Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 173/18
vom
17. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:170718B4STR173.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 17. Juli 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 10. Januar 2018 im gesamten Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Sachbeschädigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von zwei Jahren und drei Monaten der Strafe vor der Maßregel angeordnet sowie eine Entscheidung über den Anrechnungsmaßstab für die in Litauen erlittene Auslieferungshaft getroffen. Die auf die nicht ausgeführte Rüge der Verletzung formellen Rechts sowie die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
2. Hingegen hat die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) keinen Bestand. Zwar ist das sachverständig beratene Landgericht rechtsfehlerfrei vom Vorliegen eines Hangs des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von Alkohol ausgegangen. Die Feststellungen tragen jedoch nicht die weitere Annahme des Landgerichts, dass zwischen diesem Hang und den abgeurteilten Taten – zwei von dem Angeklagten gemeinsam mit Mittätern verübten bewaffneten Raubüberfällen auf Juweliergeschäfte im Januar 2015 und im Juni 2015 – ein symptomatischer Zusammenhang bestehe.
4
a) Das Landgericht hat zur Begründung seiner Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs lediglich angeführt, dass der Angeklagte – der nach den Feststellungen vor beiden Raubüberfällen jeweils zwei bis drei kleine Fläschchen Wodka konsumiert hatte, um sich zur Tatbegehung zu ermutigen – die Taten im alkoholbedingt enthemmten Zustand begangen habe.
5
b) Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlt es an dem für eine Unterbringung nach § 64 StGB erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang des Täters und der Anlasstat, wenn der Täter sich nüchtern zur Tat entschließt und sich sodann lediglich zur Erleichterung der Tatausführung Mut antrinkt (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128; Beschluss vom 30. Juni 2016 – 3 StR 231/16, juris Rn. 5; MüKo-StGB/van Gemmeren, 3. Aufl., § 64 Rn. 45).
6
So liegt es hier. Aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt sich, dass es in beiden Fällen nicht der Alkoholgenuss war, der den Tatentschluss bei dem Angeklagten auslöste. Es handelte sich vielmehr bei beiden Raubüberfällen um Taten, die der Angeklagte und seine Mittäter bereits mehrere Tage im Voraus geplant, beschlossen und vorbereitet hatten und zu deren Begehung der Angeklagte jeweils eigens aus Litauen nach Deutschland gereist war. Dass der Angeklagte sich an beiden Tattagen Mut antrank, was zu seiner alkoholbedingten Enthemmung führte, war nur noch ein von ihm gezielt eingesetztes Mittel zur Erleichterung der Tatausführung, wie dies auch bei Tätern vorkommt, die keinen Hang im Sinne des § 64 StGB aufweisen; der symptomatische Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstat wird hierdurch jedoch nicht begründet.
7
c) Die Maßregel kann deshalb keinen Bestand haben. Da es indes nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint, dass ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten und den begangenen Raubtaten noch festgestellt wird, ist über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt erneut zu befinden. Der neue Tatrichter wird jedoch die Feststellung, der Angeklagte habe vor beiden Taten Alkohol konsumiert, um sich zur Tatbegehung zu ermutigen, als bindend zugrunde zu legen haben, da es sich hierbei um eine doppelrelevante, auch für die Schuldfähigkeitsbeurteilung bedeutsame Tatsache handelt.
