Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2016 - 5 StR 170/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:080616B5STR170.16.0
08.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 170/16
vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:080616B5STR170.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juni 2016 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 11. November 2015 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gewerbsmäßigen Betruges in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Urkundenfälschung“ in 86 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die gegen den Strafausspruch des Urteils gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachbeschwerde Erfolg.
2
1. Die Strafzumessung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
a) Das Landgericht ist im Ergebnis mit Recht von einem gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten ausgegangen (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB). Trotz Vorliegens des Regelbeispiels hätte es indessen hier prüfen müssen, ob von der Indizwirkung abzugehen und der Normalstrafrahmen zugrunde zu legen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 – 5 StR 536/08, StV 2009, 244, 245; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1143 mwN). Im Hinblick auf gewichtige Strafmilderungsgründe (insbesondere umfassendes, von Reue auch gegenüber seinen Mittätern geprägtes Geständnis, Begehung zur Finanzierung einer Drogen - und Spielsucht, Stabilisierung der Lebensverhältnisse nach Therapie, Drogenfreiheit seit mehreren Monaten, vergleichsweise langer Zeitraum zwischen Taten und Urteil) hätte die Verneinung der Indizwirkung nämlich nicht fern gelegen. Die deswegen angezeigte Gesamtwürdigung hat das Landgericht nicht vorgenommen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass es bei zutreffendem Vorgehen unter Anwendung des Normalstrafrahmens zu geringeren Einzelfreiheitsstrafen gelangt wäre.
4
b) Die Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafen entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Insoweit ist ergänzend auf Folgendes hinzuweisen :
5
Nach den landgerichtlichen Feststellungen wurde der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 21. November 2013 zu einer (wohl: Gesamt-)Freiheitsstrafe von neun Monaten und mit Urteil des Amtsgerichts Pirna vom 18. Dezember 2013 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Mit Beschluss vom 20. April 2015 bildete das Amtsgericht Pirna aus diesen Strafen eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Die Ausführungen des Landgerichts zum Haftverlauf und zu den Therapiebemühungen des Angeklagten (UA S. 5 f.) sprechen dafür, dass die Gesamtfreiheitsstrafe im Zeitpunkt der Verurteilung noch nicht erledigt war. Weil der Angeklagte alle verfahrensgegenständlichen und auch die mit den genannten Urteilen abgeurteilten Straftaten vor dem 21. November 2013 begangen hat, weswegen das Urteil von diesem Tag nicht etwa eine Zäsurwirkung entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2016 – 5 StR 78/16 mwN; missverständlich Fischer, StGB, 63. Aufl., § 55 Rn. 11), hätte das Landgericht gegebe- nenfalls prüfen müssen, ob – unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Beschluss des Amtsgerichts Pirna vom 20. April 2015 – aus den mit diesen Urteilen verhängten (Einzel-)Strafen und den Einzelfreiheitsstrafen für die verfahrensgegenständlichen Taten gemäß § 55 StGB eine nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden ist. Dies wird das neue Tatgericht nachzuholen haben, wobei insoweit der Vollstreckungsstand im Zeitpunkt des Erlasses des Ersturteils maßgebend ist (st. Rspr., vgl. etwa BGH, aaO Rn. 3 mwN).
6
Da lediglich Wertungsfehler vorliegen, können die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten werden. Das Landgericht kann weitere Feststellungen treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
7
2. Der Angeklagte hat die Revision nachträglich auf den Strafausspruch beschränkt, weswegen der Rechtsfolgenausspruch insoweit in Rechtskraft erwachsen ist, als das Landgericht ohne erkennbare Prüfung von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 Satz 1 StGB) abgesehen hat. Daher musste der Senat auch nicht der Frage nachgehen, ob – wofür viel spricht – die hier erfolgte Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG entgegen bindender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 – 3 StR 193/13 mwN) eine Anordnung der Unterbringung im Rahmen der Sollregelung des § 64 Satz 1 StGB entbehrlich machen kann (vgl. Basdorf/Schneider/König in Festschrift Rissingvan Saan, 2011, S. 59, 61 f. mwN).
Sander Dölp König
Berger Bellay

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 267 Urkundenfälschung


(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch i

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 35 Zurückstellung der Strafvollstreckung


(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so k

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,
3.
durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet oder
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht.

