Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 386/16
vom
21. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:210617B4STR386.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 7. April 2016 im Strafausspruch dahin geändert, dass die Einzelstrafe für die gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte auf elf Monate Freiheitsstrafe festgesetzt wird. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels sowie die im Revisionsverfahren entstandenen besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens und notwendigen Auslagen der Adhäsionskläger.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Zum Schuldspruch hat die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die vom Landgericht festgestellten Tatgeschehen zu den Trunkenheitsfahrten – Teilnahme am Straßenverkehr als Radfahrer mit Blutalkoholkonzentrationen von mindestens 2,40 bzw. 2,41 ‰ – geben dem Senat keine Veranlassung, die obergerichtliche Rechtsprechung zur absoluten Fahruntüchtigkeit bei Radfahrern (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 1986 – 4 StR 543/85, BGHSt 34, 133; BayObLGSt 1992, 22; OLG Karlsruhe, VRS 94, 109; vgl. Ernemann in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 3. Aufl., § 316 Rn. 11 mwN) einer näheren Prüfung zu unterziehen.
3
2. Hinsichtlich des Strafausspruchs führt die Revision des Angeklagten zur Herabsetzung der Einzelfreiheitsstrafe für die gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Die Strafkammer hat für diese Tat mit an sich rechtsfehlerfreien Erwägungen die Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt, hierbei aber übersehen, dass gegen den Angeklagten für die nämliche Tat mit Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 25. November 2014 auf eine Freiheitsstrafe von elf Monaten erkannt worden war. Da gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 25. November 2014 allein der Angeklagte Berufung eingelegt hatte, hätte das Landgericht das Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO beachten müssen und nicht auf eine die Dauer von elf Monaten übersteigende Freiheitsstrafe erkennen dürfen. Denn das Verbot der reformatio in peius nach § 331 Abs. 1 StPO gilt auch dann, wenn – wie hier – das Landgericht die Sache gemäß § 328 Abs. 2 StPO an eine große Strafkammer verwiesen hat, die sodann als erstinstanzliches Gericht ent- scheidet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. September 2014 – 2 StR 235/14 Rn. 9; vom 29. Oktober 2009 – 3 StR 141/09, NStZ-RR 2010, 284; vom 10. Januar 2008 – 4 StR 626/07, NStZ-RR 2008, 140; aA Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 331 Rn. 4a). Der Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2008 – 4 StR 626/07 aaO).
4
Der Senat setzt die Einzelfreiheitsstrafe entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO auf elf Monate fest. Die Gesamtstrafe wird hierdurch nicht berührt. Es ist auszuschließen , dass die Strafkammer bei Beachtung des Verschlechterungsverbots auf eine niedrigere Einzelstrafe und unter Berücksichtigung einer Einzelfreiheitsstrafe von elf Monaten auf eine mildere Gesamtstrafe erkannt hätte.
5
3. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch sein Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 331 Verbot der Verschlechterung


(1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat. (2)

Strafprozeßordnung - StPO | § 328 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Soweit die Berufung für begründet befunden wird, hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils in der Sache selbst zu erkennen. (2) Hat das Gericht des ersten Rechtszuges mit Unrecht seine Zuständigkeit angenommen, so hat das Berufungs

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat.

(2) Diese Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht entgegen.

(1) Soweit die Berufung für begründet befunden wird, hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils in der Sache selbst zu erkennen.

(2) Hat das Gericht des ersten Rechtszuges mit Unrecht seine Zuständigkeit angenommen, so hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen.

