Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2016 - 3 StR 231/16

bei uns veröffentlicht am30.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 231/16
vom
30. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
ECLI:DE:BGH:2016:300616B3STR231.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 30. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision desAngeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 9. März 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet.
2
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Der Erörterung bedarf lediglich die von der Strafkammer abgelehnte Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB). Hierzu gilt:
3
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen begann der Angeklagte bereits in seiner Jugend, in erheblichem Umfang Alkohol zu trinken. Später kam er mit Betäubungsmitteln in Berührung und konsumierte seit dem Jahr 1986 Heroin. Bis zum Jahr 1999 absolvierte er deswegen zwei Therapien; seit einigen Jahren befindet er sich im Methadonprogramm. Im Jahr 2015 spitzte sich die persönliche und finanzielle Situation des Angeklagten zu. Hintergrund war, dass seine in Bolivien lebende Ehefrau an Leukämie erkrankt war, weshalb der Angeklagte ihr regelmäßig Geldbeträge nach Bolivien überwies, um die Behandlung mit Blutplasmapräparaten zu finanzieren. Dies wurde ihm zunehmend schwieriger, insbesondere auch, nachdem ihm seine Fahrerlaubnis - unter anderem wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr - entzogen worden war, er aufgrund dessen seine Selbständigkeit im Kleintransportgewerbe nicht mehr ausüben konnte und von Sozialleistungen leben musste. Im Juli 2015 war es ihm schließlich nicht mehr möglich, seiner Ehefrau weitere Geldbeträge zu übermitteln. In dieser Situation begann der Angeklagte, wieder Heroin zu rauchen und vermehrt Alkohol zu trinken. Am 27. Juli und 10. September 2015 sah er jeweils - nach vorangegangenem Konsum von Methadon und Heroin - nur noch die Möglichkeit eines Banküberfalls, um die für die Behandlung seiner Ehefrau erforderlichen finanziellen Mittel zu beschaffen. In beiden Fällen nahm er, nachdem er bereits wesentliche Tatvorbereitungen getroffen hatte, erhebliche Mengen Wodka zu sich, um sich Mut anzutrinken. Sodann suchte er durch den Alkohol enthemmt eine Filiale der Volksbank D. eG in N. auf und brachte die Bankangestellten unter Vorhalt einer ungeladenen Schreckschusspistole bzw. einer täuschend echt aussehenden Spielzeugpistole dazu, ihm jeweils über 5.000 € auszuhändigen. Einen Großteil des Geldes versendete er anschließend nach Bolivien.
4
2. Diese Feststellungen tragen die Ablehnung der Maßregelanordnung nach § 64 StGB. Allerdings erweist sich die Begründung, mit der die Strafkammer das Vorliegen eines Hangs im Sinne von § 64 Satz 1 StGB verneint hat, als rechtsfehlerhaft. Soweit sie im Hinblick auf die Drogensucht des Angeklag- ten darauf abgestellt hat, dieser habe vor seinem Rückfall mehrere Therapien mit zum Teil längerfristigem Erfolg beendet und sei "immer wieder" in der Lage gewesen, sein Leben zu organisieren, kommt es hierauf nicht an, weil maßgeblich die Umstände im Zeitpunkt der Anlasstat und der letzten tatrichterlichen Hauptverhandlung sind (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2010 - 3 StR 162/10, juris Rn. 9; vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. März 2010 - 3 StR 88/10, NStZ-RR 2010, 216). Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe Heroin jedenfalls nicht im Übermaß zu sich genommen, lässt sich anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehen, da das Landgericht keine Feststellungen zu seinen Konsummengen und -gewohnheiten getroffen hat. Zudem steht die Erwägung der Strafkammer in Widerspruch dazu, dass sie einer Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 BtMG zugestimmt hat, weil sie eine Therapie "für sinnvoll, wenn nicht gar geboten hält, um den Lebensweg des Angeklagten wieder in eine geordnete Bahn zurückzulenken". Schließlich hat sich das Landgericht nicht erkennbar mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Angeklagte einen Hang zum übermäßigen Konsum von Alkohol hat, obwohl die Urteilsgründe diese Prüfung angesichts der Feststellungen zu dessen Vorleben nahelegten.
5
Indes tragen die Urteilsgründe die Hilfserwägung der Strafkammer, dass die ausgeurteilten Taten nicht auf einen Hang des Angeklagten, Alkohol oder Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren, zurückgingen. Dieser symptomatische Zusammenhang erfordert, dass die Anlasstat in dem Hang ihre Wurzel findet (BGH, Urteil vom 11. September 1990 - 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128), wobei eine Mitursächlichkeit ausreicht (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 - 3 StR 191/09, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 5). Dies ist auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen auszuschließen. Es besteht kein Anhalt, dass der jeweilige Entschluss, die Volksbank zu überfallen, (auch) auf den Heroinkonsum des Angeklagten zurückging, denn Motivation war allein, die für die ärztliche Behandlung der Ehefrau erforderlichen Geldmittel zu beschaffen. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Landgericht zudem rechtsfehlerfrei ausgeschlossen, dass sich die Einnahme von Heroin und Methadon jeweils einige Stunden vor den Taten bei deren Begehung noch auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auswirkte. Hinsichtlich des vor der Tat zu sich genommenen Alkohols war dies zwar nicht der Fall, weil der Angeklagte erst durch diesen enthemmt in der Lage war, seinen Tatplan umzusetzen. Indes hatte der Alkoholgenuss in beiden Fällen nicht den Tatentschluss bei dem Angeklagten ausgelöst; vielmehr war er umgekehrt nur ein vom Angeklagten gezielt eingesetztes Mittel, um sich - nach Planung und Vorbereitung der Taten - psychisch in die Lage zu versetzen, den Tatplan auch durchzuführen. Dies begründete den symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstat noch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 1990 - 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128; MüKoStGB/van Gemmeren, 2. Aufl., § 64 Rn. 45).
Becker Schäfer Mayer Gericke Spaniol

