Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2019 - 5 StR 681/18
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24. Januar 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
- 1
- 1. In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO stellt der Senat klar, dass sich der Feststellungsausspruch unter Ziffer 3b des Urteilstenors nur auf alle „weiteren“, nicht also die gegenwärtig schon entstandenen Schäden bezieht. Dies entspricht dem in den Urteilsgründen wiedergegebenen Antrag der Adhäsionsklägerin (UA S. 90).
- 2
- 2. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 19. Dezember 2018 weist der Senat ferner auf Folgendes hin:
- 3
- a) Die Rüge zur Einholung eines (weiteren) aussagepsychologischen Gutachtens ist aus den Gründen der Ablehnungsbeschlüsse der Strafkammer jedenfalls unbegründet.
- 4
- b) Auch die Beanstandung einer Verletzung des § 171b Abs. 3 Satz 2 StPO hat keinen Erfolg. Denn der Schuld- und Strafausspruch beruht nicht auf der ungesetzlichen Erweiterung der Öffentlichkeit (§ 337 Abs. 1 StPO). Die auf dessen Antrag in nichtöffentlicher Verhandlung erfolgte Inaugenscheinnahme zweier Videodateien betraf Handlungen des Angeklagten, die nicht im Zusammenhang mit den ihm vorgeworfenen Taten standen und ausweislich der Urteilsgründe im weiteren Verlauf keine Rolle mehr spielten. Angesichts dessen kann der Senat ausschließen, dass das letzte Wort des – sich in diesem Rahmen und insgesamt in öffentlicher Hauptverhandlung erklärenden – Angeklagten weitere ihn entlastende Gesichtspunkte erbracht hätte, wenn es in nichtöffentlicher Sitzung erfolgt wäre und dass er sich hierbei mit Beweismitteln befasst hätte, die während des Ausschlusses der Öffentlichkeit erhoben wurden. Hinsichtlich des Ausschlusses der Öffentlichkeit während der Vernehmung der Nebenklägerin auf deren Antrag verweist der Senat auf BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2015 – 4 StR 401/15; vom 4. Februar 2016 – 4 StR 493/15; vom 22. Februar 2017 – 5 StR 586/16.
König Köhler
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
BUNDESGERICHTSHOF
Zu der von beiden Angeklagten erhobenen Rüge der Verletzung von § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG i.V.m. § 337 StPO durch Nichtausschluss der Öffentlichkeit während der zweiten Vernehmung der geschädigten Zeugin K. und während der Schlussvorträge bemerkt der Senat ergänzend:
Es ist zweifelhaft, ob der Ansicht des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 3. September 2015 zu folgen ist, wonach ein revisibler Rechtsfehler im Sinne von § 337 StPO schon deshalb nicht vorliegt, weil auch die unterbliebene Entscheidung über einen Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß § 171b Abs. 5 GVG unanfechtbar und damit gemäß § 336 Satz 2 StPO der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen sei (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 1 StR 212/14, StV 2015, 79, Tz. 26). Dies kann jedoch offen bleiben. Denn die Verfahrensrüge ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 1998 – 5 StR 261/98, NStZ 1998, 586). Unbeschadet dessen ist sie auch unbegründet, weil auszuschließen ist, dass die Entscheidung auf einer ungesetzlichen Erweiterung der Öffentlichkeit beruht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, zu welchen weiter gehenden Erkenntnissen die Hauptverhandlung geführt hätte, wenn die Öffentlichkeit auch während der zweiten Vernehmung der Zeugin und während der Schlussvorträge ausgeschlossen worden wäre, zumal der Beschluss über die Ausschließung der Öffentlichkeit vor der ersten Vernehmung der 19 Jahre alten Zeugin auf ihren Antrag ausschließlich zu deren Schutz ergangen ist und die Zeugin in ihrer
zweiten Vernehmung zur Sache auch in öffentlicher Hauptverhandlung ausgesagt hat.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Bender
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu der Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die mit Verfahrensbeschwerden und der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Zum Schuldspruch hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hinsichtlich der Rüge der Verletzung des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG ist ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts anzumerken:
- 3
- Bedenken bestehen bereits gegen die Zulässigkeit der Verfahrensrüge, weil sich die Revision nicht dazu verhält, welche zusätzlichen Ausführungen bei Schlussvorträgen in nicht öffentlicher Sitzung gemacht worden wären (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2015 – 4 StR 401/15; vom 23. Juni 1998 – 5 StR 261/98, NStZ 1998, 586; Urteile vom 10. Oktober 1978 – 4 StR 445/78, bei Holtz, MDR 1979, 109; vom 17. Januar 1979 – 3 StR 450/78, bei Holtz, MDR 1979, 458). Die Rüge ist aber jedenfalls unbegründet, weil auszuschließen ist, dass die Entscheidung auf der ungesetzlichen Erweiterung der Öffentlichkeit beruht. Es ist vor dem Hintergrund, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Vernehmung des Zeugen auf Antrag des Zeugen ausschließlich zu dessen Schutz angeordnet wurde, weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Schlussvorträge weitere den Angeklagten entlastende Gesichtspunkte erbracht hätten, wenn in nicht öffentlicher Sitzung plädiert worden wäre.
- 4
- 2. Dagegen hat der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand, da eine tatrichterliche Entscheidung über das Absehen von der Verhängung einer Jugendstrafe nach § 5 Abs. 3, § 105 Abs. 1 JGG unterblieben ist.
- 5
- Wird aus Anlass der Straftat eines nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Heranwachsenden gemäß § 63 StGB dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, ist grundsätzlich zu prüfen, ob die angeordnete Maßregel die Ahndung mit Jugendstrafe entbehrlich macht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2015 – 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395; vom 17. September 2013 – 1 StR 372/13, NStZ-RR 2014, 28). Eine entsprechende Prüfung und Entscheidung ist dem angefochtenen Urteil auch in seinem Gesamtzusammenhang nicht zu entnehmen. Dies führt wegen des Sachzusammenhangs zwischen Jugendstrafe und Unterbringungsanordnung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. September 2013 – 1 StR 372/13 aaO; vom 22. Juli 2009 – 2 StR 240/09) zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruches.
- 6
- 3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
- 7
- Ob eine vom Sachverständigen unter Heranziehung des Klassifikationssystems ICD-10 diagnostizierte Persönlichkeitsstörung die Voraussetzungen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB erfüllt, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter wertend zu entscheiden hat. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob die Störung in ihrem Gewicht einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt und Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 494/12, BGHR StGB § 20 Seelische Abartigkeit 6 mwN; vom 21. September 2004 – 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327). Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird sich eingehender, als bisher geschehen , – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen – mit dem Ausprägungsgrad der beim Angeklagten neben einer leichten Intelligenzstörung festgestellten sonstigen kombinierten Störung des Sozialver- haltens und der Emotionen (ICD-10 F92.8) und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Angeklagten zu befassen haben.
Franke Bender
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Bedenken bestehen bereits gegen die Zulässigkeit der Verfahrensrüge des Verstoßes gegen § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG, weil sich die Revision nicht dazu verhält, welche zusätzlichen Ausführungen bei Schlussvorträgen in nicht öffentlicher Sitzung gemacht worden wären (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 – 4 StR 493/15 mwN; vgl. auch zu § 171a GVG: MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 171a GVG Rn. 4 mwN). Die Rüge ist aber jedenfalls aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift angeführten Erwägungen unbegründet, weil auszuschließen ist, dass die Entscheidung auf der ungesetzlichen Erweiterung der Öffentlichkeit beruht.
Mutzbauer Sander Schneider Berger Mosbacher