Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2019 - 3 StR 178/19

bei uns veröffentlicht am20.08.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 178/19
vom
20. August 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2019:200819B3STR178.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. August 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 18. Oktober 2018 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Während der Schuld- und der Strafausspruch revisionsgerichtlicher Überprüfung standhalten, kann die vom Landgericht auf § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB gestützte Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung keinen Bestand haben; denn die erforderlichen formellen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift insoweit Folgendes ausgeführt: "Soweit das Landgericht aber nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten angeordnet hat, hält das Urteil rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die von der Strafkammer herangezogene (UA S. 37 f.) 15-jährige Rückfallverjährungsfrist nach § 66 Abs. 4 Satz 3 HS 2 StGB ist nur im Verhältnis zweier Sexualdelikte zueinander anwendbar. Folgt wie hier eine Straftat aus dem Bereich der allgemeinen Kriminalität einer Sexualstraftat nach, so findet die fünfjährige Rückfallverjährungsfrist des § 66 Abs. 4 Satz 3 HS 1 StGB Anwendung (BGH, Beschlüsse vom 28. August 2018 - 2 StR 142/18, NJW 2018, 3529, 3530; vom 22. November 2018 - 4 StR 253/18, juris). Diese ist hier verstrichen , da die Anlasstat und die Vortat 13 Jahre und 6 Monate auseinander liegen (UA S. 37) und der Angeklagte während dieses Zeitraums 'nur' knapp acht Jahre (UA S. 38) inhaftiert, also nach § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt war.
Obwohl auch die übrigen Alternativen der Anordnung einer Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht vorliegen, ist aufgrund der Möglichkeit des Vorbehalts einer Sicherungsverwahrung bei erstmaliger Verurteilung wegen eines Verbrechens gegen das Leben nach § 66a Abs. 2 StGB die Sache zu erneuter Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Koblenz zurück zu verweisen. Eine eigene Entscheidung des Senats
scheidet aufgrund des in § 66a Abs. 2 StGB eingeräumten tatrichterlichen Ermessens aus."
3
Dem schließt sich der Senat an.
VRiBGH Dr. Schäfer ist Gericke Spaniol wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben.
Gericke
Berg Hoch

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2019 - 3 StR 178/19

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2019 - 3 StR 178/19

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2019 - 3 StR 178/19 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Strafgesetzbuch - StGB | § 66a Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn 1. jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,2. die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit diese

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2019 - 3 StR 178/19 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2019 - 3 StR 178/19 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Nov. 2018 - 4 StR 253/18

bei uns veröffentlicht am 22.11.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 253/18 vom 22. November 2018 in der Strafsache gegen wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:221118U4STR253.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitz

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Aug. 2018 - 2 StR 142/18

bei uns veröffentlicht am 28.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 142/18 vom 28. August 2018 BGHSt: nein BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja StGB § 66 Abs. 4 Satz 3 Die Rückfallverjährungsfrist von fünfzehn Jahren gemäß § 66 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 StGB ist nur im

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 142/18
vom
28. August 2018
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Die Rückfallverjährungsfrist von fünfzehn Jahren gemäß § 66 Abs. 4 Satz 3
Halbsatz 2 StGB ist nur im Verhältnis zweier Sexualstraftaten zueinander anwendbar.
Folgt eine Straftat aus dem Bereich der allgemeinen Kriminalität einer Sexualstraftat
nach, so gilt die fünfjährige Rückfallverjährungsfrist des § 66 Abs. 4
Satz 3 Halbsatz 1 StGB.
BGH, Beschluss vom 28. August 2018 - 2 StR 142/18 - LG Bonn
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:280818B2STR142.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 30. November 2017 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
2
Das Rechtsmittel erweist sich zum Schuld- und zum Strafausspruch als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Jedoch hält die Maßregelanordnung rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
1. Das Landgericht hat die Maßregelanordnung auf § 66 Abs. 1 StGB gestützt. Es hat die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB bejaht, wonach der Täter wegen Straftaten der in § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB genannten Art bereits zweimal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sein muss. Insoweit hat das Landgericht festgestellt:
4
Wegen im Oktober 1990 sowie im Januar und Februar 1991 begangener Taten wurde der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 5. November 1991 in Verbindung mit dem Berufungsurteil des Landgerichts Dortmund wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem Raub, sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung und schwerer räuberischer Erpressung , schweren Raubes sowie Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt. Er verbüßte die Jugendstrafe vollständig bis Februar 1997. Darüber hinaus wurde er wegen im Mai und im Juli 2003 begangener Taten des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 26. Mai 2004 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von dreizehn Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Nach seiner bewährungsweisen Entlassung aus dem Straf- und Maßregelvollzug durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn vom 9. August 2016 beging der Angeklagte die verfahrensgegenständliche Anlasstat am 26. August

2016.