9
Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs das Verschlechterungsverbot für den Strafausspruch gemäß § 331 Abs. 1 StPO auch dann gilt, wenn - wie hier - das Berufungsgericht die Sache an eine große Strafkammer verwiesen hat, die sodann als erstinstanzliches Gericht entscheidet (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2004 - 4 StR 452/04; s.a. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2008 - 4 StR 626/07, NStZ-RR 2008, 140, 141; a.A. Meyer-Goßner, in Festschrift für Volk, 2009, S. 455, 457 ff. und ders., Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse , 2011, S. 81 ff.). Appl Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 141/09
vom
29. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. Oktober 2009 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 10. November 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Amtsgericht Osnabrück hatte den Angeklagten wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung und vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die dagegen von dem Angeklagten eingelegte Berufung hatte die 22. kleine Strafkammer des Landgerichts Osnabrück mit Urteil vom 1. Februar 2007 verworfen. Sie war davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Tatbegehung aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur und des von ihm genossenen Alkohols im Sinne des § 21 StGB erheblich eingeschränkt war. Auf die Revision des Angeklagten hatte das Oberlandesgericht Oldenburg mit Beschluss vom 4. Juni 2007 das Berufungsurteil aufgehoben, soweit darin eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben war, und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landge- richts Osnabrück zurückverwiesen; im Übrigen hatte es die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, weil das Urteil im Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten enthalte. Die sodann zuständige siebte kleine Strafkammer des Landgerichts Osnabrück hatte die Sache mit Urteil vom 17. Juli 2008 unter Aufhebung des angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils gemäß § 328 Abs. 2 StPO an die zuständige große Strafkammer des Landgerichts Osnabrück mit der Begründung verwiesen, das von ihr eingeholte psychiatrische Gutachten habe ergeben, dass der Angeklagte zur Tatzeit wegen einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB gewesen sei. Zur Behandlung der Psychose sei die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB erforderlich; zu einer Entscheidung über deren Anordnung sei die große Strafkammer berufen.
2
Diese hat von der Unterbringung des Angeklagten sowohl in einer Entziehungsanstalt als auch in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen und "zur Klarstellung" festgestellt, dass er durch das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden war. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet.
3
1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Zwar ist der Angeklagte durch das Unterbleiben einer Anordnung nach §§ 63 oder 64 StGB nicht beschwert und könnte daher insoweit das landgerichtliche Urteil nicht isoliert anfechten (vgl. BGH NStZ 2009, 261). Jedoch folgt die Beschwer des Angeklagten aus der in den Urteilstenor aufgenommenen Feststellung über seine rechtskräftige Verurteilung durch das Amtsgericht Osnabrück; denn diese Feststellung führt zur Vollstreckung der gegen den Angeklagten vom Amtsgericht verhängten Freiheitsstrafe.
4
2. Die Revision hat mit der Sachrüge Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Angeklagte nicht rechtskräftig wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
5
Die Strafkammer hat angenommen, dass sie zum Schuld- und Strafausspruch deswegen keine eigenen Feststellungen treffen dürfe, weil insoweit mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück rechtskräftig geworden sei. Zur Aufhebung dieses Urteils sei das Berufungsgericht danach nicht mehr berechtigt gewesen, weshalb das Verweisungsurteil der siebten kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück der eingetretenen Rechtskraft nicht entgegenstehe.
6
Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken; denn das Landgericht hat die Wirkungen des nicht angefochtenen und damit formell rechtskräftig gewordenen Urteils der siebten kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück nach § 328 Abs. 2 StPO verkannt und deshalb rechtsfehlerhaft keine eigenen Feststellungen zum Schuld- und Rechtsfolgenausspruch getroffen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 267 Rdn. 42 m. w. N.).
7
a) Verweist das Berufungsgericht in Fällen, in denen das zuerst mit der Sache befasste Gericht seine sachliche Zuständigkeit überschritten hat, die Sache an das zuständige Gericht, so führt dies zwangsläufig zum Fortfall des mit der Berufung angefochtenen Urteils, weil in ein und demselben Verfahren nur Raum für ein Urteil erster Instanz ist (BGHSt 21, 245, 247). Diese Grundsätze gelten über den Wortlaut des § 328 Abs. 2 StPO hinaus auch dann, wenn sich erst im Laufe des Berufungsverfahrens herausstellt, dass die Zuständigkeit des Amtsgerichts nicht besteht oder bestanden hat; maßgeblich ist die objektive Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung (Paul in KK 6. Aufl. § 328 Rdn. 13 m. w. N.; Hegmann NStZ 2000, 574, 575).