8
3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass bei Vorliegen besonderer Umstände in der Person des Betroffenen – etwa bei weit gehender Sprachunkundigkeit eines ausreisepflichtigen Auslän- ders – dem Tatgericht die Möglichkeit eingeräumt ist, auch bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 64 StGB von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abzusehen (vgl. BT-Drucks. 16/5137, S. 10; BGH, Urteile vom 6. Juli 2017 – 4 StR 124/17, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 4; vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 411/07, StV 2008, 138; Beschluss vom 13. November 2007 – 3 StR 452/07, NStZ-RR 2008, 73 f.). Geben die Feststellungen Anlass zu einer solchen Prüfung, hat das Tatgericht die für seine Entscheidung maßgeblichen Umstände für das Revisionsgericht nachprüfbar im Urteil darzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2017, aaO; Beschlüsse vom 3. Februar 2016 – 4 StR 547/15, juris Rn. 8; vom 12. März 2014 – 2 StR 436/13, StV 2014, 545; vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 2).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juli 2018 - 4 StR 173/18 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

5
Indes tragen die Urteilsgründe die Hilfserwägung der Strafkammer, dass die ausgeurteilten Taten nicht auf einen Hang des Angeklagten, Alkohol oder Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren, zurückgingen. Dieser symptomatische Zusammenhang erfordert, dass die Anlasstat in dem Hang ihre Wurzel findet (BGH, Urteil vom 11. September 1990 - 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128), wobei eine Mitursächlichkeit ausreicht (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 - 3 StR 191/09, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 5). Dies ist auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen auszuschließen. Es besteht kein Anhalt, dass der jeweilige Entschluss, die Volksbank zu überfallen, (auch) auf den Heroinkonsum des Angeklagten zurückging, denn Motivation war allein, die für die ärztliche Behandlung der Ehefrau erforderlichen Geldmittel zu beschaffen. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Landgericht zudem rechtsfehlerfrei ausgeschlossen, dass sich die Einnahme von Heroin und Methadon jeweils einige Stunden vor den Taten bei deren Begehung noch auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auswirkte. Hinsichtlich des vor der Tat zu sich genommenen Alkohols war dies zwar nicht der Fall, weil der Angeklagte erst durch diesen enthemmt in der Lage war, seinen Tatplan umzusetzen. Indes hatte der Alkoholgenuss in beiden Fällen nicht den Tatentschluss bei dem Angeklagten ausgelöst; vielmehr war er umgekehrt nur ein vom Angeklagten gezielt eingesetztes Mittel, um sich - nach Planung und Vorbereitung der Taten - psychisch in die Lage zu versetzen, den Tatplan auch durchzuführen. Dies begründete den symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstat noch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 1990 - 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128; MüKoStGB/van Gemmeren, 2. Aufl., § 64 Rn. 45).

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 124/17
vom
6. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:060717U4STR124.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juli 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -, Staatsanwalt - bei der Verkündung - als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 21. November 2016 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung“ zu einer Freiheitstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass vor der Maßregel zehn Monate der Freiheitstrafe zu vollziehen sind.
2
Die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte, ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


3
1. Der auf einer Verständigung beruhenden Verurteilung liegt ein Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft in O. zu Grunde, bei dem der Angeklagte und seine beiden nicht revidierenden Mittäter absprachegemäß unter Drohung mit einer Scheinwaffe sowie unter Misshandlung und Fesselung der in dem Geschäft Beschäftigten, zum Teil nach Einschlagen einer Glasvitrine mit einem mitgebrachten Hammer, Uhren, Schmuck und andere Wertgegenstände im Gesamtwert von über 400.000 Euro erbeuteten und einen Sachschaden von etwa 13.000 Euro verursachten. Der langjährig kokainabhängige Angeklagte hoffte, mit seinem Beuteanteil Schulden aus Betäubungsmittelkäufen tilgen zu können. In der Nacht und am Morgen vor der Tat hatte er bis zu drei Gramm Kokain konsumiert, war jedoch zum Zeitpunkt der Tatbegehung voll schuldfähig.
4
2. Soweit für die Maßregelfrage relevant, hat das Landgericht im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
a) Der Angeklagte begann im Alter von 14 Jahren mit dem regelmäßigen Konsum von Marihuana und dem gelegentlichen Konsum von LSD. Von seinem 25. Lebensjahr bis zur Inhaftierung in dieser Sache konsumierte er in erheblichem Umfang Kokain, zeitweise bis zu viermal täglich Einzelmengen von zwei Gramm. Während er als Jugendlicher zur Finanzierung seines Konsums Straftaten beging, verwendete er als Erwachsener dafür zunächst den überwiegenden Teil seines Arbeitslohns; nach konsumbedingtem Verlust seiner Arbeitsfähigkeit im Jahr 2014 musste er sich bei seinen Betäubungsmittellieferanten verschulden. Der Empfehlung einer Suchtberatungsstelle, die er in seinem Heimatland Polen in den Jahren 2015 und 2016 mehrfach aufgesucht hatte, sich einer stationären Drogentherapie zu unterziehen, folgte er nicht, da er nicht für längere Zeit von seiner Familie getrennt sein wollte. Nunmehr ist er zu einer derartigen Therapie auch unter den Bedingungen des Maßregelvollzugs bereit. Der Angeklagte, der die englische Sprache fließend beherrscht, bemüht sich, in der Untersuchungshaft die deutsche Sprache zu erlernen.
