Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Nov. 2018 - 4 StR 268/18

bei uns veröffentlicht am08.11.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR268/18
vom
8. November 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung
ECLI:DE:BGH:2018:081118B4STR268.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. November 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 16. Februar 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO Erfolg.
2
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
3
Das Gericht gab in der Hauptverhandlung bekannt, dass bei einer bezüglich einer Beihilfe geständigen Einlassung eine Freiheitsstrafe von drei Jahren bis drei Jahre drei Monate für schuldangemessen gehalten würde. Angesichts der Dauer der bislang vollzogenen Untersuchungshaft würde eine Aufhebung des Haftbefehls erfolgen. Der Angeklagte, die Verteidigerin und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärten, dieser Verständigung zuzustimmen.
4
Erst danach belehrte die Vorsitzende den Angeklagten über den Inhalt des § 257c Abs. 4 StPO. Die Verteidigerin gab sodann eine Erklärung zur Sache ab, die vom Angeklagten als richtig bestätigt wurde.
5
2. Die Rüge ist begründet. Der von dem Angeklagten gerügte Rechtsfehler liegt vor. Denn die Vorsitzende der Strafkammer hätte den Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlags über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen. Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO über deren nur einge- schränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist (vgl. hierzu BVerfGE 133, 168, 237; BVerfG NStZ 2014, 721; BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2015 – 4 StR 595/14, NStZ 2015, 358, 359 mwN; vom 25. März 2015 – 5 StR 82/15, NStZ-RR 2015, 225 [Ls]; vom 11. Mai 2016 – 1 StR 71/16, StV 2018, 11 mwN und vom 21. März 2017 – 5 StR 73/17, NJW 2017, 1626 [Ls]).
6
Das Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Hierauf hat die Strafkammer die Verurteilung gestützt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem in Deutschland nicht vorbestraften und in Polen wohnhaften Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren, bestehen nicht.
7
3. Eines Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen (zur Rüge der Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2015 – 5 StR 255/15, BGHR StPO § 243 Abs. 4 Mitteilungspflicht 5) oder die Sachrü- ge bedarf es daher nicht.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

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Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Nov. 2018 - 4 StR 268/18 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafprozeßordnung - StPO | § 243 Gang der Hauptverhandlung


