Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2013 - 4 StR 165/13

bei uns veröffentlicht am08.05.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 165/13
vom
8. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Mai 2013 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 28. November 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete , auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts steuerte der Angeklagte seinen PKW plötzlich vor den vom Zeugen C. geführten Wagen und zwang diesen zu einer Notbremsung. Er forderte die Nebenklägerin „in einem Ton, der aus seiner Sicht … keinen Widerspruch duldete“, auf, in seinen PKW, in dem auch diefrühere Mitangeklagte B. saß, umzusteigen; dem kam die sehr verängstigte Nebenklägerin nach. Während einer Fahrt noch im Stadtgebiet von Hamburg entschlossen sich der Angeklagte und B. ,die Nebenklägerin gegen deren Willen nach Amsterdam zu verbringen, um ihren Lebensgefährten D. zur Zahlung eines ausstehenden Betrages aus einem Drogengeschäft zu bewegen. In Amsterdam hielt man sich im Haus des niederländischen Staatsangehörigen A. Bo. auf. Bis zu ihrer Befreiung durch die niederländische Polizei „am Morgen des zweiten Tages“ zwangen der Angeklagte und B. die Nebenklägerin durch gegen Leib und Leben gerichtete Drohungen dazu, ihren Sohn und eine Freundin zur Beschaffung von insgesamt 7.500 € zu drängen.
3
2. Die vom Beschwerdeführer zulässig erhobene Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO greift durch.
4
a) Folgendes liegt zu Grunde:
5
Die Staatsanwaltschaft stellte in ihrer Begleitverfügung zur Anklageerhebung das Verfahren ein, soweit es sich gegen A. Bo. gerichtet hatte; sie verneinte insoweit einen hinreichenden Tatverdacht im Sinne des § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO. Der in der Anklageschrift als Zeuge aufgeführte Bo. wurde schließlich auf Drängen der Verteidigerin des Angeklagten zur Hauptverhandlung formlos geladen; er erschien jedoch nicht. Nach Erörterung der Sachund Rechtslage stimmten die Staatsanwaltschaft, der Nebenklägervertreter, die Verteidiger und die Angeklagten der Verlesung der Niederschrift über die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung Bo. s zu. Der Vorsitzende der Jugendkammer kündigte die spätere Verlesung des Protokolls an; diese unterblieb jedoch , ohne dass den Akten Gründe hierfür zu entnehmen wären.
6
b) Das verstieß gegen § 244 Abs. 2 StPO.
7
Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten – neben weiteren Beweiserwägungen – auf die für glaubhaft befundene Aussage der Nebenklägerin gestützt. Dies gilt insbesondere, soweit der Angeklagte behauptet hatte, diese sei freiwillig mit nach Amsterdam gefahren und habe sich freiwillig in dem Haus Bo. s aufgehalten. Bei dieser Beweislage gebot es § 244 Abs. 2 StPO, allen erkennbaren und sinnvollen Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nachzugehen (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1992 – 1 StR 685/92, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 23; zuletzt BGH, Beschluss vom 19. März 2013 – 5 StR 79/13). Deshalb hätte sich das Landgericht gedrängt sehen müssen, jedenfalls die protokollierte Aussage des damaligen Beschuldigten Bo. im Ermittlungsverfahren gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO (vernehmungsersetzend) zu verlesen. Bo. hatte unmittelbar die näheren Umstände des Aufenthalts der Nebenklägerin seit deren Ankunft in Amsterdam wahrgenommen und hierüber auch detaillierte, die Einlassung des Angeklagten (und der früheren Mitangeklagten) stützende Angaben gemacht.
8
Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich das Landgericht nicht von der Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin überzeugt hätte, wenn es die Angaben Bo. s ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt hätte und dementsprechend das Urteil anders ausgefallen wäre.
9
3. Da das Verfahren sich nur noch gegen den erwachsenen Angeklagten richtet, verweist der Senat die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2004 – 4 StR 518/03).
10
4. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe die erste Variante des § 239a Abs. 1 StGB verwirklicht, auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen durchgreifenden Bedenken begegnet. Nach den Feststellungen auf UA S. 10 fasste der Angeklagte den Entschluss, die Rückzahlung des aus dem Drogengeschäft mit D. ausstehenden Geldbetrages zu erzwingen, erst, nachdem er sich zuvor bereits der Nebenklägerin bemächtigt hatte. Dies könnte lediglich die Voraussetzungen der zweiten Variante des § 239a Abs. 1 StGB erfüllen. In diesem Fall würde freilich die Annahme von Tateinheit mit einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB Bedenken begegnen. Dessen Voraussetzungen hat das Landgericht allerdings ebenfalls nicht vollständig festgestellt, weil sich aus dem angefochtenen Urteil nicht ergibt, dass der Angeklagte mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat (vgl. zu diesem Erfordernis in dem hier gegebenen Fall des sog. Inneneingriffs grundlegend BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233).
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