6
b) Das Landgericht hat, insoweit dem medizinischen Sachverständigen folgend, bei dem Angeklagten eine Kokainabhängigkeit festgestellt und einen Hang im Sinne des § 64 StGB sowie den Symptomcharakter der verfahrensgegenständlichen Tat bejaht. Auch die nach § 64 Satz 2 StGB erforderliche hinreichend konkrete Erfolgsaussicht einer Behandlung des Angeklagten im Maßregelvollzug hat es als gegeben angesehen. Entgegen den insoweit erhobenen Bedenken des Sachverständigen sei, so die Strafkammer, von einem ernsthaften Therapiewillen des Angeklagten auszugehen. Er selbst habe mehrfach erklärt , dass er eine derartige Behandlung als einzigen Ausweg aus seiner Sucht ansehe. Seine intellektuellen Fähigkeiten zur Durchführung einer Therapie seien ausreichend, von seiner Familie sei er wegen der andauernden Inhaftierung ohnehin getrennt. Die fehlende Beherrschung der deutschen Sprache stehe der Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht nicht entgegen. Der Angeklagte habe zwar seinen Lebensmittelpunkt nicht in Deutschland. Auch seien Einrichtungen des Maßregelvollzugs mit Behandlungsmöglichkeiten in polnischer Sprache im Gerichtsbezirk nicht vorhanden. Der Angeklagte sei aber bereit und auch in der Lage, sich während der Dauer des Vorwegvollzugs ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache anzueignen. Seine Fremdsprachenkompetenz habe er in der Vergangenheit durch problemloses Erlernen der englischen Sprache im Ausland unter Beweis gestellt. Die Kommunikation mit dem Behandlungspersonal könne, wenn nötig, zunächst in dieser Sprache er- folgen. Dem ärztlichen Personal der für den Angeklagten zuständigen Einrichtungen im Bezirk gehöre im Übrigen ein englischer Muttersprachler an.

II.


7
Die ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten eingelegte und auch nur zu seinen Gunsten wirkende (vgl. BGH, Urteile vom 21. März 1979 – 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 331 f.; vom 24. Juni 2003 – 1 StR 25/03, NStZ 2004, 111; vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 411/07, StV 2008, 138 und vom 5. August 2010 – 3 StR 195/10, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 11; Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113 und vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 459/10, NStZ-RR 2011, 255) Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Maßregelanordnung beschränkt. Bedenken gegen die Trennbarkeit zwischen Strafhöhe und Maßregelanordnung bestehen hier nicht. Zwar hat die Strafkammer die angeordnete Unterbringung bei Bemessung der Strafe berücksichtigt, jedoch nur strafmildernd. Ein darin liegendes Trennbarkeitshindernis kann sich hier aber nicht auswirken, da eine Strafschärfung schon wegen der zu Gunsten des Angeklagten eingelegten Revision nicht in Betracht kommt (§ 358 Abs. 2 StPO).

III.


8
Die Anordnung der Maßregel hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
9
1. Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts, bei dem Angeklagten sei ein Hang gegeben, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und die abgeurteilte Tat habe Symptomwert für den Hang (§ 64 Satz 1 StGB). Insoweit wird die Unterbringungsanordnung von der Beschwerdeführerin , soweit ersichtlich, auch nicht angegriffen.
10
2. Es begegnet aber ferner weder unter dem Gesichtspunkt der Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) noch hinsichtlich der Ermessensausübung revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Landgericht in der fehlenden Beherrschung der deutschen Sprache keinen die Unterbringung des Angeklagten hindernden Umstand gesehen hat.
11
a) Ungeachtet von Unterschieden in der Beurteilung der Erfolgsaussichten im Einzelfall besteht nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Übereinstimmung dahin, dass es auch nach der Umgestaltung von § 64 StGB zur Soll-Vorschrift durch die Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) im Grundsatz dabei verbleiben soll, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne Weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann (vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – 5StR 255/11, StV 2012, 281, 282 und vom 12. März 2014 – 2 StR 436/13, StV 2014, 545, jeweils unter Bezugnahme auf den Bericht und die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5137, S. 10). Zwar muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen, insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm absehbar nur schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden (BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, NStZ 2009, 204, 205; vom 17. August 2011 – 5StR 255/11, StV 2012, 281 und vom 12. März 2014 – 2 StR 436/13, StV 2014, 545). Vielmehr wird bei weitgehender Sprachunkundigkeit die Annahme fehlender Erfolgsaussicht nahe liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 3 StR 513/12, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1). Denn mit der Umgestaltung von § 64 StGB zu einer Soll-Vorschrift beabsichtigte der Gesetzgeber auch die Schonung der Behandlungskapazitäten, die bis dahin durch eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von in Anbetracht des Heilungszwecks weniger geeigneten Personen blockiert wurden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 411/07, StV 2008, 138). Deshalb sollte nach der Begründung des Gesetzentwurfs ein Absehen von der Maßregelanordnung insbesondere bei ausreisepflichtigen Ausländern ermöglicht werden, bei denen infolge erheblicher sprachlicher Verständigungsprobleme eine erfolgversprechende Therapie kaum vorstellbar ist (BT-Drucks. aaO). Hingegen genügt es regelmäßig für eine erfolgversprechende Maßregelanordnung, wenn der Betreffende zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 – 3 StR 209/01, NStZ-RR 2002, 7).
12
b) Die in eine Soll-Vorschrift umgestaltete Regelung räumt dem Tatrichter zwar grundsätzlich die Möglichkeit ein, von einer Unterbringung abzusehen; § 64 StGB ist damit aber keine Ermessensvorschrift im engeren Sinne geworden (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 – 4 StR 241/10, NStZ-RR 2010, 307; ebenso Beschluss vom 11. Dezember 2007 – 4 StR 576/07; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 64 Rn. 22). Das Absehen von einer Maßregelanordnung kommt vielmehr nur in Ausnahmefällen in Betracht. Geben die Feststellungen jedoch Anlass, die Nichtanordnung der Unterbringung nach § 64 StGB etwa unter dem Gesichtspunkt der Sprachunkundigkeit des Betreffenden in Erwägung zu ziehen , hat der Tatrichter die für seine Entscheidung maßgeblichen Umstände im Urteil für das Revisionsgericht nachprüfbar darzulegen (BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 2 und vom 12. März 2014 aaO).
13
3. Diesen Maßstäben wird die angefochtene Entscheidung gerecht.
14
a) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin bieten die Feststellungen des Landgerichts keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Ausgangsbedingungen für eine Therapie des Angeklagten im Maßregelvollzug seien wegen der fehlenden Kenntnisse der deutschen Sprache sehr ungünstig und erforderten daher einen nicht zu leistenden Aufwand. Zum einen spricht der Angeklagte fließend Englisch, also eine gängige Fremdsprache. Zum anderen erweist sich die Erwartung der Strafkammer, der Angeklagte sei nicht nur willens, sondern aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten auch in der Lage, zumindest grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache während der Dauer des Vorwegvollzugs zu erwerben, vor dem Hintergrund seiner festgestellten Fremdsprachenkompetenz als hinreichend tatsachenfundiert. Soweit die Beschwerdeführerin die Erörterung weiterer Gesichtspunkte vermisst, die die organisatorische Ausgestaltung und praktische Durchführung der Maßregel betreffen, verkennt sie, dass derartige Umstände bei der Anordnung der Maßregel außer Betracht bleiben (BGH, Beschluss vom 26. November 1996 – 4 StR 538/96, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Aussichtslosigkeit 6). Es kommt hinzu, dass eine vollziehbare Ausreisepflicht des Angeklagten nicht festgestellt ist; eine Aufklärungsrüge ist insoweit nicht erhoben.