(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. (

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR595/14
vom
10. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Februar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 7. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Im Ergebnis mit Recht rügt der Angeklagte, er sei im Rahmen einer Verständigung „zu spät“ nach § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden. Die Belehrung sei erst zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die Verständigung bereits durch seine dem Einverständnis der Staatsanwaltschaft nachfolgende Zustimmung gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO formell wirksam geworden sei.
3
a) Nach dem durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesenen Vortrag der Revision gab die Vorsitzende (auf eine entsprechende Anfrage der Verteidiger ) am achten Hauptverhandlungstag bekannt, „dass nach vorläufiger Beratung der Kammer für den Fall einer geständigen Einlassung des Angeklagten eine Strafobergrenze von sieben Jahren sechs Monaten in Betracht kommen könnte.“ Die Staatsanwaltschaft stimmte demVorschlag des Gerichts noch am gleichen Tag zu. Zum Ablauf des neunten Hauptverhandlungstags wies die Sitzungsniederschrift in ihrer ursprünglichen Fassung u.a. Folgendes aus: „Es wurde festgestellt, dass die Gerichtsbesetzung identisch ist wie an den letzten Hauptverhandlungstagen. Es wurde erneut in die Beweisaufnahme eingetreten. Die Verteidiger erklären mit Zustimmung des Angeklagten ihre Zustimmung zu der von der Kammer geäußerten Strafobergrenze. Laut diktiert und genehmigt. Rechtsanwalt Dr. E. gab eine Erklärung zur Sache für den Angeklagten ab. Dieser bestätigte, dass die Angaben des Dr. E. richtig das Ge- schehen wieder(ge)geben haben.“
4
Sodann wurde nach § 258 StPO verfahren. Das Urteil wurde am darauffolgenden zehnten Hauptverhandlungstag verkündet, das Protokoll am 8. Juli 2014 fertiggestellt.
5
Am 26. September 2014 vermerkte die Vorsitzende, sie sei sich sicher, dass die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgt und lediglich deren Proto- kollierung versehentlich unterblieben sei: „Ich erinnere mich, nach dem Wieder- eintritt in die Beweisaufnahme und der Ankündigung der Zustimmung aus dem Kommentar den Inhalt der Belehrung bekannt gegeben zu haben und anschlie- ßend ausdrücklich die Zustimmungserklärung der Protokollführerin diktiert zu haben, wobei ich offenbar das Diktat der Belehrung vergaß.“ Den Vermerk leitete sie den Beteiligten mit folgendem Zusatz zu: „Ich beabsichtige das Protokoll dahingehend zu berichtigen, dass die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO er- folgt ist.“
6
Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft bestätigte den von der Vorsitzenden dargestellten Verfahrensablauf hinsichtlich der Erteilung und des Zeitpunkts der Belehrung. Die Protokollführerin erinnerte sich, dass sie sich nach der Protokollierung des Satzes „Die Verteidiger erklären mit Zustimmung des Angeklagten ihre Zustimmung …“ Gedanken zur Fassung der Belehrung machte und die Vorsitzende den Angeklagten und die Verteidiger belehrte, danach aber nichts ins Protokoll diktierte. Die Verteidiger äußerten sich nicht. Mit Beschluss der Vorsitzenden vom 8. Oktober 2014 wurde „das Hauptverhandlungsprotokoll vom 26.06.2014 … nach dem 4. Absatz durch Ergänzung wie folgt berichtigt: ‚Der Angeklagte wurde gemäß § 257c Abs. 5, Abs. 4 StGB (rich- tig: StPO) belehrt.‘“ Anschließend wurde das Urteil zugestellt und der Angeklag- te begründete seine Revision.
7
b) Die Verfahrensrüge ist zulässig; der Beschwerdeführer hat den der Rüge zugrunde liegenden Sachverhalt, insbesondere eine Erteilung der in § 257c Abs. 5 StPO vorgeschriebenen Belehrung erst nach Abgabe der noch fehlenden Zustimmung des Angeklagten, vollständig und bestimmt vorgetragen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. zum notwendigen Revisionsvortrag bei einer auf die Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO gestützten Verfahrensrüge BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 – 1 StR 302/13, wistra 2014, 322).
8
aa) Allerdings scheitert die Rüge, die Belehrung sei erst nach der Zustimmung des Angeklagten und damit zu spät erteilt worden, an der formellen Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls in seiner ursprünglichen Fassung (§ 273 Abs. 1a Satz 2, § 274 Satz 1 StPO). Der Berichtigungsbeschluss vom 8. Oktober 2014 ist unwirksam; er ist nur von der Vorsitzenden gefasst und unterzeichnet ; er muss aber, um wirksam zu werden, von beiden Urkundspersonen (§ 271 Abs. 1 Satz 1 StPO) unterschrieben werden (unstr.; vgl. nur RGSt 57, 394, 396 f.; BGH, Urteil vom 31. Mai 1951 – 3 StR 106/51, BGHSt 1, 259 f.; LR-StPO/Stuckenberg, 26. Aufl., § 271 Rn. 53; HK-StPO/Julius, 5. Aufl., § 271 Rn. 8; KK-StPO/Greger, 7. Aufl., § 271 Rn. 19; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 271 Rn. 23). Nachträgliche übereinstimmende dienstliche Erklärungen der Urkundspersonen reichen für eine Berichtigung nicht aus (BGH, Urteil vom 12. Januar 2005 – 2 StR 138/04, NStZ 2005, 281, 282); sie lassen auch die formelle Beweiskraft des Protokolls nicht entfallen (BGH, aaO, dort Rn. 4 und 7; vgl. auch BGH – Großer Senat, Beschluss vom 23. April 2007 – GSSt 1/06,BGHSt 51, 298, 317 a.E.). Hier kommt hinzu, dass die Stellungnahmen der Vorsitzenden und der Protokollführerin hinsichtlich des genauen Zeitpunkts, zu dem die Belehrung erfolgt sein soll, nicht übereinstimmen (vgl. dazu BGH – Großer Senat, aaO S. 314).
9
bb) Jedoch entnimmt der Senat der Rüge verspäteter Belehrung als notwendig miterklärt die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei (jedenfalls) nicht rechtzeitig belehrt worden. Eines weiter gehenden Vortrags hierzu bedarf es nicht; das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich aus den mit der Revisionsbegründung vorgelegten dienstlichen Erklärungen der Vorsitzenden und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft Anhaltspunkte für eine frühere und damit noch rechtzeitige Belehrung (nach „Ankündigung der Zustimmung“ des Angeklagten) ergeben.
10
c) Die Rüge der unterbliebenen (rechtzeitigen) Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO ist auch begründet.
11
aa) Der Beschwerdeführer ist vor Abgabe seiner Zustimmung zu der Verständigung entgegen § 257c Abs. 5 StPO nicht belehrt worden. Dies steht aufgrund der formellen Beweiskraft des ursprünglichen Protokolls, das keine Belehrung ausweist, fest (§ 274 Satz 1 StPO; s. dazu oben 1. b) aa). Eine Verständigung ist aber nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren , wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht nach § 257c Abs. 4 StPO belehrt worden ist. Die Belehrungspflicht verliert nicht deshalb an Bedeutung oder wird gar obsolet, weil eine Lösung des Gerichts von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO das infolge der Verständigung abgegebene Geständnis unverwertbar macht. Denn die Belehrung hat sicherzustellen, dass der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/12310, S. 15; BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168, 237; Beschluss vom 25. August 2014 – 2 BvR 2048/13, StV 2015, 73; BGH, Beschluss vom 19. August 2010 – 3 StR 226/10, StV 2011, 76; Urteil vom 7. August 2013 – 5 StR 253/13, StV 2013, 682, 683).
12
bb) Das Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich gebotenen Beruhensmaßstabs (vgl. zuletzt BVerfG, Beschlüsse vom 30. Juni 2013 – 2 BvR 85/13, StV 2013, 674, und vom 25. August 2014 – 2 BvR 2048/13, NJW 2014, 3506;nachfolgend hierzu BGH, Beschluss vom 5. November 2014 – 5 StR 253/13) kann der Senat die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen: Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt, was ihm – so das Landgericht – „im Hinblick auf seine Persönlichkeit und angesichts seines bisherigen Verhaltens im Verlauf des Verfahrens ersichtlich schwer gefallen ist.“ Auf sein Eingeständnis, er habe es für möglich gehalten, dass der Geschädigte sich in der Tatnacht in der – vonihm in Brand gesetzten – Wohnung aufgehalten habe, hat das Schwurgericht u.a. die Annahme des Tötungsvorsatzes gestützt. Der Angeklagte hätte sich möglicherweise bei ordnungsgemäßer Belehrung gegen den Tatvorwurf verteidigt. Anhaltspunkte dafür, dass ihm die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren, bestehen nicht (vgl. zu diesen Erwägungen auch BGH, Beschlüsse vom 4. Dezember 2013 – 4 StR 446/13, und vom 5. Februar 2014 – 1 StR 706/13, wistra 2014, 283).
13
2. Mit Blick auf das hier beobachtete Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Gericht bei dem Verständigungsvorschlag einen Strafrahmen, also eine Strafobergrenze und eine Strafuntergrenze, angeben muss (vgl. BGH, Urteile vom 17. Februar 2011 – 3 StR 426/10, NStZ 2011, 648, und vom 3. September 2013 – 5 StR 318/13, StV 2013, 741), entgegen der Anfrage von Rechtsanwalt P. am siebten Hauptverhandlungstag aber nicht verpflichtet ist, dem Angeklagten auch mitzuteilen, welche Strafe bei einem Schuldspruch nach „streitiger Hauptverhandlung“ in Betracht kommen könnte (BGH, Urteil vom 3. September 2013 – 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671; Beschluss vom 11. November 2014 – 3 StR 497/14).
14
Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls auch Gelegenheit haben, dem gegen die Strafzumessung gerichteten Einwand des Generalbundesanwalts, der an das in dubio pro reo anzunehmende Vorliegen eines untauglichen Ver- suchs anknüpft, Rechnung zu tragen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. Dezember 1998 – 4 StR 563/98, NStZ-RR 1999, 101, 102).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 82/15
vom
25. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. März 2015 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 21. Oktober 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen diverser Betäubungsmitteldelikte verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO Erfolg.
2
1. Dieser liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
3
