Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2018 - 5 StR 60/18

bei uns veröffentlicht am21.03.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 60/18
vom
21. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
ECLI:DE:BGH:2018:210318B5STR60.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 26. Oktober 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltrei- bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung eines gefährlichen Gegenstandes“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Ferner hat es festgestellt, dass die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Be- schlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweist sich, dass das Landgericht keine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB getroffen hat. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt: „Die Unterbringung nach § 64 StGB geht einer etwaigen Maß- nahme nach § 35 BtMG vor. Hieran hat sich durch die Neufassung des § 64 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBI. l, S. 1327) grundsätzlich nichts geändert. Zwar ist die Maßregel nach der Neufassung der Vorschrift nicht mehr zwingend anzuordnen. Das Gericht muss jedoch das ihm nunmehr in § 64 Satz 1 StGB eingeräumte Ermessen auch tatsächlich ausüben und dies in den Urteilsgründen kenntlich machen. Daran fehlt es hier.“
3
Diesen Ausführungen, die an die ständige Rechtsprechung anknüpfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. November 2007 – 3 StR 452/07, NStZ-RR 2008, 73 f.; vom 10. März 2010 – 2 StR 34/10, StV 2010, 678; vom 22. Februar 2011 – 4 StR 5/11, und vom 5. April 2016 – 3 StR 554/15, NStZ-RR 2016, 209, 210; zweifelnd zum Vorrang der Maßregel vor einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG: BGH, Beschluss vom 8. Juni 2016 – 5 StR 170/16, StraFo 2016, 431), verschließt sich der Senat nicht.
4
Über die Maßregelanordnung ist daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Satz 2 StPO) neu zu entscheiden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht. Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht vom Rechtsmittelangriff nicht ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 364).
5
Der Senat kann ausschließen, dass das Tatgericht bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
6
2. Im Übrigen bemerkt der Senat: Die Nichteinbeziehung einer an sich gesamtstrafenfähigen Geldstrafe nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB bedarf zwar einer Begründung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2016 – 1 StR 358/16, StraFo 2017, 72). Die getroffene Entscheidung beschwert den Angeklagten aber nicht.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2018 - 5 StR 60/18 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 35 Zurückstellung der Strafvollstreckung


(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so k

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.

(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder
2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
und im übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 für den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten erfüllt sind.

(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.

(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.

(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn

1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder
2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.

