Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2019 - 4 StR 489/18

published on 19/06/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2019 - 4 StR 489/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 489/18
vom
19. Juni 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:190619B4STR489.18.2

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 19. Juni 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. April 2018 wird das vorgenannte Urteil, soweit es diese beiden Angeklagten betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Strafausspruch zu Tat III.2 der Urteilsgründe und
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung hinsichtlich beider Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt. Gegen ihre Verurteilungen wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Während die Verfahrensbeanstandungen nicht ausgeführt und daher nicht in zulässiger Weise erhoben sind, haben die Rechtsmittel jeweils mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Soweit das Landgericht die Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen (Tat III.1.c der Urteilsgründe ) verurteilt hat, halten der Schuld- und der Strafausspruch rechtlicher Überprüfung stand.
3
2. Im Hinblick auf die Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen (Tat III.2 der Urteilsgründe) hat nur der Schuldspruch Bestand. Hingegen unterliegt bei beiden Angeklagten der Strafausspruch zu dieser Tat der Aufhebung, weil die Begründung, mit der das Landgericht bei der Strafrahmenwahl das Vorliegen der Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB verneint hat, rechtlicher Prüfung nicht standhält.
4
a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wurden durch die von den Angeklagten gemeinsam mit ihrem mitangeklagten Bruder verübte Tat die Geschädigten R. und W. verletzt. Ein drittes Mitglied der gegnerischen Gruppe, C. , konnte hingegen fliehen und blieb unverletzt. In der Strafzumessung hat das Landgericht ausgeführt, ein Tä- ter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a Nr. 1 StGB sei nicht zustande gekommen. Zwar hätten die Zeugen R. , W. und der weitere Geschädigte J. die Entschuldigung der Angeklagten und deren Geldzahlung angenommen , jedoch habe der Zeuge C. die Leistungen der Angeklagten nicht als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert.
5
b) Damit hat die Strafkammer an das Vorliegen des vertypten Strafmilderungsgrundes nach § 46a Nr. 1 StGB einen unzutreffenden Maßstab angelegt.
6
Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt: „Sind durch eine Straftat Rechtsgüter mehrerer Personen verletzt, muss zwar nach ständiger Rechtsprechung hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Februar 2018 – 5 StR 535/17, NStZ 2018, 276 mwN). Jedoch ist Verletzter oder Geschädigter im Sinne dieser Regelung – nur – die Person, die als direkte Folge der strafbaren Handlung oder Unterlassung einen Schaden erlitten hat. Der strafzumessungsrelevante Ausgleich, der nach § 46a StGB zu einer Milderung der Strafe führen kann, knüpft schon nach dem Wortlaut der Norm an die als Folge der Straftat entstandene Beziehung zwischen dem Täter und dem Träger des verletzten Rechtsguts an. So sind etwa auch Hinterbliebene nicht ‚Verletzte‘ im Sinne des Täter-Opfer-Ausgleichs (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 4 StR 144/18 Rn. 7). Dafür sprechen auch der Wille des Gesetzgebers , der sich begrifflich an die in § 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG enthaltene Definition angelehnt hat, sowie Sinn und Zweck der Vorschrift, die im Hinblick auf den im Einzelfall in Betracht kommenden Personenkreis zu unbestimmt zu werden drohte, würde jeder von einer Straftat nur mittelbar Betroffene vom Kreis der Verletzten erfasst (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 4 StR 144/18). Nach Maßgabe dessen kam es auf die unterbliebene Aussöhnung mit dem von der Tat nicht unmittelbar betroffenen C. nicht an.Im Hinblick auf die durch die gefährliche Körperverletzung Geschädigten hat das Landgericht die Voraussetzungen eines erfolgreichen Täter-Opfer- Ausgleichs demgegenüber als gegeben angesehen, so dass eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1 StGB möglich gewesen wäre.“
7
Dem tritt der Senat bei. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass er auf dem aufgezeigten Rechtsfehler bei der Strafrahmenwahl beruht.
8
Eine eigene Strafzumessungsentscheidung des Senats gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO kommt in dieser Konstellation nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Februar 2019 – 4 StR 2/19, juris Rn. 6; vom 18. Mai2010 – 3 StR 140/10, NStZ 2010, 714).
9
3. Die Aufhebung der Einzelstrafe für Fall III.2 der Urteilsgründe zieht bei beiden Angeklagten die Aufhebung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
10
4. Der Senat verweist die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer zurück, da ein die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründender Tatvorwurf nicht mehr besteht (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1994 – 2 StR 264/94, NJW 1994, 3304, 3305, insoweit in BGHSt 40, 251 nicht abgedruckt; Beschluss vom 15. März 2011 – 5 StR 44/11, juris Rn. 5; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 354 Rn. 42).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder2. in einem Fall, in welchem die
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen,

1.
Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen,
2.
bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen,
3.
eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen,
4.
Arbeitsleistungen zu erbringen,
5.
sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
7.
sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),
8.
den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen oder
9.
an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen.

(2) Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heilerzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen. Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so soll dies nur mit seinem Einverständnis geschehen.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.