Am dritten Hauptverhandlungstag teilte der Vorsitzende mit, „dass in der Sitzungspause ein Rechtsgespräch zwischen dem Verteidiger, dem Vertreter der Staatsanwaltschaft und den Mitgliedern des erkennenden Gerichts stattge- funden hat … und unter Berücksichtigung … insbesondere des angekündigten Geständnisses die Verfahrensbeteiligten Übereinstimmung dahingehend“ erzielt haben, „dass eine Gesamtfreiheitsstrafe im Mindestmaß von vier Jahren drei Monaten und im Obermaß von fünf Jahren schuldangemessen ist.“
4
Der Verteidiger und der Staatsanwalt bestätigten, „dass dies so richtig sei, und erklärten sich damit einverstanden, an diese Strafen gebunden zu sein.“
5
Erst nach nunmehr von der Strafkammer angenommener Verständigung belehrte der Vorsitzende den Angeklagten über den Inhalt des § 257c Abs. 4 StPO. Der Verteidiger gab eine Erklärung zur Sache ab, die vom Angeklagten als richtig bestätigt wurde.
6
2. Danach rügt die Revision die Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO zu Recht. Denn der Vorsitzende der Strafkammer hätte den Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlags über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen. Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO über deren nur einge- schränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist (vgl. hierzu BVerfGE 133, 168, 237; BVerfG [Kammer], NStZ 2014, 721; BGH, Beschluss vom 10. Februar 2015 – 4 StR 595/14 mwN).
7
Das Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Neben anderen Beweismitteln hat die Strafkammer vor allem hierauf die Verurteilung gestützt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren, bestehen nicht.
Sander Ri’inBGH Dr. Schneider König ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Sander
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 71/16
vom
11. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:110516B1STR71.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 11. August 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen sowie wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in acht Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat bereits mit der Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO Erfolg. Eines Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen oder die Sachrüge bedarf es daher nicht.
2
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
3
Am zweiten Hauptverhandlungstag, dem 3. Juli 2014, teilte der Vorsitzende mit, bei einer Verfahrensweise nach § 154 Abs. 2 StPO für einige der angeklagten Taten könne ein zuvor erfolgtes „Angebot der Kammer hinsichtlich der Vereinbarung einer verfahrensbeschleunigenden Regelung gemäß § 257c StPO dahingehend geändert werden, dass … der Rahmen, aus dem die Ge- samtstrafe für die verbliebenen Taten A 1 bis A 27 gegebenenfalls zu entnehmen wäre, auf sieben Jahre und sechs Monate bis acht Jahre und sechs Monate reduziert werden würde“. Zugleich gab er bekannt, dass eine Verständigung noch nicht erzielt worden sei, der Angeklagte aber bis zu seiner Vernehmung zur Sache eine abschließende Stellungnahme abgeben werde. Dies sei der letzte Zeitpunkt für die Vereinbarung, danach „sehe sich die Kammer an ihren Vorschlag nicht mehr gebunden“. Daraufhin wurde die Sitzung unterbrochen. Am nächsten Verhandlungstag fragte der Vorsitzende nach, ob der vom Gericht unterbreitete Vorschlag angenommen werde, woraufhin der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die Verteidigerin und der Angeklagte erklärten, dem am letzten Hauptverhandlungstag gemachten Vorschlag zuzustimmen.
4
Erst danach belehrte der Vorsitzende den Angeklagten über den Inhalt des § 257c Abs. 4 StPO. Die Verteidigerin gab eine Erklärung zur Sache ab, wonach die Taten A 1 – 27 in vollem Umfang eingeräumt werden, was vom Angeklagten als richtig bestätigt wurde.
5
2. a) Die Rüge ist zulässig erhoben. Der Angeklagte hat einen Sachverhalt vorgetragen, der es dem Revisionsgericht ohne weiteres ermöglicht, allein aufgrund des Revisionsvortrags zu überprüfen, ob der gerügte Rechtsfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 – 1 StR 302/13 mwN) und damit die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllt. Soweit der Generalbundesanwalt den Vortrag des den Verteidigern des Angeklagten vorab schriftlich mitgeteilten Verständigungsvorschlags des Gerichts vermisst, bedarf es dessen für die Prüfung der Frage, ob ein Rechtsfehler vorliegt, nicht.
6
b) Die Rüge ist auch begründet. Der von dem Angeklagten gerügte Rechtsfehler liegt vor. Denn der Vorsitzende der Strafkammer hätte den Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlags über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen. Eine Verständigung ist regel- mäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist (vgl. hierzu BVerfGE 133, 168, 237; BVerfG NStZ 2014, 721; BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2015 – 4 StR 595/14 mwN und vom 25.März 2015 – 5 StR 82/15).
7
Das Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Hierauf hat die Strafkammer die Verurteilung gestützt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem nicht vorbestraften und in Spanien wohnhaften Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren, bestehen nicht.
8