Strafprozeßordnung - StPO | § 251 Urkundenbeweis durch Verlesung von Protokollen


(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden, 1. wenn der Angeklagte einen Vert

Strafgesetzbuch - StGB | § 239a Erpresserischer Menschenraub


(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung ges

Strafgesetzbuch - StGB | § 315b Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr


(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er 1. Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,2. Hindernisse bereitet oder3. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,und dadurch Leib oder Leben

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2013 - 5 StR 79/13

bei uns veröffentlicht am 19.03.2013

5 StR 79/13 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 19. März 2013 in der Strafsache gegen wegen Raubes u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2013 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. März 2004 - 4 StR 518/03

bei uns veröffentlicht am 02.03.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 518/03 vom 2. März 2004 in der Strafsache gegen wegen Diebstahls u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 2. März 2004 gemäß § 349 Abs.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

5 StR 79/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2013

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. Oktober 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch zu den Taten II.2. und 3. der Urteilsgründe ,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen (Taten II.2. und 3. der Urteilsgründe ), gefährlicher Körperverletzung (Tat II.1. der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung (Tat II.4. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Diese hat mit einer Aufklärungsrüge im Umfang der Beschlussformel Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen zu den Taten II.2. und 3. der Urteilsgründe hielten sich die späteren Tatopfer D. und B. des Nachts – gemeinsam mit den Zeugen L. und P. Bier trinkend – vor einem „Spätkauf“ auf. Dort schlug der Angeklagte den ihm unbekannten Ge- schädigten D. zu Boden, trat ihn mehrmals und nahm dessen Handy an sich. Währenddessen schlug ein unbekannt gebliebener Mittäter aufgrund eines zuvor mit dem Angeklagten gefassten Tatentschlusses den Geschädigten B. ebenfalls nieder. Anschließend traten er und der Angeklagte, der inzwischen „mit dem Zeugen D. ‚fertig‘ war“, gemeinsam gegen den Kopf des am Boden liegenden B. , so dass dieser bewusstlos wurde, und nahmen dessen Goldketten an sich. Die entwendeten Gegenstände wollten sie für sich behalten oder verwerten.
3
Der Angeklagte hat diese Taten bestritten und ein Alibi behauptet. Dieses hat das Landgericht als widerlegt angesehen und sich von der Täterschaft des Angeklagten im Wesentlichen deshalb überzeugt, weil die Zeugen D. und B. ihn in der Hauptverhandlung „zu einhundert Prozent“ bzw. „ohne zu zögern“ als einen derTäter wiedererkannt hätten. Im Urteil wird nicht mitgeteilt, ob auch der ebenfalls als Zeuge vernommene L. den Angeklagten hat identifizieren können.
4
2. Die Revision macht mit einer zulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) erhobenen Aufklärungsrüge geltend, das Landgericht hätte den zumindest beim Beginn beider Angriffe am Tatort anwesenden, in der Anklageschrift als Beweismittel bezeichneten P. als Zeugen vernehmen müssen. Dieser hätte anhand näher beschriebener physiognomischer Merkmale be- kundet, „dass der Angeklagte … nicht mit den Tätern identisch war“. Die Rü- ge greift durch und führt zur Aufhebung der Schuldsprüche betreffend die Taten II.2. und 3. der Urteilsgründe nebst den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO).
5
a) § 244 Abs. 2 StPO gebietet es, allen erkennbaren und sinnvollen Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nachzugehen (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1992 – 1 StR 685/92, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 23). Deshalb hätte sich das Landgericht bei der bestehenden Beweislage gedrängt sehen müssen, den Genannten als Zeugen zu vernehmen.
6
