Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2006 - 4 StR 594/05
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten u.a. wegen Mordes in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Senat hat die gegen dieses Urteil zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vom heutigen Tage verworfen. Die zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Kostenentscheidung des Urteils hat ebenfalls keinen Erfolg.
- 2
- Zwar hat das Landgericht in den Urteilsgründen zu der Kostenentscheidung lediglich ausgeführt, dass diese auf § 74 JGG beruhe. Dies gefährdet den Bestand der Kostenentscheidung jedoch entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht. Vielmehr lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere auch den Ausführungen zur Bemessung der Jugendstrafe , entnehmen, dass sich das Landgericht bewusst war, dass es gemäß § 74 JGG eine Ermessensentscheidung zu treffen hatte (vgl. BGHR JGG § 74 Kosten 2) und dass es von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Nach den zur Person, insbesondere auch zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten getroffenen Feststellungen des Landgerichts, an die der Senat gemäß § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO gebunden ist, ist die vom Landgericht getroffene Ermessensentscheidung, von der Auferlegung der Kosten und Auslagen abzusehen, nicht zu beanstanden. Sie wird der besonderen Situation des zur Tatzeit 19 Jahre alten, bisher nicht bestraften Angeklagten gerecht, der sein Studium nicht aufnehmen konnte, weil er in dieser Sache in Untersuchungshaft genommen wurde. Der Angeklagte hat nunmehr die rechtskräftige Jugendstrafe zu verbüßen und ist deshalb nicht - jedenfalls nicht in absehbarer Zeit - in der Lage, die wegen der umfangreichen Beweiserhebungen nicht unerheblichen Kosten und Auslagen des Verfahrens aus eigenen Mitteln zu begleichen, so dass die Auferlegung der Kosten und Auslagen einem Neuanfang des Angeklagten nach Verbüßung der Jugendstrafe entgegenstehen würde. Zur Unterstützung von Strafzwecken dient die Kostenentscheidung nicht. Dass Straftaten auch Kostenfolgen haben, wird dem Angeklagten, der in der Hauptverhandlung durch einen Wahlverteidiger verteidigt worden ist, im Übrigen auch dadurch klargemacht, dass er seine eigenen notwendigen Auslagen selbst tragen muss, weil diese mangels entsprechender Rechtsgrundlage der Staatskasse nicht auferlegt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2000 - 4 StR 229/00 - bei Böhm NStZ-RR 2001, 326 m.N.).
Solin-Stojanović Ernemann
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Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.
(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.
(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten der Beihilfe zum versuchten schweren Raub für schuldig befunden und ihm nach §§ 15 Abs. 1 Nr. 3, 105 Abs. 1 JGG eine Arbeitsauflage erteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt und das Verfahren beanstandet.
1. Die Sachrüge führt zur Aufhebung der Verurteilung; auf die Frage der Zulässigkeit der Verfahrensrüge kommt es daher nicht an.
a) Nach den Urteilsfeststellungen wollten die Angeklagten H. und R. unter Einsatz einer Waffe einen Drogenhändler in dessen Wohnung berauben. Sie weihten die Angeklagten G. und Re. in ihren Plan ein und ließen sich sodann von G. in dessen Auto zur Wohnung des Drogenhändlers fahren. Der Angeklagte Re. fuhr ebenfalls mit. Er wartete zusammen mit G. in des-
sen etwa 50 m vom Wohnhaus des Opfers geparkten Fahrzeug auf die Rückkehr der beiden anderen. Aufgrund der Gegenwehr des Opfers kam es nicht zur Vollendung des Raubes.
b) Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten Re. wegen Beihilfe zum versuchten schweren Raub nicht, denn es ist weder dargetan , daß er einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag erbracht, noch daß er mit Gehilfenvorsatz gehandelt hat. Zwar kann auch die bloße Anwesenheit die Tat eines anderen im Sinne aktiven Tuns fördern oder erleichtern (vgl. BGH StV 1982, 517; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 15 mit weit. Nachw.), jedoch bedarf es bei solchen Fallgestaltungen sorgfältiger und genauer Feststellungen dazu, daß und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 12, 13; BGH NStZ 1995, 490). Weder aus den Urteilsfeststellungen noch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe läßt sich entnehmen, daß der Angeklagte durch das Mitfahren zum Tatort die Haupttäter in ihrem Tatentschluß bestärkt hat. Auch daß er ihnen dadurch das Gefühl erhöhter Sicherheit vermittelt haben könnte, liegt angesichts der Tatsache, daß er in dem etwa 50 m vom Hauseingang entfernt abgestellten Fahrzeug auf deren Rückkehr wartete, fern.
2. Eine eigene Entscheidung des Senats nach § 354 Abs. 1 StPO kam nicht in Betracht.
Zwar sind weitere, zur Bejahung einer Beihilfe zum versuchten schweren Raub führende Feststellungen unter den gegebenen Umständen auch in einer neuen Verhandlung nicht zu erwarten; jedoch ist in dem Vorwurf, an einer Ka-
talogtat im Sinne des § 138 StGB beteiligt gewesen zu sein, zugleich (§ 264 StPO) der Vorwurf enthalten, die beabsichtigte Begehung des Delikts nicht angezeigt zu haben (vgl. BGHSt 36, 167, 169; BGH NStZ-RR 1998, 204). Deswegen wird der neu entscheidende Tatrichter zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte , wenn ihm die Beteiligung an dem versuchten schweren Raub nicht nachzuweisen ist, nach § 138 Abs. 1 Nr. 8 StGB strafbar gemacht hat.
Der Senat verweist die Sache nach § 354 Abs. 3 StPO an das Amtsgericht Halle - Jugendrichter - zurück, da dessen Strafgewalt ausreicht. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO ist zu beachten.
3. Durch die Urteilsaufhebung ist die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung gegenstandslos (Kleinknecht/MeyerGoßner StPO 44. Aufl. § 464 Rdn. 20).
Meyer-Goßner Maatz Athing Ernemann