8
Dies bedeutet hier: Nach den Feststellungen der siebten kleinen Strafkammer war die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten. Für eine Entscheidung über die Anordnung dieser Maßregel sind die Amtsgerichte gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG sachlich nicht zuständig. Folglich war auch das Berufungsgericht, dessen sachliche Zuständigkeit über die des ersten Richters nicht hinausgeht (BGHSt 34, 159, 160; Paul aaO Rdn. 12 m. w. N.), an einer solchen Entscheidung gehindert und musste die Sache an die zuständige große Strafkammer verweisen. Das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Osnabrück in Gestalt des die Berufung verwerfenden Urteils der 22. kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück war durch diese Verweisungsentscheidung insgesamt aufgehoben.
9
b) Dem steht nicht entgegen, dass die siebte kleine Strafkammer in ihrem Urteil ausgeführt hat, "die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils (seien) rechtskräftig" geworden. Abgesehen davon, dass die Feststellungen einer Entscheidung - anders als die Entscheidungsformel - ohnehin nicht in Rechtskraft erwachsen können, vielmehr insoweit allenfalls eine innerprozessuale Bindungswirkung entsteht (Ernemann in FS für Meyer-Goßner S. 619, 620; Gössel in FS für Rieß S. 113, 115 ff., jeweils m. w. N.), tritt die Aufhebung des angefochtenen Urteils bereits mit der Verweisung ein; der förmliche Ausspruch der Aufhebung dient allein der Klarstellung dieser Folge, notwendig ist er nicht (BGHSt 21, 245, 247). Angesichts dessen vermag die in der oben angegebenen Formulierung möglicherweise zum Ausdruck gebrachte Absicht des Beru- fungsgerichts, die amtsgerichtliche Entscheidung nur teilweise aufzuheben, nichts an der gemäß § 328 Abs. 2 StPO eintretenden Rechtsfolge der Urteilsaufhebung in vollem Umfang zu ändern.
10
c) Gleiches gilt für den Umstand, dass das Oberlandesgericht Oldenburg die Revision des Angeklagten gegen das erste Berufungsurteil im Schuld- und Strafausspruch gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen hatte und das Urteil des Amtsgerichts damit insoweit rechtskräftig geworden war (Kuckein in KK aaO § 349 Rdn. 35). Erwachsen aufgrund eines wirksam beschränkten Rechtsmittels einzelne Bestandteile einer Entscheidung zu einer einheitlichen Tat in Rechtskraft (sog. horizontale Teilrechtskraft), so steht dies der Berücksichtigung eines Prozesshindernisses - hier der fehlenden sachlichen Zuständigkeit - in einer späteren Entscheidung auch hinsichtlich der bereits rechtskräftig gewordenen Entscheidungsbestandteile nicht entgegen (BGHSt 8, 269; 11, 393, 394; 13, 128; 15, 203, 207; 21, 242, 243; Meyer-Goßner aaO Einl. Rdn. 151 m. w. N.). Die Rechtsmittelbeschränkung ist wegen des Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung unbeachtlich, das Rechtsmittel als unbeschränkt eingelegt anzusehen (BGHSt 34, 159, 165; BGH bei Dallinger MDR 1956, 146; OLG Hamm JMBl NW 1990, 91).
11
Der Senat kann offen lassen, ob die selben Grundsätze auch in der hier gegebenen Konstellation gelten, dass die Teilrechtskraft nicht auf einer Rechtsmittelbeschränkung, sondern auf einer nur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils durch die Entscheidung des Revisionsgerichts beruht. Dagegen könnte grundsätzlich sprechen, dass sich die aus § 358 Abs. 1 StPO folgende Bindung des Tatrichters an die Rechtsansicht des Revisionsgerichts in der Regel auch auf Vorfragen wie das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen erstreckt. Diese könnte das Oberlandesgericht Oldenburg hier, indem es die vorangegangene Verurteilung sachlich-rechtlich geprüft hatte, inzident bejaht haben (Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 358 Rdn. 4; Kuckein aaO § 358 Rdn. 7; Meyer-Goßner aaO § 358 Rdn. 4; aA Wohlers in SK-StPO § 358 Rdn. 9). Demgegenüber ist im vorliegenden Fall aber auch zu beachten, dass die 22. kleine Strafkammer des Landgerichts Osnabrück in ihrem Urteil vom 1. Februar 2007 positiv festgestellt hatte, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei im Tatzeitpunkt aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur in Verbindung mit dem genossenen Alkohol erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB gewesen. Damit ist jedoch eine der Voraussetzungen für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB belegt, deren Anordnung nach Zurückverweisung der Sache das Verschlechterungsverbot nicht entgegensteht (§ 331 Abs. 2, § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Dies könnte es fraglich erscheinen lassen, ob das Oberlandesgericht Oldenburg (jedenfalls auch) die Prozessvoraussetzung der sachlichen Zuständigkeit (inzident) bindend feststellen konnte.