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 35 Zurückstellung der Strafvollstreckung


(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so k

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

9
Für das Vorliegen eines Hangs des Angeklagten zum Rauschmittelmissbrauch im Sinne des § 64 StGB ist der Zeitpunkt der Hauptverhandlung maßgeblich. Ein solcher Hang muss demnach nicht nur während der Anlasstat, sondern - was hier nach den bisher getroffenen Feststellungen zweifelhaft sein könnte - auch im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Hauptverhandlung gegeben sein. Ferner ist auch für die Gefährlichkeitsprognose entscheidend, ob die Gefahr, dass der Angeklagte infolge seines Hangs erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, im Zeitpunkt der tatrichterlichen Hauptverhandlung besteht (vgl. van Gemmeren in MünchKomm-StGB § 64 Rdn. 25, 46).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 88/10
vom
30. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 30. März
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 1. Dezember 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht - von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat, - den Verfall von Wertersatz angeordnet hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und zu seinen Lasten einen Geldbetrag von 3.500 Euro für verfallen erklärt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Urteil begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat. Das Landgericht hat dies damit begründet, der Angeklagte habe keinen Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Diese rechtliche Bewertung wird indes von den insoweit widersprüchlichen Feststellungen nicht getragen. Zwar hat das sachverständig beratene Landgericht festgestellt, der Angeklagte habe seinen Kokain - und Cannabiskonsum stets steuern können. Er habe aus freiem Willen und nur in geselliger Runde zu Drogen gegriffen; ebenso habe er den Konsum über einen längeren Zeitraum ganz eingestellt und auch in der Haft nur anfangs unter leichteren Entzugserscheinungen gelitten. Andererseits hat es aber "aufgrund des jahrelangen Drogenkonsums" des Angeklagten eine "Drogenentwöhnungstherapie im Rahmen des § 35 BtMG für sinnvoll" erachtet. Dies wiederum legt die Annahme einer zumindest psychischen Abhängigkeit im Sinne einer auf Disposition beruhenden oder durch Übung erworbenen intensiven Neigung des Angeklagten zum Betäubungsmittelkonsum und damit eines Hangs im Sinne von § 64 StGB nahe; das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz stünden dem nicht entgegen (vgl. hierzu Fischer, StGB 57. Aufl. § 64 Rdn. 9 m. w. N.).
3
Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil, denn da das Landgericht weiter festgestellt hat, dass der Angeklagte den aus den Taten erzielten Gewinn zumindest teilweise zur Finanzierung seines Drogenkonsums benötigte und im Übrigen therapiebereit ist, lassen sich auch die weiteren Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB nicht ausschließen. Die Maßregel ginge einer Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG vor (BGH StV 2008, 405 und 2009, 353).
4
Über die Anordnung der Maßregel muss deshalb (wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen) neu verhandelt und entschieden werden; es werden hierzu insgesamt neue Feststellungen zu treffen sein. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, stünde der Anordnung der Maßregel nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Landgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).
5
2. Auch die Verfallsanordnung hat keinen Bestand. Das Landgericht hat sie als zwingende Rechtsfolge angesehen, ohne zu prüfen, ob der Wert der insgesamt 3.500 Euro, die der Angeklagte nach den - von der Aufhebung unberührten - Feststellungen zum Tatgeschehen in den Fällen II. 1. bis 3. der Urteilsgründe als Provisionen erlangt hat, in dessen Vermögen noch vorhanden sind (§ 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB). Ein Wegfall der Bereicherung liegt nach den Umständen nicht fern; in diesem Falle wäre der Wertersatzverfall nicht zwingend anzuordnen, sondern läge im tatrichterlichen Ermessen.
6
Ergänzend bemerkt der Senat, dass eine Verfallsanordnung unmittelbar auf §§ 73 Abs. 1, 73 a Satz 1 StGB zu stützen wäre. Die Frage des erweiterten Verfalls gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 73 d StGB stellt sich hier nicht, denn als Anknüpfungstaten kommen (nur) die abgeurteilten Fälle II. 1. bis 3. der Urteilsgründe in Betracht.
Sost-Scheible Pfister Hubert
Schäfer Mayer

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.