5
2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung kann nicht bestehen bleiben. Die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegen nicht vor. Das Landgericht hätte die Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Dortmund vom 5. November 1991 unberücksichtigt lassen müssen. Insoweit ist bereits Rückfallverjährung eingetreten (§ 66 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 StGB).
6
a) Gemäß § 66 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 StGB bleibt eine frühere Tat außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind. Nach § 66 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 StGB beträgt die Frist „bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“fünfzehn Jahre. § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB stellt mit der „Rückfallverjährung“ die gesetzliche Vermutung auf, dass Vorverurteilungen nach einer „Wohlverhaltensphase“ von mehr als fünf Jahren bzw. von fünfzehn Jahren (Sexualstraftaten) in Freiheit für die Prognose irrelevant sind (vgl. Senat, Urteil vom 26. November 2003 – 2 StR 291/03, BGHSt 49, 25, 28; MüKo-StGB/Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern, 3. Aufl., § 66 Rn. 84). Eine Verwertung der Vorverurteilungen als Symptomtaten scheidet danach aus (BGH, Beschluss vom 3. September 2008 – 5 StR 281/08, StraFo 2008, 435).
7
b) Das Landgericht hat ersichtlich angenommen, dass die dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund zugrunde liegenden Sexualstraftaten nicht der sogenannten Rückfallverjährung unterliegen, weil insoweit § 66 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 StGB anzuwenden sei, der einer Verwertung einer Sexualstraftat erst nach einer Wohlverhaltensphase von fünfzehn Jahren entgegen steht. Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu. Die Rückfallverjährungsfrist von fünfzehn Jahren gemäß § 66 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 StGB ist nur im Verhältnis zweier Sexualstraftaten zueinander anwendbar. Folgt eine Straftat aus dem Bereich der allgemeinen Kriminalität einer Sexualstraftat nach, so findet die fünfjährige Rückfallverjährungsfrist des § 66 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 StGB Anwendung (noch offen gelassen von BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 5 StR 473/14, NStZ 2015, 210; ebenso Rissing-van Saan in Festschrift Roxin Band 2, 2011, S. 1173, 1182; Eschelbach, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 66 Rn. 69).
8
aa) Für diese einengende Auslegung dahin, dass die Frist von fünfzehn Jahren für den Eintritt der Rückfallverjährung auf Fälle beschränkt ist, in denen Sexualstraftaten einander nachfolgen, spricht bereits der Gesetzeswortlaut. Anderenfalls wäre nicht zu erklären, dass der Gesetzgeber die Anwendung der Frist ausdrücklich auf „Sexualstraftaten“ beschränkt hat. Hätte er der längeren Rückfallverjährung einen weiteren Anwendungsbereich eröffnen wollen, hätte es nahe gelegen, dies ausdrücklich – etwa durch eine – dem Halbsatz 1 entsprechende und konkret auf die frühere Tat abstellende – Formulierung – zum Ausdruck zu bringen.