aa) Diese war dadurch geprägt, dass die beiden Geschädigten den Angeklagten in der Hauptverhandlung zwar als einen der Täter identifiziert hatten. Auch im Rahmen ihrer jeweiligen polizeilichen Vernehmung hatten sie den Angeklagten bei einer – im Vergleich zu einer Wahlgegenüberstellung allerdings weniger zuverlässigen – Wahllichtvorlage wiedererkannt. Die Bilder waren ihnen hierbei aber nicht – was wegen des höheren Beweiswertes vorzugswürdig gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2011 – 4 StR 501/10, NStZ 2011, 648, 649) – sequentiell, sondern nebeneinander vorgelegt worden. Es handelte sich um lediglich sechs Fotos, während eine Anzahl von acht Vergleichspersonen sachgerecht gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2011 – 1 StR 524/11, NStZ 2012, 283, 284). Beiden Zeugen waren zudem dieselben Bilder in identischer Anordnung, der Angeklagte als „Nr. 4“, gezeigt worden, und zwar dem Zeugen B. am 14. Dezember 2011 und dem Zeugen D. am 29. Dezember 2011. Dieses Foto des Angeklagten war auch für einen Fahndungsaushang verwendet worden, den der Zeuge B. vor Beginn seiner Vernehmung im polizeilichen Wartebereich wahrgenommen hatte. Die Revision trägt darüber hinaus vor, der Zeuge habe im Rahmen dieser Vernehmung angegeben, er habe den Angeklagten bereits im Vorfeld auf einem in der Zeitung „Lichtenberger Kurier“ veröffentlichten Fahndungsfoto wiedererkannt.
7
Bei diesem Ablauf der Identifizierungsmaßnahmen bestand somit die Möglichkeit, dass beim Zeugen B. die originäre Erinnerung durch das (ein- zelne) Fahndungsfoto „überschrieben“ worden war (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 5 StR 235/09, NStZ 2010, 53, 54; s. auch Urteil vom 27. Oktober 2005 – 4 StR 234/05), und es war nicht einmal ausgeschlossen, dass der Zeuge D. mit ihm vor seiner eigenen Einsichtnahme über die zu erwartende Anordnung der Fotos gesprochen, möglicherweise gar auch das Fahndungsfoto gesehen hatte.
8
bb) Angesichts dessen musste sich dem Landgericht die zeugenschaftliche Vernehmung P. s aufdrängen. Je weniger gesichert ein Beweisergebnis erscheint und je gewichtiger die Unsicherheitsfaktoren sind, desto größer ist der Anlass für das Gericht, trotz der (an sich) erlangten Überzeugung weitere erkennbare Beweismöglichkeiten zu nutzen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995 – 1 StR 580/95, StV 1996, 249). Dem steht hier nicht entgegen, dass in der von der Revision vorgetragenen Strafanzeige vermerkt ist, der Zeuge hätte geäußert, ein Wiedererkennen der Täter sei nicht möglich. Denn diese Einschätzung war im Laufe der Ermittlungen nicht überprüft worden. Sie lässt im Übrigen die Möglichkeit offen, dass er den Angeklagten als Täter ausschließen kann.
9
b) Danach erscheint es dem Senat als möglich, dass das Landgericht hinsichtlich der Taten II.2. und 3. der Urteilsgründe zu einer anderen Beweiswürdigung gelangt wäre, hätte es den Zeugen P. zum Tatgeschehen gehört und dessen Angaben in seine Gesamtbetrachtung einbezogen.
10
3. Der dadurch bedingte Wegfall der Einsatzstrafe (drei Jahre Freiheitsstrafe für die Tat II.3. der Urteilsgründe) sowie der für die Tat zu II.2. der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
11
Die für die Taten II.1. und 4. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen haben dagegen Bestand; der Senat schließt aus, dass deren Zumessung durch die aufgehobenen Fälle zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst worden ist.
12
4. Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
13
a) Das Tatgericht muss in Fällen sogenannten wiederholten Wiedererkennens in den Urteilsgründen darlegen, dass es sich des eventuell verringerten Beweiswerts bewusst gewesen ist (s. schon BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 – 2 StR 194/61, BGHSt 16, 204, 206). Dabei wird vorliegend das Augenmerk auch auf die im angefochtenen Urteil nicht erörterte Frage zu legen sein, ob schon das Wiedererkennen des Angeklagten seitens des Zeugen B. bei der polizeilichen Wahllichtbildvorlage durch das vorherige Betrachten des in der Zeitung und auf dem Fahndungsaushang veröffentlichten Fotos beeinflusst worden sein könnte. In diesem Zusammenhang wird gegebenenfalls auch darzustellen sein, wie sich der Zeuge L. zum Wiedererkennen des Angeklagten geäußert hat.
14
b) § 249 StGB setzt einen finalen Zusammenhang zwischen dem eingesetzten Nötigungsmittel und der Wegnahme voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 – 3 StR 176/01). Hierfür genügt die bloße Feststellung, ein Täter habe das Opfer geschlagen oder getreten, „um ihm Schmerzen zuzufügen“ (UA S. 11), nicht.
Basdorf Sander Schneider Dölp Bellay

