Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Aug. 2017 - 3 StR 324/17
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 22. August 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen Vergewaltigung verurteilt worden ist,
b) im Strafausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung und Vergewaltigung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit er wegen Körperverletzung verurteilt worden ist. Der Schuldspruch wegen Vergewaltigung stößt demgegenüber auf durchgreifende rechtliche Bedenken.
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten der Angeklagte und die Nebenklägerin ein Wochenende gemeinsam in der Wohnung der Nebenklägerin verbracht. Nachdem das Zusammensein zunächst harmonisch verlaufen und es auch zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen war, hatte der Angeklagte die Nebenklägerin im Rahmen einer Streitigkeit geschlagen und getreten. Anschließend hatte er ihr das blutverschmierte Gesicht abgeduscht. Da dabei die Kleidung der Nebenklägerin nass geworden war, begab sie sich ins Schlafzimmer, um diese zu wechseln. Als sie sich ausgezogen hatte und zumindest weitgehend unbekleidet war, stieß der Angeklagte sie auf das Doppelbett, so dass sie mit dem Rücken darauf zu liegen kam. Dann begann er damit, sie im Intimbereich zu berühren, als wolle er sie befriedigen. Die Nebenklägerin sagte daraufhin, dass sie dies nicht wolle, sondern es ekelhaft finde, und forderte den Angeklagten auf, damit aufzuhören. Auch versuchte sie, seine Arme wegzustoßen. Der Angeklagte, der sich neben sie auf das Bett gelegt hatte, fuhr indes fort und erwiderte, dass das "doch geil" sei. Die Nebenklägerin sagte sodann, dass es "eine Vergewaltigung" sei, wenn er jetzt gegen ihren Willen weiter mache. Sie drehte sich zur Seite, so dass sie seitlich und teils auf ihrem Bauch lag. In dieser Position beugte sich der Angeklagte über die in diesem Moment weinende und wimmernde Nebenklägerin, zog seine Hose herunter , drang mit seinem Penis in ihre Scheide ein und führte den Geschlechtsverkehr einige Minuten lang aus. Als die Nebenklägerin sagte, dass sie ihn hasse, ließ er von ihr ab.
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- 2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB aF) nicht. Danach fehlt es an dem erforderlichen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und dem Taterfolg (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2012 - 3 StR 385/12, NStZ 2013, 279). Denn den Entschluss, den Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Nebenklägerin mit ihr auszuführen, fasste der Angeklagte den Feststellungen zufolge erst, nachdem er sie geschlagen sowie getreten und später auf das Doppelbett gestoßen hatte. Den Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass er anschließend Gewalt angewendet hat, um seinen Tatentschluss auszuführen. Insbesondere findet die Annahme der Strafkammer, die Gewaltanwendung ergebe sich daraus, dass er "die Nebenklägerin auf das Bett gedrückt" habe, in den Feststellungen keine Stütze. Danach hatte sich der Angeklagte "neben" die Nebenklägerin auf das Bett gelegt und "beugte sich" lediglich über sie, bevor er mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang.
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- 3. Die Sache bedarf deshalb insoweit erneuter Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Vergewaltigung entzieht auch der verhängten Einheitsjugendstrafe die Grundlage.
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- 4. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass es in Anbetracht der Eigenart des Falles, insbesondere im Hinblick auf die psychischen Beeinträchtigungen der Nebenklägerin, die den Feststellungen zufolge u.a. seit Jahren unter Depressionen leidet, alkoholabhängig ist und auch zur Tatzeit in erheblichem Maße alkoholisiert war, sachgerecht erscheinen könnte, zur Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit sachverständige Hilfe hinzuzuziehen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 1 StR 502/04, NStZ 2005, 394).
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.