15
b) Es ist auch nicht zu besorgen, dass das Landgericht das ihm eingeräumte Ermessen verkannt hat. Zwar hat es den Umstand, dass der Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig ist, als polnischer Staatsangehöriger mit ständigem Wohnsitz im Ausland über keinerlei soziale Bindungen in Deutschland verfügt und lediglich kurzfristig mit dem ausschließlichen Ziel nach Deutschland gereist ist, hier Eigentumsdelikte zu begehen, lediglich in die Prüfung der hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB einfließen lassen. Der Senat entnimmt aber dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass sich die Strafkammer dabei des ihr eröffneten eingeschränkten Ermessensspielraums gleichwohl bewusst war und diesen Spielraum auch ausgeschöpft hat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die insoweit entscheidungserheblichen Gesichtspunkte – neben der Sprachunkundigkeit des Angeklagten auch dessen Lebensmittelpunkt im EU-Ausland – im angefochtenen Urteil getrennt von den übrigen, für die Erfolgsaussicht maßgeblichen Gesichtspunkten erörtert werden. Das Landgericht nimmt ferner ausdrücklich auf den Zweck der Gesetzesänderung aus dem Jahr 2007 Bezug und sieht, dass in Fällen ungünstiger Ausgangsbedingungen, etwa bei sprachunkundigen Ausländern , zur Entlastung des Maßregelvollzugs ausnahmsweise von der Anordnung der Unterbringung Abstand genommen werden kann.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 411/07
vom
18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München II vom 17. April 2007 dahin geändert, dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere beanstandet sie zuungunsten des Angeklagten die von der Strafkammer angenommene erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB und die damit begründete Strafrahmenverschiebung. Diese beruhe auf einem unzureichenden psychiatrischen Sachverständigengutachten. Außerdem lägen die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB nicht vor. Insoweit wirkt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zu- gunsten des Angeklagten (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO), was allerdings entgegen Nr. 147 Abs. 3 Satz 2 RiStBV nicht zum Ausdruck gebracht wurde. Das Rechtsmittel wird vom Generalbundesanwalt nur insoweit vertreten, als es sich gegen die Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt richtet. In diesem Umfang hat das Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
1. Der Angeklagte, ein italienischer Staatsangehöriger, ist seit seinem 15. Lebensjahr Haschischkonsument. Mit 18 Jahren schnupfte er daneben auch Kokain. Ab dem 19. Lebensjahr trank er auch gelegentlich Alkohol. Das Geld für den Drogenkonsum verdiente er sich durch Gelegenheitsarbeiten. Er lebte überwiegend bei seiner Adoptivmutter in Neapel. Nachdem ihn seine Adoptivmutter bei der Polizei angezeigt hatte, verbrachte er statt der Verbüßung einer an sich verwirkten Freiheitsstrafe die Zeit von November 2002 bis April 2006 in verschiedenen Therapiegemeinschaften der italienischen Drogenhilfeeinrichtung SAMAN. Anfang Mai 2006 wurde er aus dem Programm entlassen und kehrte nach Neapel zurück. Nach seiner Rückkehr stand er vor dem Nichts, da seine Adoptivmutter in der Zwischenzeit verstorben war und ihm jeglicher sozialer Empfangsraum fehlte. Er bekam Depressionen, entwickelte Ängste und trank wieder vermehrt Alkohol. Wegen seiner depressiven Verstimmungen wurde er vom 19. bis 24. Mai 2006 in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses in Neapel stationär behandelt. Nach nur fünf Tagen wurde er dort auf eigenen Wunsch entlassen. Nach seiner Entlassung begab sich der Angeklagte am 26. Mai 2006 nach München, um sich eine Arbeit als Küchenhilfe zu suchen. Er bekam in der Nähe von München eine Stelle in einer Pizzeria, wo er zur Probe arbeiten durfte. Wegen seiner langsamen Arbeitsweise und seiner Trägheit war der Betreiber der Pizzeria nicht mit seiner Arbeitsleistung zufrieden und eröffnete ihm am 29. Mai 2006 nach Auszahlung eines Arbeitsentgelts von 100 €, dass er nicht eingestellt werde.
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2. Den Vormittag des Tattages, des 29. Mai 2006, verbrachte der Angeklagte damit, Alkohol zu trinken sowie mit dem vergeblichen Versuch, bei der Post an Geld heranzukommen, das ihm seine Schwester aus Italien überweisen sollte. Eine freundliche 72 Jahre alte Postkundin bot ihm an, sich für ihn von ihrer Wohnung aus telefonisch um eine Übernachtungsmöglichkeit zu bemühen. Während die Frau telefonierte, nahm er in der Küche ihren dort abgelegten Geldbeutel an sich, in dem sich 35 € Bargeld und zwei EC-Karten befanden. Danach verhielt sich der Angeklagte zunächst weiter plan- und ziellos, trank Alkohol und spielte an Automaten.
