Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juli 2015 - 3 StR 261/15
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung entfällt,
b) im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten und die nicht revidierende Mitangeklagte B. jeweils wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Gegen den Angeklagten hat es deshalb eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt; gegen die Mitangeklagte B. hat die Strafkammer auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und elf Monaten erkannt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- 1. Der Schuldspruch wegen tateinheitlicher gefährlicher Körperverletzung hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
- 3
- Nach den hierzu getroffenen Feststellungen entschlossen sich die Angeklagten , den Taxifahrer K. zu überfallen. Aus diesem Grunde ließen sie sich von diesem an einen von dem Angeklagten vorgegeben Ort fahren. Als das Taxi am Ziel zum Stillstand gekommen war, griff der Angeklagte dem gemeinsamen Tatplan entsprechend und seine Sitzposition hinter dem Geschädigten ausnutzend mit seinem rechten Arm von hinten um den Fahrersitz und den Geschädigten. Dabei führte er seinen Arm um dessen rechten Arm sowie die Brust herum und zog seine rechte Hand linksseitig am Hals des Geschädigten über dessen linke Schulter zu sich heran. Er zog dabei so kräftig, dass er den Geschädigten mit seinem Unterarm am Hals würgte und dieser sich nicht mehr bewegen konnte. Im weiteren Verlauf entnahm die auf dem Beifahrersitz befindliche Mitangeklagte aus dem Portemonnaie des Geschädigten insgesamt 30 € und steckte dessen Mobiltelefon ein. Sodann entfernten sich die Angeklagten.
- 4
- Diese Feststellungen belegen nicht, dass die Angeklagten die körperliche Misshandlung des Geschädigten gemeinschaftlich im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB begingen. Zur Erfüllung dieses Qualifikationstatbestandes ist zwar die eigenhändige Mitwirkung jedes Einzelnen an der Verletzungshandlung nicht erforderlich. Vielmehr kann es genügen, dass ein am Tatort anwesender Tatgenosse die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters bewusst in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 158/12, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 Gemeinschaftlich 4). Allein die Anwesenheit einer zweiten Person, die sich passiv verhält, erfüllt die Qualifikation jedoch noch nicht (BGH, Urteil vom 20. März 2012 - 1 StR 447/11, juris Rn. 12; MüKoStGB/Hardtung, 2. Aufl., § 224 Rn. 34 mwN). Lediglich ein solches passives Verhalten ist aber festgestellt. Die Urteilsgründe zeigen weder auf, dass die bloße Präsenz der Mitangeklagten in besonderer Weise den Geschädigten in seiner Lage beeinträchtigte, noch, dass die Mitangeklagte hinsichtlich der körperlichen Misshandlung überhaupt unterstützungsbereit war und hierdurch eine erhöhte Gefährlichkeit der konkreten Tatsituation begründete.
- 5
- Da ergänzende Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat den Schuldspruch selbst geändert und die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung entfallen lassen. Eine Abänderung des Schuldspruchs gegen den Angeklagten auf tateinheitlich verwirklichte Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) kommt nicht in Betracht, da die gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen Verfolgungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Weder hat der Geschädigte einen Strafantrag gestellt noch die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Eine solche (konkludente) Erklärung ist auch nicht der Anklage zu entnehmen, da diese nur den Vorwurf einer tateinheitlich zum Raubtatbestand verwirklichten gefährlichen Körperverletzung zum Gegenstand hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2015 - 2 StR 108/15, juris Rn. 4).
- 6
- 2. Der Wegfall des Schuldspruchs wegen tateinheitlicher gefährlicher Körperverletzung zieht die Aufhebung des Strafausspruches nach sich. Das Landgericht hat die tateinheitliche Verwirklichung des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB zwar nicht bei der Strafrahmenwahl, jedoch im Rahmen der konkreten Strafzumessung ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Beurteilung auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte.