3. Sollte sich das neue Tatgericht erneut von der Täterschaft des Angeklagten überzeugen, wird für die Rechtsfolgenentscheidung in den Blick zu nehmen sein, dass der Vorsitzende Richter nach Eingang der Revisionsentscheidung die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft übersandte, diese von dort aber erst 14 Monate später an den Generalbundesanwalt weitergegeben wurden und der Angeklagte sich in dieser Zeit in Untersuchungshaft befand.
Raum Jäger Cirener Fischer Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 73/17
vom
21. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:210317B5STR73.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 4 StPO am 21. März 2017 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 3. November 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, mit Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Urkun- denfälschung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO Erfolg.
2
1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
3
In der Hauptverhandlung unterrichtete die Vorsitzende der Strafkammer von einem zuvor erfolgten Verständigungsgespräch sowie dem den Verfah- rensbeteiligten übermittelten Verständigungsvorschlag der Berufsrichter. Ferner gab die Vorsitzende bekannt, dass das Gericht, nunmehr einschließlich der Schöffen, an seinem Verständigungsvorschlag festhalte. Nach Belehrung über die Aussagefreiheit eines Angeklagten erklärte der Verteidiger, der Angeklagte räume die Tatvorwürfe ein. Nachdem sich dieser die Erklärung seines Verteidigers ausdrücklich zu eigen gemacht hatte und Gutachten verlesen worden waren , versicherten der Angeklagte, sein Verteidiger sowie der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft abermals, dass sie dem Verständigungsvorschlag zustimmen. Für die Zeit nach einer Sitzungsunterbrechung weist das Hauptver- handlungsprotokoll Folgendes aus: „Die Vorsitzendeholt die versehentlich unterlassene Belehrung gemäß § 257c StPO nach und weist zusätzlich klarstellend darauf hin, dass die Kammer sich nach dem bereits erfolgten Geständnis weiterhin an den zugesagten Strafrahmen gebunden fühlt. Alle Verfahrensbeteiligten halten an der Zustimmung zum Verständigungsvorschlag fest.“
4
2. Danach rügt die Revision die Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO zu Recht.
5
Der Generalbundesanwalt hat sich in seiner Antragsschrift auf die Senatsentscheidung vom 7. August 2013 (5 StR 253/13, siehe auch BVerfG, Beschluss vom 25. August 2014 – 2 BvR 2048/13) bezogen, in der es u.a. heißt: „§ 257c Abs. 5 StPO sieht vor, dass der Angeklagte vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen der nach § 257c Abs. 4 StPO möglichen Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Hiermit wollte der Gesetzgeber die Fairness des Verständigungsverfahrens sichern und zugleich die Autonomie des Angeklagten in weitem Umfang schützen. Unter anderem durch die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO soll ferner einer Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit Rechnung getragen werden, die mit der Aussicht auf eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze und der dadurch begründeten Anreiz- und Verlockungssituation einhergeht (BVerfG NJW 2013, 1058 Rn. 99; BGH, Beschlüsse vom 19. August 2010 – 3 StR 226/10, BGHR StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 1, und vom 11. April 2013 – 1 StR 563/12, StraFo 2013, 286). Mit dem Grundsatz des fai- ren Verfahrens ist eine Verständigung regelmäßig nur dann zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. Der grundlegenden Bedeutung der Belehrungspflicht für die Fairness des Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit ist nur dann Rechnung getragen, wenn der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist. Nur so ist gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, (weiterhin) Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt (BVerfG aaO, Rn. 125). Eine Heilung des Verstoßes ist nicht eingetreten. Sie hätte hier eine rechtsfehlerfreie Wiederholung des von dem Verfahrensfehler betroffenen Verfahrensabschnitts vorausgesetzt. Dafür hätte es … eines ausdrücklichen Hinweises auf den Fehler und auf die daraus folgende gänzliche Unverbindlichkeit der Zustimmung des Angeklagten bedurft sowie einer Nachholung der versäumten Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO und der erneuten Einholung einer nunmehr verbindlichen Zustimmungserklärung. Dem entspräche eine von der Verteidigung in Erwägung gezogene qualifizierte Belehrung.“
6
Der Generalbundesanwalt führt sodann weiter aus: „Diese Erwägungen müssen im Ergebnis auch hier gelten. Eine qualifizierte Belehrung des Angeklagten nach Maßgabe der vorgenannten Entscheidung ist nicht erfolgt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte wusste, dass er nunmehr wieder autonom darüber entscheiden konnte, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, Gebrauch macht (‚gänzliche Unverbindlichkeit der Zustimmung‘), bestehen nicht.
Das Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat wird die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen können. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt.“
7
Dem schließt sich der Senat an.

