Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2016 - 3 StR 386/15

bei uns veröffentlicht am14.01.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 386/15
vom
14. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:140116B3STR386.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 17. Februar 2015, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten und zwei weitere Mitangeklagte wegen schweren Bandendiebstahls in zwölf Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, schuldig gesprochen, gegen den Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt und gemäß § 111i Abs. 2 StPO festgestellt , dass ihm gegenüber auf den Verfall von Wertersatz in Höhe von 15.000 € nur deshalb nicht erkannt werde, weil Ansprüche der Verletzten entgegenstehen. Dagegen wendet sich die Revision des Beschwerdeführers, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
2
Das Rechtsmittel hat mit der zulässig erhobenen Verfahrensbeanstandung der Verletzung von § 257c Abs. 5 StPO Erfolg. Dieser liegt zugrunde:
3
Am zweiten Hauptverhandlungstag wurden Verständigungsgespräche zwischen den Mitgliedern der Strafkammer, den Verteidigern der Angeklagten und der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft geführt. Deren Ergebnis protokollierte der Vorsitzende der Strafkammer dahin, dass Einigkeit bestehe, "dass bei einer der Anklage in etwa entsprechenden Verurteilung ohne Geständnis eine Gesamtfreiheitsstrafe von bis zu 6 Jahren und im Falle von Geständnissen , die eine umfangreiche Beweisaufnahme entbehrlich machen, eine solche von bis zu 4 Jahren in Betracht komme." Eine Belehrung im Sinne von § 257c Abs. 5 StPO darüber, dass und unter welchen - in § 257c Abs. 4 StPO normierten - Voraussetzungen die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt, erteilte der Vorsitzende nicht. Im Anschluss an die Bekanntgabe des möglichen Inhalts der Verständigung stimmte der Angeklagte - wie die beiden Mitangeklagten - durch seinen Verteidiger der Verständigung zu und räumte die Tatvorwürfe insgesamt ein.
4
Nach diesem aufgrund der formellen Beweiskraft des Protokolls feststehenden Verfahrensgang (§ 274 Satz 1 StPO, vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2015 - 4 StR 595/14, NStZ 2015, 358) rügt die Revision die Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO zu Recht. Der Vorsitzende der Strafkammer hätte den Angeklagten über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen. Die Belehrung hat sicherzustellen, dass dieser vor dem Eingehen einer Verständigung , deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über Tragweite und Risiken seiner Mitwirkung informiert ist (vgl. BT-Drucks. 16/12310, S. 15; BGH, Beschluss vom 19. August 2010 - 3 StR 226/10, BGHR StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 1).
5
Das Geständnis des Angeklagten und damit das angefochtene Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Anderes könnte nur gelten, wenn sich feststellen ließe, dass er das Geständnis auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte oder dieses für das verurteilende Erkenntnis des Tatgerichts keine Bedeutung hatte. So verhält es sich hier indes nicht:
6
Der Beschwerdeführer hat die ihm zur Last gelegten Taten ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nach der Zustimmung zu der Verständigung und damit auf dieser Grundlage eingeräumt. Die Strafkammer hat ihre Überzeugung von der Schuld der Angeklagten ausweislich der Beweiswürdigung des Urteils in erster Linie auf deren Einlassungen gestützt; das Geständnis des Angeklagten ist damit ursächlich für seine Verurteilung. Dass er möglicherweise auch aufgrund anderer Beweismittel hätte überführt werden können, führt bei dieser Sachlage zu keiner anderen Beurteilung der Beruhensfrage.
Becker Hubert Mayer Gericke Tiemann

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafprozeßordnung - StPO | § 111i Insolvenzverfahren


