Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Apr. 2013 - 3 StR 85/13

bei uns veröffentlicht am30.04.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 85/13
vom
30. April 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 30. April 2013 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 19. Dezember 2012, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Die Feststellungen des Landgerichts tragen nicht die rechtliche Bewertung , die Angeklagte habe Beihilfe zum Betäubungsmittelhandel ihres Freundes G. - insgesamt sieben Taten zwischen dem 30. Mai 2012 und dem 19. Juni 2012 - dadurch geleistet, dass sie ihm ihre Wohnung zur Verfügung stellte.
3
a) Eine entsprechende Beihilfe durch aktives Tun setzt regelmäßig voraus , dass der Wohnungsinhaber bereits bei Überlassung der Wohnung von deren geplanter Verwendung für Rauschgiftgeschäfte wusste (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12, juris Rn. 38; Beschluss vom 2. August 2006 - 2 StR 251/06, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 67). Ob die Angeklagte eine solche Kenntnis hatte, als ihr Freund im Oktober 2011 in ihre Wohnung einzog, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Im Übrigen hätte der Gehilfenvorsatz näherer Erörterung bedurft, da die Angeklagte ihren Freund möglicherweise allein im Hinblick auf die persönliche Beziehung in ihre Wohnung aufnahm (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 1992 - 4 StR 156/92, NJW 1993,

76).

4
b) Dass die Angeklagte nach den bisherigen Feststellungen zu einem späteren Zeitpunkt den aus ihrer Wohnung heraus betriebenen Drogenhandel duldete, reicht für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe nicht aus.
5
Soweit die Duldung als unterbliebenes Einschreiten gegen das Handeltreiben des Mitbewohners zu werten ist, handelt es sich dabei letztlich um den Vorwurf eines Unterlassens (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2011 - 2 StR 348/11, NStZ-RR 2012, 58 f.). Indes hat der Wohnungsinhaber im Allgemeinen keine Garantenpflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB, gegen die Nutzung der Wohnung für die Begehung von Betäubungsmitteldelikten einzuschreiten (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12, juris Rn. 36 mwN).
6
Eine vom Landgericht herangezogene "psychische Hilfe" für den Haupttäter G. könnte zwar in einer zugesagten Hinnahme des Rauschgifthandels liegen (vgl. BGH, Urteile vom 4. Juli 1995 - 1 StR 225/95, StV 1995, 624, 625; vom 29. September 1993 - 2 StR 397/93, NStZ 1994, 92). Allerdings setzt auch die Beihilfe in der Form psychischer Unterstützung voraus, dass die Tatbegehung objektiv gefördert oder erleichtert wurde und dass dies dem Gehilfen bewusst war (s. etwa BGH, Beschluss vom 9. September 1998 - 3 StR 413/98, StV 1999, 212). Beides ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, wäre aber näher darzulegen gewesen, zumal der Haupttäter nach den getroffenen Feststellungen bereits vor der Duldung durch die Angeklagte mit Betäubungsmitteln handelte und sich dabei von ihren zunächst ablehnenden Vorhaltungen nicht beeindrucken ließ.
7
2. Die Sache bedarf insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung, obschon das Landgericht an sich rechtsfehlerfrei eine Beihilfehandlung darin gesehen hat, dass die Angeklagte am 7. Juni 2012 ihren Pkw zur Verfügung stellte, um den Transport einer größeren Rauschgiftmenge von den Niederlanden nach Deutschland zu ermöglichen. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass eine andere Kammer - im Rahmen der zugelassenen Anklage - darüber hinausgehende Beihilfehandlungen der Angeklagten feststellt, die sich auf weitere Haupttaten beziehen und jedenfalls für den Schuldumfang von Bedeutung sind. Immerhin fanden sich bei einer Wohnungsdurchsuchung 13 Fünfzig-EuroScheine in einer Hosentasche der Angeklagten. Tolksdorf Schäfer Mayer Gericke Ri'inBGH Dr. Spaniol ist urlaubsbedingt an der Unterzeichnung gehindert. Tolksdorf

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Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Strafgesetzbuch - StGB | § 13 Begehen durch Unterlassen