12
Selbst wenn die siebte kleine Strafkammer des Landgerichts Osnabrück die erstinstanzliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Osnabrück aufgrund bindender Revisionsentscheidung nicht mehr hätte verneinen und die Sache nicht nach § 328 Abs. 2 StPO an die große Strafkammer hätte verweisen dürfen, hätte dieser - etwaige - Rechtsfehler indes nur zur Anfechtbarkeit des Verweisungsurteils , nicht aber zu seiner Unbeachtlichkeit geführt. Die Annahme der Nichtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung kommt nur in seltenen Ausnahmefällen dann in Betracht, wenn die Anerkennung ihrer auch nur vorläufigen Gültigkeit wegen des Ausmaßes und des Gewichts der Fehlerhaftigkeit für die Rechtsgemeinschaft geradezu unerträglich wäre, weil die Entscheidung ihrerseits dem Geist der Strafprozessordnung und wesentlichen Prinzipien der rechtsstaatlichen Ordnung krass widerspricht, und wenn eine derart schwerwiegende Fehlerhaftigkeit offenkundig ist (BGH NStZ 2009, 579, 580 m. w. N.). Für gerichtliche Zwischenentscheidungen scheidet die Bewertung als nichtig generell aus (BGH aaO).
13
Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem Verweisungsurteil - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - um eine solche Zwischenentscheidung handelt, liegen hier auch die dargelegten Voraussetzungen nicht vor, die zur Annahme seiner Nichtigkeit führen könnten. Insbesondere ist der Umstand, dass das Berufungsurteil durch die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils (möglicherweise) in dessen teilweise eingetretene Rechtskraft hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs eingreift, bei einer Urteilsaufhebung nach § 328 Abs. 2 StPO in Fällen der Teilrechtskraft infolge Rechtsmittelbeschränkung (vgl. hierzu BGHSt 34, 159, 165; BGH bei Dallinger MDR 1956, 146; Paul aaO Rdn. 14) oder Fallgestaltungen wie der vorliegenden die zwangsläufige Folge der Verweisung wegen Zuständigkeitsüberschreitung des erstinstanzlichen Gerichts und steht deshalb nicht im krassen Widerspruch zum Geist der Strafprozessordnung oder rechtsstaatlichen Prinzipien. Darüber hinaus führt hier der Eingriff in die Rechtskraft nicht zu der in anderen Konstellationen als maßgebend für die Annahme der Urteilsnichtigkeit angesehenen Gefahr eines Verstoßes gegen das Verbot der Doppelbestrafung (vgl. OLG Bremen JZ 1958, 546 f. m. Anm. Spendel; OLG Oldenburg NJW 1959, 1983 f.; beide im Ergebnis eine Urteilsnichtigkeit gleichwohl verneinend); die Wirksamkeit des Verweisungsurteils bewirkt die Aufhebung des erstinstanzlichen Erkenntnisses und beseitigt so den darin enthaltenen Schuld- und Strafausspruch.
14
War nach alldem das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück in Gestalt des die Berufung verwerfenden Urteils der 22. kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück durch das Verweisungsurteil der siebten kleinen Strafkammer wirksam aufgehoben, musste die nunmehr zur Entscheidung berufene Straf- kammer in der Sache selbst entscheiden und dabei eigene Feststellungen zum Schuld- und Rechtsfolgenausspruch treffen. Daran fehlt es.