Sander Schneider Dölp
König Berger

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2014 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge eines Verstoßes „gegen die Vorschriften zur Transparenz und Dokumentation von Verständigungsgesprächen (§§ 243 Abs. 4 Satz 2, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO)". Die Revision beanstandet, der Vorsitzende habe den Inhalt eines am letzten Verhandlungstag mit dem Ziel einer Verständigung geführten Vorgesprächs außerhalb der Hauptverhandlung nicht in einem den Anforderungen des § 243 Abs. 4 StPO genügenden Umfang mitgeteilt.

3

1. Im Wesentlichen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

4

Am 13. Verhandlungstag (11. Dezember 2014) bat der Instanzverteidiger des Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung die beiden Berufsrichter der Strafkammer und den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft um ein Gespräch im Hinblick auf eine mögliche Verständigung. Zu diesem Zeitpunkt stand nach im Wesentlichen durchgeführter Beweisaufnahme nur noch die Erstattung eines Gutachtens zur Übersetzung der Tonaufzeichnungen von überwachten Telefon- und Fahrzeuginnenraumgesprächen an, zu deren Inhalt schon Ermittlungsbeamte als Zeugen gehört worden waren. Der Angeklagte hatte sich bisher in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen und lediglich in einem nach dem neunten Verhandlungstag an die Strafkammer geschriebenen Brief vom 9. November 2014 den Tatvorwurf bestritten, als Mitglied einer Bande an der Einfuhr von jedenfalls 28,7 kg Kokain aus Südamerika zum gewinnbringenden Weiterverkauf mitgewirkt zu haben. In dem Brief hatte er sich als Opfer eines Missbrauchs durch ein gesondert verurteiltes Mitglied der Rauschgifthändlerbande dargestellt. Daraufhin hatte auf Anregung des Instanzverteidigers des Angeklagten im Anschluss an den zehnten Verhandlungstag eine Besprechung mit den Berufsrichtern und dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft stattgefunden, in der man sich ohne Verständigungsbezug über Einschätzungen der Beweislage und Aspekte der Beweiswürdigung ausgetauscht hatte. In einem hierüber von ihm angelegten Vermerk hielt der Vorsitzende fest, dass „keiner der am Gespräch Beteiligten sich hinsichtlich der Verurteilungswahrscheinlichkeit und einer Straferwartung fest(legte)“. Ebenso wie eine Übersetzung des Briefes des Angeklagten war am folgenden Fortsetzungstermin auch dieser Besprechungsvermerk verlesen worden, dessen Inhalt als zutreffende Gesprächswiedergabe vom Vertreter der Staatsanwaltschaft und vom Instanzverteidiger bestätigt wurde.

5

Auf die vom Instanzverteidiger am 13. Verhandlungstag geäußerte Bitte um ein Verständigungsvorgespräch wurde die Hauptverhandlung unterbrochen. Während in der anschließenden zwanzigminütigen Besprechung der Vertreter der Staatsanwaltschaft, der den Angeklagten nach vorläufiger Bewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht für den Kopf der Bande hielt, bei einem Geständnis eine Freiheitsstrafe im Bereich von sechs Jahren für schuldangemessen erachtete, meinte der Instanzverteidiger, dass die Strafe auch noch darunter liegen könne. Der Vorsitzende trat dieser Auffassung zunächst unter Hinweis auf eine möglicherweise gewichtiger zu bewertende Rolle des Angeklagten in dem Tatgeschehen entgegen und erklärte, dass auch eine deutlich höhere Freiheitsstrafe in Betracht käme. Soweit der Revisionsverteidiger zu den geäußerten Straferwartungen weitergehend vorgetragen hat, der Vorsitzende habe „sinngemäß" zum Ausdruck gebracht, dass der Angeklagte ohne umfassendes Geständnis eine Freiheitsstrafe im zweistelligen Bereich zu erwarten habe, hat dies keine Bestätigung gefunden. Der Vorsitzende Richter und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft haben in ihren dienstlichen Äußerungen übereinstimmend dem diesbezüglichen Revisionsvortrag widersprochen; dieser stützte sich auf eine ohnehin eher vage Erklärung des Instanzverteidigers, der an „Ablauf und Inhalt" des Vorgesprächs „im Einzelnen keine sichere Erinnerung mehr" hatte.

6

Im weiteren Verlauf der Besprechung erzielten die Gesprächsteilnehmer Einvernehmen über eine mögliche Verständigung. Hierüber fertigte der Vorsitzende einen Gesprächsvermerk folgenden Inhalts:

7

„Für den Fall eines reuevollen Geständnisses des Inhalts, dass der Angeklagte den Geldtransport organisieren sollte und dafür auch Kurierinnen hat anwerben können, so dass er sich insoweit als Mitglied einer Bande des unerlaubten Handeltreibens und der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht hat, stellt die Kammer die Verhängung einer Freiheitsstrafe im Bereich von fünf bis sieben Jahren Freiheitsstrafe in Aussicht. Insoweit haben sich Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Berufsrichter verständigt - es bedarf aber noch der Beratung mit den Schöffen und der Zustimmung des Angeklagten".

