Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2017 - 2 StR 512/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:050717B2STR512.16.1
bei uns veröffentlicht am05.07.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 512/16
vom
5. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:050717B2STR512.16.2

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Juli 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 12. Juli 2016, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II.1. der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schwerer räuberischer Er- pressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“, Diebstahls in zwei Fällen sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr und sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die dagegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und führt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II.1. der Urteilsgründe und zur Aufhebung der Gesamtstrafe; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen entschlossen sich die Angeklagten Wi. , W. und D. , eine Geldforderung in Höhe von 100,00 Euro, die dem Angeklagten W. gegen den Geschädigten aus einem Drogengeschäft zustand, gewaltsam einzutreiben. Sie kamen überein, den Geschädigten R. in seiner Wohnung aufzusuchen und durch massive Einschüchterung , erforderlichenfalls auch mit Gewalt, zur Begleichung der Schuld zu veranlassen. Weil er den Angeklagten W. „hingehalten“ hatte, sollte der Geschädigte 400,00 Euro bezahlen; ersatzweise sollte er zur Übergabe von Gegenständen in einem entsprechenden Gegenwert als Pfand gezwungen werden, die er gegen Zahlung der geforderten Geldsumme zurückerhalten sollte.
3
In Umsetzung dieses Tatentschlusses kündigte der Angeklagte Wi. , der mit dem Geschädigten R. befreundet war, diesem mit einer Kurznach- richt an, dass er ihn in seiner Wohnung aufsuchen werde, weil „er etwas mit ihm zu bereden habe“. Alle drei Angeklagten begaben sich daraufhin zur Wohnung des Geschädigten R. . Dabei führte der Angeklagte W. mit Wissen und Billigung der beiden Mitangeklagten ein in eine Stabtaschenlampe integriertes Elektroschockgerät mit sich, das ebenso wie eine Pistolenattrappe, die einer der drei Angeklagten mit sich führte, zur Einschüchterung des Geschädigten eingesetzt werden sollte.
4
Der Angeklagte Wi. klingelte an der Haustür des Geschädigten, während die anderen beiden Angeklagten sich in der Nähe des Wohnanwesens verbargen. Nachdem der Geschädigte aus dem Fenster geschaut und sich vergewissert hatte, dass der Angeklagte Wi. alleine vor dem Eingang des Mehrfamilienhauses stand, öffnete er die Haustüre und ließ den Angeklagten Wi. in die Wohnung ein. Wie vorab mit den Mitangeklagten verabredet, begab sich der Angeklagte Wi. sodann unter einem Vorwand zur Wohnungstür , betätigte den Türöffner für die Haustür und öffnete die Wohnungstüre, um den beiden Mitangeklagten unbemerkt den Zutritt zur Wohnung zu ermöglichen. Anschließend kehrte er in das Wohnzimmer zurück und unterhielt sich mit dem ahnungslosen Geschädigten, der zu Abend aß. Wenig später „stürmten“ die Angeklagten W. und D. in das Wohnzimmer. Der Angeklagte W. schrie den Geschädigten an („was soll das, Du Fotze“) und betätigtedeutlich optisch und akustisch wahrnehmbar das Elektroschockgerät. Einer der Angeklagten ergriff das Handy des Geschädigten und legte es weit entfernt vom Geschädigten ab, um zu verhindern, dass er Hilfe herbeihole. Einer der Angeklagten zog demonstrativ die Pistolenattrappe und legte sie – für den Geschädigten, der hierdurch eingeschüchtert werden sollte, deutlich wahrnehmbar – auf einem Schreibtisch ab. Der Angeklagte D. versetzte dem Geschädigten zwei Schläge mit der flachen Hand in das Gesicht, wodurch dieser eine leichte Schwellung im Gesicht erlitt. Sodann forderte der Angeklagte W. den Geschädigten auf, 400,00 Euro herauszugeben. Nachdem dieser erklärt hatte, nicht über einen solchen Geldbetrag zu verfügen, „sahen die Angeklagten sich jetzt im Wohnzimmer nach Wertgegenständen um“ und bemerkten sofort die Spielkonsole „Playstation 4“, woraufhin der Angeklagte D. deren Herausgabe forderte. Der Geschädigte R. packte daraufhin unter demEindruck des Geschehens und aus Furcht vor weiteren Übergriffen die Spielekonsole nebst Zubehör in eine Plastiktüte und händigte sie dem Angeklagten D. aus. Der Angeklagte W. erklärte R. , dass „er die Gegenstände zurückerhalten würde, sofern er bis zum Ende des Monats 400,00 Euro zahlen würde“. Anschließend verließen die Angeklagten die Wohnung.