(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an de

Strafprozeßordnung - StPO | § 274 Beweiskraft des Protokolls


Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR595/14
vom
10. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Februar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 7. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Im Ergebnis mit Recht rügt der Angeklagte, er sei im Rahmen einer Verständigung „zu spät“ nach § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden. Die Belehrung sei erst zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die Verständigung bereits durch seine dem Einverständnis der Staatsanwaltschaft nachfolgende Zustimmung gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO formell wirksam geworden sei.
3
a) Nach dem durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesenen Vortrag der Revision gab die Vorsitzende (auf eine entsprechende Anfrage der Verteidiger ) am achten Hauptverhandlungstag bekannt, „dass nach vorläufiger Beratung der Kammer für den Fall einer geständigen Einlassung des Angeklagten eine Strafobergrenze von sieben Jahren sechs Monaten in Betracht kommen könnte.“ Die Staatsanwaltschaft stimmte demVorschlag des Gerichts noch am gleichen Tag zu. Zum Ablauf des neunten Hauptverhandlungstags wies die Sitzungsniederschrift in ihrer ursprünglichen Fassung u.a. Folgendes aus: „Es wurde festgestellt, dass die Gerichtsbesetzung identisch ist wie an den letzten Hauptverhandlungstagen. Es wurde erneut in die Beweisaufnahme eingetreten. Die Verteidiger erklären mit Zustimmung des Angeklagten ihre Zustimmung zu der von der Kammer geäußerten Strafobergrenze. Laut diktiert und genehmigt. Rechtsanwalt Dr. E. gab eine Erklärung zur Sache für den Angeklagten ab. Dieser bestätigte, dass die Angaben des Dr. E. richtig das Ge- schehen wieder(ge)geben haben.“
4
Sodann wurde nach § 258 StPO verfahren. Das Urteil wurde am darauffolgenden zehnten Hauptverhandlungstag verkündet, das Protokoll am 8. Juli 2014 fertiggestellt.
5
Am 26. September 2014 vermerkte die Vorsitzende, sie sei sich sicher, dass die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgt und lediglich deren Proto- kollierung versehentlich unterblieben sei: „Ich erinnere mich, nach dem Wieder- eintritt in die Beweisaufnahme und der Ankündigung der Zustimmung aus dem Kommentar den Inhalt der Belehrung bekannt gegeben zu haben und anschlie- ßend ausdrücklich die Zustimmungserklärung der Protokollführerin diktiert zu haben, wobei ich offenbar das Diktat der Belehrung vergaß.“ Den Vermerk leitete sie den Beteiligten mit folgendem Zusatz zu: „Ich beabsichtige das Protokoll dahingehend zu berichtigen, dass die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO er- folgt ist.“
6
Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft bestätigte den von der Vorsitzenden dargestellten Verfahrensablauf hinsichtlich der Erteilung und des Zeitpunkts der Belehrung. Die Protokollführerin erinnerte sich, dass sie sich nach der Protokollierung des Satzes „Die Verteidiger erklären mit Zustimmung des Angeklagten ihre Zustimmung …“ Gedanken zur Fassung der Belehrung machte und die Vorsitzende den Angeklagten und die Verteidiger belehrte, danach aber nichts ins Protokoll diktierte. Die Verteidiger äußerten sich nicht. Mit Beschluss der Vorsitzenden vom 8. Oktober 2014 wurde „das Hauptverhandlungsprotokoll vom 26.06.2014 … nach dem 4. Absatz durch Ergänzung wie folgt berichtigt: ‚Der Angeklagte wurde gemäß § 257c Abs. 5, Abs. 4 StGB (rich- tig: StPO) belehrt.‘“ Anschließend wurde das Urteil zugestellt und der Angeklag- te begründete seine Revision.
7
b) Die Verfahrensrüge ist zulässig; der Beschwerdeführer hat den der Rüge zugrunde liegenden Sachverhalt, insbesondere eine Erteilung der in § 257c Abs. 5 StPO vorgeschriebenen Belehrung erst nach Abgabe der noch fehlenden Zustimmung des Angeklagten, vollständig und bestimmt vorgetragen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. zum notwendigen Revisionsvortrag bei einer auf die Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO gestützten Verfahrensrüge BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 – 1 StR 302/13, wistra 2014, 322).
8
aa) Allerdings scheitert die Rüge, die Belehrung sei erst nach der Zustimmung des Angeklagten und damit zu spät erteilt worden, an der formellen Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls in seiner ursprünglichen Fassung (§ 273 Abs. 1a Satz 2, § 274 Satz 1 StPO). Der Berichtigungsbeschluss vom 8. Oktober 2014 ist unwirksam; er ist nur von der Vorsitzenden gefasst und unterzeichnet ; er muss aber, um wirksam zu werden, von beiden Urkundspersonen (§ 271 Abs. 1 Satz 1 StPO) unterschrieben werden (unstr.; vgl. nur RGSt 57, 394, 396 f.; BGH, Urteil vom 31. Mai 1951 – 3 StR 106/51, BGHSt 1, 259 f.; LR-StPO/Stuckenberg, 26. Aufl., § 271 Rn. 53; HK-StPO/Julius, 5. Aufl., § 271 Rn. 8; KK-StPO/Greger, 7. Aufl., § 271 Rn. 19; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 271 Rn. 23). Nachträgliche übereinstimmende dienstliche Erklärungen der Urkundspersonen reichen für eine Berichtigung nicht aus (BGH, Urteil vom 12. Januar 2005 – 2 StR 138/04, NStZ 2005, 281, 282); sie lassen auch die formelle Beweiskraft des Protokolls nicht entfallen (BGH, aaO, dort Rn. 4 und 7; vgl. auch BGH – Großer Senat, Beschluss vom 23. April 2007 – GSSt 1/06,BGHSt 51, 298, 317 a.E.). Hier kommt hinzu, dass die Stellungnahmen der Vorsitzenden und der Protokollführerin hinsichtlich des genauen Zeitpunkts, zu dem die Belehrung erfolgt sein soll, nicht übereinstimmen (vgl. dazu BGH – Großer Senat, aaO S. 314).
