Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2017 - 3 StR 488/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:070217B3STR488.16.0
bei uns veröffentlicht am07.02.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 488/16
vom
7. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:070217B3STR488.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 7. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 29. Juni 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte im Fall II.1. der Urteilsgründe verurteilt worden ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Raub (Fall II.1. der Urteilsgründe) sowie wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung (Fall II.2. der Urteilsgründe ) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2
1. Nach den zu Fall II.1. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen beschloss der Angeklagte, der einziger Gast einer Spielhalle war, die Bedienstete der Spielhalle sexuell "anzugehen". Deshalb lockte er sie unter einem Vorwand zur Toilette und stieß sie in den wenig mehr als einen Quadratmeter großen Raum. Während er sie mit seinem Arm am Hals umklammert hielt, schlug er ihren Kopf gegen die Wand, bedrohte sie mit dem Tode und knetete derart fest ihre Brust, dass sie eine Prellung an einer Brustdrüse davontrug. Außerdem griff er in ihre Hose und führte zweimal seinen Finger vaginal ein. Danach verlangte er, dass sie ihn oral befriedigen solle. Die Nebenklägerin flehte ihn an, sie zu verschonen und bot ihm mehrmals an, das "ganze Geld aus der Spielhalle mitzunehmen, wenn er nur von ihr ablassen werde". Der Angeklagte sah darauf von seiner Forderung ab und verließ mit der Nebenklägerin die Toilettenkabine. Er hatte nunmehr den Entschluss gefasst, das Geld der Spielhalle zu erbeuten. Dabei war er sich bewusst, dass die Geschädigte weiterhin unter dem Eindruck seiner zuvor geäußerten Todesdrohungen stand und deshalb die Wegnahme des Geldes dulden würde. Er nahm ihr den Kassenschlüssel ab, führte sie an der Hand hinter die Theke und entnahm der Kasse 130 €. Der Geschädigten gelang derweil die Flucht.
3
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen - tateinheitlich mit Vergewaltigung und Körperverletzung begangenen - Raubes nicht.
4
a) § 249 StGB setzt voraus, dass die eingesetzte Gewalt oder Drohung Mittel gerade zur Ermöglichung der Wegnahme ist. Folgt die Wegnahme der Anwendung der Nötigungsmittel zu anderen Zwecken nur zeitlich nach, ohne dass diese finale Verknüpfung besteht, so scheidet ein Schuldspruch wegen Raubes aus. Zwar genügt es, wenn die zunächst zu anderen Zwecken begon- nene Gewaltanwendung beim Fassen des Wegnahmevorsatzes fortgesetzt wird. Jedoch enthält das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung für sich genommen noch keine Drohung. Erforderlich hierfür ist, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen Lage darstellen, die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 5 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbstständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel erhoben wurde (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 26. November 2013 - 3 StR 261/13, NStZ-RR 2014, 110; vom 20. September 2016 - 3 StR 174/16, NStZ 2017, 92,

93).


5
b) Nach diesen Maßstäben kommt ein Raub hier nicht in Betracht. Nach den Feststellungen des Landgerichts dienten die von dem Angeklagten ausgeübte Gewalt und die ausgesprochenen Drohungen ausschließlich dazu, die Nebenklägerin zur Duldung sexueller Übergriffe zu nötigen. Den Entschluss, das in der Kasse der Spielhalle befindliche Geld wegzunehmen, fasste der Angeklagte erst nach Abschluss der sexuellen Übergriffe. Die Nebenklägerin duldete die Wegnahme des Geldes zwar aus Angst vor weiteren Übergriffen, was dem Angeklagten bewusst war. Eine Fortdauer der Gewaltanwendung hat das Landgericht aber nicht festgestellt. Auch Feststellungen dahin, dass der Angeklagte zum Zwecke der Wegnahme der Gegenstände auf den Willen der Geschädigten einwirkte, indem er dieser, und sei es nur durch schlüssiges Verhalten , weitere Gewaltanwendungen androhte, enthält das Urteil nicht.

