Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Aug. 2013 - 5 StR 365/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Schuldspruch dahingehend berichtigt wird, dass der Angeklagte im Fall II.1 der Urteilsgründe des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit SichVerschaffen kinderpornographischer Schriften schuldig ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen und Sich-Verschaffens von kinderpornographischen Schriften in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts veranlasste der heute 31-jährige und nicht vorbestrafte Angeklagte von Oktober 2010 bis August 2012 die am 1. April 2008 geborene Nebenklägerin dazu, in einem Fall Onanierbewegungen an seinem erigierten Glied vorzunehmen, wobei er die Handlungen mit der Videokamera aufzeichnete (Fall II.1), und in einem weiteren Fall an ihm den Oralverkehr auszuüben (Fall II.2). Außerdem führte er an dem Mädchen den Analverkehr durch (Fall II.3). In drei weiteren Fällen (Fälle II.4 bis II.6) lud der Angeklagte kinderpornographische Bilddateien aus dem Internet herunter und speicherte sie auf seinem Laptop.
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- 2. Die Revision hat im Schuldspruch keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil aufgedeckt; der Schuldspruch war jedoch dahingehend zu berichtigen , dass der Angeklagte im Fall II.1 der Urteilsgründe auch wegen SichVerschaffens kinderpornographischer Schriften nach § 184b Abs. 4 StGB schuldig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1997 – 3 StR 567/97, BGHSt 43, 366; Hörnle in MünchKomm, StGB, 2. Aufl., § 184b Rn. 34). Einer Ergänzung des Schuldspruchs durch das Revisionsgericht zum Nachteil des Angeklagten steht das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 StPO nicht entgegen (vgl. Kuckein in KK StPO, 6. Aufl., § 358 Rn. 18; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 8 f. mwN). § 265 StPO ist durch die Schuldspruchänderung nicht verletzt; es ist nicht ersichtlich, wie sich der zu den Tatvorwürfen schweigende, in diesem Fall durch Inaugenscheinnahme des Videos überführte Angeklagte anders hätte verteidigen können.
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- 3. Allerdings hält der Rechtsfolgenausspruch sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat sich mit der Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht auseinandergesetzt und eine etwaige erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) gänzlich unerörtert ge- lassen. Hierzu hätte es sich aber angesichts des in den Taten hervorgetretenen Sexualverhaltens des Angeklagten, seiner „innigen“ Beziehung zu der noch im Kleinkindalter befindlichen Nebenklägerin (UA S. 12, 15), der Äußerungen gegenüber der Zeugin K. (UA S. 18) und des Auffindens von Unterwäsche der Nebenklägerin und ihrer Mutter in seinem Auto und in seiner Wohnung (UA S. 14, 18) gedrängt sehen müssen. Bei dieser Sachlage bedurfte es zum Ausschluss schuldrelevanter pädophiler Neigungen des Angeklagten sachverständiger Beratung (vgl. zur Pädophilie als schwerer anderer seelischer Abartigkeit: BGH, Urteil vom 6. Januar 1998 – 5 StR 582/97 – und Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 33 und 37).
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- 4. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs , da nicht einmal ganz sicher ausgeschlossen werden kann, dass bei Annahme einer gesicherten erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit gar die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht kommen könnte. Den Schuldspruch lässt indes die unterbliebene Schuldfähigkeitsbeurteilung unberührt, weil eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit hier ausscheidet.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
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einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat: - a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind), - b)
die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder - c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
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es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen, - 3.
einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder - 4.
einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.
(3) Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.
(4) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 strafbar.
(5) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen:
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staatlichen Aufgaben, - 2.
Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder - 3.
dienstlichen oder beruflichen Pflichten.
(6) Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn
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die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und - 2.
die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(7) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.