5
Gegen 17.00 Uhr erwarb er in einem Supermarkt ein ca. 29 cm langes, vorne spitz zulaufendes Küchenmesser mit der Absicht, dieses bei einer Straftat einzusetzen. Er begab sich auf den Kunden-Parkplatz des Supermarktes, wo eine Kundin gemeinsam mit ihrer neunjährigen Tochter dabei war, die eingekauften Gegenstände in ihrem Pkw zu verstauen. Die Geschädigte und ihre Tochter waren gerade eingestiegen, um nach Hause zu fahren, als der Angeklagte mit der linken Hand die Fahrertür aufriss und die Geschädigte unter Bedrohung mit dem Messer aufforderte, den Pkw zu verlassen. Er hielt ihr das Küchenmesser mit der rechten Hand vor den Unterleib und deutete mit dem Messer auch in Richtung auf das Kind. Dadurch veranlasste er beide, den Pkw zu verlassen. Diese verstanden die in italienischer Sprache gemachten Aufforderungen nicht, empfanden aber die Gesamtsituation als bedrohlich. Der Angeklagte setzte sich ans Steuer, verlor aber nach kurzer Fahrt die Kontrolle über den Pkw und blieb im Gartenzaun eines nahe gelegenen Grundstücks hängen. An dem Pkw entstand Totalschaden. Er flüchtete zu Fuß und wurde gegen 19.00 Uhr schlafend angetroffen und festgenommen. Ihm wurde um 19.26 Uhr und um 19.51 Uhr Blut entnommen. Es wurde eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,94 o/oo und von 1,85 o/oo festgestellt. Die Strafkammer ist, sachverständig beraten, von einer auf den Tatzeitpunkt zurückgerechneten maximalen BAK von 2,8 o/oo bei der ersten Tat und 2,6 o/oo bei der zweiten Tat ausgegangen.

II.


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Die Revision ist auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
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1. Die Strafzumessung ist rechtsfehlerfrei. Der Senat kann den für das Revisionsverfahren allein maßgeblichen Urteilsgründen entnehmen, dass die Strafkammer - die sich sowohl von einem Rechtsmediziner als auch von einer forensisch-psychiatrischen Sachverständigen hat beraten lassen - bei der Annahme der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist. Soweit die Beschwerdeführerin, die die Diagnosen der Sachverständigen selbst nicht in Frage stellt, eigene methodenkritische Ausführungen zum vorläufigen schriftlichen Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen macht, ist dem Senat die inhaltliche Prüfung schon deshalb verwehrt, weil die Staatsanwaltschaft – unabhängig von der Frage, ob nicht ohnehin eine Verfahrensrüge zu erheben gewesen wäre - das schriftliche Gutachten nicht mitgeteilt hat.
8
a) Bezogen auf den Einfluss von Alkohol auf die Steuerungsfähigkeit ist die Kammer mit dem rechtsmedizinischen Sachverständigen rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass bezogen auf die Tatzeit kein eindeutiges durch die Einnahme von Alkohol beeinflusstes Leistungsdefizitbild, sondern nur ein Mischbild vorliegt. Die Kammer hat die maßgeblichen Anknüpfungstatsachen ausführlich dargelegt und unter Zugrundelegung der maximalen BAK und dem gezeigten Verhalten (motorische Auffälligkeiten, eigengefährdende Handlungsweise , Enthemmung, fehlende Zielgerichtetheit) Hinweise auf eine Rauschbeeinflussung festgestellt. Sie hat aber ebenso mit dem Sachverständigen angenommen , dass die planvolle Verknüpfung von Kauf und Einsatz des Messers, das ruhige Halten des Messers in der Bedrohungssituation, die sinnhafte Reaktion auf das unverhofft angetroffene Kind und das Fehlen sprachlicher Auffälligkeiten gegen die Annahme eines Rausches sprachen. Die Strafkammer hat somit ihre Entscheidung über die Verminderung der Steuerungsfähigkeit auch nicht allein auf die Intoxikation durch Alkohol zur Tatzeit gestützt. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Kammer habe sich nicht ausreichend mit der Möglichkeit eines Nachtrunks auseinandergesetzt, zeigt sie selbst keine tragfähigen Anhaltspunkte auf, die auf mehr als die bloße Möglichkeit der späteren Einnahme weiteren Alkohols hinweisen.