6
Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Raubes bedingt auch die Aufhebung der Verurteilung wegen der von dem Rechtsfehler nicht betroffenen tateinheitlichen Vergewaltigung und Köperverletzung. Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf, um dem zu neuer Entscheidung berufenen Tatrichter in sich stimmige Feststellungen zu der im Gesamtgeschehen eingesetzten Gewalt und den Drohungen zu ermöglichen. Der Wegfall der für die Tat II.1. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
Becker Schäfer Spaniol
Berg Hoch

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafgesetzbuch - StGB | § 249 Raub


(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird m

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2013 - 3 StR 261/13

bei uns veröffentlicht am 26.11.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 261/13 vom 26. November 2013 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. hier: Revisionen der Angeklagten W. , R. und B. wegen schweren Raubes u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwe

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2016 - 3 StR 174/16

bei uns veröffentlicht am 20.09.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 174/16 vom 20. September 2016 in der Strafsache gegen 1. alias: 2. wegen zu 1.: gefährlicher Körperverletzung u.a. zu 2.: räuberischer Erpressung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:200916B3STR174.16.0 Der 3. Strafsenat d

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 261/13
vom
26. November 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
hier: Revisionen der Angeklagten W. , R. und B.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 26. November

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 18. März 2013,
a) soweit es die Angeklagten und den Mitangeklagten K. betrifft, im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagten im Fall II. 3. der Urteilsgründe des Diebstahls in Tateinheit mit Nötigung schuldig sind;
b) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben aa) soweit es die Angeklagten und den Mitangeklagten K. betrifft in den den Fall II. 3. der Urteilsgründe betreffenden (Einzel-)Strafaussprüchen; bb) soweit es die Angeklagten betrifft, im jeweiligen Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe sowie
c) soweit es die Angeklagten W. und R. sowie den Mitangeklagten K. betrifft, im Ausspruch über den Vollzug von Strafe vor der Vollstreckung der Maßregel; insoweit bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten und den Mitangeklagten K. im Fall II. 3. der Urteilsgründe jeweils des schweren Raubes in Tateinheit mit Nötigung "im besonders schweren Fall" schuldig gesprochen. Den Angeklagten W. hat es deswegen und wegen weiterer Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Vollstreckung der Maßregel zu vollziehen ist. Gegen den Angeklagten R. hat es wegen der genannten und weiterer Taten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren erkannt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Vollstreckung der Maßregel zu vollziehen sind. Den Angeklagten B. hat es neben der genannten Tat weiterer Taten schuldig gesprochen und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten K. hat es wegen der genannten Tat auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren erkannt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass sechs Monate der Freiheitstrafe vor der Vollstreckung der Maßregel zu vollziehen sind. Die Angeklagten rügen mit ihren Revi- sionen die Verletzung sachlichen Rechts. Ihre Rechtsmittel führen zur Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 3. der Urteilsgründe, der Aufhebung des jeweiligen Strafausspruchs in diesem Fall sowie der Gesamtfreiheitsstrafen. Diese Rechtsfolgen sind auf den nicht revidierenden Mitangeklagten K. zu erstrecken. Danach kann die bei den Angeklagten W. und R. sowie dem Mitangeklagten K. getroffene Anordnung über den Vorwegvollzug ebenfalls keinen Bestand haben. Im Übrigen sind die Revisionen gemäß den Erwägungen in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen schweren Raubes gemäß §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB, denn sie belegen weder die erforderliche Finalität zwischen den eingesetzten Nötigungsmitteln und der Wegnahme noch das Beisichführen einer Waffe.