(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 5/11
vom
22. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 29. Oktober 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 11 Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 3 Fällen, diese jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln begangen", zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt; ferner hat es eine Verfallsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweist sich, dass das Landgericht keine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB getroffen hat. Die von der Strafkammer angekündigte Zustimmung zur Zurückstellung der Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 35 BtMG ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn die Unterbringung nach § 64 StGB geht dieser dem Vollstreckungsverfahren vorbehaltenen Maßnahme vor; von der Anordnung der Unterbringung darf daher nicht abgesehen werden, weil eine Entscheidung nach § 35 BtMG ins Auge gefasst ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2010 - 2 StR 34/10 m.w.N.). Hieran hat sich durch die Neufassung des § 64 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327) grundsätzlich nichts geändert (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 64 Rn. 26). Zwar ist die Maßregel nach der Neufassung der Vorschrift nicht mehr zwingend anzuordnen. Das Gericht muss jedoch das ihm nunmehr in § 64 Satz 1 StGB eingeräumte Ermessen auch tatsächlich ausüben und dies in den Urteilsgründen kenntlich machen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. November 2007 - 3 StR 452/07, NStZ-RR 2008, 73 f., und vom 9. September 2008 - 3 StR 337/08). Daran fehlt es hier.
3
Es kommt hinzu, dass die Strafkammer selbst ausführt, in der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten liege jedenfalls eine Ursache für die abgeurteilten Taten; diese hätten auch dazu gedient, den Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten zu finanzieren beziehungsweise seinen eigenen Bedarf an Rauschgift zu decken (UA 12). Damit hat das Landgericht in der Sache den Hang des Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ebenso bejaht wie den symptomatischen Zusammenhang zwischen seiner Abhängigkeit und den begangenen Straftaten. Dass die weiteren Voraussetzun- gen des § 64 StGB (Gefährlichkeitsprognose; Erfolgsaussicht) nicht erfüllt sind, kann dem Urteil auch in seinem Gesamtzusammenhang nicht entnommen werden.
4
Der Umstand, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362 f.). Über die Maßregelanordnung ist daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Satz 2 StPO) neu zu entscheiden.
5
2. Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Strafen erkannt hätte. Der gesamte Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 554/15
vom
5. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:050416B3STR554.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 5. April 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 29. Juli 2015 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe verurteilt worden ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
c) soweit die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln jeweils in nicht geringer Menge (Fall II. 1. der Urteilsgründe), Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 2. der Urteilsgründe) sowie Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 3. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hat es abgesehen. Die Revision des Angeklagten wendet sich mit verfahrens - und materiellrechtlichen Beanstandungen gegen die Verurteilung. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es entsprechend den zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand; denn die Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittel als (Mit-)Täter in die Bundesrepublik Deutschland einführte.
3
a) Nach den zu diesem Fall vom Landgericht getroffenen Feststellungen bestellte die Freundin des Angeklagten einem gemeinsamen Tatplan entsprechend bei einem Händler in den Niederlanden Heroin, Amphetamin und Streckmittel. Das Rauschgift war teilweise zum gewinnbringenden Weiterverkauf , teilweise zum jeweils hälftigen Eigenkonsum durch den Angeklagten und seine Freundin bestimmt. Aufgrund einer Erkrankung seiner Freundin beabsichtigte der Angeklagte, die Betäubungsmittel in den Niederlanden abzuholen. An der Grenze wurde ihm jedoch die Weiterreise aufgrund seiner Alkoholisierung untersagt. Daher unternahm nach telefonischer Abstimmung schließlich doch seine Freundin mit einem auf den Angeklagten zugelassenen PKW die Fahrt in die Niederlande, während dieser die Heimreise antrat. Die Freundin des Angeklagten erwarb sodann in den Niederlanden die Betäubungs- und -streckmittel, konsumierte einen Teil des Heroins und des Amphetamins und verbrachte den Rest nach Deutschland. Hier wurde sie aufgrund ihres auffälligen Fahrstils von der Polizei aufgegriffen und zu einer Wache verbracht. Es gelang ihr aber, das Rauschgift zu verstecken. Nachdem sie dem Angeklagten ihren Aufenthaltsort mitgeteilt hatte, holte dieser sie ab und half ihr, die Betäubungsmittel nach Hause zu bringen.
4