9
bb) Jedoch entnimmt der Senat der Rüge verspäteter Belehrung als notwendig miterklärt die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei (jedenfalls) nicht rechtzeitig belehrt worden. Eines weiter gehenden Vortrags hierzu bedarf es nicht; das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich aus den mit der Revisionsbegründung vorgelegten dienstlichen Erklärungen der Vorsitzenden und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft Anhaltspunkte für eine frühere und damit noch rechtzeitige Belehrung (nach „Ankündigung der Zustimmung“ des Angeklagten) ergeben.
10
c) Die Rüge der unterbliebenen (rechtzeitigen) Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO ist auch begründet.
11
aa) Der Beschwerdeführer ist vor Abgabe seiner Zustimmung zu der Verständigung entgegen § 257c Abs. 5 StPO nicht belehrt worden. Dies steht aufgrund der formellen Beweiskraft des ursprünglichen Protokolls, das keine Belehrung ausweist, fest (§ 274 Satz 1 StPO; s. dazu oben 1. b) aa). Eine Verständigung ist aber nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren , wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht nach § 257c Abs. 4 StPO belehrt worden ist. Die Belehrungspflicht verliert nicht deshalb an Bedeutung oder wird gar obsolet, weil eine Lösung des Gerichts von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO das infolge der Verständigung abgegebene Geständnis unverwertbar macht. Denn die Belehrung hat sicherzustellen, dass der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/12310, S. 15; BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168, 237; Beschluss vom 25. August 2014 – 2 BvR 2048/13, StV 2015, 73; BGH, Beschluss vom 19. August 2010 – 3 StR 226/10, StV 2011, 76; Urteil vom 7. August 2013 – 5 StR 253/13, StV 2013, 682, 683).
12
bb) Das Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich gebotenen Beruhensmaßstabs (vgl. zuletzt BVerfG, Beschlüsse vom 30. Juni 2013 – 2 BvR 85/13, StV 2013, 674, und vom 25. August 2014 – 2 BvR 2048/13, NJW 2014, 3506;nachfolgend hierzu BGH, Beschluss vom 5. November 2014 – 5 StR 253/13) kann der Senat die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen: Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt, was ihm – so das Landgericht – „im Hinblick auf seine Persönlichkeit und angesichts seines bisherigen Verhaltens im Verlauf des Verfahrens ersichtlich schwer gefallen ist.“ Auf sein Eingeständnis, er habe es für möglich gehalten, dass der Geschädigte sich in der Tatnacht in der – vonihm in Brand gesetzten – Wohnung aufgehalten habe, hat das Schwurgericht u.a. die Annahme des Tötungsvorsatzes gestützt. Der Angeklagte hätte sich möglicherweise bei ordnungsgemäßer Belehrung gegen den Tatvorwurf verteidigt. Anhaltspunkte dafür, dass ihm die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren, bestehen nicht (vgl. zu diesen Erwägungen auch BGH, Beschlüsse vom 4. Dezember 2013 – 4 StR 446/13, und vom 5. Februar 2014 – 1 StR 706/13, wistra 2014, 283).
13
2. Mit Blick auf das hier beobachtete Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Gericht bei dem Verständigungsvorschlag einen Strafrahmen, also eine Strafobergrenze und eine Strafuntergrenze, angeben muss (vgl. BGH, Urteile vom 17. Februar 2011 – 3 StR 426/10, NStZ 2011, 648, und vom 3. September 2013 – 5 StR 318/13, StV 2013, 741), entgegen der Anfrage von Rechtsanwalt P. am siebten Hauptverhandlungstag aber nicht verpflichtet ist, dem Angeklagten auch mitzuteilen, welche Strafe bei einem Schuldspruch nach „streitiger Hauptverhandlung“ in Betracht kommen könnte (BGH, Urteil vom 3. September 2013 – 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671; Beschluss vom 11. November 2014 – 3 StR 497/14).
14
Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls auch Gelegenheit haben, dem gegen die Strafzumessung gerichteten Einwand des Generalbundesanwalts, der an das in dubio pro reo anzunehmende Vorliegen eines untauglichen Ver- suchs anknüpft, Rechnung zu tragen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. Dezember 1998 – 4 StR 563/98, NStZ-RR 1999, 101, 102).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 226/10
vom
19. August 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
hier: Revision des Angeklagten K.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
19. August 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Osnabrück vom 10. September 2009 - auch soweit es
den Mitangeklagten U. betrifft - mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben,