3
a) § 249 StGB setzt voraus, dass die eingesetzte Gewalt oder Drohung Mittel gerade zur Ermöglichung der Wegnahme ist. Folgt die Wegnahme der Anwendung der Nötigungsmittel zu anderen Zwecken nur zeitlich nach, ohne dass diese finale Verknüpfung besteht, so scheidet ein Schuldspruch wegen Raubes aus. Zwar genügt es, wenn die zunächst zu anderen Zwecken begonnene Gewaltanwendung beim Fassen des Wegnahmevorsatzes fortgesetzt wird. Jedoch enthält das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung für sich genommen noch keine Drohung. Erforderlich hierfür ist, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen La- ge darstellen, die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbstständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel erhoben wurde (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 – 2 StR 558/12, NStZ 2013, 648 mwN).
4
Nach diesen Maßstäben kommt ein Raub hier nicht in Betracht. Nach den Feststellungen des Landgerichts dienten die von den Angeklagten ausgeübte Gewalt und die ausgesprochenen Drohungen ausschließlich dazu, die Nebenklägerin in erheblicher Weise zu demütigen und zu quälen, nicht aber der Ermöglichung der Wegnahme der Gegenstände aus deren Wohnung. Den dahin gehenden Entschluss fassten die Angeklagten erst im Verlauf des sich lange hinziehenden Tatgeschehens. Die Nebenklägerin duldete schließlich das Wegschaffen ihres Eigentums zwar aus Angst vor weiteren Übergriffen. In diesem Zusammenhang ist jedoch lediglich festgestellt, dass den Angeklagten dieser Umstand bewusst war. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Der erneute Einsatz von - nunmehr final auf die Wegnahme gerichteter – Gewalt lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Ausreichende Feststellungen dahin, dass die Angeklagten, und sei es nur durch schlüssiges Verhalten, zum Zwecke der Wegnahme der Gegenstände auf den Willen der Nebenklägerin einwirkten, indem sie dieser weitere Erniedrigungen deutlich in Aussicht stellten, enthält das Urteil ebenfalls nicht. Damit scheidet die Annahme aus, die zuvor ausgeübte Gewalt habe als aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung weitergewirkt.
5
b) Eine Waffe führt im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB bei sich, wer sie in irgendeinem Zeitpunkt vom Ansetzen zur Tat bis zu deren Beendigung bei sich hat. Nicht vorausgesetzt ist, dass der Täter oder Teilnehmer den Gegenstand in der Hand hält oder am Körper trägt; es genügt, wenn dieser sich in Griffweite befindet oder der Beteiligte sich seiner jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen kann. Erforderlich ist weiter, dass der Beteiligte die Waffe bewusst gebrauchsbereit bei sich hat, d.h. mit dem allgemeinen, noch auf keinen bestimmten Zweck gerichteten Bewusstsein, ein funktionsbereites Werkzeug zur Verfügung zu haben, das dazu bestimmt ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 2005 – 4 StR 170/05, NStZ-RR 2005, 340; vom 27. September 2002 – 5 StR 117/02, NStZ-RR 2003, 12,13).
6
Dass dies hier der Fall war, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Danach drohte der Mitangeklagte K. der Nebenklägerin zu Beginn des Tatgeschehens und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Angeklagten den Wegnahmevorsatz noch nicht gefasst hatten, mit einem in deren Küche vorgefundenen kleinen Messer, ihr die Finger abzuschneiden, und forderte sie auf, hierzu ihre Hand auf einen kleinen Küchenschrank zu legen. Nachdem die Nebenklägerin hierauf nicht eingegangen war, verfolgte er dieses Ansinnen nicht weiter und legte das Messer an einem nicht zu klärenden Ort in der Küche ab. Den Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass einer der