(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer die Urkundenfälschung als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 78/16
vom
16. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2016:160316B5STR78.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2016 beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. September 2015, soweit es sie betrifft , im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafenbildung sowie über die Kosten des Rechtsmittels nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen unter Aufhebung des Gesamtstrafenbeschlusses des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. April 2015 und unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 17. November 2014 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung der Angeklagten nach § 64 StGB angeordnet. Die hiergegen gerichtete , auf die Sachrüge gestützte und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Angeklagten hat in Bezug auf die Gesamtstrafenbildung Erfolg.
2
Die Gesamtfreiheitsstrafe kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat nach Auflösung des Gesamtstrafenbeschlusses des Amtsgerichts Tiergarten nicht auch die drei Einzelgeldstrafen von jeweils 40 Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 17. Dezember 2014 (Tatzeiten: 10. und 22. Juli sowie 2. August 2014) in die hier zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen. Dies war rechtsfehlerhaft, da die aus diesen Einzelgeldstrafen gebildete Gesamtstrafe noch nicht vollstreckt war. Die drei der Verurteilung vom 17. Dezember 2014 zugrunde liegenden Taten sind – wie die hier abgeurteilten vier Betäubungsmittelstraftaten – sämtlich auch vor der früheren Verurteilung durch das Amtsgericht Tiergarten vom 17. November 2014 begangen worden. Diese frühere Verurteilung bildete mithin keine einer Gesamtstrafenbildung entgegenstehende Zäsur.
3
Über die Bildung der Gesamtstrafe muss deshalb neu entschieden werden. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch gemacht. Er weist vorsorglich darauf hin, dass für die Frage der Erledigung der einzubeziehenden Strafen der Zeitpunkt des angefochtenen tatgerichtlichen Urteils maßgebend bleibt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. August 2001 – 5 StR 291/01, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 2; vom 13. November 2007 – 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72; vom 31. Januar 2012 – 3 StR 428/11).
Sander Schneider Dölp
Berger Feilcke

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.

(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder
2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
und im übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 für den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten erfüllt sind.

(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.

(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.

(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn

1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder
2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.

(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 193/13
vom
11. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 11. Juli
2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Februar 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt sowie eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bestimmt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld-, Straf- und Maßregelausspruch nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
Das Urteil hat indes keinen Bestand, soweit das Landgericht die Prüfung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen hat, obwohl dies nach den Urteilsfeststellungen veranlasst war. Danach konsumierte der Angeklagte, der schon früher Marihuana und Speed zu sich genommen hatte, im Zeitraum vor der verfahrensgegenständlichen Tat täglich ungefähr 1,5 g Kokain sowie zwei Joints am Abend. Er beging die mit zwei Mittätern ausgeführte Tat - durch Drohung mit einer (ungeladenen) Schusswaffe erzwungene Herausgabe von zuvor bestellten 1,5 kg Marihuana -, um mit dem auf ihn entfallenden Beuteanteil Schulden, die vornehmlich aus Betäubungsmittelgeschäften herrührten, zu tilgen.
4
Dies legt nahe, dass die Tat auf einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von berauschenden Mitteln zurückzuführen ist. Das Landgericht hätte daher prüfen müssen, ob die (weiteren) Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Der Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs steht insbesondere nicht von vornherein entgegen, dass die erlangten Betäubungsmittel nicht unmittelbar dem Eigenkonsum dienen, sondern mit dem Erlös aus deren Verkauf Schulden aus dem eigenen Drogenkonsum zurückgeführt werden sollten (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2008 - 3 StR 38/08, StV 2008, 405, 406).
5
Die angezeigte Prüfung war auch nicht dadurch entbehrlich, dass das Landgericht bereits im Urteil seine Zustimmung gemäß § 35 BtMG erklärt hat. Denn die Unterbringung nach § 64 StGB geht - auch nach dessen Neufas- sung - der Zurückstellung der Strafvollstreckung vor (BGH aaO; BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 - 3 StR 201/12, NStZ-RR 2012, 314).
6
Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch den Tatrichter auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362).
7
Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte. Becker Pfister Hubert Schäfer Spaniol

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.