Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Mai 2003 - 4 StR 142/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) in den Fällen II 9 e), f), g), h) und i) sowie in den Fällen II 10 und II 11 der Urteilsgründe; die insoweit getroffenen Feststellungen – mit Ausnahme der zur Tatzeit im Fall II 9 g) – bleiben aufrechterhalten ;
b) im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen (UA 48 Abs. 2 bis UA 50). 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 25 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklag-ten, der die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das angefochtene Urteil hat in den in der Beschlußformel zu 1 a) genannten Fällen keinen Bestand, weil insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten sein kann. Die Tatzeiten der vom Landgericht abgeurteilten Untreuehandlungen des Angeklagten liegen nach den getroffenen Feststellungen in der Zeit zwischen 1993 und 1996. Für die vor dem 5. Mai 1994 begangenen Taten wäre die fünfjährige Verfolgungsverjährungsfrist nach §§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4, 266 Abs. 1 StGB bereits zum Zeitpunkt des Eingangs der Anklageschrift (§ 78 c Abs. 1 Nr. 6 StGB; vgl. hierzu BGH StV 1993, 71, 72; BGHR StGB § 78 c Abs. 1 Nr. 7 Eröffnung 1 m.w.N.) beim Landgericht am 4. Mai 1999 abgelaufen gewesen, sofern die Frist nicht zuvor wirksam unterbrochen worden ist. Ob dies der Fall ist, kann der Senat bei den genannten sieben Fällen nicht abschließend entscheiden; dies bedarf erneuter Prüfung durch den Tatrichter.
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts waren die Taten in den Fällen II 9 e), f), h), i) und 10 mit der Auszahlung von Geldern zwischen dem 19. November 1993 und dem 26. April 1994 beendet. Von einer Beendigung vor dem 5. Mai 1994 ist auch im Fall II 11 auszugehen , bei dem der Angeklagte am 8. November 1993 einen Warengutschein des Möbelhauses IKEA an die Zeugin S. ausgab. Laut Anklageschrift soll sie ihn am 20. Dezember 1993 eingelöst haben; das Urteil verhält sich hierzu nicht. Im Fall II 9 g) datiert die festgestellte Zahlung unter dem „26.04.1995“. Dafür, daß es sich bei diesem Datum um ein bereits aus der Anklageschrift übernommenes Schreibversehen handelt und der 26. April 1994 gemeint war, spricht der
Umstand, daß bei ansonsten chronologischer Aufzählung der angeklagten und abgeurteilten Fälle diese Tat zwischen einer vom „22.02.1994“ und zwei weiteren Taten vom „26.04.1994“ mit gleichem Zahlungsempfänger aufgelistet ist. Da sich die Strafkammer in der Beweiswürdigung mit der Tatzeit nicht befaßt hat, wird der neue Tatrichter über die Tatzeit in diesem Fall mit Blick auf die in betracht kommende Verjährung erneut zu befinden haben (vgl. BGHSt 41, 305, 310).
b) Aus den dem Revisionsgericht vorgelegten Akten vermag der Senat keine Verjährungsunterbrechung vor Anklageerhebung zu entnehmen.
aa) Insbesondere war eine nach § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB die Verjährung unterbrechende Beschuldigtenvernehmung unterblieben, wie der Leitende Oberstaatsanwalt in seinem Schreiben vom 5. Juli 1999 gegenüber dem Angeklagten eingeräumt hat (EA Bd. II Bl. 531). Die Akten ergeben auch keine entsprechende Anordnung.
bb) Die Verfolgungsverjährung ist auch nicht wirksam durch die richterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen des Amtsgerichts Saarlouis vom 29. Januar 1997 unterbrochen worden. Denn diese „wegen Verdachts des Betruges, Bestechung pp.“ erlassenen Beschlüsse genügen nicht den Mindestanforderungen, die an die Konkretisierung des Tatvorwurfs zu stellen sind.
Bei Zweifeln über den Lebenssachverhalt, der den Tatverdacht für einen richterlichen Durchsuchungsbeschluß begründen soll, ist grundsätzlich der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden das entscheidende Kriterium
für die sachliche Reichweite der Unterbrechungswirkung (BGHR StGB § 78 c Abs. 1 Nr. 4 Durchsuchung 1 m.w.N.). Dabei ist es hier zwar unerheblich, daß sich die Beschlüsse auf Durchsuchungen bei Dritten bezogen (BGHR StGB § 78 c Abs. 4 Bezug 1), doch erfassen sie schon der Zielrichtung des Antrages der Staatsanwaltschaft nach jedenfalls nicht den Fall II 11 (Gewährung eines Gutscheins der Firma IKEA an die Zeugin S. ).