b) Zwar ist es nicht erforderlich, dass der Täter der Einfuhr das Rauschgift eigenhändig ins Inland verbringt. Vielmehr kann auch derjenige, der die Betäubungsmittel nicht selbst nach Deutschland transportiert, (Mit-)Täter der Einfuhr des unmittelbar handelnden Täters sein, wenn er einen Tatbeitrag erbringt, der sich bei wertender Betrachtung nicht nur als Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der zur Tatbestandsverwirklichung führenden Tätigkeit aller Mitwirkenden darstellt, und der die Tathandlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 1992 - 3 StR 35/92, BGHSt 38, 315, 319 mwN). Wesentliche Anhaltspunkte für die Täterschaft sind dabei der Grad seines Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung , die Tatherrschaft und der Wille dazu, die in eine wertende Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 11. Juli 1991 - 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 33 mwN). Auch der im Inland aufhältige Empfänger von Betäubungsmitteln aus dem Ausland kann deshalb wegen täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln strafbar sein, wenn er sie durch Dritte über die Grenze bringen lässt und dabei mit Täterwillen die Tatbestandsverwirklichung fördernde Beiträge leistet. Hat der Empfänger hingegen keinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang und wartet er nur darauf, dass der Lieferant ihm die eingeführten Betäubungsmittel bringt, kann er sich zwar etwa wegen einer Bestellung des Rauschgifts wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar machen; die bloße Bereitschaft zur Entgegennahme der eingeführten Betäubungsmittel begründet aber weder die Stellung als Mittäter noch als Ge- hilfe der Einfuhr (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 5 Rn. 167 mwN).
5
c) Nach diesen Maßstäben ist die Wertung, der Angeklagte sei als Mittäter der Einfuhr anzusehen, rechtsfehlerhaft.
6
Der Angeklagte hatte zwar ein nicht unerhebliches Interesse an dem Erwerb der Betäubungsmittel sowie deren Transport nach Deutschland, da er diese teilweise mitverkaufen und teilweise selbst konsumieren wollte. Dies allein begründet seine (Mit-)Täterschaft an der Einfuhr der Drogen hier aber mit Blick auf den Umfang der Tatbeteiligung und die fehlende Tatherrschaft des Angeklagten nicht. Die Strafkammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass der Angeklagte einen auch nur geringen Einfluss auf den konkreten Transport der Betäubungsmittel von den Niederlanden nach Deutschland hatte. Diesen Teil der Tat führte vielmehr allein die ebenfalls mit einem erheblichen Eigeninteresse handelnde Freundin des Angeklagten aus. Dieser beteiligte sich lediglich an der Planung des Einkaufs, unternahm einen bereits an der Grenze zu den Niederlanden endenden vergeblichen Versuch, das Rauschgift zu erwerben , informierte seine Freundin hierüber und half schließlich beim Weitertransport der sich bereits in Deutschland befindenden Betäubungsmittel. Beim Erwerb des Heroins, Amphetamins und der Streckmittel in den Niederlanden war der Angeklagte ebenso wenig zugegen wie bei der sich anschließenden Rückfahrt seiner Freundin, die mit dem erworbenen Rauschgift trotz ihres Zustands selbstständig bis auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gelangte.
7
Die Sache bedarf daher insoweit neuer tatgerichtlicher Verhandlung und Entscheidung. Es ist nicht auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere, über die bisherigen Feststellungen hinausgehende Umstände festgestellt werden können, welche die Annahme rechtfertigen, der Angeklagte habe sich an der Einfuhr als (Mit-)Täter, Anstifter oder Gehilfe beteiligt.
8
d) Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln bedingt auch die Aufhebung des - für sich genommen rechtsfehlerfreien - Schuldspruchs wegen tateinheitlich verwirklichten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie der Gesamtstrafe. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, sieht der Senat davon ab, die insoweit bislang getroffenen Feststellungen auch nur teilweise bestehen zu lassen.
9
2. Die Entscheidung, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, hat ebenfalls keinen Bestand.
10
a) Die sachverständig beratene Strafkammer hat einen Hang des seit seiner Jugend Betäubungsmittel konsumierenden Angeklagten im Sinne des § 64 Satz 1 StGB bejaht, jedoch eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht einer Maßnahme nach § 64 Satz 2 StGB verneint. Zur Begründung hat sie ausgeführt , der Angeklagte habe in der Hauptverhandlung mitgeteilt, er könne sich eine Maßnahme nach § 35 BtMG vorstellen, sei jedoch zu einer Maßnahme nach § 64 StGB nicht bereit.
11
Dies trägt das Absehen von der Unterbringungsanordnung nicht. Die Unterbringung nach § 64 StGB geht der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG vor (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 - 3 StR 193/13 mwN); ein "Wahlrecht" des Angeklagten besteht insoweit nicht.
Hinzu kommt, dass das Tatgericht zu prüfen hat, ob die konkrete Aussicht besteht , dass die Bereitschaft für eine Erfolg versprechende Behandlung während der Therapie geweckt werden kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 25. April 2013 - 5 StR 104/13, NStZ-RR 2013, 239, 240 mwN). Hierzu äußern sich die Urteilsgründe nicht. Diese stellen lediglich ohne nähere Erläuterung auf den persönlichen Eindruck ab, den die Strafkammer während der Hauptverhandlung von dem Angeklagten gewonnen habe. Dies genügt nicht.
12
Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb - unter erneuter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362).
13
b) Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt den Schuldspruch in den Fällen II. 2. und 3. der Urteilsgründe unberührt. Es ist auch auszuschließen, dass das Landgericht in diesen Fällen bei Anordnung der Unterbringung mildere Einzelstrafen verhängt hätte.
Becker Schäfer Mayer Gericke Tiemann