- 7
- Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben (s. § 353 Abs. 2 StPO).
- 8
- 3. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Entscheidung auf die nicht revidierende Mitangeklagte B. zu erstrecken, da insoweit Schuld- und Strafausspruch auf denselben sachlich-rechtlichen Mängeln beruhen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "schweren Raubes" sowie gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen unter Einbeziehung dreier weiterer Verurteilungen zu der Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts.
- 2
- 1. Der Senat hat den Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte hinsichtlich der Tat vom 9. Januar 2010 (B. II. 1 der Urteilsgründe) wegen besonders schweren Raubes verurteilt ist. Die Jugendkammer hat den Angeklagten insoweit rechtsfehlerfrei einer Tat nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB für schuldig befunden, ohne dies allerdings im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen. Dies holt der Senat nach, weil die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat eine Kennzeichnung der begangenen Qualifikation erfordert (BGH, Beschluss vom 3. September 2009 - 3 StR 297/09, NStZ 2010, 101; BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 - 3 StR 186/12).
- 3
- 2. Der Schuldspruch für die unter B. I. der Urteilsgründe festgestellte Tat vom 29. Mai 2010 hat keinen Bestand. Der Senat ändert diesen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin ab, dass sich der Angeklagte nur einer vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat. Der Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe bleibt davon unberührt.
- 4
- a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen schlug der Angeklagte , der sich in einer Gruppe Jugendlicher aufhielt, die mit der Gruppe um den Geschädigten R. in einen zunächst verbal ausgetragenen Streit geraten war, diesem unvermittelt mit der Faust ins Gesicht, so dass er zu Boden fiel. Dabei war dem Angeklagten klar, dass er sich in der nun erwartungsgemäß folgenden Schlägerei auf seine Freunde verlassen könne. Tatsächlich kam es in der Folge zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Mitgliedern der beiden Gruppen, in deren Verlauf es zu weiteren Straftaten eines Mitangeklagten kam, die dem Angeklagten aber nicht zuzurechnen waren.
- 5
- b) Danach hat sich der Angeklagte nicht der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB schuldig gemacht. Zur Erfüllung dieses Qualifikationstatbestandes genügt es zwar, wenn ein am Tatort anwesender Tatgenosse die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters bewusst in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist (BGH, Urteil vom 3. September 2002 - 5 StR 210/02, BGHSt 47, 383). Daran fehlt es hier indes. Den Feststellungen kann nur entnommen werden, dass der Angeklagte auf die Hilfe seiner Freunde bei der erwarteten folgenden Schlägerei vertraute, nicht aber, dass diese ihn zum Zeitpunkt seiner anfänglichen Körperverletzungshandlung in irgendeiner Form unterstützt hätten.
- 6
- Unter den gegebenen Umständen kann der Senat ausschließen, dass eine neue Hauptverhandlung zu weitergehenden, einen Schuldspruch nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB rechtfertigenden Feststellungen führen könnte. Er ändert den Schuldspruch daher insoweit dahin ab, dass der Angeklagte nur einer vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) schuldig ist. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
- 7
- c) Die Änderung des Schuldspruchs lässt den Ausspruch über die Strafe unberührt. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann noch hinreichend entnommen werden, dass das Landgericht rechtsfehlerfrei schädliche Neigungen des Angeklagten im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG angenommen hat. Der Senat kann im Hinblick auf die beiden anderen abgeurteilten Taten sowie die drei einbezogenen Urteile ausschließen, dass das Landgericht im Falle einer Verurteilung nur wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer milderen Strafe gelangt wäre, zumal es die abgeurteilte Körperverletzungshandlung als minderschweren Fall gewertet hat.
- 8
- Der geringe Teilerfolg rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und die Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO nicht.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Stirbt die verletzte Person, so geht bei vorsätzlicher Körperverletzung das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 auf die Angehörigen über.
(2) Ist die Tat gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Dasselbe gilt für Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.