9
b) Die Strafkammer hat zusätzlich die bisherige Lebensgeschichte des Angeklagten in den Blick genommen, die durch einen multiplen Substanzgebrauch sowie darauf beruhenden Verhaltensauffälligkeiten geprägt war. Rechtsfehlerfrei ist die Strafkammer der psychiatrischen Sachverständigen darin gefolgt, dass beim Angeklagten eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung nach den Eingangskriterien DSM-IV 304.80 sowie psychische Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen nach ICD-10 F 19.20 vorliegen. Sie hat dabei beachtet, dass das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung für sich genommen nicht ausreicht, das vierte Merkmal des § 20 StGB, die schwere andere seelische Abartigkeit, anzunehmen (BGHSt 49, 45, 54 f. m.w.N.). Sie hat für die Bestimmung des Schweregrads einer anderen seelischen Abartigkeit noch weitere Umstände herangezogen. Danach befand sich der Angeklagte zur Tatzeit in einer akuten Lebenskrise bei abnormer Erlebnisverarbeitung, die nach ICD-10 F 43.25 als pathologische Trauerreaktion bewertet werden. Der Angeklagte hat seine unbewältigte Lebenskrise durch einen unvorbereiteten fluchtartigen Wechsel nach Deutschland zu lösen versucht. Die Strafkammer durfte der Sachverständigen darin folgen, dass das schnelle berufliche Scheitern in der Pizzeria zu noch größerer Vereinsamung und wegen der Sprachschwierigkeiten zu noch größerer Isolierung geführt hat. Diese Umstände konnte die Kammer für ihre Bewertung der Störung als „schwer“ heranziehen, weil die von ihr festgestellte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Angeklagten am Tattag durch die Summierung der pathologischen Verhaltensmuster in ihren Auswirkungen denen einer krankhaften seelischer Störungen gleichstanden (vgl. Kröber NStZ 1998, 80 f.).
10
c) Letztlich hat die Strafkammer die ihr obliegende Entscheidung über die Rechtsfrage der Erheblichkeit der Verminderung auf eine Gesamtwürdigung aller auch von beiden Sachverständigen für die Beurteilung maßgeblichen Umstände gestützt, die den Zustand des Angeklagten bei Begehung der Tat geprägt haben. Vor dem Hintergrund der festgestellten Persönlichkeitsstörung hat sie maßgeblich auf die Wechselwirkung zwischen der zugespitzten Belastungssituation und dem zur Tatzeit wirksamen Alkohol abgestellt und diese nach eigenständiger Prüfung zur Grundlage ihrer rechtlichen Bewertung gemacht. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, dass die Kammer die von beiden Sachverständigen übereinstimmend getragene Diagnose einer vorübergehenden „krankhaften“ seelischen Störung - im Sinne des ersten Merkmals des § 20 StGB – nach eigenständiger Prüfung übernommen hat und daraus rechtlich eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB angenommen hat.
11
2. Der Maßregelausspruch hat hingegen keinen Bestand. Nach der landgerichtlichen Entscheidung ist das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) in Kraft getreten. Nach der Gesetzesbegründung soll dieses Gesetz dazu beitragen, die vorhandenen Kapazitäten des Maßregelvollzugs besser und zielgerichteter zu nutzen und zu verhindern, dass Personen in den Maßregelvollzug gelangen, deren Unterbringung aus therapeutischen oder rechtlichen Gründen problematisch ist (BTDrucks. 16/1110 S. 9). Deshalb wurden § 64 Satz 1 StGB in eine Sollvorschrift umgestaltet und die Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge nach § 67 Abs. 2 StGB zur Sicherung des Rehabilitationsinteresses des Verurteilten flexibler gestaltet. Da der Angeklagte durch die Anordnung der Maßregel beschwert ist, hat der Senat die geänderte Rechtslage nach § 354a StPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
12
a) Unverändert geblieben ist in § 64 StGB als erste Voraussetzung das Vorliegen eines Hanges, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht , immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muss (vgl. nur BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; Hanack in LK-StGB 11. Aufl. § 64 Rdn. 40).
„Im Übermaß“ bedeutet regelmäßig, dass der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird (BGH NStZ-RR 2004, 39,

40).

13
Die Urteilsfeststellungen zu der seit dem 15. Lebensjahr von ständigem Drogenkonsum beeinflussten Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten und zu seinen langjährigen Aufenthalten in therapeutischen Einrichtungen legen nahe, dass der Angeklagte schon bisher Betäubungsmittel und auch Alkohol im Übermaß konsumiert hat. Den Urteilsgründen ist auch ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten und den Straftaten zu entnehmen , da er nur wenige Tage nach der Entlassung aus der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses in Neapel rückfällig geworden ist und die beiden Taten in alkoholisiertem Zustand zur Lösung der zugespitzten Belastungssituation begangen hat.
14
b) Dagegen halten die Gründe, mit denen die Strafkammer die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht für eine Behandlung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt bejaht hat, revisionsrechtlicher Überprüfung - gemessen am Maßstab des neuen § 64 Satz 2 StGB - nicht stand.
