Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juni 2018 - 5 StR 225/18
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 20. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 30.000 Euro angeordnet. Den nicht mehr revidierenden Mitangeklagten K. hat es wegen Beihilfe zu dieser Tat zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und 2.000 Euro Wertersatz eingezogen. Die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründete Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Sie führt nach § 357 Satz 1 StPO zur Erstreckung der Aufhebung des Strafausspruchs auf den Mitangeklagten K. .
- 2
- 1. Die Beweiswürdigung weist – eingedenk der eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfungstiefe – keinen Rechtsfehler auf. Die vom Landgericht gezogenen Schlüsse sind möglich und nachvollziehbar. Dies gilt auch für die Grundlagen der Berechnung des Wertersatzes, die das Landgericht bei der Bestimmung des durch den Betäubungsmittelverkauf erzielten Erlöses dargestellt hat (UA S. 30). Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch und die Einziehungsentscheidung.
- 3
- 2. Nicht bestehen bleiben kann indes der Strafausspruch. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht dem Angeklagten straferschwerend zur Last gelegt, dass Kokain in den Konsumentenkreislauf gelangt ist. Dies ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 1993 – 2 StR 47/93), weil ihm damit in der Sache das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes (Nichtinverkehrbringen gehandelter Betäubungsmittel, vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2017 – 3 StR 142/17 mwN) zur Last gelegt wird. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht.
- 4
- Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil diese vom Rechtsfehler nicht betroffen sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass bei einer Bewährungsversagung mangels besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB nach ständiger Rechtsprechung die Frage der positiven Legalprognose nicht – wie hier – offen bleiben darf (vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. September 2015 – 4 StR 152/15, NStZ-RR 2015, 373, 374 mwN).
- 5
- 3. Gemäß § 357 Satz 1 StPO war die Aufhebung des Strafausspruchs auf den Mitangeklagten K. zu erstrecken, da das Landgericht auch ihm straferhöhend zur Last gelegt hat, dass die Droge in den Handel gelangt ist.
König Mosbacher
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 27. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit dem Besitz eines Wurfsterns zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, wobei vier Monate dieser Gesamtfreiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Seine auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts ge- stützte Revision hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Im Fall II. 3. der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit dem Besitz eines Wurfsterns verurteilt worden ist und das Landgericht auf eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten erkannt hat, hält der Strafausspruch revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Denn die Strafkammer hat nicht zu Gunsten des Angeklagten in die Strafzumessung eingestellt, dass die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel in diesem Fall sichergestellt wurden und deshalb nicht in den Verkehr gelangten.
- 3
- Hierbei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln üblicherweise ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, der sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zu beachten ist (BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2017 - 3 StR 483/16, StraFo 2017, 117; vom 9. November 2016 - 2 StR 133/16, juris Rn. 3; vom 30. September 2014 - 2 StR 286/14, juris Rn. 2; vom 10. September 2014 - 5 StR 383/14, juris Rn. 2 mwN) und der gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO in den Gründen des Strafurteils angeführt werden muss (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 - 4 StR 169/13, NStZ 2013, 662).
- 4
- Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht eine geringere Einzelstrafe verhängt hätte, wenn es die Sicherstellung des Marihuanas zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hätte.
- 5
- 2. Die Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafe im Fall II. 3. der Urteilsgründe hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge.
- 6
- 3. Die von der Strafkammer in dem angefochtenen Urteil zur Strafzumessung getroffenen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler, der lediglich in einer lückenhaften Würdigung der festgestellten Tatsachen besteht, nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
- 7
- 4. Hinsichtlich der Strafrahmenwahl weist der Senat auf die mögliche Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG hin (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2013 - 3 StR 143/13, NStZ 2014, 164 ff. mwN).
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
BUNDESGERICHTSHOF
a) soweit die Angeklagten im Fall II.2 der Urteilsgründe verurteilt sind,
b) bei den Angeklagten C. und L. in den Gesamtstrafenaussprüchen ,
c) soweit bei dem Angeklagten C. von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten C. wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen Betrugs und Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, den Angeklagten B. wegen Erpressung in Tateinheit mit Computerbetrug zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten und die nicht revidierende Mitangeklagte L. wegen Beihilfe zum Betrug und zur Erpressung zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt. Die Revisionsführer wenden sich gegen ihre Verurteilungen jeweils mit einer Verfahrensrüge und der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel des Angeklagten B. hat in vollem Umfang, das Rechtsmittel des Angeklagten C. in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Die weiter gehende Revision des Angeklagten C. ist offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen einer in Mittäterschaft begangenen Erpressung im Fall II.2 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben , weil die von der Strafkammer angenommene Gewaltanwendung nicht festgestellt ist.
- 3
- a) Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte C. über Internetplattformen , auf denen sexuelle Kontakte zwischen Männern und Frauen verabredet wurden, Verbindung zu Männern auf, um diese bei vereinbarten Treffen um Geld oder Wertgegenstände zu bringen. Dabei fungierte dieMitangeklagte L. als „Lockvogel“.