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 518/03
vom
2. März 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. März 2004 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 15. August 2003, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen, sowie
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten des Diebstahls in 37 Fällen und des versuchten Diebstahls in zwei Fällen für schuldig befunden und ihn unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Be-
schlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch und zu den Strafaussprüchen in den Fällen II. A 1 bis 33 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen. Die dem zugrundeliegenden Erwägungen des Landgerichts halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen kam der Angeklagte erstmals im Alter von 12 oder 13 Jahren mit Drogen in Berührung. Nachdem er mit Haschisch begonnen hatte, konsumierte er spätestens ab 1999 auch, und zwar zunächst gelegentlich, Kokain sowie Heroin. Soweit ihm durch Straftaten Geld zur Verfügung stand, nutzte er dies aus, um in größerem Umfang Drogen, insbesondere Kokain, zu konsumieren. Zudem verleitete er auch seine Ehefrau, die frühere Mitangeklagte in dieser Sache, zum Konsum von Heroin, bis sich schließlich bei ihr ein regelmäßiger Konsum entwickelte. Ein gegen Ende des Jahres 2000 von dem Angeklagten und seiner Ehefrau unternommener Versuch, bei seiner Schwägerin in Wiesbaden ein "neues Leben" anzufangen, scheiterte bereits nach wenigen Tagen, weil der Angeklagte nicht drogenfrei leben wollte. Soweit der Angeklagte neben Kokain auch Heroin konsumierte, geschah dies, weil der Konsum von Kokain für ihn zu teuer war. Im Zeitraum der hier abgeurteilten Diebstähle aus Kraftfahrzeugen von September bis November 2001 "bestand seine tägliche Ration in 3 - 4 g Kokain
bzw. 1 - 2 g , maximal 3 - 4 g Heroin". Bei seiner Inhaftierung am 19. November 2001 hatte der Angeklagte, in seinem Schuh versteckt, einen Vorrat an Kokain und Heroin für seinen Eigenverbrauch sowie Haschisch zum Verkauf bei sich. Mit dem Geld, das der Angeklagte und seine Ehefrau durch den Absatz der bei den abgeurteilten Straftaten entwendeten Gegenstände erlangten, finanzierten sie ihren Drogenkonsum und bestritten ihren Lebensunterhalt. Je mehr Geld dem Angeklagten für Drogen zur Verfügung stand, desto mehr konsumierte er auch.
Angesichts dieser Feststellungen zum Konsumverhalten des Angeklagten drängt sich auf, daß bei dem Angeklagten im Sinne von § 64 Abs. 1 StGB ein Hang besteht, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht dem Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muß (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 1, 5, 6 m.w.N.). Daß in diesem Sinne bei dem Angeklagten ein Hang besteht, hat auch die von dem Landgericht gehörte psychiatrische Sachverständige bestätigt. Zwar setzt die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB (u.a.) voraus, daß der Hang sicher ("positiv") festgestellt ist, so daß für eine Unterbringung hiernach kein Raum ist, wenn ein Hang als Grundlage der Taten nicht auszuschließen ist (BGH, Beschlüsse vom 6. November 2002 - 1 StR 382/02 - und vom 26. Februar 2003 - 1 StR 7/03). Soweit das Landgericht seinen Zweifel am Vorliegen eines Hanges des Angeklagten zum übermäßigen Drogenkonsum auch damit begründet, auffälligstes Merkmal dieses Hangs sei ein Entzugssyndrom, zu irgendwelchen Entzugser-