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.

(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder
2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
und im übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 für den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten erfüllt sind.

(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.

(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.

(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn

1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder
2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.

(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 170/16
vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:080616B5STR170.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juni 2016 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 11. November 2015 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gewerbsmäßigen Betruges in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Urkundenfälschung“ in 86 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die gegen den Strafausspruch des Urteils gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachbeschwerde Erfolg.
2
1. Die Strafzumessung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
a) Das Landgericht ist im Ergebnis mit Recht von einem gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten ausgegangen (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB). Trotz Vorliegens des Regelbeispiels hätte es indessen hier prüfen müssen, ob von der Indizwirkung abzugehen und der Normalstrafrahmen zugrunde zu legen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 – 5 StR 536/08, StV 2009, 244, 245; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1143 mwN). Im Hinblick auf gewichtige Strafmilderungsgründe (insbesondere umfassendes, von Reue auch gegenüber seinen Mittätern geprägtes Geständnis, Begehung zur Finanzierung einer Drogen - und Spielsucht, Stabilisierung der Lebensverhältnisse nach Therapie, Drogenfreiheit seit mehreren Monaten, vergleichsweise langer Zeitraum zwischen Taten und Urteil) hätte die Verneinung der Indizwirkung nämlich nicht fern gelegen. Die deswegen angezeigte Gesamtwürdigung hat das Landgericht nicht vorgenommen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass es bei zutreffendem Vorgehen unter Anwendung des Normalstrafrahmens zu geringeren Einzelfreiheitsstrafen gelangt wäre.
4
b) Die Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafen entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Insoweit ist ergänzend auf Folgendes hinzuweisen :
5
Nach den landgerichtlichen Feststellungen wurde der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 21. November 2013 zu einer (wohl: Gesamt-)Freiheitsstrafe von neun Monaten und mit Urteil des Amtsgerichts Pirna vom 18. Dezember 2013 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Mit Beschluss vom 20. April 2015 bildete das Amtsgericht Pirna aus diesen Strafen eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Die Ausführungen des Landgerichts zum Haftverlauf und zu den Therapiebemühungen des Angeklagten (UA S. 5 f.) sprechen dafür, dass die Gesamtfreiheitsstrafe im Zeitpunkt der Verurteilung noch nicht erledigt war. Weil der Angeklagte alle verfahrensgegenständlichen und auch die mit den genannten Urteilen abgeurteilten Straftaten vor dem 21. November 2013 begangen hat, weswegen das Urteil von diesem Tag nicht etwa eine Zäsurwirkung entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2016 – 5 StR 78/16 mwN; missverständlich Fischer, StGB, 63. Aufl., § 55 Rn. 11), hätte das Landgericht gegebe- nenfalls prüfen müssen, ob – unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Beschluss des Amtsgerichts Pirna vom 20. April 2015 – aus den mit diesen Urteilen verhängten (Einzel-)Strafen und den Einzelfreiheitsstrafen für die verfahrensgegenständlichen Taten gemäß § 55 StGB eine nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden ist. Dies wird das neue Tatgericht nachzuholen haben, wobei insoweit der Vollstreckungsstand im Zeitpunkt des Erlasses des Ersturteils maßgebend ist (st. Rspr., vgl. etwa BGH, aaO Rn. 3 mwN).
6
Da lediglich Wertungsfehler vorliegen, können die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten werden. Das Landgericht kann weitere Feststellungen treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
7
2. Der Angeklagte hat die Revision nachträglich auf den Strafausspruch beschränkt, weswegen der Rechtsfolgenausspruch insoweit in Rechtskraft erwachsen ist, als das Landgericht ohne erkennbare Prüfung von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 Satz 1 StGB) abgesehen hat. Daher musste der Senat auch nicht der Frage nachgehen, ob – wofür viel spricht – die hier erfolgte Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG entgegen bindender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 – 3 StR 193/13 mwN) eine Anordnung der Unterbringung im Rahmen der Sollregelung des § 64 Satz 1 StGB entbehrlich machen kann (vgl. Basdorf/Schneider/König in Festschrift Rissingvan Saan, 2011, S. 59, 61 f. mwN).
Sander Dölp König
Berger Bellay