8

Nach Beendigung des Gesprächs unterrichtete der Instanzverteidiger den Angeklagten über das Ergebnis des Gesprächs. Er teilte ihm mit, dass er den vereinbarten Strafrahmen für ein gutes Ergebnis halte, und besprach mit ihm den Inhalt einer Einlassung, die den Bedingungen der Verständigung entsprechen würde. In der sodann fortgesetzten Hauptverhandlung verlas der Vorsitzende zur Unterrichtung über den Inhalt des Verständigungsvorgesprächs seinen Gesprächsvermerk, der als Anlage zu Protokoll genommen wurde. Nach der anschließenden Beratung der Strafkammer gab der Vorsitzende bekannt, dass das Gericht eine Verständigung entsprechend dem im Vermerk niedergelegten Inhalt vorschlage. Der zuvor gemäß § 257c Abs. 5 StPO belehrte Angeklagte und der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärten ihre Zustimmung. Daraufhin wurde dem im Verfahren tätigen Dolmetscher mitgeteilt, dass seine Dienste als (Sprach-)Sachverständiger nicht mehr benötigt würden, und der Angeklagte ließ sich geständig zur Sache ein; dabei ergänzte und präzisierte er auf Nachfragen der Strafkammer seine Angaben (UA S. 17). Das Verfahren endete noch am selben Hauptverhandlungstag mit Urteil.

9

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil seine Feststellung auf das Geständnis des Angeklagten gestützt, das in Einklang mit den Zeugenaussagen von vier gesondert verurteilten jeweils geständigen Tatbeteiligten stand und durch vielfältige Ergebnisse der polizeilichen Überwachung von Teilen des Tatgeschehens und dessen Vorbereitung ergänzt und bestätigt wurde (UA S. 7 f., 9, 18). Soweit darüber hinaus zwei weitere Mittäter in ihren früheren geständigen Einlassungen im Rahmen der gegen sie geführten Strafverfahren den Angeklagten überschießend belastet hatten, hat das Landgericht diesen Angaben keinen Beweiswert zugemessen, der die Glaubhaftigkeit des Geständnisses des Angeklagten in Frage gestellt hätte (UA S. 17, 19).

10

2. Die Erklärung des Vorsitzenden über das Verständigungsvorgespräch vom 11. Dezember 2014 hat die Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO verletzt.

11

Nach dieser Vorschrift muss der Vorsitzende zu Erörterungen mit den Verfahrensbeteiligten (§ 212 i.V.m. § 202a StPO), die nach Beginn, aber außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, in der Hauptverhandlung deren wesentlichen Inhalt mitteilen. Hierzu zählt zumindest, welchen Standpunkt die Gesprächsteilnehmer vertreten und wie sie sich zu den Ansichten der übrigen verhalten haben (vgl. BVerfGE 133, 168, 217 Rn. 85; BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 313; Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 5 StR 217/14, NStZ-RR 2014, 315, 316, vom 11. Februar 2015 - 1 StR 335/14, NStZ 2015, 416, und vom 25. Februar 2015 - 4 StR 470/14, NStZ 2015, 353, 354).

12

Dieser Anforderung an eine der Informationspflicht des § 243 Abs. 4 StPO genügenden Mitteilung entsprach die Erklärung des Vorsitzenden nicht, da sie lediglich das Ergebnis der Besprechung mit dem von den Gesprächsteilnehmern abgestimmten Verständigungsvorschlag wiedergab. Zum Inhalt der diesem Vorschlag vorausgegangenen Erörterung und insbesondere zu den von den Beteiligten vertretenen Standpunkten enthielt der verlesene Gesprächsvermerk keine Angaben.

13

3. Zwar führt ein Verstoß gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer gleichwohl getroffenen Verständigung und hat zur Folge, dass ein Beruhen des Urteils auf diesem Gesetzesverstoß regelmäßig schon deshalb nicht auszuschließen ist, weil die Verständigung, auf der das Urteil beruht, ihrerseits mit einem Gesetzesverstoß behaftet ist (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Nach Auffassung des Senats liegt jedoch unter den hier gegebenen Umständen ein Ausnahmefall vor, in dem ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsverstoß (§ 337 Abs. 1 StPO) sicher auszuschließen ist. Dass ein Ausschluss des Beruhens bei Verletzung der Mitteilungs- und Dokumentationspflichten in Ausnahmefällen unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Gesetzesverstoßes möglich ist, entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE aaO; BVerfG [Kammer], Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14, NJW 2015, 1235, 1237; siehe auch BGH, Urteil vom 14. April 2015 - 5 StR 20/15; Beschluss vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14, NJW 2015, 645, 646).