15
Die Neuregelung des § 64 Satz 2 StGB bestimmt, dass die Anordnung der Unterbringung nur dann ergehen darf, wenn eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht besteht, die untergebrachte Person zu heilen oder über eine nicht unerhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf den Hang zurückgehen (BTDrucks. 16/1110 S. 10 und 13). Die Anordnung dieser beschweren den Maßregel ist demnach nur dann vorgesehen, wenn sie geeignet ist, den Schutzzweck gerade durch eine Behandlung zu erreichen (vgl. BVerfGE 91, 1, 28 f.).
16
Anlass für die Umgestaltung des § 64 StGB zu einer „Soll-Vorschrift“ war auch, dass nach bisherigem Recht an den Aufwand der Maßregelvollzugseinrichtungen , einen Behandlungserfolg zu erreichen, unter Hinweis auf den zwingenden Charakter der Vorschrift teilweise zu hohe Anforderungen gestellt wurden. Von den Verantwortlichen des Maßregelvollzugs war beklagt worden, dass die Kapazitäten der Anstalten durch eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von in Anbetracht des Heilungszwecks weniger geeigneten Personen blockiert würden.
17
Therapeutische Maßnahmen würden insbesondere dann an die Grenzen stoßen, wenn eine Verständigung mit dem Probanden nicht oder nur über einen Dolmetscher möglich sei (vgl. die Begründung des im Gesetzgebungsverfahren mit beratenen Entwurf des Bundesrates für ein Gesetz zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt , BRDrucks. 455/04 S. 20 f.). Im Zusammenhang mit den Erfolgsaussichten therapeutischer Behandlung im Maßregelvollzug nach § 64 StGB hätten sich bisher Fälle als problematisch erwiesen, in denen der deutschen Sprache nicht mächtige Personen sich – wie z.B. die durchreisenden Rauschgiftkuriere – nur kurze Zeit in Deutschland aufgehalten haben und bei denen eine spätere Entlassung und Integration in Deutschland wegen der überwiegenden Bindungen an das Heimatland kaum zu erwarten war. In diesen Fällen bestünden kulturelle und sprachliche Barrieren, die eine Einbeziehung in das therapeutische Angebot schwierig machten und häufig zu Therapieabbrüchen führten. Zusätzlich bestünde nicht selten das Problem, dass Erprobungen und Lockerungen im Hinblick auf die erhöhte Fluchtgefahr nicht gewährt werden können und die Therapieaussichten von vornherein eingeschränkt sind (BTDrucks. 16/1110 S. 15 zu den neuen Anforderungen an die Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge im Fall des Bestehens einer rechtskräftigen Ausweisungsverfügung nach § 67 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 5 StGB).
18
Soweit die Strafkammer unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeführt hat, mangelhafte oder fehlende Sprachkenntnisse des Angeklagten hätten bei der Unterbringungsanordnung außer Betracht zu bleiben (BGHSt 36, 199; BGH NStZ-RR 2002, 7), wird diese Rechtsprechung in dieser Allgemeinheit unter der Geltung des neuen Rechts nicht aufrecht zu erhalten sein. Die Neufassung des § 64 StGB ermöglicht es nunmehr , in den Fällen, in denen die Ausgangsbedingungen sehr ungünstig sind, von der Anordnung der Unterbringung Abstand zu nehmen und dadurch den Maßregelvollzug von einem faktisch nicht zu leistenden Therapieaufwand zu entlasten, der für die aussichtsreichen Fälle die knappen Ressourcen entzieht (BRDrucks. 455/04 S. 21).
19
c) Die Anwendung der nunmehr für § 64 Satz 2 StGB geltenden Maßstäbe ergibt (§ 354a StPO), dass hier keine hinreichend konkrete Behandlungsprognose gestellt werden kann. Bei einem Angeklagten, der nach jahrelangen Therapieversuchen in Italien seine unbewältigte Lebenskrise durch einen unvorbereiteten fluchtartigen Wechsel nach Deutschland zu lösen versuchte und wegen seines erneuten beruflichen Misserfolgs und der Sprachschwierigkeiten in noch größere Isolierung geriet, besteht keine konkrete Chance für einen Behandlungserfolg in Deutschland. Die Anordnung der Maßregel muss daher entfallen. Der Senat schließt aus, dass eine neue Verhandlung Erkenntnisse ergeben könnte, die eine Unterbringungsanordnung nach § 64 StGB rechtfertigen würden.
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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.