (Pariser Fassung) seien die Vereinigten Staaten als Ursprungsland des Werkes anzusehen.
4
Von diesem Standpunkt aus war das als übergangen gerügte Vorbringen der Beklagten nicht entscheidungserheblich. Die Beklagte hatte vorgetragen, nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 RBÜ (Berliner Fassung) werde für die gleichzeitig in einem verbandsfremden Land (Vereinigte Staaten) und in einem Verbandsland (Vereinigtes Königreich) veröffentlichten Werke Letzteres ausschließlich als Ursprungsland angesehen. Der hier in Rede stehende Roman sei im Sinne dieser Bestimmung gleichzeitig in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich veröffentlicht worden. Daher sei ausschließlich das Vereinigte Königreich als Ursprungsland des Werkes anzusehen. Auf dieses Vorbringen kommt es nicht an, wenn der Begriff des Ursprungslandes im Sinne von Art. 18 RBÜ nicht der Berliner Fassung, sondern der Pariser Fassung der Revidierten Berner Übereinkunft zu entnehmen ist.
5
II. Die Beklagte macht weiter vergeblich geltend, auch wenn man für den vorliegenden Fall von der Geltung der Pariser Fassung der RBÜ auszugehen hätte, habe der Senat ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Nach Art. 5 Abs. 4 Buchst. a RBÜ (Pariser Fassung) gelte das Land als Ursprungsland , dessen innerstaatliche Rechtsvorschriften die kürzeste Schutzdauer gewährten. Der Senat habe entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten zum Begriff der „kürzesten Schutzdauer" nicht beachtet.
6
Der Senat hat angenommen, nach dieser Bestimmung seien die Vereinigten Staaten als Ursprungsland des Werkes anzusehen, weil die innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Vereinigten Staaten eine kürzere Schutzdauer als diejenigen des Vereinigten Königreichs gewährten (BGH, GRUR 2014, 559 Rn. 49 - Tarzan). Zur Begründung hat der Senat sich auf seine Ausführungen zur Art. 5 Abs. 4 Buchst. a RBÜ entsprechenden Vorschrift des Art. IV Abs. 6 WUA bezogen. Dort hat er ausgeführt, für die zeitliche Reichweite des Schutzes eines Werkes komme es - entgegen der Ansicht der Beklagten - allein auf den Ablauf der Schutzfrist und damit nicht nur auf deren Dauer in Jahren, sondern auch auf deren Beginn an. Es sei daher unerheblich, dass die 50-jährige Schutzdauer im Vereinigten Königreich für sich genommen kürzer sei als die 75-jährige Schutzdauer in den Vereinigten Staaten. Entscheidend sei, dass die bereits mit der Veröffentlichung des Werkes am 12. September 1912 beginnende und bis 31. Dezember 1987 laufende Schutzfrist in den Vereinigten Staaten früher geendet habe als die erst mit dem Tod des Urhebers am 19. März 1950 einsetzende und bis zum 31. Dezember 2000 währende Schutzfrist im Vereinigten Königreich. Es gebe keinen sachlichen Grund, die Schutzdauer ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihres Beginns zu berechnen (BGH, GRUR 2014, 559 Rn. 28 bis 31 - Tarzan).
7
Die Beklagte rügt ohne Erfolg, der Senat habe mit seinen Ausführungen nicht zu ihrem Vorbringen Stellung genommen, wonach folgende „Kontrollüberlegung“ bestätige, dass es nicht darauf ankommen könne, ob die jeweilige Frist mit der Erstveröffentlichung oder erst mit dem Tod des Urhebers zu laufen beginne : Im Zeitpunkt der Erstveröffentlichung des Werkes eines noch lebenden Urhebers sei noch nicht absehbar, wann dieser sterben werde. Insofern könne die Frage, welcher Verbandsstaat die „kürzeste Schutzdauer“ im Sinne von Art. 5 Abs. 4 Buchst. a RBÜ gewähre, im Zeitpunkt der Veröffentlichung eines Werkes nur abstrakt beantwortet werden, das heiße allein dahingehend, welche der gewährten Schutzfristen unabhängig davon, wann sie zu laufen beginne, kürzer sei.
8
Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivorbringens in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.). Der Senat hat bei seiner Entscheidung auch das von der Beklagten als „Kontroll- überlegung“ bezeichnete Vorbringen berücksichtigt, jedoch nicht für durchgreifend erachtet.
Büscher Pokrant Koch
Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 10.05.2012 - 7 O 12292/11 -
OLG München, Entscheidung vom 21.02.2013 - 29 U 3907/12 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn1.ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2.das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches G
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published on 26/02/2014 00:00

Tenor Die Revision gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. Februar 2013 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
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Annotations

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.