scheinungen in der Haft sei es aber nicht gekommen, hat das Landgericht zum einen verkannt, daß eine durch Entzugserscheinungen indizierte körperliche Abhängigkeit ebensowenig wie eine zumindest verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2; BGH NStZ-RR 2001, 12) Voraussetzung für die Bejahung eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ist. Zum anderen ist die Annahme, Entzugserscheinungen seien bei dem Angeklagten auch während der Haft nicht aufgetreten, nicht ohne weiteres vereinbar mit der Feststellung, der Angeklagte habe in der Haft - wenn auch nur minimal - an Schweißausbrüchen und leichten Gelenkschmerzen gelitten und habe Erfahrungen mit Entzugserscheinungen auch auf einer Reise nach Wiesbaden einige Wochen vor seiner Inhaftierung gemacht.
Zudem hat das Landgericht auch zu Unrecht den für die Anordnung nach § 64 StGB weiter vorausgesetzten symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang im Sinne dieser Vorschrift und den hier abgeurteilten Straftaten verneint. Soweit das Landgericht - insoweit in Übereinstimmung mit der Auffassung der gehörten Sachverständigen - meint, "die Straftaten des Angeklagten (seien) nicht Folge seiner Drogensucht, sondern die Drogensucht (sei) Folge seiner Straftaten, (...) der Angeklagte begehe Straftaten unabhängig vom Drogengebrauch, der Drogengebrauch sei lediglich Teil seines Lebensstils", geht es von einem zu engen, und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis des Begriffs des symptomatischen Zusammenhangs aus. Denn ein solcher Zusammenhang ist nach ständiger Rechtsprechung auch dann zu bejahen, wenn der Hang zum übermäßigen Genuß von Rauschmitteln neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, daß der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch in Zukunft zu besorgen ist. Dieser Zusammenhang kann daher grundsätzlich nicht
allein deshalb verneint werden, weil außer dem Rauschmittelmißbrauch noch weitere Persönlichkeitsmängel - beim Angeklagten dessen dissoziale Persönlichkeitsstruktur - eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen (BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1, 2; BGH, Beschluß vom 16. Juli 2002 - 4 StR 179/02). Im übrigen drängt sich ein solcher Zusammenhang auf, wenn - wie hier - die Tatbegehung der Finanzierung des Drogenkonsums dient.
Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist deshalb umfassend neu zu befinden. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt unter den hier gegebenen Umständen auch zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Denn der Senat kann nicht mit Sicherheit ausschließen , daß die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wäre, wenn zugleich auch die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden wäre (vgl. BGHSt 28, 327, 330; BGHR StGB § 64 Ablehnung 6, 7; BGH, Beschluß vom 5. Oktober 2000 - 4 StR 377/00). Bei dieser Sachlage kann dahinstehen , ob der Gesamtstrafenausspruch auch deshalb aufzuheben wäre, weil ausweislich der schriftlichen Urteilsbegründung die Festsetzung von Einzelstrafen für die Fälle II. B 1 bis 6 der Urteilsgründe unterblieben ist (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 10 und § 358 Abs. 2 Satz 1 Einzelstrafe , fehlende 1, 2). Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, dies nachzuholen.
Da das Verfahren sich nur noch gegen den erwachsenen Angeklagten richtet, verweist der Senat die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (BGHSt 35, 267 f.).
Tepperwien Maatz Kuckein

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet oder
3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.