(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichun

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38
b) Da die Angeklagte Sch. die weitere Wohnung in Kenntnis des beabsichtigten Verwendungszwecks vermietete, kann dies zwar grundsätzlich für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe durch aktives Tun ausreichen, ohne dass es auf eine Garantenpflicht ankommt. Auf Bedenken stößt insofern aber die konkurrenzrechtliche Bewertung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 251/06
vom
2. August 2006
in der Strafsache
gegen
alias:
alias:
alias:
alias:
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. August 2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. Dezember 2005 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz daran verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
c) im Ausspruch über die Einziehung mit Ausnahme des sichergestellten Reisepasses. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Crack und Kokain) in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz daran und wegen Verwahrens eines verfälschten amtlichen Ausweises" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.
2
In seiner Wohnung sichergestelltes Rauschgift, eine Kokainpresse, diverse Chemikalien, Kochutensilien, Feinwaagen sowie den verfälschten Reisepass hat es eingezogen.
3
Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung im aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
4
1. Soweit sich die Revision des Angeklagten gegen seine Verurteilung wegen Verwahrens eines verfälschten amtlichen Ausweises wendet, ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Dass der Angeklagte, der sich nach den Feststellungen bei Anmietung zweier Wohnungen mit dem gefälschten Ausweis gegenüber dem Vermieter legitimiert hat, insoweit nicht wegen Urkundenfälschung verurteilt worden ist, beschwert ihn nicht.
5
2. Demgegenüber hält die Verurteilung wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge rechtlicher Prüfung nicht stand.
6
a) Nach den Feststellungen mietete der Angeklagte, der über keine legalen Einkünfte verfügte, am 1.5.2004 eine Wohnung in der Sch. straße in F. sowie am 1.11.2004 eine weitere Wohnung in der O. straße in F. . Die Mietkaution in Höhe von 1.500 bzw. 1.620 Euro entrichtete er in bar. Spätestens am 27.3.2005 überließ der Angeklagte die Wohnung in der Sch. straße dem flüchtigen H. zur entgeltlichen Nutzung, wobei der Angeklagte wusste, dass die Wohnung von ihm unbekannten Tätern als so genannter Rauschgiftbunker und so genannte "Crack-Küche" benutzt wurde, was er auch billigte. Der Angeklagte behielt außerdem einen Wohnungsschlüssel für sich, um so jederzeit Zugang zu der Wohnung und dem darin gelagerten und verarbeiteten Rauschgift zu haben (UA S. 5, 6).
7
Bei einer Überprüfung der Wohnung am 31. März 2005 fand die Polizei eine sichtbar betriebene "Crack-Küche" sowie 481,55 g Crack, über 200 g reines Kokain und ca. 90 g Kokainzubereitung. In der gesamten Wohnung befanden sich die Fingerabdrücke u. a. des Angeklagten sowie DNA-Spuren an von ihm gerauchten Zigarettenstummeln.
8
Der "geständigen" Einlassung des Angeklagten folgend - aber in Widerspruch zu den eingangs (UA S. 5, 6) getroffenen Feststellungen - geht die Strafkammer im Rahmen ihrer rechtlichen Würdigung davon aus, der Angeklagte habe am 27.3.2005 den H. in der Wohnung aufsuchen wollen, um diesem wegen seiner unregelmäßigen Mietzahlungen zu kündigen, diesen aber nicht angetroffen. Mittels eines bei ihm verbliebenen Wohnungsschlüssels habe er sich etwa eine Stunde in Abwesenheit des H. in der Wohnung aufgehalten und dabei erstmals festgestellt, dass dort erhebliche Mengen Rauschgift lagerten und Crack hergestellt wurde. Mit dem Tun des H. sei er nun einverstanden gewesen und habe sich davon zumindest den Ausgleich des anfallenden Mietzinses versprochen (UA S. 10, 11).
9
Den Anknüpfungspunkt für eine Beihilfe des Angeklagten zum unerlaubten Handeltreiben sieht das Landgericht darin, dass dieser nach Entdeckung der Crack-Küche am 27. März 2005 dem Mitbenutzer H. weder die Woh- nung kündigte noch andere Vorkehrungen faktischer Art traf, "um sich von seinem fortdauernden Besitz und der fortbestehenden Unterstützungshandlung zu distanzieren. Mit der weiteren Ermöglichung der Nutzung der Wohnung durch Dritte, die diese zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nutzen, unterstützte er willentlich und wissentlich deren rechtswidriges Tun" (UA S. 11, 17, 18).
10
b) Die Auffassung des Landgerichts, der Angeklagte habe sich wegen Beihilfe zum Betäubungsmittelhandel in nicht geringer Menge schuldig gemacht , weil er die Herstellung und Lagerung des Rauschgifts in seiner Wohnung geduldet und H. dadurch die Möglichkeit verschafft habe, Crack herzustellen und gewinnbringend an Dritte zu veräußern, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
11
Den widersprüchlichen Ausführungen des Landgerichts kann nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, dass der Angeklagte den Betäubungsmittelhandel des H. durch aktives Tun gefördert hätte. Allein die Kenntnis und Billigung von der Herstellung und Lagerung der Betäubungsmittel in seiner Wohnung erfüllt die Voraussetzungen strafbarer Beihilfe nicht (BGH NStZ 1999, 451; StV 2003, 280). Ebenso wenig begründet es die Strafbarkeit des Angeklagten, dass er gegen die Aktivitäten des H. nicht vorgegangen ist. Dies käme vielmehr nur in Betracht, wenn er als Wohnungsinhaber rechtlich verpflichtet gewesen wäre, gegen den von H. in seiner Wohnung betriebenen Betäubungsmittelhandel einzuschreiten (§ 13 Abs. 1 StGB). Eine solche Rechtspflicht des Wohnungsinhabers ist aber grundsätzlich nicht gegeben (vgl. BGH NStZ 1999, 451; StV 2003, 280).
12
Da die Kammer von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatz ausgegangen ist, wird der neue Tatrichter insbesondere zu prüfen haben, ob der Ange- klagte bereits bei Überlassung der Wohnung an H. von ihrer geplanten Verwendung als Crack-Küche und Rauschgiftdepot wusste, oder in sonstiger Weise an den Rauschgiftgeschäften des H. beteiligt war. Dabei werden die Indizien, wie sie u. a. von der Kammer - insoweit allerdings allein im Zusammenhang mit den in der Wohnung O. straße sichergestellten Betäubungsmitteln - aufgeführt und verwertet worden sind, umfassend zu würdigen sein.
13
3. Die Aufhebung des Urteils wegen Beihilfe zum Betäubungsmittelhandel in nicht geringer Menge erfasst auch die tateinheitliche Verurteilung wegen Besitz. Insoweit wird der neue Tatrichter gegebenenfalls näher als bisher geschehen zu prüfen haben, ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Mitbesitzes an den jeweils in der untervermieteten Wohnung befindlichen Betäubungsmitteln vorlagen. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Ausspruches über die Gesamtstrafe sowie der auf die Verurteilung wegen des Betäubungsmitteldelikts fußenden Einziehung. Otten Rothfuß Fischer Roggenbuck Appl