15
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: Da nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, darf die Strafkammer - sollte sie seine Schuldfähigkeit bei Tatbegehung bejahen - wegen des Verbots der reformatio in peius nach § 331 Abs. 1, § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO keine Strafe verhängen , die über sechs Monate Freiheitsstrafe hinausgeht. Der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt - anstatt oder neben einer Strafe - steht das Verschlechterungsverbot - wie dargelegt - indessen nicht entgegen (§ 331 Abs. 2, § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).
Becker RiBGH von Lienen befindet Sost-Scheible sich in Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 626/07
vom
10. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Januar 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 16. August 2007 im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , Körperverletzung sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit dem Gebrauch eines nicht haftpflichtversicherten Fahrzeugs auf öffentlichen Wegen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr, unter Einbeziehung einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus und eine Sperrfrist von drei Jahren für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen.
2
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Der Strafausspruch und die Anordnung einer (isolierten) Sperrfrist gemäß § 69 a StGB haben keinen Bestand, weil das Landgericht gegen das Verschlechterungsverbot (§§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 StPO) verstoßen hat.
4
a) Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift zu dem Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot bei der Festsetzung der Einzelstrafen u.a. ausgeführt: "Das Landgericht hat bei der Festsetzung sämtlicher Einzelstrafen das Verschlechterungsverbot nach §§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 StPO nicht beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2004 - 4 StR 452/04). Diese Verletzung begründet einen Eingriff in eine zugunsten des Angeklagten wirkende Teilrechtskraft der oberen Bestrafungsgrenze, die als Verfahrenshindernis von Amts wegen zu beachten ist (Kuckein in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., § 358 Rdn. 23 m.w.N.).
Das Amtsgericht Naumburg - Schöffengericht - hat mit Urteil vom 17. Februar 2005 gegen den Angeklagten wegen der verfahrensgegenständlich abgeurteilten Straftaten Einzelstrafen wie folgt verhängt:
- im Fall B. I und B. II jeweils eine Freiheitsstrafe von drei Monaten (vgl. Urteil des Amtsgerichts Naumburg, Fälle II. 8 und II. 9, Bd. XI, S. 9 und 19),
- im Fall B. III eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten (vgl. Urteil des Amtsgerichts Naumburg, Fall II. 12, Bd. XI, S. 10 und 19),
- im Fall B. IV eine Freiheitsstrafe von neun Monaten (vgl. Urteil des Amtsgerichts Naumburg, Fall II. 13, Bd. XI, S. 11 und 19f.),
- im Fall B. V und B. VI jeweils eine Freiheitsstrafe von drei Monaten (vgl. Urteil des Amtsgerichts Naumburg, Fälle II. 14 und II. 15, Bd. XI, S. 12 und 19f.).
Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Halle - 10. kleine Strafkammer - mit Urteil vom 10. Januar 2006 (Bd. XII S. 25 - 37) das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache an die Große Strafkammer des Landgerichts Halle verwiesen. Die vom Angeklagten dagegen erhobene Revision wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 9. Juni 2006 (Bd. XII S. 137) nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Das Urteil des Landgerichts Halle vom 10. Januar 2006 ist seit [dem] 10. Juni 2006 (§ 34a StPO) rechtskräftig (Bd. XII S. 25).
Die im zu überprüfenden Urteil des Landgerichts ausgesprochenen Strafen in den Fällen B. I und B. II von jeweils sieben Monaten, im Fall B. III von acht Monaten, B. IV von einem Jahr sowie in den Fällen B. V und B. VI von jeweils sechs Monaten verstoßen gegen das Verschlechterungsverbot".
5
Dem tritt der Senat bei.
