Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juni 2016 - 5 StR 214/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juni 2016 beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
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- 1. Nach den Urteilsfeststellungen geriet der erheblich alkoholisierte Beschuldigte am 5. Juni 2015 mit seinem Vater in dessen Wohnung plötzlich in Streit. Zuvor hatte er Stimmen gehört, die ihm sagten, er solle seinen Vater töten. Er würgte ihn mit beiden Händen am Hals. Als der Vater ihn aufforderte aufzuhören, weil er keine Luft mehr bekomme, ließ der Beschuldigte ihn los, stieß ihn rücklings auf das Bett und drückte ein Kopfkissen gegen dessen Ge- sicht. Nachdem der Geschädigte ihn erneut zum Aufhören aufgefordert hatte, zerschlug der Beschuldigte eine Bierflasche und versetzte ihm mit dem Flaschenhals einen Stich in die rechte Halsseite, der nur knapp die Halsschlagader verfehlte. Der Geschädigte, der stark blutete, bat den Beschuldigten, ihm ein Handtuch zu holen und einen Arzt zu verständigen. Dies tat der Beschuldigte auch. Der Geschädigte begab sich nunmehr von seiner Wohnung auf die Straße und fiel zu Boden. Der Beschuldigte, der seinem Vater gefolgt war, versetzte ihm noch zwei Tritte mit seinen Turnschuhen gegen den Kopf.
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- Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Beschuldigte im Zustand der Schuldunfähigkeit rechtswidrig den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen verwirklicht habe. Soweit er zunächst den Geschädigten habe töten wollen, habe er die Tat freiwillig aufgegeben (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB), indem er medizinische Hilfe über den Notruf herbeigerufen habe. Der Beschuldigte sei zu den Tatzeitpunkten schuldunfähig gewesen, weil seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung aufgehoben gewesen sei.
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- 2. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung im Sinne einer der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. Dies ist nicht hinreichend belegt.
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- a) Die Strafkammer begründet die Schuldunfähigkeit des Beschuldigten lediglich damit, dass die von ihm gezeigten Auffälligkeiten – wie das Wahrnehmen von Stimmen und Störungen des Affekts – entsprechend den Ausführungen der Sachverständigen das Vorliegen einer bereits chronifizierten paranoidhalluzinatorischen Schizophrenie belegen würden. Zudem bestehe beim Beschuldigten ein schädlicher Alkoholgebrauch in Form einer Alkoholabhängigkeit sowie ein Cannabismissbrauch. Das „kombinierte Vorliegen der Psychose, auch bedingt durch die teilweise festgestellte Alkoholintoxikation des Beschul- digten“ habe daher dessen „Einsichts- und Steuerungsfähigkeit“ zum Tatzeit- punkt aufgehoben.
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- b) Damit bleibt aber im Ergebnis offen, wie sich die von der Sachverständigen diagnostizierte paranoid-halluzinatorische Schizophrenie auf die Schuldfähigkeit des Beschuldigten konkret ausgewirkt hat.
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- Darüber hinaus kann der Schuldausschluss grundsätzlich nicht zugleich auf fehlende Unrechtseinsicht und fehlende Steuerungsfähigkeit gestützt werden. Die Frage der Steuerungsfähigkeit ist erst dann zu prüfen, wenn der Beschuldigte das Unrecht der Tat eingesehen hat oder einsehen konnte. Störungen , bei denen sowohl die Einsichts- als auch die Steuerungsfähigkeit aufgehoben sind, stellen die Ausnahme dar (vgl. BGH, Urteil vom 18.Januar 2006 – 2 StR 394/05, NStZ-RR 2006, 167). Ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen bei dem Beschuldigten ein solcher Ausnahmefall vorliegt, wird vom Landgericht nicht erörtert.
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- Zudem hätte es bei der Schuldfähigkeitsprüfung in den Blick nehmen müssen, dass der Beschuldigte nach dem ersten Angriff zu rationalen Handlungen in der Lage war, als er dem schwer verletzten Tatopfer zur Stillung der Blutung ein Handtuch reichte und den Rettungsdienst anrief. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Beschuldigte trotz seiner psychischen Erkrankung beim Tatgeschehen weder im Zustand der Schuldunfähigkeit noch in demjenigen der verminderten Schuldfähigkeit gehandelt hat.
Bellay Feilcke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.
(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.