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 358/16
vom
7. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubs u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:071216B1STR358.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 7. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 7. März 2016 aufgehoben, soweit von der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen worden ist. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Von der Bildung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der Geldstrafen aus einem Urteil und einem Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt hat es gemäß § 55 Abs. 1 StGB i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB abgesehen. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat lediglich in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die erhobenen Verfahrensbeanstandungen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.
3
2. Zum Schuldspruch, zum Ausspruch über die für die verfahrensgegenständliche Tat verhängte Einzelfreiheitsstrafe und zur Anordnung der Sicherungsverwahrung hat die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4
Soweit das Landgericht hinsichtlich der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 12. März 2015 von der Bildung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen hat, ist das Urteil ebenfalls rechtsfehlerfrei. Denn die Voraussetzungen für die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe sind für diese Strafe nicht gegeben. Ihr liegt eine am 2. Januar 2015 begangene Betäubungsmittelstraftat zugrunde, die mit der Freiheitsstrafe für die am 10. April 2013 verübte verfahrensgegenständliche Tat nicht gesamtstrafenfähig ist, weil ein Berufungsurteil des Landgerichts Stuttgart vom 22. Januar 2014 Zäsurwirkung entfaltet. Die Zäsurwirkung einer auf Geldstrafe lautenden unerledigten Vorverurteilung entfällt nicht, wenn in der neuen oder einer früheren Gesamtstrafenentscheidung gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von der Einbeziehung abgesehen wurde (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 12. August 1998 – 3 StR 537/97, BGHSt 44, 179, 184; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 55 Rn. 9a).
5
3. Soweit das Landgericht die Bildung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB mit den Einzelgeldstrafen, die der Gesamtgeldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 12. August 2013 zugrunde lagen, nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB abgelehnt hat, hält das Urteil rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Sache ist daher zu neu- er rechtsfehlerfreier Ermessensausübung an das Landgericht zurückzuverweisen.
6
a) Ob beim Zusammentreffen einer Einzelfreiheitsstrafe mit Einzelgeldstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird oder eine Geldstrafe oder Gesamtgeldstrafe selbstständig neben der Freiheitsstrafe ausgesprochen wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 1989 – 1 StR 730/88, BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung 1; Beschluss vom 3. Dezember 2007 – 5 StR 504/07, NStZ 2009, 27). Dabei hat das Gericht unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungserwägungen zu prüfen, ob eher eine längere Gesamtfreiheitsstrafe oder eine kürzere Freiheitsstrafe neben einer Geldstrafe den Strafzwecken entspricht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2014 – 4 StR 486/14, NStZ 2015, 334 und vom 11. Juni 2002 – 1 StR 142/02, NStZ-RR 2002, 264; SSW-Eschelbach, StGB, 3. Aufl., § 53 Rn. 14). Aus Wortlaut und Systematik des § 53 Abs. 2 StGB ergibt sich, dass die selbstständige Verhängung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe die Ausnahme bildet (vgl. SSW-Eschelbach aaO Rn. 13); sie bedarf daher – anders als der Regelfall der Gesamtstrafenbildung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2010 – 1 StR 484/10, wistra 2011, 19) – regelmäßig besonderer Begründung (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 53 Rn. 5 mwN).
7
b) Die Erwägungen des Landgerichts im Rahmen der Ermessensausübung zu §§ 55, 53 Abs. 2 Satz 2 StGB halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