a) soweit die Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge verurteilt worden sind;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall II. 1. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen des Landgerichts "bestückten" der Angeklagte und der Mitangeklagte U. "für den gesondert verfolgten H. bei B. einen Erdbunker mit 100 Gramm Heroin. Dieses Heroin holte der gesondert verfolgte H. dort vereinbarungsgemäß später ab."
3
Diese "Feststellungen" sind untauglich, den Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu belegen. Auch dem Gesamtzusammenhang des Urteils kann nicht entnommen werden, dass der Angeklagte und U. sich eigennützig um ein eigenes Betäubungsmittelgeschäft bemühten. Dass der Angeklagte seine Taten eingeräumt hat, ist insoweit ebenso wenig von Bedeutung wie der Umstand, dass dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist (was entgegen § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO im Urteil nicht angegeben worden, dem Senat aber durch die Verfahrensrüge eines Mitangeklagten bekannt ist). Allein die Bereitschaft eines Angeklagten, wegen eines bestimmten Sachverhalts eine Strafe hinzunehmen, die das gerichtlich zugesagte Höchstmaß nicht überschreitet, entbindet das Gericht nicht von der Pflicht zur Aufklärung und Darlegung des Sachverhalts, soweit dies für den Tatbestand der dem Angeklagten vorgeworfenen Gesetzesverletzung erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 5 StR 171/09, StV 2010, 60).
Auch in einem solchen Fall bedarf es eines Mindestmaßes an Sorgfalt bei der Abfassung der Urteilsgründe (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 StR 222/10).
4
Unerheblich ist zuletzt auch, dass die Anklageschrift, die der Senat im Revisionsverfahren von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen hatte, dem Angeklagten bandenmäßiges und gewerbsmäßiges Handeltreiben zur Last legt und dazu weitergehende, den Tatbestand erfüllende Tatsachen vorträgt. Das Revisionsgericht ist nicht berechtigt, die im Urteil fehlenden Feststellungen unter Rückgriff auf die Anklageschrift oder die übrigen Aktenbestandteile zu ergänzen. Das gilt auch, wenn - wie hier - die Feststellungen durch "Einrücken" eines Teils des Anklagesatzes in die Urteilsgründe aufgenommen worden sind. Eine solche Verfahrensweise des "Einrückens" birgt die Gefahr, auf die richterliche Prüfung zu verzichten, ob die den objektiven und subjektiven Tatbestand erfüllenden Tatsachen in der Hauptverhandlung vollständig festgestellt worden sind. Sie gefährdet den Bestand des Urteils jedenfalls dann, wenn dem Anklagesatz nicht alle diese Tatsachen zu entnehmen sind oder wenn die Anklage nicht vollständig "eingerückt" wird.
5
Der mit der Aufhebung des Schuldspruchs verbundene Wegfall der Einzelstrafe führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
6
2. Die Aufhebung wegen dieser Gesetzesverletzung bei der Anwendung des Strafgesetzes ist nach § 357 StPO auf den Mitangeklagten U. , der selbst nicht Revision eingelegt hat, zu erstrecken.
Becker Pfister von Lienen Hubert Mayer

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.