Beteiligten zu irgendeinem späteren Zeitpunkt dem danach irgendwo in der Küche befindlichen Messer auch nur die geringste Beachtung schenkte. Damit ist ein bewusst gebrauchsbereites Beisichführen nicht belegt. Da sich in der Küche einer Wohnung typischerweise Messer befinden, wäre andernfalls praktisch jeder Diebstahl bzw. Raub von Gegenständen aus einer Wohnung nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a bzw. § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB qualifiziert. Damit wäre der Anwendungsbereich der genannten Vorschriften in einer Weise unangemessen ausgedehnt, die ihrem Sinn und Zweck widerspräche.
7
2. Der Senat schließt es mit Blick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden könnten, welche die Voraussetzungen eines schweren Raubes belegen. Er stellt deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch auf Diebstahl in Tateinheit mit Nötigung (§ 242 Abs. 1, § 240 Abs. 1, 2, § 52 StGB) um. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagten hätten sich gegen diesen Tatvorwurf nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
8
3. Die Strafkammer hat zwar zu Recht die Voraussetzungen des § 240 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB bejaht. Die Aufnahme dieser Strafzumessungsregelung in den Urteilstenor ist jedoch nicht veranlasst (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 25 mwN).
9
4. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung der Aussprüche über die in Fall II. 3. der Urteilsgründe verhängten Strafen sowie über die Gesamtstrafe. Damit können auch die Anordnungen über die Dauer des Vorwegvollzugs von Strafe vor der Vollziehung der Maßregel keinen Bestand haben ; die insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können allerdings bestehen bleiben. Das neue Tatgericht wird innerhalb des nunmehr anzuwendenden Strafrahmens u.a. die Art der Tatausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat angemessen zu berücksichtigen haben (§ 46 Abs. 2 StGB).
10
5. Die Entscheidung war gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten K. zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hat, indes von den sachlichrechtlichen Fehlern im Fall II. 3. der Urteilsgründe in gleicher Weise betroffen ist wie die Angeklagten.
Becker Pfister Schäfer
Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 174/16
vom
20. September 2016
in der Strafsache
gegen
1.
alias:
2.
wegen zu 1.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:200916B3STR174.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts am 20. September 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 21. Januar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten und den Angeklagten N. wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung sowie versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen verbrachten die Angeklagten die frühen Morgenstunden des 28. Juni 2015 gemeinsam mit den Zeugen de V. und Sch. sowie den Zeuginnen de B. und G. auf dem Schrebergartengrundstück von de V. . Nachdem die Angeklagten sich eine Zeitlang von dem Grundstück entfernt hatten, wurden sie bei ihrer Rückkehr auf eine verbale Auseinandersetzung zwischen de V. und G. aufmerksam, die sich während ihrer Abwesenheit entwickelt hatte. Der Angeklagte N. "ging" nun "auf de V. los und schlug ihm mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht". Währenddessen schlug der Angeklagte S. Sch. in gleicher Weise. Anschließend schlug N. auch Sch. , während S. seinerseits de V. Schläge versetzte; die Strafkammer vermochte sich insoweit nicht davon zu überzeugen, dass die Angeklagten in dieser Situation zeitgleich auf einen der beiden Zeugen einwirkten.
3
Anschließend wiesen die Angeklagten die Zeugen de V. und Sch. an, sich auf eine Bank zu setzen, und bedrängten sie, wegen des Vorfalls nicht die Polizei einzuschalten. N. setzte sich sodann zwischen de V. und Sch. , legte seine Arme um sie und drohte ihnen sinngemäß an, dass "man ihnen ihre Beine abschneiden würde, wenn sie zur Polizei gehen würden". S. hatte einen Schraubendreher und einen Rechen an sich genommen , hielt de V. und Sch. die Gegenstände vor das Gesicht und drohte ihnen, dass "man die beiden auch an Ort und Stelle 'wegmachen' könne".