Das Landgericht geht bereits von einem falschen rechtlichen Ausgangspunkt aus, indem es die im Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 12. März 2015 verhängte Geldstrafe für einbeziehungsfähig hält, obwohl insoweit im Hinblick auf eine Zäsur die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB für eine Gesamtstrafenbildung nicht gegeben sind. Im Hinblick auf alle rechtskräftigen Geldstrafen aus früheren Verurteilungen hält es zudem für angemessen , deshalb eine (Gesamt-)Geldstrafe neben der Freiheitsstrafe von acht Jahren gesondert zu belassen, weil in den mit Geldstrafe geahndeten Verfehlungen , die jeweils während der Strafhaft begangen wurden, die fehlende Bereitschaft des Angeklagten zum Ausdruck komme, sich an Regeln zu halten oder die Ehre anderer Personen zu respektieren (UA S. 45 f.). Hierbei übersieht das Landgericht, dass auch die verfahrensgegenständliche Tat während der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) und damit ebenfalls während einer Verwahrung des Angeklagten in einer Anstalt aufgrund strafgerichtlicher Anordnung begangen worden ist. Das Ziel, den Angeklagten – gegen den es neben der Verhängung einer Freiheitsstrafe von acht Jahren auch noch die Sicherungsverwahrung angeordnet hat – auch am Vermögen zu strafen, verfolgt das Landgericht im Rahmen seiner Ermessensausübung ersichtlich nicht. Vielmehr führt es an, dass für die nicht einbezogenen Geldstrafen die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen (§ 43 StGB) geplant sei (UA S. 22). Im Ergebnis geht das Landgericht, indem es die Bildung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe (§ 55 StGB) ablehnt, davon aus, dass sich durch die Nichteinbeziehung der Geldstrafen in eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB die Gesamtverbüßungsdauer gegenüber einer nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe erhöht, weil die Geldstrafen nicht eingebracht werden können. Eine nachvollziehbare, unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungserwägungen an den Strafzwecken ausgerichtete Begründung der Ermessensentscheidung, unter Anwendung von § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von der Bildung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe abzusehen , liegt darin nicht. Der Senat kann angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls nicht ausschließen, dass der Angeklagte hierdurch ausnahmsweise beschwert ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2014 – 4 StR 486/14, wistra 2015, 187). Die Sache ist daher zu neuer Ermessensausübung , ob gemäß §§ 55, 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung der bereits rechtskräftigen Einzelgeldstrafen abgesehen wird, an das Landgericht zurückzuverweisen.
9
c) Das Verschlechterungsverbot steht dem hier nicht entgegen.
10
aa) Allerdings kann im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO die Entscheidung des Tatrichters, gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB eine Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe gesondert zu belassen, grundsätzlich nicht mehr korrigiert werden, wenn – wie hier – nur der Angeklagte Rechtsmittel eingelegt hat. Denn die Freiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe als das schwerere Übel anzusehen. Durch die mit einer Erhöhung der Freiheitsstrafe verbundene Einbeziehung einer Geldstrafe erleidet ein Angeklagter regelmäßig gegenüber dem Rechtszustand im Zeitpunkt des ersten Urteils eine Verschlechterung (BGH, Beschluss vom 11. Februar 1988 – 4 StR 516/87, BGHSt 35, 208, 212; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 22. März 1995 – 2 StR 700/94; vom 6. Dezember 1989 – 3 StR 310/89, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Geldstrafe 3 und vom 4. August 1976 – 2 StR 420/76 bei Holtz MDR 1977, 109; KG, Beschluss vom 22. August 2002, NStZ 2003, 207).
11
bb) Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles, in denen bereits zum Urteilszeitpunkt die Vollstreckung der nicht einbezogenen Geldstrafen als Ersatzfreiheitsstrafen (§ 43 StGB) geplant ist (zu den Möglichkeiten, im Rahmen der Strafvollstreckung von der Vollstreckung einer Geldstrafe oder Ersatzfreiheitsstrafe abzusehen, vgl. §§ 459d, 459f StPO), verstieße indes die nachträgliche Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der Einzelgeldstrafen gemäß § 55 Abs. 1 StGB ausnahmsweise nicht gegen das Ver- schlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO. Der Senat ist daher nicht gehindert , das Urteil aufzuheben, soweit das Landgericht gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen hat, und die Sache zu neuer rechtsfehlerfreier Ausübung des Ermessens an das Landgericht zurückzuverweisen.
12
cc) Die Feststellungen haben Bestand; sie sind von dem hier allein vorliegenden Rechtsfehler bei der Ermessensausübung nicht betroffen. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Raum Graf Jäger Radtke Fischer