- 4
- Einige Zeit vor dem 8. November 2012 lernte der Angeklagte C. auf diesem Weg den Geschädigten Ba. kennen, der Kontakt zu Frauen suchte, um mit ihnen gegen Entgelt den Geschlechtsverkehr auszuüben. Bei einem von Ba. zu diesem Zweck in seiner Wohnung vereinbarten Termin erschien der Angeklagte C. anstelle der erwarteten Partnerin an der Wohnungstür. Dabei verfolgte er die Absicht, Ba. einzuschüchternund gegebenenfalls Geld oder andere Wertgegenstände unter dem Vorwand mitzunehmen , dies als Entschädigung für eine vermeintlich unlautere Verabredung zum Sex im Internet verlangen zu können. Dementsprechend überschüttete er den Geschädigten beim Öffnen der Wohnungstür mit dem Vorwurf: „Was ihm denn einfiele, sich mit Frauen im Internet zum Sex zu verabreden“. Dabei pack- te er Ba. auch am Kragen, schüttelte ihn und sagte ihm, dass er sich nicht noch einmal dabei erwischen lassen solle. In der Folge brachte der Angeklagte C. das Fahrrad des Geschädigten Ba. an sich und vermochte ihn bei weiteren Kontakten dazu zu veranlassen, ihm Dieselkraftstoff auszuhändi- gen, den er zuvor bei seinem Arbeitgeber „abgezweigt“ hatte. Aus Angst vor dem Angeklagten C. erstattete der Geschädigte Ba. keine Anzeige.
- 5
- Am 17. November 2012 verabredete der Geschädigte Ba. über eine einschlägige Internetplattform für 19.00 Uhr ein Treffen mit einer vermeintlichen „D. “ in seiner Wohnung. Hinter diesem Pseudonym verbargen sich wiede- rum die Anklagten L. und C. . Der Angeklagte C. sah in dem vereinbarten Treffen die Chance, Ba. erneut in seiner Wohnung aufzusuchen, ihn einzuschüchtern und Geld oder Wertgegenstände an sich zu bringen. Darüber hinaus kam er mit dem Angeklagten B. überein, bei dieser Gelegenheit in die Wohnung des Geschädigten Ba. einzudringen und über dessen Computer mit den Kreditkartendaten des Bo. , die der Angeklagte B. zuvor anlässlich des Auffindens von dessen Kreditkarte unbefugt fotografisch gesichert hatte, Bestellungen über das Internet vorzunehmen. Beiden war dabei bewusst, dass Ba. aufgrund der auch schon in der Vergangenheitgezeigten Angst keine große Gegenwehr leisten würde.
- 6
- Entsprechend dem gemeinsamen Tatplan traf sich die Mitangeklagte L. zu dem vereinbarten Termin mit dem Geschädigten Ba. und ging mit ihm in dessen Wohnung. Die Angeklagten B. und C. stellten sich unterdessen vor der Wohnungstür auf. Als der Geschädigte auf Veranlassung der Mitangeklagten L. nochmals seine Wohnungstür öffnete, stürmten die Angeklagten B. und C. direkt in die Wohnung. Dabei herrschte der Angeklagte C. den Geschädigten sofort mit den Worten an: „Ach Du schon wie- der“ und „warum er das schon wieder mache“, um ihn einzuschüchtern. In der Folge forderte der Angeklagte C. den Geschädigten auf, sich auf ein Sofa zu setzen, während sich der Angeklagte B. und die Mitangeklagte L. in der Wohnung umsahen. Im weiteren Verlauf veranlasste der Angeklagte C. den Geschädigten dazu, einen Finger auf den Tisch zu legen. Anschließend ließ er sich ein Messer reichen und deutete Schneidebewegungen an, um sich über den bereits eingeschüchterten Geschädigten lustig zu machen.
- 7
- Der Angeklagte B. bestellte über den Computer des Geschädigten, der auf Befragen sein Passwort genannt hatte, bei dem Internethändler A. eine Regenjacke (Kaufpreis: 229,75 Euro) und ein Alarmsystem (Kaufpreis: 275,95 Euro). Dabei gab er die Kreditkartendaten des Bo. an. Nachdem der Angeklagte B. einen Kontoauszug des Geschädigten gefunden hatte, verließen die Angeklagten C. und B. mit demGeschädigten die Wohnung, um mit dessen EC-Karte das gesamte Geld von seinem Konto abzuheben. Tatsächlich hob der eingeschüchterte Geschädigte in der Folge 500 Euro von seinem Konto ab. 100 Euro erhielt die Angeklagte L. , die restlichen 400 Euro teilten die Angeklagten B. und C. unter sich auf.