(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder
2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
und im übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 für den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten erfüllt sind.

(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.

(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.

(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn

1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder
2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.

(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 191/09
vom
19. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 19. Mai
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf von 19. Dezember 2008 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine Strafkammer des Landgerichts Krefeld zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 28. Februar 2008 wegen Totschlags und wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von dreizehn Jahren verurteilt und außerdem Sicherungsverwahrung angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hob der Senat mit Beschluss vom 17. Juli 2008 (vgl. NStZ-RR 2008, 335) diese Entscheidung im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Dieses hat den Angeklagten nunmehr mit dem angefochtenen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und erneut die Unterbringung in der Sicherungsver- wahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel hat zum Maßregelausspruch Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei der vorrangig anzustellenden Prüfung, ob der Gefährlichkeit des Angeklagten nicht allein durch eine andere Maßregel begegnet werden kann (§ 72 Abs. 1 StGB), dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) mit rechtlich unzureichender Begründung abgelehnt.
4
a) Der u. a. wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Angeklagte konsumierte seit seiner Jugend bis zu seiner Festnahme in vorliegender Sache regelmäßig und massiv Cannabis und Alkohol. Er hielt sich seit Jahren im Obdachlosenund Alkoholikermilieu auf. Zeugenaussagen zufolge war er häufiger volltrunken. Insbesondere unter dem Einfluss von Alkohol, allerdings auch in nüchternem Zustand, kam es in der Vergangenheit zu vielfachen, teils erheblichen gewaltsamen Übergriffen gegen seine frühere Ehefrau, seine Stiefkinder und später gegen seine Lebensgefährtin. Auch bei Begehung der vorliegenden Taten war der Angeklagte erheblich alkoholisiert.
5
Das sachverständig beratene Landgericht hat in allen Fällen rechtsfehlerfrei eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB infolge eines Zusammenwirkens der alkoholischen Beeinflussung bei Tatbegehung und einer beim Angeklagten vorliegenden dissozialen Persönlichkeitsakzentuierung nicht auszuschließen vermocht. Die Voraussetzungen des § 64 StGB hat das Landgericht abgelehnt. Es hat zunächst offen gelassen, ob beim Angeklagten ein Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln vorliegt und hat sodann - einen Hang unterstellend - in Übereinstimmung mit der psychiatrischen Sachverständigen angenommen, dass zwischen den abgeurteilten Taten und einem Hang des Angeklagten zu übermäßigem Alkoholgenuss jedenfalls ein symptomatischer Zusammenhang nicht bestehe. Die Taten gingen nicht auf einen solchen Hang zurück, sondern seien vielmehr Ausdruck der dissozialen Wesensart des Angeklagten.
6
b) Diese Begründung trägt das Absehen von einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB nicht. Bei seiner Bewertung ist das Landgericht von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis von dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen einem Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und der Anlasstat des Täters ausgegangen. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 78 f. m. w. N.).
7
So liegt es hier. Das Landgericht hat zur Begründung der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit auch auf die Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit abgestellt, so dass sich deren Mitursächlichkeit für die Begehung der Taten von selbst versteht. Es drängt sich darüber hinaus nach den vom Landgericht zum Konsumverhalten des Angeklagten getroffenen Feststellungen auf, dass die zur Tatzeit vorliegende Alkoholisierung des Angeklagten auf einen Hang zum übermäßigen Konsum alkoholischer Getränke zurückzuführen ist.
8
2. Erweist sich danach die Ablehnung einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB als rechtsfehlerhaft, so ist damit zugleich der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung die Grundlage entzogen (§ 72 Abs. 1 Satz 1 StGB). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer, wäre sie vom Vorliegen eines Hanges ausgegangen und hätte sie den Anlasstaten Symptomwert für den Hang zugeschrieben, nicht nur die Gefahrprognose, sondern auch eine hinreichend konkrete Aussicht auf eine erfolgreiche Suchtbehandlung und eine damit einhergehende deutliche Verringerung der Tätergefährlichkeit bejaht hätte , zumal zwischen der Persönlichkeitsakzentuierung des Angeklagten und seinem Rauschmittelkonsum nach den Feststellungen durchaus Wechselwirkungen bestehen.
9
3. Danach muss über die Frage der Maßregelanordnung nach § 66 und § 64 StGB neu verhandelt und entschieden werden. Der neue Tatrichter wird dabei zu beachten haben, dass Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßregel zur kumulativen Anordnung von Maßregeln führen (vgl. BGH StV 2007, 633).
10
Für die neue Hauptverhandlung wird es sich empfehlen, einen anderen Sachverständigen beizuziehen.
11
4. Der Senat hat von § 354 Abs. 2 2. Halbs. StPO Gebrauch gemacht und die Sache an ein anderes Landgericht zurückverwiesen. Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.