Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2013 - 5 StR 104/13

published on 25/04/2013 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2013 - 5 StR 104/13
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
5 StR 104/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. April 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer Brandstiftung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2013

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. November 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. Insoweit wird die weitergehende Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz unter Einbeziehung von Geldstrafen aus zwei amtsrichterlichen Straferkenntnissen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, der die Nichtanordnung der Maßregeln nach §§ 63 und 64 StGB von seinem Revisionsangriff ausnimmt. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
2
1. Die Schuldfähigkeitsprüfung des Landgerichts hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
3
a) Nach den durch die sachverständig beratene Strafkammer getroffenen Feststellungen litt der Angeklagte seit Jahren an einem drogeninduzierten paranoiden Zustandsbild (ICD 10: F 22.0), aufgrund dessen er aggressiv gestimmte Wahnideen namentlich gegenüber dem Zeugen D. entwickelte und sich von diesem verfolgt sowie bedroht fühlte. Er war zumindest zur Tatzeit und zuvor der – haltlosen – Auffassung, D. habe mit Mittätern zahlreiche junge Frauen, unter anderem auch Bekannte des Angeklagten, unter Drogen gesetzt, vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen. Nach der durch das Landgericht den Feststellungen nicht zugrunde gelegten Einlassung des Angeklagten kündigte ihm D. am Tattag an, zu einer Freundin des Angeklagten nach Stuttgart fahren zu wollen, und bedrohte diesen mit einer Pistole.
4
b) Unter solchen Vorzeichen wäre das Landgericht gehalten gewesen, sich nicht nur mit einer etwaigen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit, sondern auch mit der – gegebenenfalls ersichtlich nicht verschuldeten – Aufhebung der Unrechtseinsicht des Angeklagten aufgrund des diagnostizierten Wahnsyndroms und damit der Aufhebung der Schuldfähigkeit nach § 20 StGB zu befassen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. November 1990 – 1 StR 514/90, BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 3, BGH, Beschluss vom 24. September 1990 – 4 StR 392/90, NStZ 1991, 31, 32).
5
c) Auch die Ausführungen zur Steuerungsfähigkeit ermöglichen nicht die Nachprüfung, ob das Landgericht zu Recht nur die Voraussetzungen des § 21 StGB angenommen hat. Das gilt schon deswegen, weil das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen sowie die in den Urteilsgründen angesprochenen Vorbegutachtungen nur im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung mitgeteilt werden. Die allein wiedergegebene Erwägung des Sachverständigen , die durch den Angeklagten vor der Tat gegen D. erstatteten Strafanzeigen würden belegen, dass der Angeklagte zu „legalen Handlungsalternativen“ imstande gewesen sei, kann die Beurteilung nicht tragen. Denn nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe beruhten gerade die – offen- sichtlich unberechtigten – Strafanzeigen ihrerseits auf dem Wahnsyndrom. Dementsprechend wurden einige Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten , die falsche Verdächtigungen zum Gegenstand hatten, wegen Schuldunfähigkeit eingestellt (UA S. 3, 5, 7).
6
2. Der Rechtsfehler führt zur Urteilsaufhebung auch insoweit, als von der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) bzw. in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen worden ist. Die durch den Angeklagten hierzu vorgenommene Rechtsmittelbeschränkung ist unwirksam. Der Schuldspruch und eine mögliche Maßregelanordnung sind hier mit Rücksicht auf eine denkbare Schuldunfähigkeit des Angeklagten so eng miteinander verknüpft, dass das Unterbleiben der Maßregelanordnung nicht von der Anfechtung ausgenommen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2002 – 2 StR 335/02, BGHR StPO § 318 Maßregel 1; siehe auch BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 – 2 StR 139/11, StV 2012, 72). Entsprechendes gilt bereits im Hinblick auf § 72 StGB für die Frage der Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2009 – 2 StR 509/08, NStZ-RR 2009, 170). Das neu entscheidende Tatgericht wird deswegen namentlich eingehend darzulegen haben, ob und aus welchen Gründen der Angeklagte – auch eingedenk im angefochtenen Urteil angenommener fehlender Er- folgsaussicht einer Drogentherapie – tatsächlich dauerhaft von seiner wahnhaften Störung geheilt ist. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB wird es zu erörtern haben, ob die Aussicht besteht, dass die Therapiebereitschaft des Angeklagten geweckt werden kann (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 64 Rn. 20 mit zahlreichen Nachweisen).
7
3. Hingegen ist das äußere Tatgeschehen rechtsfehlerfrei festgestellt und daher von der Aufhebung nicht betroffen.
8
4. Sollte das neu entscheidende Tatgericht abermals zu der Auffassung gelangen, dass der Angeklagte lediglich im Zustand verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB gehandelt hat, so wird es im Rahmen der Strafzumessung zu beachten haben, dass gerade wegen der wahnbedingten Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens die Tatmodalitäten, aber auch die Rückfallgeschwindigkeit und der Bewährungsbruch nur nach dem Maß der verminderten Schuld zum Nachteil des Angeklagten herangezogen werden dürfen (zur Art der Tatausführung: st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 – 3 StR 453/11, NStZ-RR 2012, 169 mwN). Entsprechendes gilt für die im angefochtenen Urteil erörterte Warnwirkung bislang im Zusammenhang mit dem Wahnsyndrom ergriffener hoheitlicher Maßnahmen gegen den Angeklagten. Soweit dort strafschärfend ausdrücklich der 2006 erfolgte, mithin Jahre zurückliegende Freispruch wegen Schuldunfähigkeit verwertet wird, begegnet dies jedenfalls ohne Mitteilung näherer Details, etwa zum seinerzeitigen Vorstellungsbild des Angeklagten, Bedenken.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Die Berufung kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Ist dies nicht geschehen oder eine Rechtfertigung überhaupt nicht erfolgt, so gilt der ganze Inhalt des Urteils als angefochten.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.