- 8
- Die Strafkammer ist von einer mit Gewalt verübten Erpressung durch alle drei Angeklagten ausgegangen. Das Nötigungsmittel der Gewalt sei in dem überraschenden Eindringen der Angeklagten B. und C. in die Wohnung des Geschädigten zu sehen. Dieses Nötigungsmittel sei in der Absicht angewendet worden, unter Ausnutzung der dadurch für den Geschädigten entstehenden Zwangslage dessen Wohnung nach stehlenswerten Gegenständen durchsuchen und von dessen PC aus Bestellungen vornehmen zu können. Dabei seien die Angeklagten davon ausgegangen, dass sich der Geschädigte aus Angst nicht wehren würde und hätten diese Angst ausgenutzt.
- 9
- b) Diese Feststellungen tragen die Annahme einer mit Gewalt verübten Erpressung nicht.
- 10
- aa) Gewalt setzt auch beim Erpressungstatbestand die Entfaltung von – nichtnotwendig erheblicher – Körperkraft durch den Täter voraus, die einen unmittelbar oder mittelbar auf den Körper eines anderen wirkenden Zwang ausübt , der nach der Vorstellung des Täters geeignet ist, einen geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden oder auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 1995 – 1 StR 126/95, BGHSt 41, 182, 185; Beschluss vom 27. Juli 1995 – 1 StR 327/95, NStZ 1995, 592 f. [jeweils zu § 240 StGB]; Sander in: MüKoStGB, 2. Aufl., § 253 Rn. 4; SSW-StGB/Kudlich, 2. Aufl., § 253 Rn. 4).
- 11
- bb) Ein von einer Kraftentfaltung der Angeklagten ausgehender unmittelbar oder mittelbar auf den Körper des Geschädigten einwirkender Zwang lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Soweit die Angeklagten C. und B. direkt in die Wohnung des Geschädigten gestürmt sind, ist nicht erkennbar , dass es dabei zu einer Zwangswirkung auf dessen Körper gekommen ist. Allein das resolute Auftreten des Angeklagten C. und seine verbale Be- zugnahme („Ach du schon wieder“) auf das frühere Geschehen, bei dem es zu einer Gewaltanwendung gegen den Geschädigten gekommen war, begründen noch nicht die Annahme eines aktuell auf den Körper des Geschädigten einwirkenden Zwangs. Da auch das Nötigungsmittel der Drohung im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht nicht hinreichend festgestellt und belegt ist, bedarf die Sache daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
- 12
- 2. Die Aufhebung erfasst auch die an sich rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten B. wegen Computerbetrugs gemäß § 263a StGB. Da der aufgezeigte Rechtsfehler im Fall II.2 der Urteilsgründe auch die Verurteilung der Mitangeklagten L. wegen Erpressung betrifft, war die Aufhebung nach § 357 Satz 1 StPO insoweit auf sie zu erstrecken. Dadurch verliert sowohl bei dem Angeklagten C. als auch bei der Angeklagten L. der Gesamtstrafenausspruch seine Grundlage.
- 13
- Das Urteil war hinsichtlich des Angeklagten C. schließlich auch insoweit aufzuheben, als das Landgericht die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB abgelehnt hat. Denn die Strafkammer hat ihre Entscheidung mit dem Fehlen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem festgestellten Hang und den von ihr angenommenen Taten begründet. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass im zweiten Rechtsgang in Bezug auf die aufgehobene Tat Feststellungen getroffen werden, die eine Unterbringungsanordnung rechtfertigen.
- 14
- 3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
- 15
- a) Eine Erpressung kann auch durch Drohung mit einem empfindlichen Übel begangen werden (§ 253 Abs. 1 StGB). Dabei kann ein schlüssiges Handeln ausreichend sein, wenn der Täter das angedrohte empfindliche Übel durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2015 – 2 StR 323/14, NStZ 2015, 461). Besteht das konkludent angedrohte empfindliche Übel in unmittelbar drohenden körperlichen Übergriffen und damit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben, kann eine räuberische Erpressung gemäß §§ 253, 255 StGB gegeben sein. Darauf, ob der Täter die Drohung erforderlichenfalls auch verwirklichen will, kommt es nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2015 – 3 StR 595/14, NStZ-RR 2015, 213).
- 16
- b) Bei der Entscheidung, ob eine (Gesamt-)Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zur Bewährung ausgesetzt werden kann, muss grundsätzlich zunächst geprüft werden, ob zu erwarten steht, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 Satz 1 StGB). Erst wenn dies bejaht werden kann, darf in die Prüfung der Frage eingetreten werden, ob auch besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB vorliegen. Dabei können dann auch Gesichtspunkte herangezogen werden , die bereits für die Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB von Bedeutung gewe- sen sind. Es ist rechtsfehlerhaft, besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB zu verneinen, ohne sich zuvor mit der Frage zu befassen, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB zu stellen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 6. August 2014 – 2 StR 255/14, Rn. 4; Beschluss vom 28. August 2012 – 3 StR 305/12, StV 2013, 85).
- 17
- c) Nach § 246a Satz 2 StPO ist ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und seine Behandlungsaussichten zu vernehmen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommt und deshalb eine Anordnung dieser Maßregel konkret zu erwägen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2011 – 4 StR 434/11, NStZ 2012, 463, 464 mwN).
Bender Quentin
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.