9
bb) Für eine enge Auslegung der Vorschrift sprechen auch der aus den Gesetzesmaterialien ersichtliche Wille des Gesetzgebers sowie der Zweck der Norm. Mit der durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I vom 31.12.2010, S. 2300) eingeführten und zum 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Neuregelung sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass „kriminologische Untersuchungen“ die Annahme nahe legen, dass Sexualstraftäter „nicht ganz selten erst nach fünf bis zehn Jahren in Freiheit erstmalig rück- fällig werden und sich insoweit deutlich von anderen Tätergruppen, wie zum Beispiel Räubern, unterscheiden“ (BT-Drucks. 17/3403, S. 25); die längere Rückfallverjährung sollte für „einschlägige“ Rückfälle gelten (so ausdrücklich BT-Drucks. 17/3403, S. 25). Die ursprünglich im Gesetzesentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und FDP (BT-Drucks. 17/3403) für Sexualstraftaten vorgesehene besondere Rückfallverjährungsfrist von zehn Jahren wurde nach einer am 10. November 2010 durchgeführten Anhörung, in der von Expertenseite darauf hingewiesen worden war, dass eine Verlängerung auf zehn Jahre nach den Erfahrungen der Praxis noch nicht als ausreichend angesehen werden könne (vgl. BT-Drucks. 17/4602, S. 14) – der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages (BT-Drucks. 17/4062, S. 1) folgend – auf fünfzehn Jahre angehoben, ohne dass sich diese beschränkte Zielsetzung verändert hätte (vgl. Kreuzer, StV 2011, 122, 129; SK-StGB/Sinn, 9. Aufl., § 66 Rn. 19; kritisch Pfister, FPPK 2011, 82, 86).
10
Damit hat der Gesetzgeber einer Besonderheit Rechnung getragen, die ausschließlich für Sexualstraftäter Geltung beansprucht. Weil sie – im Gegensatz zu Straftätern aus den anderen in § 66 Abs. 1 StGB benannten Deliktsbereichen – nach forensischer Erfahrung häufig deutlich später rückfällig werden , soll die „Wohlverhaltensphase“, an die das Gesetz die Vermutung mangelnder Prognoserelevanz der Vortat knüpft, um das Dreifache verlängert werden.
11
cc) Für eine einengende Auslegung der Norm sprechen auch systematische Gründe, da es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt. Ein solches Verständnis der Vorschrift erscheint schließlich auch vorzugswürdig, weil eine auf fünfzehn Jahre bemessene Rückfallverjährung in ein Spannungsverhältnis zur Feststellung des Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu geraten droht, der für die Verhängung der Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung konstitutiv ist (vgl. Pfister, aaO; ebenso Schönke/Schröder/ Stree/Kinzig, StGB, 29. Aufl., § 66 Rn. 67).
12
3. Bei dieser Sachlage kann der Maßregelausspruch keinen Bestand haben.
13
Der neue Tatrichter wird nunmehr zu prüfen haben, ob er auf der Grundlage des § 66 Abs. 3 StGB Sicherungsverwahrung anordnet; diese Entscheidung steht in seinem Ermessen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2003 – 3 StR 251/03, NStZ-RR 2004, 12).Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Schäfer Krehl Eschelbach Bartel Schmidt