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 348/11
vom
17. November 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 17. November 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. April 2011, soweit es sie betrifft , im Fall II. 1. der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ihre auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zog der Mitangeklagte G. im Jahr 2008 in die von der Angeklagten gemietete Wohnung mit ein, in der sie seither in Lebensgemeinschaft lebten. Für die Unterkunft leistete der beschäftigungslose Mitangeklagte G. keinen Ausgleich an die Angeklagte , die ihn ihrerseits finanziell unterstützte. Etwa seit Mai 2010 handelte G. aus der gemeinsam genutzten Wohnung mit Betäubungsmitteln und verwendete dort verschiedene Utensilien zum Strecken, Portionieren und Verpacken der Drogen. Der Rauschgifthandel ihres Lebensgefährten, der hiermit einen Teil seines Lebensunterhalts bestritt, war der Angeklagten bekannt und wurde von ihr geduldet. Im Fall II. 1. der Urteilsgründe verkaufte der Mitangeklagte G. einem Abnehmer am 29. Juli 2010 insgesamt 19,8 g Kokaingemisch mit einem Wirkstoffanteil von 12,7 %.
3
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt, weil sie ihrem Lebensgefährten ihre Wohnung für seine Geschäfte zur Verfügung gestellt habe (UA S. 20).
4
2. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
5
Den Ausführungen des Landgerichts kann nicht entnommen werden, dass die Angeklagte den Betäubungsmittelhandel des Mitangeklagten G. durch aktives Tun gefördert hätte. Allein die Kenntnis und Billigung der Aufbereitung und des Vertriebs der Betäubungsmittel in der Wohnung erfüllt für den Wohnungsinhaber noch nicht die Voraussetzung strafbarer Beihilfe (vgl. BGH, NJW 1993, 76; NStZ 1999, 451; StV 2003, 280; Senat, StV 2007, 81; NStZ 2010, 221). Auch die Begründung der Strafkammer, dass die Angeklagte ihrem Lebensgefährten die Wohnung „zur Verfügung gestellt“ habe, genügt hierfür nicht. Hiermit wird der Angeklagten, die sich mit dem Mitangeklagten G. schon längere Zeit die Wohnung geteilt hatte, bevor er mit dem Be- täubungsmittelhandel begann, der Sache nach ausschließlich ein Unterlassen vorgeworfen.
6
Eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch Unterlassen würde allerdings voraussetzen, dass sie als Wohnungsinhaberin rechtlich verpflichtet gewesen wäre, gegen die Aktivitäten des Mitangeklagten G. einzuschreiten (§ 13 Abs. 1 StGB). Eine solche Rechtspflicht eines Wohnungsinhabers besteht nach ständiger Rechtsprechung aber grundsätzlich nicht (vgl. BGH, jeweils aaO).
7
Der neue Tatrichter wird daher, sofern hinsichtlich des Falls II. 1. der Urteilsgründe nicht eine Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO in Betracht kommt, insbesondere zu prüfen haben, ob die Angeklagte konkrete Unterstützungshandlungen zu dem Rauschgiftdelikt des als Haupttäter verurteilten Mitangeklagten G. geleistet hat.
8
3. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 1. der Urteilsgründe führt zum Wegfall der zugehörigen Einzelstrafe von sechs Monaten und zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

38
b) Da die Angeklagte Sch. die weitere Wohnung in Kenntnis des beabsichtigten Verwendungszwecks vermietete, kann dies zwar grundsätzlich für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe durch aktives Tun ausreichen, ohne dass es auf eine Garantenpflicht ankommt. Auf Bedenken stößt insofern aber die konkurrenzrechtliche Bewertung.