Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2001 - 5 StR 604/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Auf die Revision des Angeklagten Y wird das genannte Urteil nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit dieser Angeklagte wegen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers B verurteilt worden ist,
b) im gesamten Strafausspruch.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten Y wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
5. Die Revision des Nebenklägers C gegen das genannte Urteil wird nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch dem Angeklagten Y entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten G wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers B unter Einbeziehung mehrerer Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Es hat den Angeklagten Y wegen versuchten Totschlags zum Nachteil des Nebenklägers B z u einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen Ya zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und unter Einbeziehung der Einzelstrafe aus einer früheren Verurteilung auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren erkannt. Die Revisionen der beiden Angeklagten haben mit der zum Fall B gleichermaßen erhobenen Verfahrensrüge Erfolg. Soweit die Revision des Angeklagten Y sich gegen den Schuldspruch im Fall Ya richtet, ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Schließlich hat das Landgericht den Angeklagten Y v on dem Vorwurf einer schweren Körperverletzung zum Nachteil des NebenklägersC freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision dieses Nebenklägers bleibt ohne Erfolg.
I.
Der von beiden Angeklagten betreffend ihre Verurteilung wegen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers B erhobenen Verfahrensrüge liegt folgendes zugrunde: Die Zeugin Yi , Ehefrau des Angeklagten Y , hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO Gebrauch gemacht. Sie war jedoch im Ermittlungsverfahren durch den Richter am Amtsgericht R richterlich vernommen worden und hatte dabei nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht zur Sache ausgesagt. Das Landgericht hat den Vernehmungsrichter hierzu als Zeugen gehört. Im angefochtenen Urteil heißt es dazu: „Der Zeuge RiAG R hatte
zwar keine Erinnerung mehr an den Inhalt und den Ablauf dieser Vernehmung , hat jedoch angegeben, daß das, was in seinen Vernehmungsprotokollen niedergelegt sei, dem entspreche, was die von ihm vernommenen Zeugen hierbei ausgesagt hätten, und insoweit auf den Inhalt der Niederschrift der richterlichen Vernehmung verwiesen.“ Danach teilt das angefochtene Urteil mit, was die Zeugin in dieser richterlichen Vernehmung angegeben hat. Zur Überführung beider Angeklagter wegen ihrer gemeinsamen Tat zum Nachteil des Nebenklägers B , zu der beide Angeklagte in der Hauptverhandlung geschwiegen haben, hat das Landgericht die Angaben herangezogen, die die Zeugin vor dem Ermittlungsrichter gemacht hat.
Hierzu hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt:
„Die Rüge der Verletzung von § 252 StPO muß Erfolg haben.
Die Rüge ist in zulässiger Form erhoben. Stützt ein Beschwerdeführer die Rüge der Verletzung von § 252 StPO darauf, in Wahrheit seien nicht die Bekundungen der richterlichen Verhörsperson zur Grundlage der Verurteilung gemacht worden, sondern die Angaben des Zeugnisverweigerungsberechtigten bei der Polizei, wird man regelmäßig die Mitteilung des wesentlichen Inhalts der betreffenden Vernehmung in der Revisionsrechtfertigung verlangen müssen. Dies gilt indessen nicht, wenn sich der wesentliche Inhalt dieser Niederschrift aus den Urteilsgründen ergibt (BGHSt 36, 384, 385; BGH StV 1981, 164; 1982, 55; NJW 1982, 2738). Ob es in einem solchen Fall immer erforderlich ist, daß der Beschwerdeführer auf den betreffenden Teil der Gründe des angefochtenen Urteils ausdrücklich Bezug nimmt (so wohl BGH NJW 1982, 2738), kann dahinstehen; eine solche Bezugnahme ergibt sich im vorliegenden Fall nämlich mit hinreichender Bestimmtheit aus dem Beschwerdevorbringen.
Die Rüge ist auch begründet: Das Landgericht hat gegen § 252 i.V.m. § 261 StPO verstoßen. Frühere Vernehmungen eines die Aussage gemäß § 52 StPO verweigernden Zeugen dürfen nicht verwertet werden (BGHSt 2, 99). Zwar ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässig, den Ermittlungsrichter zeugenschaftlich über die von dem Zeugnisverweigerungsberechtigten gemachten Aussagen zu vernehmen, sofern eine richterliche Vernehmung im Ermittlungsverfahren stattgefunden hat (BGHSt 11, 338, 339 f.; 21, 149, 150; 36, 384, 385 f.). Auch dürfen dem Richter, der die Vernehmung durchgeführt hat, die Vernehmungsprotokolle – notfalls durch Vorlesen – als Vernehmungsbehelf vorgehalten werden (st. Rspr.; BGH NJW 2000, 1580; StV 1994, 413). Gleiches gilt für die jeweils im richterlichen Vernehmungsprotokoll in Bezug genommenen Protokolle über die vorangegangenen polizeilichen Vernehmungen (BGH NJW 2000, 1580). Grundlage der Feststellung des Sachverhalts kann indessen nur das in der Hauptverhandlung erstattete Zeugnis des Richters über den Inhalt der früheren Aussage des jetzt die Aussage verweigernden Zeugen sein, nicht aber der Inhalt der Vernehmungsniederschrift selbst (BGHSt 11, 338, 340). Es genügt insbesondere nicht, wenn der Richter lediglich erklärt, er habe die Aussage richtig aufgenommen (BGHSt 11, 338, 341); verwertbar ist nur das, was – gegebenenfalls auf den Vorhalt hin – in die Erinnerung des Richters zurückkehrt (BGHSt 21, 149, 150; LR-Gollwitzer, StPO, 25. Aufl. § 252 Rdnr. 27; Wömpner, NStZ 1983, 293, 298; allgemein zu den Anforderungen an die Bekundungen einer Verhörsperson nach Vorhalt von Niederschriften BGHSt 14, 310, 313; BGH StV 1994, 413). Hier ergibt sich aus den allein maßgebenden Urteilsgründen, daß der als Zeuge vernommene Ermittlungsrichter keine Erinnerung mehr an den Inhalt der Aussage der Zeugin Yi hatte. Da der Inhalt dieser Aus-
sage somit nicht festzustellen war, konnte sie bei der Beweiswürdigung auch nicht berücksichtigt werden.
Daß das Urteil ... auf der Aussage der Zeugin Yi beruht, bedarf im Hinblick auf die Ausführungen auf Seite 54 und 55 des angefochtenen Urteils keiner weiteren Darlegung.“
II.
Zur Revision des Nebenklägers C hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt:
„Die Revision ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO). Nach § 344 Abs. 1 StPO hat der Beschwerdeführer die Erklärung abzugeben , inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage. Daran fehlt es hier. Zwar hat die Rechtsprechung bei Revision des Angeklagten in der Erhebung der allgemeinen Sachrüge in der Regel die Erklärung des unbeschränkten Anfechtungswillen gesehen (BGHR StPO § 400 Abs. 1 – Zulässigkeit 2 m.w.N.). Eines ausdrücklichen Revisionsantrages bedarf es auch bei Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers in der Regel dann nicht, wenn
sich der Umfang der Anfechtung aus der Begründung der Revision ersehen läßt (BGH aaO). Das ist aufgrund der vom Nebenkläger hier erhobenen allgemeinen Sachbeschwerde nicht der Fall.“
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt
- 1.
der Verlobte des Beschuldigten; - 2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.
(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.
(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.
Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt
- 1.
der Verlobte des Beschuldigten; - 2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.
(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.
(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt.
(2) Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluß befugt ist. Im übrigen ist der Beschluß, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.