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2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte Wi. sich der mittäterschaftlich begangenen (besonders) schweren räuberischen Erpressung schuldig gemacht habe. Anhaltspunkte dafür, dass er irrig von einer tatsächlich bestehenden Geldforderung des Angeklagten W. in Höhe der geforderten 400,00 Euro ausgegangen sein könnte, bestünden nicht.
6
3. Dies hält – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend hingewiesen hat – rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
a) Der Täter, der die Herausgabe eines Gegenstands als Pfand für eine tatsächlich nicht bestehende Forderung erzwingt, verschafft sich dadurch unmittelbar einen dem Besitzentzug stoffgleichen vermögenswerten Vorteil (BGH, Beschluss vom 13. April 2011 – 3 StR 70/11, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 19). Anders kann es jedoch in Fallkonstellationen der zwangsweisen Inpfandnahme einer Sache bei tatsächlich bestehender Forderung oder in Fällen liegen, in denen der Täter irrig vom Bestehen einer Forderung ausgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 1982 – 4 StR 255/82, NJW 1982, 2265; Urteil vom 17. Dezember 1987 – 4 StR 628/87, NStZ 1988, 216; Beschluss vom 26. Februar 1998 – 4 StR 54/98, NStZ-RR 1998, 235, 236; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl. § 253 Rn. 29; differenzierend Bernsmann, NJW 1982, 2214). Ungeachtet des Umstands, dass ein Gläubiger auch bei Bestehen einer fälligen und einredefreien Forderung von Rechts wegen nicht berechtigt ist, den Schuldner zur Herausgabe eines Sicherungsmittels zu nötigen, scheidet eine Strafbarkeit wegen Erpressung in der Regel aus, weil der Täter nicht in der Absicht handelt, sich oder einen Dritten rechtswidrig zu bereichern (vgl. Senat, Beschluss vom 23. November 1989 – 2 StR 540/89, juris Rn. 3; BGH, Beschluss vom 14. Juni 1982 – 4 StR 255/82, NJW 1982, 2265; Urteil vom 17. Dezember 1987 – 4 StR 628/87, NStZ 1988, 216; Beschluss vom 26. Februar 1998 – 4 StR 54/98, NStZ-RR 1998, 235, 236).
8
b) Vor diesem Hintergrund ist für eine Strafbarkeit des Angeklagten Wi. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung (§§ 253, 255 StGB) entscheidend, welche Vorstellungen er in Bezug auf die dem Angeklagten W. gegen den Geschädigten R. zustehenden Geldforderung hatte. Zwar hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte W. den Angeklagten Wi. vor der Tat darüber informiert habe, dass der Geschädigte R. ihm „aus einem Drogengeschäft“ 100,00 Euro schulde. Diese Feststellung findet jedoch in den Beweiserwägungen keine Stütze.
9
Insoweit hat der Generalbundesanwalt ausgeführt: „a) Weder der Angeklagte noch die Mitangeklagten W. und D. haben ausweislich ihrer in den Urteilsgründen wiedergegebenen Einlassungen eingeräumt, dass der Hintergrund und die tatsächliche Höhe der Forderung im Vorfeld der Tat erörtert wur- den. Der Angeklagte hat erklärt, ihm sei bekannt gewesen, „dass W. von R. Geld zurück haben wollte und von R. ver- tröstet wurde“ (UA 30). W. hat erklärt, dass der Angeklagte gewusst habe, dass der Geschädigte aufgesucht werden sollte, „um die Rückzahlung des Geldes zu fordern“; auch gegenüber D. habe er geäußert, dass er „von R. noch Geld be- komme“ (UA S. 24). D. hat sich dahingehend eingelas- sen, dass ihm „die konkreten Angelegenheiten“ zwischen W. und dem Geschädigten nicht bekannt gewesen seien; er habe nicht gewusst, in welcher Höhe der Geschädigte Schulden bei W. gehabt habe und woraus diese resultierten (UA S. 36/37).
b) Dass der Geschädigte – auf dessen Bekundungen sich das Landgericht maßgeblich stützt – Angaben zu den Absprachen der Angeklagten vor der Tat gemacht hat, geht aus den Urteilsgründen nicht hervor und liegt im Hinblick darauf, dass diese in seiner Abwesenheit erfolgten, auch fern.