6
b) Auch der Anordnung einer (isolierten) Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 69 a StGB steht das Verschlechterungsverbot entgegen, denn das Amtsgericht Naumburg hat mit seinem Urteil vom 17. Februar 2005 eine solche Maßregelanordnung nicht getroffen. Zwar hat das Amtsgericht in den Gründen des vorgenannten Urteils ausgeführt, es halte die Anordnung einer Sperrfrist von fünf Jahren für erforderlich, der Tenor in der Urteilsurkunde enthält eine solche Anordnung aber nicht. Er entspricht, wie sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt (§ 274 StPO), dem verkündeten Urteil (S. 20 des Protokolls, Bd. X Bl. 178; Anlage 3 zum Protokoll, Bd. X Bl. 181).
7
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hält ebenfalls rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
Die Anordnung dieser Maßregel kommt nur bei solchen Personen in Betracht , deren Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch einen positiv festgestellten, länger andauernden und nicht nur vorübergehenden Zustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB hervorgerufen worden ist (st. Rspr., BGHSt 34, 22, 27; 42, 385 f.). Dies ist nicht rechtsfehlerfrei dargetan.
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a) Das Landgericht hat - dem Sachverständigen folgend - beim Angeklagten das Vorliegen des Merkmals des Schwachsinns im Sinne der §§ 20, 21 StGB in Form einer leichten Intelligenzminderung, eine schwere andere seelische Abartigkeit in Form einer schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD - 10: F 61.0), bestehend aus einer emotional-instabilen sowie einer dissozialen Persönlichkeitsstörung, sowie eine Alkoholabhängigkeit (ICD - 10: F 10.2) festgestellt. Mit insoweit rechtsfehlerfreien Erwägungen hat das Landgericht hinsichtlich aller Taten ausgeschlossen, dass der Angeklagte deswegen bei der Tatbegehung unfähig gewesen sein könnte, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. In den Fällen B. I, II, III und VI hat das Landgericht rechtsfehlerfrei auch eine erhebliche Verminderung der Steue- rungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB ausgeschlossen. Soweit es den Angeklagten im Fall B. IV der Urteilsgründe wegen gefährlicher Körperverletzung und im Fall B. V wegen Körperverletzung verurteilt hat, hat das Landgericht dagegen die Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht. In diesen Fällen habe bei dem Angeklagten infolge seiner kombinierten Persönlichkeitsstörung zu den jeweiligen Tatzeitpunkten eine "hohe affektive Instabilität" vorgelegen. Der Angeklagte habe sich jeweils in einer für ihn starken Belastungssituation befunden, und zwar im Fall B. IV der Urteilsgründe auf Grund der Beleidigung seiner Person durch den Geschädigten und im Fall B. V der Urteilsgründe auf Grund der aus Sicht des Angeklagten ungerechtfertigten Maßregelung seines Sohnes durch den Geschädigten. Wegen seiner nur eingeschränkten Impuls - und Affektkontrolle (UA S. 32: "Affektinkontinenz") habe der Angeklagte völlig überreagiert und zum Mittel körperlicher Gewalt gegriffen. Mit den Sachverständigen ist das Landgericht der Auffassung, dass die beim Angeklagten erheblich eingeschränkte Affekt- und Impulskontrolle insbesondere in Kombination mit seiner Intelligenzminderung wie in den Fällen B. IV und V der Urteilsgründe zu Aggressionshandlungen gegen Dritten führen könne, sobald sich der Angeklagte mit einer ähnlichen Belastungssituation konfrontiert sehe.
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b) Die bisherigen Feststellungen des Landgerichts vermögen die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zu tragen , weil ihnen eine die Unterbringung rechtfertigende Störung im Sinne eines länger andauernden "Zustands" (§ 63 StGB) nicht entnommen werden kann.
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Nach den bisherigen Feststellungen führt die beim Angeklagten diagnostizierte kombinierte Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit der leichten Intelligenzminderung vielmehr erst dann zu einer Verminderung der Schuldfähigkeit, wenn sich der Angeklagte in "einer für ihn starken Belastungssituation" befindet.
Die auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung zurückzuführende Disposition, in bestimmten Belastungssituationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erhebliche verminderter Steuerungsfähigkeit zu geraten , reicht zur Bejahung eines dauernden Zustands im Sinne des § 63 StGB nicht aus (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2004 - 4 StR 452/04 m.N.; BGHR StGB § 63 Zustand 39).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.