4
"Relativ am Anfang des ganzen Geschehens" forderten die Angeklagten die Zeugen de V. und Sch. , die durch die Schläge Nasenbluten davongetragen hatten, auf, sich das Blut abzuwaschen, woraufhin diese nacheinander zu einem Wasserhahn gingen. Dabei versuchte S. noch einmal, Sch. zu schlagen, der jedoch ausweichen konnte. Daraufhin trat N. hinzu und versetzte Sch. einen heftigen Tritt gegen den rechten Oberschenkel.
5
S. "entschloss sich nunmehr", de V. "um sein Geld zu erleichtern". Er forderte ihn auf, ihm sein Geld auszuhändigen, worauf de V. ihm "unter dem Eindruck der zuvor geäußerten Drohungen und Schläge" insgesamt 100 € aushändigte.
6
Nachdem S. anschließend die Gartenlaube von de V. erfolglos nach Wertgegenständen durchsucht hatte, redeten die Angeklagten erneut auf de V. und Sch. ein, um sie davon abzuhalten, die Polizei zu verständigen. Zu diesem Zweck drohten sie ihnen nochmals, dass "man sie sonst 'fertig' machen" werde und dass sich ihre Familie sowie Freunde um die Zeugen "kümmern" würden, falls sie ins Gefängnis kämen. N. nahm dabei "billigend in Kauf, dass er durch die weitere Bekräftigung seiner Drohungen auch die vorherige Entwendung des Geldes durch S. unterstützte".
7
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten S. wegen räuberischer Erpressung nicht. Das Landgericht hat dazu ausgeführt :
8
Es sei zwar nicht nachzuweisen, dass S. im Zeitpunkt der Geldforderung zur Erreichung seines Zieles unmittelbar Gewalt angewendet oder de V. konkret bedroht habe. Dies sei aber auch nicht erforderlich, da ihm bewusst gewesen sei, dass de V. ihm das Geld nur wegen der bereits vorangegangenen Schläge und Drohungen aushändigen werde, die er selbst sowie N. ausgesprochen hätten. De V. habe wegen des zeitlich-räumlichen Zusammenhangs noch unter dem Eindruck der Gewaltanwendung bzw. Drohungen gestanden, die mithin fortgewirkt hätten. S. habe die Furcht von de V. vor weiteren Schlägen erkannt und diesen Umstand bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt.
9
Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die räuberische Erpressung (§§ 253, 255 StGB) erfordert ebenso wie der Raub (§ 249 StGB) einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung. Eine konkludente Drohung genügt; sie kann sich grundsätzlich auch daraus ergeben, dass der Täter dem Opfer durch sein Verhalten zu verstehen gibt, er werde zuvor zu anderen Zwecken angewendete Gewalt nunmehr zur Erzwingung der jetzt erstrebten vermögensschädigenden Handlung des Opfers bzw. dessen Duldung der beabsichtigten Wegnahme fortsetzen oder wiederholen. Das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält dagegen für sich genommen noch keine Drohung. Erforderlich hierfür ist vielmehr, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen Lage darstellen , die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel erhoben worden ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 31. Juli 2012 - 3 StR 232/12, juris Rn. 4; vom 13. November 2012 - 3 StR 400/12, juris Rn. 5; vom 26. November 2013 - 3 StR 261/13, NStZ-RR 2014, 110; vom 25. Februar 2014 - 4 StR 544/13, StV 2014, 545, 546). Entgegen der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vertretenen Auffassung ist die Aktualisierung der Nötigungslage durch ein im Urteil gesondert festzustellendes Verhalten des Täters mit Rücksicht darauf , dass eine dem § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB entsprechende Vorschrift im Bereich von Raub und Erpressung fehlt, nicht entbehrlich.
10
Hier hat der Angeklagte S. den Urteilsgründen zufolge indes lediglich die Furcht des Zeugen de V. vor weiteren Schlägen ausgenutzt, ohne ihm zumindest konkludent mit erneuter Gewaltanwendung zu drohen.
11