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 253/18
vom
22. November 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:221118U4STR253.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. November 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 9. Februar 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang am 16. Februar 2017 wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit dem Versuch des Sicherverschaffens von Betäubungsmitteln in sonstiger Weise und vorsätzlicher Körperverletzung (vier Jahre Freiheitsstrafe) unter Einbeziehung der Einzelstrafen (ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe wegen Raubes, Körperverletzung und versuchter Körperverletzung, sowie zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe wegen Raubes in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. April 2015 nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Eine vorbehaltlose Anordnung der Sicherungsverwahrung hatte es mit der Begründung abgelehnt, dass die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nicht sicher feststellbar seien. Jedoch wurde die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Auf die Revision des Angeklagten hob der Senat mit Beschluss vom 19. Juli 2017 die vorbehal- tene Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung mit den zugehörigen Feststellungen auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Die weiter gehende Revision verwarf der Senat. Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht von einem Vorbehalt der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Das sachverständig beratene Landgericht hat im zweiten Rechtsgang die Voraussetzungen für eine Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung sowohl nach § 66 Abs. 1 StGB als auch nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB für gegeben erachtet. Der Angeklagte habe einen Hang zu erheblichen Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB. Seine strafrechtliche Vorgeschichte und sein Persönlichkeitsbild zeigten eine eingewurzelte , intensive innere Neigung zur Begehung von gravierenden Raub- und Körperverletzungsdelikten. Infolge seines Hanges sei der Angeklagte für die Allgemeinheit gefährlich, weil von ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere schwere Raub- und Körperverletzungsdelikte zu erwarten seien. Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sei auch verhältnismäßig. Da bei dem Angeklagten keine Haltungsänderung erwartet werden könne, sei eine Anordnung auch mit Blick auf das nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB eingeräumte Ermessen unerlässlich.
3
Eine Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung komme aber wegen des Verschlechterungsverbots des § 358 Abs. 2 StPO nicht in Betracht. Da eine hangbedinge Gefährlichkeit des Angeklagten nunmehr mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, scheide auch ein Vorbehalt der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66a StGB aus.
4
2. Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen Vorbehalt der Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66a Abs. 1 StGB abgelehnt hat, halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
a) Die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 1 StGB sind gegeben. Der Angeklagte ist wegen einer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b StGB genannten Straftaten (versuchte räuberische Erpressung) verurteilt worden (§ 66a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Auch liegen die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB vor (§ 66a Abs. 1 Nr. 2 StGB), denn der Angeklagte hat zwei Katalogtaten im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b StGB begangen (versuchte räuberische Erpressung und aus der einbezogenen Verurteilung Raub in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren (vier Jahre sowie zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe) verwirkt hat, wobei er wegen einer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist.
6
b) Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen des § 66a Abs. 1 Nr. 3 StGB deshalb nicht gegeben seien, weil zum Entscheidungszeitpunkt eine hangbedingte Gefährlichkeit im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB sicher feststellbar und nicht nur wahrscheinlich sei, kann dem nicht gefolgt werden.
7
aa) Denn die Strafkammer hat nicht beachtet, dass mit der Verneinung der Voraussetzungen der vorbehaltlosen Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 StGB im ersten Rechtsgang die dieser teilrechtskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen und Wertungen, dass eine hangbedingte Gefährlichkeit gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht sicher vorliegt, prozessual bindend geworden sind.
8
(1) Die Teilaufhebung eines Urteils in Anwendung des § 353 Abs. 2 StPO hat zur Folge, dass der im zweiten Rechtsgang entscheidende Tatrichter an die Feststellungen und Wertungen im Ersturteil gebunden ist, die den von der Aufhebung nicht betroffenen und damit unabänderlich (teilrechtskräftig) gewordenen Entscheidungsteilen zugrunde liegen. Soweit diese Umstände und Wertungen auch für die Neubeurteilung der aufgehobenen Entscheidungsteile von Bedeutung sind, müssen sie der Entscheidung im zweiten Rechtsgang so zugrunde gelegt werden, wie sie im ersten Rechtsgang festgestellt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 458/16, NJW 2017, 2847 Rn. 11 ff.; Beschluss vom 22. Juli 1971 – 4 StR 184/71, BGHSt 24, 185, 188; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 353 Rn. 20a mwN).
9
