Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 250/10
vom
20. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am 20. Juli
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 28. Januar 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II. 1 der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes (Fall II. 1) und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit "Verstoß gegen das Waffengesetz" (Fall II. 2) unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet , hat mit einer Verfahrensrüge zum Fall II. 1 und zum Gesamtstrafenausspruch Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Rüge, das Landgericht habe einen Beweisantrag in rechtsfehlerhafter Weise abgelehnt, greift durch.
3
1. Nach den Feststellungen zum Fall II. 1 ergriff der Angeklagte den späteren Geschädigten, der sich in Begleitung des Zeugen H. befand, mit der linken Hand an der Schulter, legte den Arm um ihn und zog ihn gegen dessen Willen in den nicht einsehbaren Eingangsbereich einer Spielothek. Dort nahm er ihm gewaltsam 120 € weg.
4
Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten, der die Tat bestritten hat, im Wesentlichen auf die Angaben des Tatopfers gestützt. Dessen Aussage hat es auch deshalb als glaubhaftangesehen, weil der Zeuge H. bei seiner polizeilichen Vernehmung zum Vortatgeschehen in Übereinstimmung mit dem Geschädigten angegeben habe, der Angeklagte habe das Tatopfer "von ihm weggezogen" und sei mit ihm in die Spielothek gegangen. Die polizeiliche Aussage des Zeugen H. wurde über den Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt; eine persönliche Einvernahme des Zeugen hat nicht stattgefunden.
5
2. Der Angeklagte hat mit dem Ziel, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Geschädigten zu erschüttern, die Vernehmung des Zeugen H. zum Beweis dafür beantragt, dass das Tatopfer dem Angeklagten freiwillig in den Durchgang der Spielothek gefolgt und hierzu von dem Angeklagten nicht im Sinne einer Nötigungshandlung gezwungen worden sei. Diesen Antrag hat das Landgericht mit der Begründung zurückgewiesen, die behauptete Tatsache sei - ersichtlich tatsächlich - für die Entscheidung ohne Bedeutung. Entscheidend sei allein das Geschehen im Eingangsbereich der Spielothek. Die Indiztatsache, dass das Tatopfer dem Angeklagten dorthin freiwillig gefolgt sei, lasse nur den mögli- chen, nicht aber den zwingenden Schluss zu, dass die Wegnahme des Geldes im nicht einsehbaren Eingangsbereich der Spielothek ohne Gewaltanwendung erfolgt sei. Diesen Schluss wolle die Strafkammer jedoch nicht ziehen.
6
a) Der Antrag des Beschwerdeführers genügt den an einen Beweisantrag zu stellenden Anforderungen. Insbesondere wird eine hinreichend bestimmte Tatsache behauptet; denn bei sinngerechter Auslegung war der Antrag erkennbar dahin zu verstehen, der Zeuge H. werde bekunden, dass der Geschädigte ohne Widerstreben und ohne Zwangseinwirkung durch den Angeklagten diesem in den Eingangsbereich der Spielothek gefolgt ist.
7
b) Die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist auch im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig erhoben. Die Revision teilt sowohl den Inhalt des Beweisantrags nebst Begründung als auch den gerichtlichen Ablehnungsbeschluss im Wortlaut mit. Da weder im Beweisantrag noch im Ablehnungsbeschluss Aktenbestandteile in Bezug genommen wurden und sich die Fehlerhaftigkeit des Gerichtsbeschlusses bereits aus dessen Begründung in Verbindung mit den Urteilsgründen ergibt, bedurfte es entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts weiterer Darlegungen zur Begründung der Rüge nicht (vgl. Löwe/Rosenberg/ Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 372).
8
c) Die Ablehnung der beantragten Beweiserhebung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
Für die zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung ist eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache nur dann, wenn ein Zusammenhang zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung nicht besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Falle ihres Erwiesenseins nicht ge- eignet ist, die Entscheidung irgendwie zu beeinflussen (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 56 mwN). Zwar ist es dem Tatrichter grundsätzlich nicht verwehrt, Indiztatsachen als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn er einen möglichen Beweisschluss, den der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Er muss sich dann aber an seiner Annahme tatsächlicher Bedeutungslosigkeit festhalten lassen und darf sich im Urteil nicht in Widerspruch zu der Ablehnungsbegründung setzen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 8. Februar 2000 - 4 StR 592/99, NStZ-RR 2000, 210 mwN).
10
Dies ist hier jedoch geschehen. Im Rahmen der Glaubwürdigkeitsbeurteilung des Tatopfers hat das Landgericht auch aus den übereinstimmenden Angaben des Zeugen H. und des Geschädigten zu dem Vortatgeschehen auf die Glaubhaftigkeit der Angaben des Opfers zur Tat II. 1 geschlossen. Damit hat es zu erkennen gegeben, dass es diesem Geschehen entgegen der im Ablehnungsbeschluss geäußerten Auffassung Bedeutung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen beigemessen hat. Hierin liegt ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO.