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen räuberischer Erpressung führt auch zur Aufhebung der Verurteilung wegen der tateinheitlich verwirklichten Körperverletzung und versuchten Nötigung. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten N. .
12
4. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
13
a) Soweit das Landgericht die Hilfeleistung des Angeklagten N. zu der von dem Angeklagten S. begangenen räuberischen Erpressung darin gesehen hat, dass er de V. und Sch. erneut drohte, um sie davon abzuhalten, die Polizei zu rufen, bevor er das Grundstück gemeinsam mit S. verließ, würden entsprechende Feststellungen - falls sie auch aufgrund der neuen Hauptverhandlung getroffen werden - eine Verurteilung des Angeklagten N. wegen (sukzessiver) Beihilfe zur räuberischen Erpressung (vor deren Beendigung) tragen. Die ergänzenden Ausführungen des Landgerichts , dass N. aufgrund der früheren Schläge und Drohungen außerdem eine Garantenstellung aus Ingerenz innegehabt habe und deshalb verpflichtet gewesen sei, die Verwirklichung der räuberischen Erpressung durch S. zu verhindern, gehen demgegenüber fehl. Aus der bloßen Ursächlichkeit eines Verhaltens für einen späteren Erfolgseintritt kann sich eine Garantenstellung aus vorangegangenem gefährdenden Tun nicht ergeben; erforderlich ist vielmehr , dass das Vorverhalten die nahe Gefahr des Eintritts gerade des tatbestandsmäßigen Erfolges herbeigeführt hat (BGH, Beschluss vom 15. April 1997 - 4 StR 116/97, NStZ-RR 1997, 292 f.). Davon wird hier im Hinblick auf das nach den vorherigen Drohungen und Körperverletzungshandlungen begangene Vermögensdelikt kaum die Rede sein können.
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b) Die Annahme des Landgerichts, dass sich der Angeklagte N. unter dem Gesichtspunkt des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht habe, indem er den Zeugen Sch. trat, nachdem der Angeklagte S. zuvor erfolglos versucht hatte, Sch. zu schlagen, während eine Strafbarkeit von S. unter diesem Gesichtspunkt ausscheide, begegnet rechtlichen Bedenken. § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass der Täter die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass mindestens zwei Beteiligte (Täter oder Teilnehmer, § 28 Abs. 2 StGB) am Tatort bewusst zusammenwirken; es genügt, wenn eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar Tatausführenden aktiv physisch oder psychisch unterstützt (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005 - 4 StR 347/05, NStZ 2006, 572, 573). Eine rein passive Anwesenheit am Tatort reicht dagegen nicht aus, und zwar selbst dann nicht, wenn der Anwesende die Körperverletzungstat des anderen innerlich billigt oder befürwortet (KG, Beschluss vom 12. März 2013 - (4) 121 Ss 30/13 (49/13), StV 2014, 349).
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c) Soweit das Landgericht die Anwendbarkeit des § 46a Nr. 1 StGB mit der Begründung abgelehnt hat, dass der Angeklagte S. dem Zeugen de V. kein Schmerzensgeld gezahlt habe, wird Folgendes zu bedenken sein: Die Vorschrift setzt einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Tat verursachten Folgen gerichtet sein muss; das Verhalten des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 139 ff.). Erforderlich ist, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wiedergutmacht, wobei es auch ausreichend sein kann, dass er dieses Ziel ernsthaft erstrebt (BGH, Urteil vom 23. Mai 2013 - 4 StR 109/13, juris Rn. 11). Den Urteilsgründen zufolge hat der geständige Angeklagte S. sich hier bei dem Zeugen de V. entschuldigt und dessen materiellen Schaden ersetzt; de V. hat die Entschuldigung akzeptiert und ausdrücklich erklärt, dass die Sache für ihn mit der Rückzahlung des Geldes "erledigt" sei. In Anbetracht dessen schließt allein die unterbliebene - von de V. indes auch nicht beanspruchte - Zahlung von Schmerzensgeld eine Strafmilderung gemäß § 46a Nr. 1 StGB nicht unbedingt aus.
Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet Spaniol sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Tiemann Berg