c) Die Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen in der Wohnung des Geschädigten (UA S. 17-20) lassen nicht erkennen, dass die Herkunft der Forderung von W. aus „Drogenschul- den“ und die Differenz zwischen dem geschuldeten und dem ver- langten Geldbetrag zumindest während der Tat zur Sprache gekommen sind.
d) In Anbetracht der Besonderheiten des Falls versteht es sich auch nicht von selbst, dass der Angeklagte wusste oder jedenfalls mit der Möglichkeit rechnete, dass die Tat der Durchsetzung einer nicht bestehenden Forderung diente. Vor dem Hintergrund, dass W. nach den Feststellungen tatsächlich einen – wenn auch im Vergleich zu der geforderten Summe geringeren und zivilrechtlich nicht durchsetzbaren – Anspruch gegen den Geschädigten hatte, ist es nicht fernliegend, dass er den Angeklagten und D. – entsprechend der von der Strafkammer nicht gewürdigten Einlassungen der Angeklagten – lediglich pauschal darüber informierte, der Geschädigte habe Schulden bei ihm, und die Angeklagten daraufhin übereinkamen, deren Bezahlung gemeinsam mit Nötigungsmitteln einzufordern. Da das Landgericht sich mit dieser Möglichkeit nicht auseinandergesetzt hat, liegt ein Erörterungsmangel vor, der dem Schuldspruch wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung die Grundlage entzieht. 3. Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt auch zur Aufhebung der Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverlet- zung […] Der neue Tatrichter wird hinsichtlich dieses Tatvorwurfs zu bedenken haben, dass die mittäterschaftliche Beteiligung an einer (gefährlichen) Körperverletzung einen Tatbeitrag voraussetzt, der zwar nicht in der eigenhändigen Vornahme von Verletzungshandlungen bestehen, für die Tat jedoch objektiv förderlich sein (Senat, Urteil vom 5. Februar 1986 – 2 StR 640/85, BeckRS 1986, 31101559) und ebenso wie der auf die gemeinsame Begehung der Tat gerichtete Tatentschluss auf Grundlage einer nachprüfbaren Beweiswürdigung festgestellt werden muss.“
10
Diesen Ausführungen tritt der Senat bei.
11
Diese Erörterungsmängel führen zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II.1. der Urteilsgründe und zum Wegfall der Gesamtstrafe.
12
Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.
Krehl Zeng Bartel Grube Richter am BGH Schmidt ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 253 Erpressung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten

Strafgesetzbuch - StGB | § 255 Räuberische Erpressung


Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 70/11
vom
13. April 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
13. April 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16. November 2010, soweit es sie betrifft ,
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagte der Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung und des Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig ist,
b) im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; die Anordnung der Maßregel entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (Fall I. 3.1 der Urteilsgründe) sowie wegen Nötigung in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung und zur vorsätzlichen Körperverletzung (Fall I. 3.2 der Urteilsgründe) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt und ihre Unterbringung in einer Ent- ziehungsanstalt angeordnet. Die Revision der Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch im Falle I. 3.2 der Urteilsgründe ist nicht frei von Rechtsfehlern.
3
a) Nach den Feststellungen bedrohte der Mitangeklagte den Geschädigten mit einem Messer und versetzte ihm Schläge ins Gesicht, um ihn so zur Begleichung einer, wie er wusste, rechtlich nicht existenten Forderung oder Übergabe einer entsprechenden Menge Drogen zu veranlassen. Als er erkannte, dass der Geschädigte weder über Bargeld noch über Betäubungsmittel verfügte , verlangte er von ihm, sich seiner neuwertigen Turnschuhe zu entledigen, die er - neben anderen persönlichen Gegenständen des Geschädigten - als Pfand in Besitz nehmen wollte. Unter der fortbestehenden Bedrohung mit dem Messer und mit weiteren Schlägen kam der Geschädigte der Aufforderung nach. Währenddessen durchsuchte die Angeklagte, die den Mitangeklagten bei der Beitreibung der Forderung in Kenntnis ihrer Unrechtmäßigkeit unterstützen wollte, die bewegliche Habe des Geschädigten. Der Mitangeklagte übergab die Schuhe und andere Gegenstände aus dem Besitz des Geschädigten der Angeklagten , die sie absprachegemäß aus der Wohnung des Geschädigten wegtrug und bei sich verwahrte.
4
Dieses als einheitlich zu bewertende Geschehen stellt sich für den Mitangeklagten entgegen der Annahme des Landgerichts nicht als Nötigung in Tateinheit mit versuchter, sondern insgesamt als vollendete besonders schwere räuberische Erpressung nach §§ 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB dar; hierzu hat die Angeklagte, die den Mitangeklagten bei der Tatausführung unterstützte, Beihilfe geleistet. Denn der Täter, der die Hergabe eines Pfandgegenstands für eine nicht bestehende Forderung erzwingt, verschafft sich dadurch unmittelbar einen dem Besitzentzug stoffgleichen vermögenswerten Vorteil. Insoweit liegt der Fall anders als bei einer bestehenden oder jedenfalls vom Täter für bestehend gehaltenen Forderung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 14. Juni 1982 - 4 StR 255/82, NJW 1982, 2265; Urteil vom 17. Dezember 1987 - 4 StR 628/87, NStZ 1988, 216; Beschluss vom 26. Februar 1998 - 4 StR 54/98, NStZ-RR 1998, 235).
5
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagte hätte sich bei zutreffender rechtlicher Bewertung der Tat nicht anders verteidigen können.

b) Demgegenüber tragen die Feststellungen nicht den Schuldspruch wegen (tateinheitlich hinzutretender) Beihilfe zu der vom Mitangeklagten begangenen vorsätzlichen Körperverletzung.
6
Zwar informierte die Angeklagte den im Hauseingang lauernden Mitangeklagten vom Herannahen des Geschädigten; der Mitangeklagte setzte diesem darauf von hinten ein Messer an die Kehle, zwang ihn so die Treppe hoch in die Wohnung und verlangte von ihm dort unter Vorhalt des Messers und unter Schlägen ins Gesicht Geld oder Drogen. Nicht belegt ist aber, dass die Angeklagte bei ihrem Zuruf bereits mit Gehilfenvorsatz bezüglich des weiteren Tatgeschehens handelte. Hiergegen spricht schon die anschließende Feststellung , die Angeklagte, "die den Männern gefolgt war und alles mitbekam", habe den Mitangeklagten "durch ihre Anwesenheit und Mitwirkung bei der Beschaffung von Geld unterstützen" wollen. Inwieweit andererseits die Anwesenheit der Angeklagten in der Wohnung etwa noch fortdauernde Körperverletzungshand- lungen des Mitangeklagten - im Sinne psychischer Beihilfe - gefördert hat, lässt das Landgericht offen. Dass und wodurch die Begehung der Haupttat in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde, bedarf indes grundsätzlich sorgfältiger und genauer Feststellungen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2000 - 4 StR 229/00, NStZ-RR 2001, 40).
7
Der Senat schließt aus, dass in einer erneuten Hauptverhandlung solche Feststellungen noch getroffen werden können. Er ändert deshalb auch insoweit den Schuldspruch ab.
8
c) Die im Falle I. 3.2 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe hat gleichwohl Bestand, denn das Landgericht hätte diese bei zutreffender rechtlicher Würdigung der Tat nicht milder als geschehen bemessen.
9
2. Keinen Bestand hat die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB).
10
Sachverständig beraten stellt das Landgericht fest, dass die abgeurteilten Taten auf eine langjährige massive Abhängigkeit der Angeklagten von harten Drogen zurückzuführen seien, weshalb von ihr auch die Gefahr weiterer derartiger milieutypischer Straftaten ausgehe. Da die Angeklagte "nach wie vor" bemüht sei, ihre Drogenabhängigkeit zu überwinden, erscheine trotz einer Vielzahl erfolglos beendeter Entgiftungen und Entziehungen "der Erfolg einer weiteren stationären Therapie zur Zeit noch nicht aussichtslos".
11
Dies trägt nicht den Maßregelausspruch, denn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf nach § 64 Satz 2 StGB in der am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Fassung (Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychi- atrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007, BGBl. I S. 1327) nur angeordnet werden, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren. Mit der Erwägung, die Maßregel erscheine "nicht aussichtslos", hat das Landgericht seiner Entscheidung stattdessen den Maßstab des § 64 Abs. 2 StGB aF in dessen ursprünglichem, vom Bundesverfassungsgericht bereits mit Beschluss vom 16. März 1994 (2 BvL 3/90 u.a., BVerfGE 91, 1) als verfassungswidrig beanstandetem Verständnis zu Grunde gelegt.
12
Da die seit 2001 heroinabhängige Angeklagte mittlerweile 14 stationäre Entgiftungen erfolglos durchlaufen hat, schließt der Senat aus, dass ein neuer Tatrichter zu Feststellungen gelangt, welche die Annahme rechtfertigen, eine Behandlung der Angeklagten im Maßregelvollzug biete nunmehr eine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg. Er bringt den Maßregelausspruch deshalb in Wegfall.
Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.