(2) Danach war die Strafkammer im zweiten Rechtsgang an die im ersten Urteil getroffene Feststellung und Wertung, dass eine hangbedingte Gefährlichkeit im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nicht sicher vorliegt, gebunden. Denn das Landgericht hat im ersten Rechtsgang seine Entscheidung, die vorbehaltslose Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 StGB nicht anzuordnen, allein hierauf gestützt. Dieser den Angeklagten nicht beschwerende Entscheidungsteil ist mit dem Beschluss des Senats vom 19. Juli 2017 teilrechtskräftig geworden. Würde im zweiten Rechtsgang nunmehr festgestellt , dass die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB sicher vorliegen, ließen sich beide Urteile insoweit nicht mehr zu einem einheitlichen widerspruchsfreien Sachurteil zusammenfügen.
10
bb) Dessen ungeachtet stünde die Annahme, dass die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB sicher feststehen, hier einer Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 1 StGB auch nicht entgegen.
11
(1) Zwar ist für die Anordnung eines Vorbehalts der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 1 StGB kein Raum mehr, wenn die Voraussetzungen für eine Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 2008 – 1 StR 449/08, NStZ 2009, 566, 567; Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 193 [zu § 66a StGB jeweils in der Fassung vom 21. August 2002]; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 66a Rn. 4). Dies kann aber nur dann gelten, wenn eine insoweit „vorrangige“ (vgl. BT-Drucks. 17/3403, S. 26) vorbehaltlose Anordnung von Sicherungsverwahrung rechtlich noch möglich ist. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen, denen Revisionen des Angeklagten zugrunde lagen , vorbehaltene Anordnungen von Sicherungsverwahrung als nicht beschwerend bestätigt, obgleich die Voraussetzungen für eine vorbehaltlose Anordnung von Sicherungsverwahrung rechtsfehlerfrei festgestellt waren; eine vorbehaltlose Anordnung von Sicherungsverwahrung aber aufgrund des Schlechterstellungsverbots nicht mehr erfolgen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 2008 – 1 StR 449/08, NStZ 2009, 566, 567; Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 StR 347/05; siehe auch Beschluss vom 19. Februar 2013 – 5 StR 620/12, NStZ-RR 2013, 204; offen gelassen in BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 – 3 StR 394/10, NStZ 2011, 513, 514).
12
Die vorliegende Prozesslage entspricht dieser Fallkonstellation. Eine vorbehaltlose Anordnung von Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB war im zweiten Rechtsgang nicht mehr möglich, weil die Anordnung bereits im ersten Rechtsgang abgelehnt und das Ersturteil insoweit teilrechtskräftig geworden ist. Da nur der Angeklagte Revision eingelegt hatte, stünde einer entsprechenden Anordnung auch das Schlechterstellungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2013 – 5 StR 620/12, NStZ-RR 2013, 204 a.E.; Beschluss vom 5. September 2008 – 2 StR 265/08, StV 2008, 635 a.E.).
13
(2) Die in § 66a Abs. 1 Nr. 3 StGB festgelegten materiellen Voraussetzungen für eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB sind auch dann erfüllt, wenn die hangbedingte Gefährlichkeit des Täters im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB feststeht.
14
Die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der vorbehaltlosen und der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung unterscheiden sich insoweit nicht inhaltlich, sondern lediglich in den jeweiligen beweisrechtlichen Anforderungen. Die vorbehaltlose Sicherungsverwahrung setzt die sichere Feststellung der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB voraus, während § 66a Abs. 1 Nr. 3 StGB die positive Feststellung des Gerichts genügen lässt, dass das Vorliegen eines Hangs und einer daraus folgenden Gefährlichkeit wahrscheinlich ist (vgl. BT-Drucks. 17/3403, S. 15 und 26; BGH, Beschluss vom 19. Juli 2017 – 4 StR 245/17, BGHR StGB § 66a Abs. 1 Nr. 3 Voraussetzungen 1 mwN). Eine Feststellung im Sinne des § 66a Abs. 1 Nr. 3 StGB ist in der Sache aber auch dann getroffen, wenn sich der Tatrichter vom sicheren Vorliegen der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu überzeugen vermag. Denn dieser Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) liegt letztlich auch nur eine Wahrschein- lichkeitsaussage zugrunde. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Täter einen Hang hat und ihm deshalb eine entsprechende Gefährlichkeitsprognose gestellt werden muss, allerdings so hoch, dass deren Vorliegen (Hang) bzw. Richtigkeit (Gefährlichkeitsprognose) deshalb vom Tatrichter für gewiss gehalten wird (vgl. Miebach in Münchner Kommentar zur StPO, 1. Aufl., § 261 Rn. 52 mwN; siehe auch BGH, Urteil vom 25. September 2012 – 1 StR 160/12, NStZ 2013, 225, 226 f. [zu Prognoseentscheidungen]).
15
(3) Soweit in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Juli 2005 (2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 193) davon die Rede ist, dass § 66a StGB im Fall der sicheren Feststellung der genannten Voraussetzungen keine Anwendung fin- det, weil das Merkmal „nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar“ nicht er- füllt ist, bezieht sich dies auf § 66a Abs. 1 StGB in der Fassung vom 21. August 2002, der keine weiter gehende positive Bestimmung der materiellen Voraussetzungen für den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung enthielt. Nach der Neufassung von § 66a Abs. 1 StGB kommt diesem Merkmal nur noch die Bedeutung einer Konkurrenzregel zu, die dann zu einer Nichtanwendbarkeit von § 66a Abs. 1 StGB führt, wenn die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB sicher vorliegen und deshalb die Anordnung der primären Sicherungsverwahrung in Betracht kommt, „die dann vorrangig wäre“ (vgl. BT-Drucks. 17/3403, S. 26).
16
Der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung gemäß § 66a Abs. 1 StGB bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und
3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn

1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird,
2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und
3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.