Im übrigen kann die zum Zwecke der Auslegung der sachlichen Reichweite der Verjährungsunterbrechung grundsätzlich mögliche Heranziehung des Inhaltes der Ermittlungsakten und des Durchsuchungsantrages dann keine Verjährungsunterbrechung mehr bewirken, wenn die jeweilige Durchsuchungsanordnung selbst den verfassungsrechtlichen Mindestvoraussetzungen nicht standhält (BGHR StGB § 78 c Abs. 1 Nr. 4 Durchsuchung 1). Danach müssen derartige schwerwiegende Eingriffe in die Lebenssphäre der Betroffenen, insbesondere in das Grundrecht nach Art. 13 GG, meßbar und kontrollierbar sein. Diesen Anforderungen wird ein Durchsuchungsbefehl, der keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls dann nicht gerecht, wenn solche Angaben – wie hier – nach dem Ergebnis der Ermittlungen ohne weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich sind (BVerfGE 42, 212, 220 f.; 44, 353, 371 f.; BVerfG wistra 1999, 257; NStZ 2000, 601; 2002, 372 f.; StV 2002, 406, 407; BVerfG, Beschl. vom 5. Dezember 2002 - 2 BvR 1028/02; vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 105 Rdn. 5 m.w.N.).
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, daß die Eingrenzungsfunktion des richterlichen Durchsuchungsbeschlusses schon durch knappe, aber aussagekräftige Tatsachenangaben gewahrt sein kann, wobei
einzelne Umgrenzungsmerkmale wie Tatzeit, Tatort oder Handlungsabläufe von Fall zu Fall unterschiedliches Gewicht haben (BVerfG NStZ 2002, 212, 213). Doch sind hier die handschriftlichen Eintragungen im Formularbeschluß weder für sich noch in Verbindung mit dem Betreff: „wegen Verdachts des Betruges , Bestechung pp.“ geeignet, eine aussagekräftige Tatsachengrundlage für den Verdacht einer Tathandlung des Angeklagten zu begründen.
Daß die richterlichen Beschlüsse ihrer Umgrenzungsfunktion zuwider noch weit hinter dem Konkretisierungsgrad der Durchsuchungsanträge zurückgeblieben sind, ist hier um so weniger nachvollziehbar, als der erste Ermittlungsrichter , der über dieselben Anträge der Staatsanwaltschaft zu entscheiden hatte, schon mangels ausreichender Konkretisierung des Tatverdachts gegen die Mitbeschuldigten und der aufzufindenden Beweismittel den Erlaß entsprechender Beschlüsse abgelehnt hatte.
c) Der Senat, dem nur die Ermittlungsakten ohne Fallakten und Beiakten vorgelegen haben, kann angesichts entsprechender konkreter Anhaltspunkte (vgl. EA Bd. I Bl. 3, 15, 20, 104; Bd. II Bl. 279) nicht ausschließen, daß bezüglich der von der Aufhebung betroffenen Fälle verjährungsunterbrechende Maßnahmen erfolgt sind, insbesondere eine mit Verfolgungswillen von den Strafverfolgungsbehörden gegenüber dem Angeklagten bewirkte Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens nach § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB, die sich etwa aus anderen als den dem Senat vorliegenden Akten ergeben könnte (vgl. BGHSt 30, 215, 217, 219, BGHR StGB § 78 c Abs. 1 Nr. 1 Bekanntgabe 1, 2, 3). Der Senat sieht davon ab, das von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Prozeßhindernis im Freibeweisverfahren zu klären (vgl. BGHSt 46, 307, 309 f.; NJW 2003, 226, 228), zumal zur Klärung der Verjäh-
rungsunterbrechung neben der Zuziehung weiterer Akten die Vernehmung der Ermittlungsbeamten erforderlich werden könnte.
2. Im übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3. Die zu den von der Aufhebung betroffenen Taten getroffenen Feststellungen können mit Ausnahme der Feststellung zur Tatzeit im Fall II 9 g) der Urteilsgründe bestehen bleiben. Die Teilaufhebung des Urteils zieht aber die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich, weil der Senat nicht mit Sicherheit ausschließen kann, daß die Gesamtstrafe ohne die betreffenden sieben Einzelstrafen niedriger ausgefallen wäre.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.
(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist
- 1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, - 2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind, - 3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind, - 4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind, - 5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.
(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.
(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.
(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.
(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.
(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.
(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.
(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist
- 1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, - 2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind, - 3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind, - 4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind, - 5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.
(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.