14

a) Bei der danach gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung fällt hier ins Gewicht, dass die Initiative für das Verständigungsvorgespräch von Seiten der Verteidigung in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgte. Damit war sowohl für die Öffentlichkeit als auch für sämtliche Verfahrensbeteiligten nicht nur das Thema des durchzuführenden Gesprächs, sondern auch der Umstand offenkundig, dass die Frage nach einer Verständigung von der Verteidigung aufgeworfen worden war. Der Weg zu der Verständigung hin war hierdurch offengelegt. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang beanstandet, dass maßgebliche - möglicherweise von einer Informationspflicht umfasste - Gründe für die Verständigung im Dunkeln geblieben seien, trägt sie selbst nicht vor, dass etwa der Instanzverteidiger in dem Vorgespräch überhaupt Ausführungen dazu gemacht hätte, was ihn zu der Anregung einer Verständigung bewogen habe. Zudem kann auch nach dem weiteren Verfahrensablauf, bei dem die Bestimmungen des § 257c StPO für ein regelhaftes Zustandekommen einer Verständigung vom Gericht eingehalten worden sind, mit Gewissheit ausgeschlossen werden, dass das Gespräch auf eine gesetzwidrige Absprache gerichtet war.

15

Gemessen an der Bandbreite möglicher Verstöße gegen die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14, aaO; Beschluss vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14, aaO) ist die Gesetzesverletzung unter dem Aspekt des Transparenzgebotes und des Gebotes des fairen Verfahrens überdies nicht als gewichtig anzusehen: Eine Unterrichtung über die Besprechung wurde nicht gänzlich unterlassen, sondern fand als solche mit Bekanntgabe ihres Ergebnisses statt. Mit dem damit verbundenen Hinweis auf eine gemeinsame Verständigung über den unterbreiteten vorläufigen, unter dem Vorbehalt abschließender Kammerberatung stehenden Vorschlag war klar, dass nicht nur die Berufsrichter, sondern auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft die von der Verteidigung aufgeworfene Frage nach einer Verständigung zustimmend beantwortet hatten. Die nicht mitgeteilten, allerdings nicht weit voneinander entfernten Sanktionsvorstellungen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft und des Instanzverteidigers lagen von vornherein innerhalb des alsbald gemeinsam mit den Berufsrichtern abgestimmten Strafrahmens. Soweit beide Gesprächsteilnehmer ihre Straferwartungen mit Zumessungsgesichtspunkten näher begründet haben sollten - was die Revision nicht vorträgt -, wäre eine Mitteilung über Einzelheiten ihrer Argumentation von der Informationspflicht des § 243 Abs. 4 StPO ohnehin nicht umfasst gewesen (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2015 - 1 StR 335/14, aaO). Nach dem mit der dienstlichen Äußerung des Vertreters der Staatsanwaltschaft übereinstimmenden Revisionsvortrag nahm der Vorsitzende erst im Anschluss an die Äußerung des Instanzverteidigers zu dessen Sanktionsvorstellung ablehnend Stellung. Von dieser Stellungnahme mag die schließlich vorgeschlagene Obergrenze der Strafe beeinflusst worden sein. Völlig fernliegend ist allerdings angesichts der Initiative des Instanzverteidigers für eine Verständigung, der unmittelbar vor ihrem Abschluss stehenden Beweisaufnahme und des nach dem zehnten Hauptverhandlungstag bereits unter den Besprechungsteilnehmern erfolgten Austauschs über Einschätzungen der Beweislage und Aspekte der Beweiswürdigung, dass der Vorsitzende mit seiner Stellungnahme auf das Zustandekommen einer Verständigung gedrängt haben und ein entsprechender Druck durch die Unvollständigkeit seiner späteren Mitteilung nicht offengelegt worden sein könnte.

16

b) Aufgrund dieser Besonderheiten kann der Senat darüber hinaus sicher ausschließen, dass das infolge der unvollständigen gerichtlichen Mitteilung sowie Dokumentation beim Angeklagten hervorgerufene Informationsdefizit dessen Selbstbelastungsfreiheit in irgendwie fassbarer Weise beeinträchtigt haben könnte und das Landgericht ohne den Rechtsfehler zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Dass sich die fehlende Information über die unterschiedlichen Straferwartungen der Gesprächsteilnehmer, die sich innerhalb des nachfolgend von ihnen abgestimmten Strafrahmens hielten, auf die Fähigkeit des Angeklagten zu autonomer Willensbildung ausgewirkt haben könnte, ist nicht erkennbar.

17

4. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO rügt, liegt bereits nach seinem Vortrag ein Rechtsfehler nicht vor. Denn das Protokoll gibt die - tatsächlich unvollständige - Mitteilung und damit den Gang der Hauptverhandlung gerade zutreffend wieder (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2015 - 5 StR 20/15; Beschlüsse vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418, und vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14, aaO).

Schneider     

Dölp     

     Berger

Bellay     

Schneider

(RiBGH Dr. Feilcke ist
wegen urlaubsbedingter
Abwesenheit an der
Unterschrift gehindert)

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.