Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juni 2017 - 4 StR 234/17
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 20. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgelehnt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Das Landgericht hat festgestellt, dass der vielfach und auch einschlägig vorbestrafte Angeklagte, der sich zur Tatzeit wegen seiner langjährigen, mehrfach erfolglos behandelten Drogenabhängigkeit in einem Substitutions- programm befand und jegliche weitere Suchttherapie ablehnt, in einem Kaufhaus zwei Dosen Haargel im Gesamtwert von etwa zehn Euro entwendete, um diese für sich zu behalten. Kurz nach Verlassen des Kaufhauses wurde er durch einen Ladendetektiv gestellt.
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- Im Rahmen der Strafzumessung wird u.a. ausgeführt, die Strafkammer sei sich angesichts der begangenen Straftat der Härte der verhängten Freiheitsstrafe bewusst. Da der Angeklagte aber jegliche Form der Therapie ablehne , es insoweit also an jeglicher Erfolgsaussicht fehle, sei er von der Begehung weiterer Straftaten nicht anders abzuhalten.
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- 2. Diese Erwägung lässt besorgen, dass das Landgericht die Schuldangemessenheit der verhängten Freiheitsstrafe aus dem Blick verloren hat.
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- a) Grundlagen der Strafzumessung sind gem. § 46 StGB der Grad der persönlichen Schuld des Täters sowie die Schwere der Tat in ihrer Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung. Unter Berücksichtigung und gegenseitiger Abwägung dieser Gesichtspunkte hat der Tatrichter innerhalb des ihm eingeräumten Spielraums die schuldangemessene Strafe zu finden, wobei er auch anderen Strafzwecken, etwa der Generalprävention und der Sicherung, Raum geben kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 4. August 1965 – 2 StR 282/65, BGHSt 20, 264, 266 f., und vom 27. Oktober 1970 – 1 StR 423/70, BGHSt 24, 132, 133 f.). Deshalb kann auch die Therapiebereitschaft des Täters für den Strafausspruch von Bedeutung sein. Eine etwa vorhandene Therapiebereitschaft kann strafmildernde Wirkung haben (BGH, Beschluss vom 3. April 2003 – 4 StR 84/03, StraFo 2003, 246). Umgekehrt darf bei fehlender Therapiebereitschaft oder Therapierbarkeit dem Sicherungsgedanken aber nicht eine derartige Bedeutung beigemessen werden, dass die notwendige Schuldangemes- senheit der Strafe aus dem Blick gerät (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1970 aaO).
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- b) Das Landgericht durfte daher bei der Bemessung der zu verhängenden Strafe nicht – wie geschehen – unter Hintanstellung des Gesichtspunkts der Schuldangemessenheit das entscheidende Gewicht dem Gedanken der Sicherung der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten des Angeklagten beilegen. Es kommt hinzu, dass die strafschärfende Wirkung des Sicherungsgedankens hier auch für sich genommen Bedenken begegnet, weil die Weigerung des Angeklagten , sich therapeutischer Hilfe zu bedienen, nicht ausschließbar gerade durch seine Grunderkrankung bedingt ist. Es ist deshalb zu besorgen, dass sich durch die Erwägung des Landgerichts die Drogenabhängigkeit des Angeklagten als Strafzumessungsgrund zu seinem Nachteil ausgewirkt hat. Dies wäre rechtsfehlerhaft (BGH, Beschluss vom 23. März 1981 – 3 StR 89/81, StV 1981, 401, Fischer, StGB, 64. Aufl., § 46 Rn. 42). Der Senat kann deshalb nicht ausschließen , dass die – angesichts der abgeurteilten Straftat erhebliche – Höhe der Strafe von diesen Erwägungen zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst worden ist.
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- Der Strafausspruch bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Dies umfasst auch die Prüfung einer möglichen erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten (§ 21 StGB).
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- 3. Die Entscheidung über die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) weist auf der Grundlage der Feststellungen keinen Rechtsfehler auf. Sie bleibt daher von der Aufhebung ausgenommen; eine erneute Entscheidung nach Zurückverweisung ist insoweit nicht mehr zu treffen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 – 4 StR 443/16, NStZ-RR 2017, 187 mwN).
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- 4. Die Sache war gem. § 354 Abs. 3 StPO an den Strafrichter zurückzuverweisen , da dessen Strafgewalt ausreicht.
Quentin Feilcke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.