Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2014 - 4 StR 230/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) soweit der Angeklagte im Fall II.4. der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde; insofern wird das weitere Verfahren eingestellt und werden die hinsichtlich dieser Tat angefallenen weiteren Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt;
b) im Ausspruch über den Verfall; diese Anordnung entfällt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im verbleibenden Umfang hat der Angeklagte die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, jeweils begangen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen sowie wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verur- teilt. Ferner hat es den Verfall von beim Angeklagten sichergestellten 1.700 € angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf verfahrens- und sachlichrechtliche Beanstandungen gerichtete Revision des Angeklagten. Diese führt zur teilweisen Einstellung des Verfahrens und zum Wegfall der Verfallanordnung. Im Übrigen hat sie keinen Erfolg.
- 2
- 1. Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Einstellung des Verfahrens, weil das Landgericht Fall II.4 der Anklage nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, diesen anschließend aber gleichwohl abgeurteilt hat.
- 3
- a) In der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift wird dem Angeklagten unter anderem zu Last gelegt, "zwischen Januar und Juli 2011 … alle 2 Monate" von J. F. 500 Gramm Marihuana erworben zu haben (Fälle 2 bis 4 der Anklageschrift). Ferner soll er im Februar/März 2011 von J. F. 500 Gramm Marihuana erhalten haben, das ihm von Je. K. vor der Wohnung des J. F. übergeben worden sei (Fall 5 der Anklageschrift).
- 4
- In der Hauptverhandlung beantragte die Staatsanwältin, "das Verfahren der zu Ziffer 4. angeklagten Tat gemäß § 154 Abs. 2 StPO einzustellen" (Sachakten Band II Bl. 55). Dem kam die Strafkammer nach; sie beschloss, dass "das Verfahren …, hinsichtlich der unter Ziffer 4 der Anklageschrift vom 9.7.2013 angeklagten Tat vorläufig eingestellt wird" (Sachakten Band II Bl. 61,
66).
- 5
- Nach den im Urteil getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte in den dort unter II.2 bis 4 aufgeführten Fällen an drei Tagen "zwischen Januar und Juli 2011 … alle zwei Monate von J. F. , in einem Fall über dessen Mittelsmann Je. K. , jeweils 500 Gramm Marihuana", die er teilweise weiterverkaufte und im Übrigen selbst konsumierte. Fall II.5 der Urteilsgründe betrifft eine andere Tat, nämlich den Ankauf von zwei Kilogramm Haschisch von D. S. .
- 6
- b) Der Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II.4 der Urteilsgründe steht die Einstellung dieser Tat nach § 154 Abs. 2 StPO entgegen. Hierin liegt ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis.
- 7
- Die vom Landgericht vorgenommene Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich "Ziffer 4 der Anklageschrift" betrifft - schon nach ihrer Bezeichnung - den letzten der drei dem Angeklagten zwischen Januar und Juli 2011 "alle zwei Monate" zur Last gelegten Ankauf von 500 Gramm Marihuana bei J. F. . Da die Strafkammer aber gleichwohl drei Ankäufe, die im unverändert gebliebenen Tatzeitraum "alle zwei Monate" stattgefunden haben, abgeurteilt hat, hat es auch den - eingestellten - letzten Fall in die Verurteilung einbezogen und damit das durch die Einstellung entstandene, aber weder durch eine ausdrückliche noch eine konkludente Wiederaufnahme dieser Tat beseitigte Verfahrenshindernis missachtet (vgl. zu einer ähnlichen Fallkonstellation auch Senat, Beschluss vom 4. Juni 2013 - 4 StR 192/13).
- 8
- Insofern wäre es zwar denkbar, dass die Strafkammer hinsichtlich eines der Anklagefälle 2, 3 oder 5 die Tatzeit nach hinten verschoben hat. Eine solche Tatzeitverschiebung hätte jedoch vorliegend nicht aufgrund eines Hinweises (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 57. Aufl., § 265 Rn. 23 mwN) erfolgen können, da eine solche nur dann ausreicht, wenn die in der Anklage beschriebene Tat unabhängig von der Tatzeit nach anderen Merkmalen individualisiert und dadurch weiterhin als einmaliges, unverwechselbares Geschehen gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - 4 StR 407/09, NStZ 2010, 346; Beschluss vom 21. August 2013 - 2 StR 311/13 jeweils mwN). Hieran fehlt es aber schon im Hinblick auf den gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Tatvorwurf.
- 9
- 2. Entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts ist im Hinblick auf den Widerspruch zwischen Urteilstenor ("Verfall") und Entscheidungsgründen (§ 73d StGB) ferner die Verfallanordnung aufzuheben (vgl. zum Verfall nach Verzicht auf die Rückgabe eines sichergestellten Geldbetrages auch BGH, Urteil vom 5. April 2000 - 2 StR 500/99 [juris Rn. 6], wistra 2000, 298).
- 10
- 3. Im Übrigen hat das Rechtsmittel des Angeklagten aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 28. Mai 2014 dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Insbesondere schließt der Senat im Hinblick auf die verbleibenden Einzelstrafen aus, dass das Landgericht ohne die im Fall II.4 verhängte Einzelstrafe von neun Monaten eine (noch) geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.
(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.