11
Bei der im Fall II. 1 gegebenen Sachlage, bei der zum eigentlichen Raubgeschehen Aussage gegen Aussage steht, vermag der Senat ein Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensverstoß nicht auszuschließen.
12
3. Die Aufhebung des Urteils im Fall II. 1 zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Mayer

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2010 - 3 StR 250/10 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 592/99
vom
8. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Februar 2000 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 8. Juli 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision beanstandet der Angeklagte das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts.
Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensbeschwerde Erfolg. Die Rüge, das Landgericht habe einen Beweisantrag des Angeklagten in gesetzeswidriger Weise abgelehnt, greift durch.
Mit Antrag vom 8. Juli 1999 hatte der Angeklagte, der die ihm zur Last gelegte Vergewaltigung seiner Tochter Jennifer bestritten hat, unter anderem Zeugenbeweis für die Tatsache angetreten, Jennifer W. s ei "am behaupteten Tattag nicht mit Schuhen in der Hand aus dem Haus gerannt", sondern sei vollständig angezogen gewesen. Die Strafkammer hat diesen Antrag wegen
Bedeutungslosigkeit abgelehnt und dies wie folgt begründet: "Selbst wenn die Schilderung der Zeugin W. , sie sei mit den Schuhen in der Hand aus dem Haus gelaufen, unwahr wäre, so zwingt dies nicht zu dem Schluß, sie beschuldige den Angeklagten zu Unrecht. Angesichts der seit der behaupteten Tat verstrichenen Zeit liegt es näher, daß die Zeugin diese für sie in der damaligen Situation eher unbedeutende Einzelheit nicht richtig erinnert".
Die Behandlung dieses Beweisantrages durch die Strafkammer hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Eine Tatsache ist nur dann für die zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung, wenn ein Zusammenhang zwischen ihr und der abzuurteilenden Tat nicht besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs nicht geeignet ist, die Entscheidung irgendwie zu beeinflussen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 244 Rdn. 54 m.w.N.). Zwar ist es dem Tatrichter grundsätzlich nicht verwehrt, Indiztatsachen als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn er einen möglichen Beweisschluß , den der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will (BGH NStZ 1982, 126; StV 1997, 237, 238). Er muß sich dann aber an seiner Annahme tatsächlicher Bedeutungslosigkeit festhalten lassen und darf sich im Urteil nicht in Widerspruch zu der Ablehnungsbegründung setzen insbesondere nicht vom Gegenteil der Beweistatsache ausgehen (st. Rspr.; BGH NStZ 1994, 195; StV 1996, 648 f.; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 18 und 22; vgl. auch Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 3. Aufl. Rdn. 213 a).
Dies ist hier indessen geschehen. Das Landgericht führt zum Geschehen nach der Tat aus: "Als der Angeklagte Jennifer nach dem Geschlechtsverkehr los ließ, sprang sie auf, nahm ihre Hose und eilte zur Schlafzimmertür. Sie schloß sie auf, lief die Treppe hinunter und zog im Flur ihre Hose an. Jennifer
nahm dann ihre Schuhe in die Hand und lief aus dem Haus" (UA 8). Im Rahmen der Glaubwürdigkeitsbeurteilung Jennifer W. s hat der Sachverständige K. auch aus der detaillierten Darstellung des Rahmengeschehens auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin geschlossen (UA 28, 29). Indem das Gericht den Ausführungen des Sachverständigen gefolgt ist (UA 30), hat es zu erkennen gegeben, daß es dem Rahmengeschehen - zu dem auch das Verlassen des Hauses mit den Schuhen in der Hand zählt - entgegen der im Ablehnungsbeschluß geäußerten Auffassung sehr wohl eine Bedeutung für die Entscheidung, und zwar hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin, beigemessen hat. Hierin liegt ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO.
Bei der gegebenen Beweislage, bei der zum Kerngeschehen der Vergewaltigung Aussage gegen Aussage steht, vermag der Senat ein Beruhen des Urteils auf dem gerügten Verfahrensverstoß nicht auszuschließen.
Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß das Landgericht eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat. Es hat nämlich nicht berücksichtigt, daß Jennifer W. in früheren Vernehmungen (UA 11, 14) sowie gegenüber ihrer leiblichen Mutter (UA 26) den Zustand des Angeklagten zur Tatzeit als betrunken bezeichnet
und den Treppensturz bei der Verfolgung auf diese erhebliche Alkoholisierung zurückgeführt hat (UA 29/30).
Meyer-Goßner Maatz Kuckein Athing

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.