Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2009 - 4 StR 102/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 40 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Ferner hat es gegen ihn und den nicht revidierenden Mitangeklagten D. als Gesamtschuldner den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 80.000 € angeordnet. Die mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten führt hinsichtlich der Anordnung des Verfalls von Wertersatz zur Aufhebung und Zurückverweisung, im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- Nach den Feststellungen erwarben der Angeklagte und der Mitangeklagte D. im Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis zum 20. November 2007 aufgrund eines gemeinsamen Tatplans in mindestens 40 Fällen von einem Unbekannten zu einem nicht feststellbaren Kaufpreis jeweils mindestens 1 kg Marihuana mit einem Mindest-THC-Gehalt von 2 Gewichtsprozent zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Sie veräußerten das Rauschgift zu einem Mindestpreis von 4000 € pro Kilogramm.
- 3
- 1. Zur Begründung der Anordnung des Wertersatzverfalls hat das Landgericht ausgeführt, der Angeklagte und der Mitangeklagte D. hätten aus dem gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreiben mit 40 kg Marihuana unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags von 500 € pro Kilogramm mindestens 4000 € pro Kilogramm erlangt. Damit würden der Angeklagte und sein Mittäter für einen Gesamtbetrag in Höhe von 160.000 € gesamtschuldnerisch haften. Dies stelle schon angesichts des Lebensalters der Täter eine unbillige Härte dar, der mit einer gesamtschuldnerischen Haftungsbegrenzung auf 80.000 € angemessen Rechnung getragen werde.
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- 2. Diese Ausführungen tragen die Anordnung des Wertersatzverfalls nicht.
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- a) "Erlangt" im Sinne von §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73 a Satz 1 StGB ist ein Vermögensvorteil nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer die faktische Verfügungsgewalt über den Gegenstand erworben hat (BGH NStZ 2003, 198, 199; Senatsbeschluss vom 1. März 2007 – 4 StR 544/06). Bei mehreren Tatbeteilig- ten am unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung nur in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass dem jeweiligen Mittäter zumindest Mitverfügungsgewalt über die Rauschgifterlöse zukommen sollte und er diese auch tatsächlich hatte (BGH aaO; vgl. auch BGH NStZ-RR 2007, 121). Die bloße Annahme mittäterschaftlichen Handelns vermag die fehlenden Darlegungen des tatsächlichen Geschehens hierzu nicht zu ersetzen (BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08).
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- b) Im vorliegenden Fall hat das Landgericht die Menge der von den Angeklagten im Tatzeitraum mit Gewinn veräußerten Betäubungsmittel sowie die Höhe der mit den Geschäften erzielten Erlöse unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags durch Schätzung gemäß § 73 b StGB festgestellt. Ob und in welcher Höhe jeder der Tatbeteiligten für sich oder beide gemeinschaftlich Verfügungsgewalt über die Rauschgifterlöse haben sollten bzw. tatsächlich ausübten , wird damit nicht belegt. Tragfähige Anhaltspunkte für Mitverfügungsgewalt ergeben sich auch nicht aus den über Vernehmungsbeamte der Polizei eingeführten Aussagen des gesondert verfolgten Mittäters B. , des Zeugen Z. sowie einer gesperrten Vertrauensperson der Polizei, soweit deren Angaben in den Urteilsgründen mitgeteilt werden. Diese Beweismittel rechtfertigen zwar ebenso wie die in der Hauptverhandlung verlesenen und im Urteil auszugsweise wiedergegebenen Wortprotokolle von Telefonüberwachungsmaßnahmen die Annahme von mittäterschaftlichem Zusammenwirken zwischen dem Angeklagten und dem Mitangeklagten D. beim unerlaubten Handeltreiben mit Marihuana im zweistelligen Kilogrammbereich. Auch nur stillschweigende Absprachen über Einzelheiten einer Verteilung der Verkaufserlöse ergeben sich daraus aber nicht. Die vom Landgericht angenommene Mitverfügungsgewalt am Gesamter- lös versteht sich angesichts der in den Urteilsgründen als "überragend" bewerteten Stellung des Mitangeklagten D. als "Großdealer" im Verhältnis zu den übrigen Tatbeteiligten und damit auch zum Angeklagten nicht von selbst, zumal D. neben gemeinsamen Beschaffungsfahrten mit dem Angeklagten solche auch allein durchführte und dabei größere Mengen Rauschgift zum gewinnbringenden Weiterverkauf erwarb.
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- c) Gemäß § 357 Satz 1 StPO ist die Aufhebung der Verfallsanordnung auch auf den früheren Mitangeklagten D. zu erstrecken (vgl. BGHR StGB § 73 Gewinn 2).
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat