Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Mai 2014 - 2 StR 428/13

published on 27/05/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Mai 2014 - 2 StR 428/13
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 428/13
vom
27. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Mai 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 2. Mai 2013 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


I.

1
1. Der Angeklagte war durch ein erstes Urteil des Landgerichts Limburg (Lahn) vom 11. August 2010 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat mit Beschluss vom 6. April 2011 – 2 StR 73/11 (StV 2011, 709) dieses Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2
2. Mit einem zweiten Urteil vom 29. November 2011 war der Angeklagte durch das Landgericht Limburg (Lahn) erneut wegen (Heimtücke-)Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach den Feststellungen dieses Urteils war die Ehe des griechisch-stämmigen Angeklagten und seiner griechischen Frau T. seit Jahren durch Streitigkeiten und Aus- einandersetzungen belastet. Diese beschimpfte den Angeklagten des Öfteren, ohrfeigte ihn und warf mit Gegenständen nach ihm. Der Angeklagte wurde dabei zu keinem Zeitpunkt selbst körperlich aggressiv, sondern nahm die verbalen und körperlichen Attacken stets duldend hin, allenfalls schrie er gelegentlich zurück. Während eines gemeinsamen Urlaubs in B. C. mit dem Ziel, die Beziehung zu überdenken, kam es am 16. Mai 2009 erneut zu einem heftigen Streit. Im Verlauf des Streits erklärte T. dem Angeklagten, sie habe einen neuen Partner und werde ihn – den Angeklagten – verlassen. Schließlich ohrfeigte sie den Angeklagten und wandte ihm sodann den Rücken zu. Der Angeklagte erkannte, dass auch der gemeinsame Urlaub keine Versöhnung mit seiner Ehefrau gebracht hatte, und fasste den Entschluss, seine kräftige und durchsetzungsstarke Ehefrau mit einem Angriff von hinten zu töten. In Umsetzung dieses Plans legte der Angeklagte seiner Ehefrau den zuvor von seiner Hose gezogenen Gürtel um den Hals und erdrosselte sie.
3
Der Senat hatte dieses zweite Urteil mit Beschluss vom 7. August 2012 – 2 StR 218/12 (NStZ 2013, 31) auf die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Gießen zurückverwiesen , weil das Landgericht die Voraussetzungen eines schuldrelevanten Affektes nur unzureichend geprüft hatte und nicht auszuschließen war, dass bei fehlerfreier Prüfung das Mordmerkmal der Heimtücke entfallen und lediglich eine Verurteilung wegen Totschlags in Betracht gekommen wäre.
4
3. Das Landgericht Gießen hat den Angeklagten nunmehr wegen Mordes zu elf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und hiervon auf Grund einer unangemes- senen Verfahrensverzögerung ein Jahr als „verbüßt“ angesehen. Dabeihat es den Senatsbeschluss vom 7. August 2012 dahin ausgelegt, dass die Feststel- lungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten, während diejenigen zur inneren Tatseite aufgehoben worden seien. Zum äußeren Tatgeschehen hat das Landgericht ergänzend festgestellt, dass der Angeklagte dem Opfer nach dessen Ohrfeige einen Faustschlag ins Gesicht versetzt hatte. Gleichwohl hat das Landgericht das Mordmerkmal der Heimtücke als erfüllt angesehen. Eine erhebliche verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) hat es verneint, allerdings in Anwendung der sogenannten Rechtsfolgenlösung (BGHSt 30, 105) eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen.
5
Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf Verfahrensbeanstandungen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

II.

6
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
7
2. Auch die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
8
a) Zutreffend ist das Landgericht bei der Auslegung des Senatsbeschlusses vom 7. August 2012 von der Rechtsprechung des erkennenden Senats ausgegangen, wonach die Feststellungen, soweit sie nicht durch einen gesonderten Ausspruch aufgehoben werden, bestehen bleiben (vgl. Beschluss vom 28. März 2007 – 2 StR 62/07, NJW 2007, 1540, 1541; vgl. auch Senat, Beschluss vom 25. Juni 2008 – 2 StR 176/08, NStZ-RR 2008, 342; BGH, Beschluss vom 12. Februar 2014 – 1 StR 10/14). An dieser Rechtsprechung, für die sich auch Hinweise in den Gesetzgebungsmaterialien finden (vgl. Hahn, Die Gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band 3, Materialien zur Strafprozessordnung, 2. Aufl., S. 258), hält der Senat weiterhin fest. Im vorliegenden Einzelfall ist gleichwohl nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von einer Aufhebung der Feststellungen zur inneren Tatseite ausgegangen ist. Denn die Gründe des Senatsbeschlusses vom 7. August 2012 lassen erkennen , dass kein bloßer Würdigungsfehler vorlag, bei dem die Feststellungen regelmäßig bestehen bleiben können; vielmehr waren durch die fehlerhafte Prüfung der verminderten Schuldfähigkeit erkennbar auch die Feststellungen zur inneren Tatseite betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO).
9
b) Ob die vom Landgericht ergänzend getroffenen Feststellungen zum Faustschlag des Angeklagten in das Gesicht des Opfers vor der Tat den aufrechterhaltenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen widersprechen, wonach der Angeklagte in der Vergangenheit seine Ehefrau nie geschlagen oder in anderer Weise körperlich angegriffen hat, kann dahinstehen. Denn das Urteil würde auf diesem Verstoß gegen die innerprozessuale Bindungswirkung (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318 mwN) jedenfalls nicht beruhen.
10
aa) Der Schuldspruch wegen Mordes wäre durch den Rechtsfehler nicht gefährdet. Die Feststellungen belegen – auch ohne Berücksichtigung des neu festgestellten Faustschlags – die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer heimtückischen Begehungsweise, die ohnehin näher liegt, wenn der in seinen kognitiven Fähigkeiten nicht beeinträchtigte Angeklagte (vgl. UA S. 31, 53) seine Ehefrau ohne vorangegangenen Faustschlag von hinten erdrosselt hätte.
11
bb) Auch der Strafausspruch würde auf diesem Rechtsfehler nicht beruhen. Den Ausführungen der sachverständig beratenen Strafkammer ist ohne Weiteres zu entnehmen, dass die affektive Erregung des Angeklagten auch ohne Berücksichtigung des vorherigen Faustschlags kein für § 21 StGB relevantes Ausmaß erreicht hat (UA S. 31 f., 40 f.). Soweit das Landgericht im Übrigen strafschärfend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte das Opfer vor der Tat durch einen Faustschlag verletzt hat (UA S. 56), ist im Ergebnis nicht zu besorgen, dass sich dies zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt haben könnte. Denn das Landgericht hat unter Verkennung des Ausnahmecharakters der Rechtsfolgenlösung (vgl. hierzu nur BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05, BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7 mwN) rechtsfehlerhaft von der Verhängung der an sich verwirklichten lebenslangen Freiheitsstrafe abgesehen , so dass ein Beruhen des Urteils auf der möglicherweise fehlerhaften Berücksichtigung dieses Umstandes ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2003 – 3 StR 318/03). Fischer Appl Schmitt Krehl Ott
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.